L 18 B 321/07 SB PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 SB 282/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 B 321/07 SB PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.01.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
Der Beschwerdeführer (Bf) begehrt die Aufhebung des ablehnenden Prozesskostenhilfe (PKH)-Beschlusses vom 15.01.2007, die Gewährung von PKH sowie die Beiordnung der Rechtsanwältin C. J. L ...

Mit der am 21.06.2006 beim Sozialgericht (SG) D-Stadt erhobenen Klage macht der Kläger die Zuerkennung des Merkzeichens G geltend. Das Sozialgericht (SG) hat die Gewährung von PKH mit Beschluss vom 15.01.2007 mit der Begründung abgelehnt, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes sei vorliegend nicht erforderlich. Es berief sich auf die für Schwerbehindertenstreitsachen die Gewährung von PKH einschränkende Rechtsprechung des 15. Senats des BayLSG (vgl. Beschluss vom 03.11.2006 Az: L 15 B 799/06 SB PKH). Der Bf hat hiergegen Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.

Der Bf hat zum Verbleib einer im September 2006 erhaltenen Versicherungsleistung in Höhe von 50.296,00 EUR erklärt, er habe sich hiervon einen Dachboden für 4.000,00 EUR gekauft und diesen zu eigengenutzten Wohnraum umgebaut. Die Quittungen der Ausgaben für Baumaterialien seien alle bei ihm abgelegt. Die Versicherungsleistung stehe daher nicht zur Verfügung, um den Prozess zu finanzieren. Die entsprechenden Verträge sei er bereits vor Klageerhebung eingegangen. Des Weiteren hat er mitgeteilt, dass er am 21.09.2006 einen gebrauchten PKW Typ Audi A 8 2,5 TDI zum Preis von 9.500,00 EUR gekauft habe und seit 01.09.2007 fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalte.

II.

Die Beschwerde des Bf ist gemäß § 172 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und, da sie form- und fristgerecht eingelegt worden ist (§ 173 SGG), im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel erweist sich nicht als begründet.

Die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die PKH gelten (im Sozialgerichtsrechtsstreit) entsprechend (§ 73a SGG). Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erschein (§ 114 ZPO). Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs 2 ZPO).

Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (§ 115 Abs 1 Sätze 1 und 2 ZPO).

Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes ist entgegen der Auffassung des SG erforderlich (§ 121 Abs 2 ZPO). Sie entspricht der Absicht des Gesetzgebers (vgl. § 73a SGG), kann also nicht unter Bezugnahme auf den in der Sozialgerichtsbarkeit geltenden Amtsermittlungsgrundsatz verneint werden. Nach Art 103 GG hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Danach ist für alle gerichtlichen Verfahren ein Mindestmaß an rechtlichem Gehör zu gewährleisten. Die an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten sollen Gelegenheit haben, sich zu dem für die Beurteilung des Gerichts in Betracht kommenden Sachverhalt vor der Entscheidung zu äußern (BVerfGE 7, 53 ). Dieses Recht ist von der Ausgestaltung des Verfahrens durch die verschiedenen Verfahrensordnungen unabhängig und gilt auch im Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz. Dem Beteiligten soll nicht zugemutet werden, sich darauf zu verlassen, dass das Gericht schon aufgrund der Offizialmaxime zu einer richtigen Entscheidung gelangen werde (BVerfGE aaO, BayLSG Breith 99, 807). Weder die Vorschriften der §§ 62, 103 Abs 1 und 106 SGG noch sonstige, den Verfahrensbeteiligten dem Gericht gegenüber obliegenden Pflichten schließen aus, dass im sozialgerichtlichen Verfahren schlechthin oder im Verfahren bestimmten Inhalts eine anwaltliche Vertretung erforderlich ist. Schließlich ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts auch aus dem Grundsatz der "Waffengleichheit" (§ 121 Abs 2 ZPO; vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 22.06.2007 – Az: 1 BvR 681/07) erforderlich. Der vom SG zitierten Rechtsprechung des 15.Senats des Bayer. Landessozialgerichts vermag der erkennende Senat im Hinblick auf Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht zu folgen.

Gleichwohl steht dem Bf PKH nicht zu. Er erfüllt nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH. Der Bf war nämlich nur wenige Monate nach der Klageerhebung nicht mehr bedürftig iS des § 114 Satz 1 ZPO. Dem Bf war zuzumuten, die Kosten der Prozessführung aus der ihm zugeflossenen Versicherungssumme von über 50.000,00 EUR zu finanzieren. Die von ihm vor Erhebung der Klage eingegangene Verpflichtung, den Dachboden für 4.000,00 EUR zu kaufen, hinderte ihn nicht, aus der erheblichen Restsumme die Kosten der Prozessführung, die sich voraussichtlich auf weniger als 1.000,00 EUR belaufen werden, zu finanzieren. Einem Einsatz des von der Versicherung erhaltenen Vermögens zur Prozessfinanzierung steht nicht entgegen, dass der Kläger ein ausbaufähiges Dachgeschoss erworben hat, das – wenn es schon bei Beginn des Rechtsstreits als Wohnung vorhanden gewesen wäre – als privilegiertes angemessenes Hausgrundstück nach § 115 Abs 3 ZPO iVm § 90 Abs 2 Ziff 8 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) unberücksichtigt bleiben müsste. Denn der Sinn der Privilegierung in § 90 Abs 2 Ziff 8 SGB XII liegt darin, der bedürftigen Partei den Mittelpunkt ihres bisherigen sozialen Lebens zu erhalten und sie davor zu bewahren, ein schon vorhandenes privilegiertes Eigenheim zur Finanzierung der Verfahrenskosten veräußern zu müssen. Ein sonstiges Vermögen hingegen will das Gesetz nicht schützen, auch wenn dieses dazu bestimmt ist, später ein privilegiertes Hausgrundstück zu erwerben oder zu errichten. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 90 Abs 2 Nr 3 SGB XII (so BGH, Beschluss vom 18.07.2007, NJW-RR 2008, 144 – 146). Danach bleibt ein sonstiges Vermögen nur berücksichtigungsfrei, soweit es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks iS des § 90 Abs 2 Nr 8 SGB XII bestimmt ist, wenn dieses Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftigen Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde. Die vorliegend im Verhältnis zum erhaltenen Vermögen geringen Kosten der Prozessführung hätten den Ausbau des Dachbodens als Wohnung für den behinderten Kläger nicht gefährdet. Dabei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger noch am 21.09.2006 einen PKW der Oberklasse (Typ Audi A 8) für 9.500,00 EUR gekauft hat.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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