L 3 AL 1106/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1383/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1106/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Schweizerische Krankentagegeld ist keine den Leistungen in § 142 Abs. 1 und 2 SGB III vergleichbare Leistung eines ausländischen Trägers, die gem. § 142 Abs. 3 SGB III zum Ruhen des Anspruchs auf Alg führt.
Das Schweizerische Krankentagegeld ist keine den Leistungen in § 142 Abs. 1 und 2 SGB III vergleichbare Leistung eines ausländischen Trägers, die gem. § 142 Abs. 3 SGB III zum Ruhen des Anspruchs auf Alg führt.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 5. August 2004 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 5. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2003 verurteilt, dem Kläger vom 1. Mai 2003 bis 25. Februar 2004 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Der 1944 geborene Kläger mit Wohnsitz in Konstanz war ab 15.03.1998 als Grenzgänger in der Schweiz beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis mit der H. Klinik Z. AG, Kanton Thurgau, wo er als medizinischer Masseur beschäftigt war, endete durch Kündigung des Arbeitgebers vom 13.02.2003 zum 30.04.2003. Mit der Kündigung wurde der Kläger von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Im Formblatt E 301 über die Bescheinigung von Zeiten, die für die Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen sind, der AWA Thurgau, Arbeitslosenkasse Frauenfeld, vom 28.02.2003 waren Versicherungszeiten vom 15.03.1998 bis 30.04.2003 bescheinigt. Der Kläger meldete sich am 18.03.2003 arbeitslos und gab in seinem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld an, zu 50 % arbeitsunfähig krank geschrieben zu sein. Seine Vermittlungsfähigkeit sei, da er zuletzt Teilzeit gearbeitet habe, auf wöchentlich 20 Stunden eingeschränkt, ein Arztgutachten sei veranlasst. Darüber hinaus habe er eine Invalidenrente zu 50 % beim Schweizer Versicherungsträger beantragt. Er sei ab Januar 2002 halbtags beschäftigt worden. In einem Schreiben der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft Bern vom 23.05.2003 war der Krankheitsbeginn mit 22.01.2002 angegeben, das Taggeld betrage 80 % des versicherten Tagesverdienstes. Aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit zu 50 % vom 01.05.2003 bis 31.05.2003 würden abzüglich einer Quellensteuer 2358,05 Schweizer Franken (SFr - 31 Tage à 79,65) gezahlt. In einem von der Beklagten veranlassten ärztlichen Gutachten vom 15.05.2003 wurde dem Kläger eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Arbeit ohne Zeitdruck, Nässe, Kälte, Zugluft, Temperaturschwankungen, Zwangshaltungen und häufiges Heben und Tragen ohne mechanische Hilfsmittel bescheinigt.

Mit Bescheid vom 05.06.2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab. Zur Begründung führte sie aus, dem Kläger sei aufgrund seiner mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung ein Anspruch auf Krankengeld zuerkannt worden. Deshalb ruhe sein Leistungsanspruch. Den hiergegen erhobenen Widerspruch, den der Kläger mit dem Hinweis darauf begründet hat, dass er lediglich 50 % des Krankengeldes in der Schweiz erhalte und deshalb die Differenzzahlung zu dem ihm zustehenden Arbeitslosengeld begehre, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2003 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 14.07.2003 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, dass er zwar seit dem 01.05.2003 von der Schweizer Mobiliar Versicherungsgesellschaft ein Krankentaggeld in einem Umfang von 50 % erhalte, dieses jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zum Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld führe. Denn er beziehe keine gesetzliche Lohnersatzleistung wegen Krankheit. Bei der Krankentaggeldversicherung handele es sich nicht um eine gesetzliche Versicherung, sondern um eine freiwillige private Versicherung. Die schweizerische Sozialversicherung kenne keinen Anspruch auf Krankengeld im Falle der Arbeitsunfähigkeit. Das Schweizerische Obligationenrecht (OR) verpflichte den Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit. Über die Dauer der Lohnfortzahlung äußere sich das Obligationenrecht nur knapp. Im ersten Arbeitsjahr müsse der Lohn zumindest drei Wochen lang bezahlt werden, bei länger bestehendem Arbeitsverhältnis in angemessenem Umfang länger. Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten die Möglichkeit, eine private Krankentaggeldversicherung abzuschließen. Der Arbeitgeber sei dann von der Pflicht zur Lohnfortzahlung befreit. Für die Dauer von bis zu drei Jahren erhalte der Arbeitnehmer dann im Falle der Arbeitsunfähigkeit ein Krankentaggeld. Es handele sich um eine rein private, nicht gesetzlich verpflichtende Versicherung, so dass § 142 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) keine Anwendung finde.

