L 8 B 313/08 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 SO 34/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 B 313/08 SO ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerden des Antragstellers und der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Augsburg vom 3. April 2008 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.
Der 1947 geborene Antragsteller zu 1) und seine Ehefrau, die 1958 geborene Antragstellerin zu 2) (Ast) erhielten seit November 1995 Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz. Seit 1. Januar 2003 hatte der Ast Anspruch auf Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz, seit 1. Januar 2005 beziehen die Ast Leistungen nach dem SGB XII.

Ab 1999 wurde anerkannt, dass bei den Ast ein Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung besteht (lipidsenkende Kost wegen Hyperlipidämie). Zuletzt wurde mit Bescheid vom 31. Mai 2007 ein diesbezüglicher Mehrbedarf in Höhe von jeweils 39,00 Euro berücksichtigt.

Der Antragsgegner (Ag) stellte mit Bescheid vom 21. Juni 2007 unter Neufestsetzung des Hilfebedarfs die Weitergewährung des bislang bewilligten Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung zum 1. Juli 2007 ein. Dieser Bescheid wurde mit Bescheid vom 6. August 2007 aufgehoben und der Hilfebedarf mit verschiedenen anderweitigen Modifikationen neu festgesetzt. Die Weitergewährung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung wurde in diesem Bescheid erneut zum 1. Juli 2007 eingestellt.

Hiergegen erhoben die Ast Widerspruch mit Schreiben vom 9. August 2007 und begehrten beim Sozialgericht Augsburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, ab 1. Juli 2007 Krankenkostzulagen in Höhe von je 73,00 Euro zu erhalten. Nach Ablehnung dieser Anträge durch das SG mit Beschluss vom 19. Oktober 2007 (S 15 SO 72/07 ER) stellte der Senat auf die Beschwerde der Ast hin mit Beschluss vom 18. Dezember 2007 (L 8 B 938/07 ER) fest, dass der Widerspruch der Ast gegen den Bescheid vom 6. August 2007 aufschiebende Wirkung habe und verpflichtete den Ag bei Zurückweisung der Beschwerde im übrigen, auch über den 30. Juni 2007 hinaus vorläufig die Mehrbedarfszuschläge wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von jeweils 39,00 Euro an die Ast zu bezahlen.

Mit Widerspruchbescheid vom 8. Januar 2008 wurden die Widersprüche der Ast zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage ist noch beim SG anhängig (L 15 SO 17/08). Gleichzeitig begehrten die Ast einstweiligen Rechtsschutz beim SG, da ihnen die Mehrbedarfszuschläge rechtswidrig entzogen worden seien.

Mit Bescheid vom 21. Februar 2008 hat der Ag nachträglich die sofortige Vollziehung der Einstellung der Kostenübernahme für den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung im Bescheid vom 6. August 2007 angeordnet. Mit Bescheid vom 28. Februar 2008 wurde der Bescheid vom 21. Juni 2007 aufgehoben, der Bescheid vom 6. August 2007 wurde bezüglich der Einstellung des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung aufgehoben, der Bescheid vom 31. Mai 2007 wurde bezüglich der Bewilligung des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung ab 1. März 2008 aufgehoben. Zugleich ordnete der Ag die sofortige Vollziehung dieses Bescheids an. Die Auszahlung des Mehrbedarfszuschlags erfolgte bis einschließlich 29. Februar 2008.

Mit Beschluss des SG vom 3. März 2008 wurden die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt (S 15 SO 16/08 ER). Die Vollziehbarkeitsanordnung im Bescheid vom 28. Februar 2008 sei formell und materiell nicht zu beanstanden. Hiergegen erhoben die Ast mit Fax vom 11. März 2008 Beschwerde zum Bay. Landessozialgericht (LSG).

Mit Fax vom 13. März 2008 begehrten die Ast erneut die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz vom SG. Durch den Bescheid vom 28. Februar 2008 sei ein neuer Rechtstatbestand geschaffen, der mit den bereits vorliegenden Verfahren nicht rechtlich angegriffen werden könne. Zur Begründung wurde auf den Beschluss des LSG vom 18. Dezember 2007 (L 8 B 938/07 ER) verwiesen.

Mit Beschluss vom 29. April 2008 (Az. L 8 B 244/08 SO ER) wurde die Beschwerde vom 11. März 2008 gegen den Beschluss des SG vom 3. März 2008 zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 3. April 2008 lehnte das SG die Anträge der Ast vom 13. März 2008 ab. Die Anträge seien bereits unzulässig, weil ein rechtliches Interesse an einer erneuten Entscheidung nicht gegeben sei. Über den Antrag der Ast auf Weiterbewilligung der bisher bezahlten Mehrbedarfszuschläge über den 29. Februar 2008 hinaus habe das Gericht bereits am 3. März 2008 entschieden. Auch der Bescheid vom 28. Februar 2008 sei zur Grundlage der Entscheidung des SG im Beschluss vom 3. März 2008 gemacht worden. Für eine erneute Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Klage sei kein Raum mehr.

