L 11 B 156/08 AS

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 728/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 156/08 AS
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.01.2008 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.



Gründe:


I.

Die Kläger begehren die Erstattung außergerichtlicher Kosten eines Klageverfahrens.

Die Kläger beantragten erstmals am 22.11.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II – Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Ehemann der Klägerin zu 1), der Kläger zu 3), bezog zu dieser Zeit eine monatliche Rente in Höhe von 1021,25 EUR (einschl. eines Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung). Für den Kläger zu 2), ihren leiblichen Sohn, erhielt die Klägerin zu 1) Kindergeld in Höhe von 154.- EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 09.01.2007 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen ab, weil das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft ausreiche, den bestehenden Bedarf zu decken.

Den Widerspruch der Klägerin zu 1) vom 22.01.2007, ihr Ehemann habe monatlichen Unterhalt in Höhe von 192,50 EUR an seine leibliche Tochter zu zahlen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2007 zurück. Hiergegen erhoben die Kläger am 13.03.2007 Klage (S 13 AS 268/07) zum Sozialgericht Nürnberg (SG).

Am 13.03.2007 beantragten die Kläger bei der Beklagten darüber hinaus erneut die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Die Beklagte bewilligte diese mit Bescheid vom 22.05.2007 für den Zeitraum 13.03.2007 bis 30.09.2007. Die Leistungen seien jedoch nur vorläufig zu erbringen, weil noch nicht geklärt sei, in welchem Umfang der Kläger zu 3) tatsächlich Unterhalt an seine Tochter zu erbringen habe. Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 19.06.2007 hat die Klägerin ebenfalls Klage zum SG erhoben (). Die vorrangige Unterhaltsverpflichtung des Klägers zu 3) habe die Beklagte zu berücksichtigen, insbesondere, nachdem der Anspruch über 192,50 EUR tituliert sei und eine Herabsetzung des Unterhaltes seitens des Klägers zu 3) von seiner Tochter nicht gefordert werden könne. Insofern sei das Ansinnen der Beklagten, die Abänderung des Unterhaltstitels in die Wege zu leiten, nicht zumutbar.

Im laufenden Klageverfahren haben die Kläger mitgeteilt, dass die Tochter des Klägers zu 3) für die Zeit ab Juli 2007 zeitlich befristet auf Unterhaltsleistungen verzichte, soweit diese einen Betrag von 95.- EUR monatlich überstiegen.

Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 04.10.2007 die Leistungen für den Zeitraum 13.03.2007 bis 30.06.2007 endgültig festgesetzt und die geltend gemachten Unterhaltszahlungen in Höhe von 192,50 EUR (bis Juni 2007) bei der Berechnung des Anspruches berücksichtigt. Den Nachzahlungsbetrag hat die Beklagte an die Kläger überwiesen.

Die Kläger haben daraufhin das Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Kläger aufzuerlegen.

Das SG hat mit Beschluss vom 14.01.2008 den Antrag der Kläger auf Kostenerstattung abgelehnt. Die Leistungen seien nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II nur vorläufig bewilligt gewesen, so dass Widerspruch und Klage nicht erforderlich gewesen seien.

Hiergegen haben die Kläger am 18.02.2008 Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die Beklagte habe eine vorläufige Entscheidung lediglich treffen können, soweit sie Alg II unter Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen gezahlt hätte, nicht jedoch in der Weise, dass sie offenkundig bestehende Ansprüche (vorläufig) verweigert.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die übersandten Akten der Beklagten sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen, § 174 SGG (in der bis 31.03.2008 maßgeblichen Fassung). Das Rechtsmittel erweist sich als begründet.

Das SG hat einen Kostenerstattungsanspruch der Kläger zu Unrecht abgelehnt.

Wenn ein Verfahren anders als durch Urteil endet, entscheidet das Gericht nach § 193 Absatz 1 Satz 3 SGG auf Antrag durch Beschluss darüber, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben.

Nach welchen Kriterien sich eine solche Kostenentscheidung richtet, ist im SGG nicht näher bestimmt; die Kostenvorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) sind im sozialgerichtlichen Verfahren unmittelbar grundsätzlich nicht anwendbar (BSG, Urteil vom 20.06.1962 - Az l RA 66/59 in BSGE 17,124 (128); Beschluss vom 24.05.1991 - Az 7 RAr 2/91 in SozR 3-1500 § 193 Nr. 2).