Die Beklagte hat auf § 142 Abs. 3 SGB III verwiesen und ausgeführt, dass es sich bei dem gewährten Krankentaggeld um eine vergleichbare andere Sozialleistung handele, die ein ausländischer Träger zuerkannt habe. Kennzeichnend für eine Sozialleistung sei unter anderem ihre Gewährung an den einzelnen Berechtigten nach dem Prinzip der Versicherung, Versorgung oder Fürsorge. Eine ausländische Sozialleistung sei stets dann vergleichbar, wenn die ausländische Sozialleistung den Ausfall des Arbeitsentgelts ganz oder teilweise ersetzen solle, das der Betroffene vorübergehend oder endgültig nicht mehr erzielen könne. Formale Merkmale seien dabei nicht entscheidend.

Nachdem der Anspruch auf das Krankentaggeld mit Ablauf des 25.02.2004 erschöpft gewesen war, hat die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag vom 23.02.2004 Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 05.03.2004 ab 26.02.2004 für 900 Kalendertage bewilligt.

Das SG hat mit Urteil vom 05.08.2004 die Klage abgewiesen. Es hat § 142 Abs. 3 SGB III auf das gewährte Krankentaggeld der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft für anwendbar gehalten. Gegen das ihm am 14.02.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.03.2005 Berufung eingelegt. Er hält an der bislang vertretenen Auffassung fest und führt ergänzend aus, dass die ihm gewährte Leistung nicht öffentlich-rechtlicher Natur sei. Das schweizerische Krankentaggeld werde weder von einem öffentlichen Träger noch aus öffentlichen Mitteln gezahlt. Es gebe in der Schweiz keine soziale Absicherung durch Krankengeld im Falle der Arbeitsunfähigkeit. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger wegen teilweiser Arbeitsunfähigkeit das Krankentaggeld in der Schweiz nur zu 50 % erhalte. Im Gegensatz zur Schweiz hätte der Kläger in Deutschland auch im Falle einer "Teil-Arbeitsunfähigkeit" den vollen Krankengeldanspruch. In der Schweiz erhalte er dann, wenn er seinen Wohnsitz in der Schweiz habe, neben dem Krankentaggeld von 50 %, Arbeitslosengeld ebenfalls in Höhe von 50 %. Er legt zur weiteren Begründung u.a. seinen Arbeitsvertrag und eine Lohnabrechnung für Mai 2001 vor.

Mit Wirkung ab dem 01.02.2003 ist dem Kläger von der Eidgenössischen Invalidenversicherung eine ordentliche Invalidenrente mit einem Grad der Invalidität von 50 % (halbe Rente) gewährt worden (119,00 SFr monatlich zuzüglich jeweils 48,00 SFr ordentliche Kinderrente zur Rente des Vaters für seine beiden Kinder).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 5. August 2004 und den Bescheid vom 5. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Mai 2003 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie hält an der bislang vertretenen Rechtsauffassung fest und führt aus, dass der Kläger offensichtlich keinen privaten Versicherungsvertrag mit der Schweizerischen Mobiliarversicherung abgeschlossen habe, weil die Beiträge vom Lohn einbehalten und unter Punkt 3 des vorgelegten Arbeitsvertrages als gesetzliche und betriebliche Abzüge bezeichnet worden seien. Der Zahlung des Krankentaggeldes sei eine Lohnfortzahlung des Arbeitgebers vorangegangen. Diese Ausgestaltung entspreche im Wesentlichen dem Prinzip der deutschen Sozialversicherung und sei mit ihr vergleichbar. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die form- und fristgerecht und auch im Übrigen zulässige Berufung entscheidet der Senat aufgrund des erteilten Einverständnisses ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 01.05.2003. Denn zu diesem Zeitpunkt sind alle Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld erfüllt.