Hiergegen haben die Ast mit Schreiben vom 7. April 2008 Beschwerde erhoben. Das Verfahren S 15 SO 16/08 ER habe sich auf den Widerspruchbescheid und den daraus resultierenden Bescheid der Ag vom 21. Februar 2008 bezogen. Es sei in dem Hauptsacheverfahren ein Befangenheitsantrag gegen die Richterin am SG H. gestellt worden, über den noch nicht entschieden worden sei. Die Richterin habe eine unerlaubte Nebentätigkeit (Rechtsberatung der Ag) ausgeübt.

Der Befangenheitsantrag gegen die Richterin am SG H. wurde mittlerweile vom LSG als unbegründet abgelehnt.

Die Ast beantragen sinngemäß,

den Beschluss des SG C-Stadt vom 27. September 2007 sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Bescheid der Ag vom 28. Februar 2008 aufzuheben und den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in der bis zum 29. Februar 2008 bewilligten Höhe ab 1. März 2008 bis auf weiteres zu gewähren.

Der Ag beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Ag sowie die Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde (vgl. § 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Anträge der Ag als unzulässig verworfen. Der erneute Antrag der Ast auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 28. Februar 2008 ist unzulässig, da eine entgegenstehende materiell rechtskräftige Entscheidung vorliegt.

Die Beschwerde ist nicht schon deshalb erfolgreich, weil das SG bei seiner Entscheidung vorschriftswidrig besetzt gewesen wäre, da hieran die im Hauptsacheverfahren von den Ast mit Schreiben vom 11. März 2008 abgelehnte Richterin am SG H. mitgewirkt hat, bevor über das Gesuch entschieden worden war. Insoweit ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Ast gegen die Richterin am SG H. in dem hier maßgeblichen Antragsverfahren S 15 SO 34/08 ER kein Ablehnungsgesuch wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO - gestellt hatten. In dem Antragsverfahren S 15 SO 34/08 ER war die Richterin am SG H. also keine abgelehnte Richterin. Darüberhinaus ist selbst dann das Gericht nicht vorschriftswidrig besetzt, wenn ein abgelehnter Richter in dem Verfahren mitwirkt, in dem er abgelehnt worden ist, bevor über das Gesuch entschieden worden ist (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 60 Rn. 14a, m.w.N.). Im übrigen wurde das Ablehnungsgesuch der Ast wegen Besorgnis der Befangenheit gegen die Richterin am SG H. mittlerweile vom LSG als unbegründet zurückgewiesen. Ein (wesentlicher) Verfahrensmangel liegt also nicht vor.

Im Übrigen hat das SG die Anträge zu Recht als unzulässig verworfen. Auch im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes müssen die allgemeinen Prozessvoraussetzungen erfüllt sein (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 86b Rn. 26). Hierzu zählt, dass keine anderweitige Rechtshängigkeit besteht (§ 202 SGG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 S. 2 Gerichtsverfassungsgesetz) bzw. das Fehlen einer materiell bestandskräftigen Entscheidung zu demselben Streitgegenstand (vgl. § 141 SGG).

Zum Zeitpunkt der Antragstellung durch die Ast und zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das SG bestand jedoch noch zu demselben Streitgegenstand eine anderweitige Rechtshängigkeit, zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde liegt eine materiell bestandskräftige Entscheidung zu demselben Streitgegenstand vor.

Das SG hatte in seinem Beschluss vom 3. März 2008 zutreffend klargestellt, dass der Antrag der Ast in der Sache auf die Weiterbewilligung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von jeweils 39.- Euro ab dem 1. März 2008 abzielt, nachdem bis zum 29. Februar 2008 die geltendgemachten Mehrbedarfe von der Ag übernommen worden waren. Ausgehend von diesen Rechtsschutzziel der Ast hat das SG in den tragenden Gründen auf den Bescheid vom 28. Februar 2008 abgehoben, mit dem unter Aufhebung des letzten Bewilligungsbescheids vom 31. Mai 2007 und unter Anordnung der sofortigen Vollziehung entschieden wurde, die Kosten für diesen Mehrbedarf ab 1. März 2008 nicht mehr zu übernehmen. Dieser Bescheid war gem. § 96 SGG Gegenstand des laufenden Antragsverfahrens geworden. Hiervon ausgehend hat das SG entschieden, dass die Vollziehbarkeitsanordnung in dem Bescheid vom 28. Februar 2008 formell und materiell nicht zu beanstanden ist.