Nach herrschender Meinung ist die Entscheidung nach sachgemäßem Ermessen zu treffen, wobei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erledigung maßgeblich ist (Meyer- Ladewig /Leitherer in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 193 Rn.13).

Dabei ist es sachgerecht, in erster Linie unter Orientierung an den Grundgedanken der ZPO auf die Erfolgsaussichten zum Zeitpunkt der Erledigung in der Hauptsache abzustellen (Rechtsgedanke der §§ 91f ZPO), die das Prinzip der Unterliegenshaftung verankern (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl. 2007, § 91 Anm.19).

Für die Kostenentscheidung ist somit vor allem maßgeblich, in welchem Umfang die Kläger obsiegt haben bzw. bei einer Entscheidung in der Hauptsache obsiegt hätten, da es in der Regel der Billigkeit entspricht, wenn der Unterliegende die Kosten trägt. (Meyer- Ladewig/Leitherer aaO § 193 Rn.12a).

Unter Beachtung dieser Kriterien war die Entscheidung des SG aufzuheben und die Beklagte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Kläger zu verpflichten.

Der Bescheid der Beklagten vom 22.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 19.06.2007 war rechtswidrig, so dass die Kläger ohne das erledigende Ereignis in der Hauptsache obsiegt hätten, unabhängig davon, dass der Bescheid vom 22.05.2007 nicht Gegenstand des bereits rechtshängigen Verfahrens S 13 AS 268/07 war (vgl. zur Wirkung eines erneuten Antrages nach einer ablehnenden Enscheidung; BSG, Urteil vom 31.10.2007 – B 14/11b AS 59/06 R).

Vorliegend hatte die Beklagte im Bescheid vom 22.05.2007 zu Unrecht die vom Kläger zu 3) zu erbringenden Unterhaltsleistungen unberücksichtigt gelassen, denn der Unterhaltsanspruch war tituliert und der Kläger zu 3) – gegenteilige Anhaltspunkte liegen nicht vor - hat diesen Unterhalt auch tatsächlich gezahlt. Insofern ist nicht ersichtlich, auf welche Rechtsgrundlage die Beklagte ihre Berechnungen gestützt hat, denn hier war § 11 Abs 2 Nr.7 SGB II einschlägig. Der Kläger hätte allenfalls angehalten werden können, eine Änderung des Unterhaltstitels herbeizuführen. Bis zu einer Abänderung des Titels war die Beklagte jedoch verpflichtet, die tatsächlichen Zahlungen bis zur titulierten Höhe zu berücksichtigen (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 11 Rn.128), denn es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 323 Abs 3 Satz 2 ZPO vorgelegen haben, die – im Rahmen eines Unterhaltsrechtsstreites - eine Abänderung des Unterhaltes für die Vergangenheit gerechtfertigt hätten.

In diesem Zusammenhang bot auch § 40 Abs 1 Nr. 1a SGB II keine rechtliche Grundlage die Leistungen vorläufig nur gekürzt auszuzahlen, denn nur die Erbringung von Leistungen kann vorläufig erfolgen.

Es sind jedoch keine Gründe ersichtlich, die lediglich eine vorläufige Bewilligung der Leistungen gerechtfertigt hätte, denn die zugesprochenen – gekürzten - Leistungen standen den Klägern endgültig zu, und für eine vorläufige Kürzung oder Verweigerung von Leistungen bietet § 40 Abs 1 Nr.1a SGB II keine rechtliche Handhabe (vgl. in diesem Sinne Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 40 Rn. 12d, 68a).

Im Ergebnis konnte der Bescheid der Beklagten vom 22.05.2007 keinen Bestand haben, so dass Klage geboten war und kein Anlass bestand, den Klägern die
Kostenerstattung zu verweigern.

Einer gesonderten Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht (vgl. hierzu eingehend LSG NRW, Beschluss vom 14.11.2007 mwN in Breith 2008, 277-280), denn die Kostentragungspflicht für die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Soweit für das Beschwerdeverfahren ein selbstständiger Gebührentatbestand ausgelöst wurde, sind die hierfür anfallenden Kosten als Kosten der Hauptsache berücksichtigungsfähig.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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