Der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld richtet sich noch nach den §§ 117 ff. SGB III in der bis 31.12.2004 anzuwendenden Fassung. Danach war der Kläger bei seiner Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt Konstanz am 18.03.2003 und nach seiner mit der Kündigung seines Arbeitgebers erklärten Freistellung beschäftigungslos im Sinne der §§ 117 Abs. 1 und 118 Abs. 1 SGB III. Er war auch verfügbar, weil er den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stand, insbesondere war er entsprechend § 119 SGB III arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit. Dabei besteht kein Zweifel, dass der Kläger auch in vollschichtigem Umfang für leichte und mittelschwere Arbeit arbeitsfähig und arbeitsbereit gewesen ist. Die entsprechende Arbeitsfähigkeit ergibt sich insoweit aus dem ärztlichen Gutachten vom 15.05.2003, das eine vollschichtige Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen bescheinigt hat. Dafür, dass sich der Kläger entsprechend dem im Gutachten festgestellten Leistungsvermögen nicht zur Verfügung gestellt haben könnte, gibt es nach Aktenlage keine Anhaltspunkte. Er hat auch die Anwartschaftszeit (§ 117 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 123 und 124 SGB III) erfüllt, weil er innerhalb der Rahmenfrist aufgrund den von der AWA Thurgau-Frauenfeld am 28.02.2003 bescheinigten Versicherungszeiten (einer abhängigen Beschäftigung vom 15.03.1998 bis 30.04.2003) mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Diese in der Schweiz zurückgelegten Versicherungszeiten sind auch zu berücksichtigen, wie sich aus Art. 7 Abs. 1 des Abkommens vom 20. Oktober 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Arbeitslosenversicherung (BGBl 1983, Teil II, S. 578 ff. vom 13.09.1983, der auch nach Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgnossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21.06.1999 [vgl. Gesetz vom 2.09.2001, BGBl. 2001, Teil II, S. 810 ff.] weiter anwendbar ist [so Anhang III, A. der Verordnung (EWGV) Nr. 1408/71], vgl. hierzu auch Otting in DRV 2002, 257, 268) ergibt. Denn nach Art. 7 Abs. 1 des Abkommens sind Zeiten einer beitragspflichtigen unselbständigen Beschäftigung, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates zurückgelegt worden sind, für die Anwartschaftszeit und die Anspruchsdauer zu berücksichtigen, wenn der Antragsteller die Staatsangehörigkeit des Vertragsstaates besitzt, in dem der Anspruch geltend gemacht wird und im Gebiet dieses Vertragsstaates wohnt. Diese Zeiten werden so berücksichtigt, als wären sie nach den Rechtsvorschriften des Vertragstaates zurückgelegt worden. Einer Vorversicherungszeit nach Art. 67 Abs. 3 EWGV 1408/71 bedarf es daher nicht.

Der Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld ruht zunächst bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also bis 30.04.2003, weil der Kläger in dieser Zeit Anspruch auf Lohnzahlung hatte (vgl. § 143 Abs. 1 SGB III). Der Anspruch ruht über den 30.04.2003 hinaus aber nicht, weil das ihm gewährte Krankentaggeld kein mit dem deutschen Anspruch auf Krankengeld vergleichbarer Anspruch ist.

In Absatz 1 des § 142 SGB III ist bestimmt, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit ruht, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf eine der folgenden Leistungen zuerkannt ist:

1. Berufsausbildungsbeihilfe für Arbeitslose oder Unterhaltsgeld 2. Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Mutterschaftsgeld oder Über¬gangsgeld nach diesem oder einem anderen Gesetz, dem eine Leistung zur Teilhabe zugrunde liegt, wegen der der Arbeitslose keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann, 3. Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder 4. Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsausgleichleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art.