Mit Fax vom 11. März 2008 haben die Ast Beschwerde gegen diesen Beschluss erhoben. Dies hat zur Folge, dass ihr Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Entscheidung der Ag vom 28. Februar 2008, die Kostenübernahme für den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung ab 1. März 2008 einzustellen, ab diesem Zeitpunkt beim LSG rechtshängig war.

Mit Antrag vom 13. März 2008 begehrten die Antragsteller, wie sich aus der Bezugnahme auf den Bescheid vom 28. Februar 2008 ergibt, erneut die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in diesem Bescheid und die weitere Übernahme des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung durch die Ag ab 1. März 2008. Derselbe Streitgegenstand war aber zu diesem Zeitpunkt und auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das SG beim LSG rechtshängig. Das SG hat daher zu Recht den Antrag als unzulässig abgelehnt. Denn die Prozessvoraussetzung der fehlenden anderweitigen Rechtshängigkeit war zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das SG nicht gegeben.

Durch den Erlass des Beschlusses vom 29. April 2008 (L 8 B 244/08 SO ER), mit dem die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 3. März 2008 zurückgewiesen wurde, ist zwar die anderweitige Rechtshängigkeit entfallen. Dies muss in der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen beachtet werden (Meyer-Ladewig, vor § 51 SGG, Rn. 15 m.w.N.). Nunmehr steht aber einer erneuten Entscheidung über diesen Antrag in der Sache entgegen, dass über den Anspruch auf die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Bescheid vom 28. Februar 2008 und die weitere Übernahme des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung durch den Ag ab 1. März 2008 bereits mit Beschluss des Senats vom 29. April 2008 materiell rechtskräftig endgültig entschieden wurde. Nach allgemeiner Meinung sind auch Beschlüsse, soweit sie selbstständige und endgültige Entscheidungen treffen, der materiellen Rechtskraft fähig. Dies gilt gleichermaßen für Beschlüsse, mit denen über Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entschieden wird. Denn auch hier muss ein fortgesetzter Streit der Beteiligten über denselben Gegenstand vermieden werden (vgl. Meyer-Ladewig, § 141 SGG Rn. 5). Ein auf dasselbe Begehren gerichteter Antrag ist damit wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig. Beschlüsse im Eilverfahren sind der formellen Rechtskraft fähig (zur Rechtskraft ablehnender Beschlüsse LSG Berlin vom 26. Oktober 2004, L 15 B 788/04 KR ER; vom 10. Juli 2002, L 15 B 39/02 KE ER), § 141 SGG analog. Den einstweiligen Rechtsschutz betreffenden Beschlüsse sind mit einigen, hier nicht relevanten Einschränkungen auch einer sachlichen Bindungswirkung fähig (dazu LSG Baden-Württemberg vom 5. November 2007, L 8 AL 3045/07 B; LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 2007, L 19 B 86/07 AS; LSG Thüringen vom 30. Januar 2004, L 6 RJ 914/03 ER; LSG Berlin, NZS 2002, 670) mit der Folge, dass sie – wie hier – der Stellung eines neuen Antrages mit gleichem Rechtsschutzziel bei unveränderter Sach- und Rechtslage entgegenstehen (LSG Thüringen vom 30. Januar 2004, L 6 RJ 914/03 ER juris LS 2; LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 2007, L 19 B 86/07 AS; LSG Schleswig-Holstein vom 22. Oktober 2007, L 4 B 583/07 KA ER Rn. 15; LSG Baden-Württemberg vom 5. November 2007, L 8 AL 3045/07 B juris Rn. 14). Insofern liegt nach Unanfechtbarkeit eines Eilbeschlusses eine – da kein Rechtsbehelf mehr möglich ist – endgültige Entscheidung über eine – da die gerichtliche Eilanordnung nur bis zur rechts- bzw. bestandskräftigen Hauptsacheentscheidung wirkt – vorläufige Regelung vor. Umstände, die ein Abweichen von den vorgenannten Grundsätzen gebieten würden, sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere ist nach Erlass der rechtskräftigen gerichtlichen Eilent-
scheidung keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten. Daher kann auch keine Umdeutung des Eilantrags in einem Antrag auf Erlass einer Abänderungsentscheidung gemäß § 86 b Abs. 4 SGG in Betracht. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde ist der Antrag der Ast vom 13. März 2008 also als unzulässig anzusehen, da bereits eine materiell rechtskräftige Entscheidung über denselben Streitgegenstand vorliegt.

Nach alledem ist der Beschluss des SG nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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