Diese Regelung ist gemäß § 142 Abs. 3 SGB III entsprechend auf einen vergleichbaren Anspruch auf eine andere Sozialleistung, den ein ausländischer Träger zuerkannt hat, anzuwenden. Eine Vergleichbarkeit ist nur gegeben, wenn die ausländische Leistung in ihrem Kerngehalt den typischen Merkmalen der inländischen Leistung entspricht, d.h. nach ihrer Funktion gleichwertig ist. Kennzeichnend für die in § 142 Abs. 1 SGB III genannten Leistungen ist dabei, dass sie von öffentlichen Trägern aus öffentlichen Mitteln gezahlt werden. Sinn und Zweck des Gesetzes ist es, keine doppelte Sicherung des Lebensunterhalts durch Gewährung von zwei Leistungen mit Lohnersatzfunktion aus öffentlichen Kassen (BSG SozR 4100 § 118 Nr. 9 zu § 118 AFG) zuzulassen. Die Leistung ist vorliegend insbesondere dann vergleichbar, wenn sie ausgefallenes Arbeitsentgelt ganz oder teilweise ersetzen soll. Bedeutsam ist nach der Rechtsprechung des BSG daher, ob die Bezüge aus öffentlichen Mitteln stammen, also aus Mitteln gezahlt werden, die für öffentliche Aufgaben vorgesehen sind. Ob der Rechtsgrund der Zahlung dem öffentlichen oder privaten Recht zuzuordnen ist, ist aber unerheblich (BSG a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die vom Arbeitgeber des Klägers abgeschlossene Kollektivversicherung mit Anspruch auf Krankengeld keine mit dem deutschen Krankengeld vergleichbare Leistung, die ein ausländischer Träger zuerkannt hat. Entscheidend ist dabei, dass es sich konkret nicht um Leistungen aus öffentlichen Mitteln gehandelt hat, sondern der Abzug vom Lohn aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung des Arbeitgebers mit einer Versicherungsgesellschaft zugunsten des Klägers erfolgte.

Zwar erfüllt das schweizerische Krankentaggeld trotz gewisser Unterschiede in der Ausgestaltung der Leistungen eine dem deutschen Krankengeld vergleichbare Funktion. Denn beide Leistungen dienen der Absicherung des Lohnausfalles bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Nach § 44 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) besteht ein Anspruch auf Krankengeld dann, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht oder wenn er auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden muss. Es handelt sich demnach um eine Lohnersatzleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts infolge von Krankheit, wobei es ruht, soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erhalten (§ 49 Abs. 1 SGB V). Nach deutschem Recht besteht zunächst ein Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen (vgl. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz). Das Krankengeld wird für dieselbe Krankheit für längstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren erbracht und durch Beiträge von Arbeitgebern und Versicherten finanziert, wobei sich die Höhe der Beiträge nach dem beitragspflichtigen Einkommen bis zu einer bestimmten Beitragsbemessungsgrenze und nach dem Beitragssatz, den die Krankenkassen festsetzen, richtet. Abgesehen von einem Zusatzbeitrag in Höhe von 0,9 vom Hundert gemäß § 241a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), den nur die Mitglieder zu tragen haben, werden die Beiträge zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen. Das schweizerische Recht hingegen kennt eine verpflichtende Absicherung des Risikos der Arbeitunfähigkeit nach Ablauf der Lohnfortzahlung, die zudem nach schweizerischem Recht in Abhängigkeit zur Dauer der Betriebszugehörigkeit gezahlt wird, nicht. Gegen einen nach Ablauf der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber verursachten Lohnausfall können sich Arbeitnehmer - ohne hierzu jedoch verpflichtet zu sein - durch den Abschluss einer Krankentaggeldversicherung absichern. Dabei besteht zunächst die Möglichkeit, eine freiwillige Krankentaggeldversicherung nach Artikel 67 Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) abzuschließen. Sie steht nicht nur Personen offen, die berufstätig sind, sondern allen, die in der Schweiz ihren Wohnsitz haben oder erwerbstätig sind und das 15. Lebensjahr, aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben. Die Taggeldversicherung ist unabhängig von der bestehenden sozialen Krankenversicherung. Darüber hinaus ermöglicht Art 67 KVG, dass Arbeitgeber für sich und ihre Arbeitnehmer, dass Arbeitgeberorganisationen und Berufsverbände für ihre Mitglieder und deren Beschäftigte und dass Arbeitnehmerorganisationen für ihre Mitglieder Kollektivverträge zur Absicherung dieses Risikos abschließen. Im Gegensatz zum deutschen Recht besteht auch für den Arbeitgeber Veranlassung, sich abzusichern. Nach Art. 324a OR ist er zwar zunächst nur verpflichtet, im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen zu entrichten. Für die folgenden Dienstjahre ist in Art 324a OR aber geregelt, dass eine Lohnfortzahlung für eine angemessene längere Zeit, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen zu erfolgen hat. Die Schweiz orientiert sich zur Bestimmung der "angemessenen längeren Frist" an von Region zu Region unterschiedlichen Tabellen (sog. Berner, Zürcher oder Basler Skala - vgl. hierzu: www.andras.ch/krankentaggeld.htm), die in Abhängigkeit der Dienstjahre eine bestimmte Dauer der Lohnfortzahlung vorgeben. Für den Kanton Thurgau führt die Anwendung der Zürcher Skala bei einer 10jährigen Betriebszugehörigkeit zu einer Verpflichtung der Lohnfortzahlung für 16 Wochen, werden 30 Dienstjahre erreicht, beträgt sie bereits 36 Wochen, bei 40jähriger Beschäftigung sogar 46 Wochen. Mit Abschluss eines Kollektivvertrages ist daher auch das Risiko des Arbeitgebers im Hinblick auf Lohnzahlungen trotz arbeitsunfähigkeitsbedingtem Arbeitsausfall über einen bestimmten Zeitraum hinaus abgedeckt. Der Anspruch auf Krankentaggeld entsteht, wenn die versicherte Person mindestens zur Hälfte arbeitsunfähig ist, es ist zeitlich begrenzt und muss für eine oder mehrere Erkrankungen während mindestens 720 Tagen innerhalb von 900 Tagen gezahlt werden. Bei lediglich teilweiser Arbeitsunfähigkeit wird während dieser Zeitdauer ein gekürztes Taggeld ausgezahlt. Die Finanzierung erfolgt nach dem Umlageverfahren. Die laufenden Ausgaben müssen grundsätzlich durch die laufenden Einnahmen gedeckt werden. Entsprechend haben die Versicherer ihre Prämien danach auszurichten, dass diese Deckung erreicht wird. Neben der in Art 67 ff. KVG geregelten freiwilligen Taggeldversicherung besteht die Möglichkeit, eine Taggeldversicherung nach dem schweizerischen Versicherungsvertragsgesetz abzuschließen, also eine privatrechtlich orientierte Lohnausfallversicherung abzuschließen (vgl. zu vorstehendem insgesamt: Widmer, Die Sozialversicherung in der Schweiz, 5. Auflage, S. 189 ff.). Von dieser Möglichkeit hat - nachdem der Kläger selbst keinen Gebrauch gemacht hat, sich selbst zu versichern - der Arbeitgeber des Klägers Gebrauch gemacht, was sich auch aufgrund des Abzugs vom Lohn (0,7 %) für "Krankentaggeld Männer" ergibt. Im übrigen handelt es sich bei der Schweizerischen Mobilar Versicherungsgesellschaft um die älteste private Versicherung der Schweiz (so ihr Internetauftritt unter http://www.mobi.ch). Anders als bei einer Versicherung nach dem KVG besteht bei einer auf dem Versicherungsvertragsgesetz beruhenden Versicherung kein Rechtsanspruch auf den Abschluss einer Taggeldversicherung, doch sind auch die Versicherer nach dem KVG berechtigt, Krankheiten, die bei der Aufnahme bestehen, durch einen Vorbehalt von der Versicherung für die Dauer von bis zu 5 Jahren (Art. 69 Abs. 2 KVG) auszuschließen. Das gleiche gilt für frühere Krankheiten, die erfahrungsgemäß zu Rückfällen neigen.

Das gewährte Krankentaggeld ist zwar nach seinem Kerngehalt mit dem deutschen Krankengeld vergleichbar, doch schon die Struktur der Ausgestaltung weist, wie oben ausgeführt, erhebliche Unterschiede auf. Denn nach deutschem Recht gehört auch die Absicherung des krankheitsbedingten Lohnausfalles zur gesetzlichen Sozialversicherung und zu den verpflichtenden Leistungen, die von den Trägern zu erbringen sind. Dabei ist nicht nur die Leistungsseite eine obligatorische, sondern auch die Verpflichtung zur Tragung der entsprechenden Beiträge auf Seiten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. In der Schweiz ist die Absicherung des krankheitsbedingten Lohnausfalles weder eine öffentliche Leistung noch sind Arbeitgeber oder Arbeitnehmer gezwungen, entsprechende Vorsorge zu treffen. Das Risiko der Lohnfortzahlung bei Krankheit bleibt nach Ablauf der Lohnfortzahlungspflicht der privaten Vorsorge vorbehalten. Es hängt vielmehr von den individuellen Bedürfnissen ab, ob ein Arbeitnehmer für sich allein (wenn ihm die Möglichkeit einer Absicherung über einen Kollektivvertrag seines Arbeitgebers nicht offensteht) eine solche Absicherung wünscht oder ob der Arbeitgeber ihn in eine solche Absicherung auch zur Absicherung des eigenen Risikos mit aufnimmt. Nimmt der Arbeitnehmer die sich ihm bietenden Möglichkeiten nicht wahr, stehen ihm für die Zeit nach Ende der Lohnfortzahlung auch keine Leistungen zu. Auch der nach den Regelungen des KVG (Art 68) bestehende Kontrahierungszwang auf Seiten der Versicherer führt nicht dazu, dass man deshalb von einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Leistung sprechen könnte. Denn dadurch wird allein die staatlich verbriefte Möglichkeit eröffnet, sich grundsätzlich gegen dieses Risiko absichern zu können. Schon der in Art 69 KVG enthaltene Versicherungsvorbehalt für die Dauer von fünf Jahren für Krankheiten, die bei Aufnahme bestehen oder die zu Rückfällen neigen, belegt zudem eine eher privatrechtlichen Bedürfnissen angepasste Ausgestaltung und Verteilung des Risikos und widerspricht insoweit dem in der deutschen Krankenversicherung geltenden Solidarprinzip. Ist aber schon die nach dem KVG eröffnete Möglichkeit der Absicherung nicht vergleichbar mit den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Regelungen, dann gilt dies umso mehr für die nach schweizerischem Recht mögliche Absicherung aufgrund des Versicherungsvertragsgesetzes. Entscheidend bleibt mithin, dass es sich nach dem schweizerischen Recht um keine Leistungen aus öffentlichen Mitteln handelt, also um Leistungen aus Mitteln, die für öffentliche Ausgaben vorgesehen sind. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht daher nicht wegen des dem Kläger gezahlten Krankentaggeldes.

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht auch nicht wegen der vom Kläger bezogenen ordentlichen Invalidenrente, einer sogenannten halben Rente. Diese ist mit der in § 142 Abs. 1 Nr. 3 SGB III genannten Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht vergleichbar. Kennzeichnend ist insoweit, dass beim Kläger ein vollschichtiges Restleistungsvermögen besteht und sich die Schweizerische Rente allein an Versicherteneinkommen einschließlich der Erziehungs- und Betreuungsgutschriften und an der Beitragsdauer orientiert. Sie wird gewährt, wenn versicherte Personen wegen eines Gesundheitsschadens voraussichtlich bleibend oder für längere Zeit ganz oder teilweise erwerbsunfähig sind und wenn eine Wiedereingliederung ins Erwerbsleben nicht oder nur beschränkt möglich oder von vorneherein aussichtslos ist. Der Invaliditätsgrad wird ermittelt, indem die ohne und mit der Behinderung erzielbaren Erwerbseinkommen einander gegenübergestellt werden; während ein Invaliditätsgrad ab 40 v.H. den Anspruch auf eine "Viertelsrente" (dies nur bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz) und ab 50 v.H. auf eine "halbe Rente" begründen, steht bei einem solchen ab 66 2/3 v.H. die ganze Rente, also die höchste nach dem anzustellenden Einkommensvergleich erzielbare Entgeltersatzleistung zu. Insoweit muss davon ausgegangen werden, dass eine solche Invaliditätsrente, wie sie dem Kläger mit der zuerkannten halben Rente gewährt wurde, nicht mit der Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist, die grundsätzlich durch ein unter dreistündiges Restleistungsvermögen gekennzeichnet ist (vgl. Gagel § 143 Rz 63). Diese Auffassung teilt offensichtlich auch die Beklagte, nachdem sie dem Kläger Arbeitslosengeld ab 26.02.2004 bewilligt hat.

Dem Kläger steht nach alledem ein Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 01.05.2003 bis zu der von der Beklagten ausgesprochenen Bewilligung mit Bescheid vom 05.03.2004 ab 26.02.2004 in gesetzlicher Höhe zu. Dabei wird die Beklagte noch zu ermitteln haben, ob und ggfs. in welchem Umfang der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum anrechenbares Nebeneinkommen erzielt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist wegen der bislang ungeklärten Frage der Anwendbarkeit des § 142 Abs. 3 SGB III auf ein nach schweizerischem Recht gewährtes Krankentaggeld wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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