Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 198/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 B 522/08 AL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.05.2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe für die Antragstellerin (ASt) ab April 2008 durch die Antragsgegnerin (AG).
Die 1990 geborene ASt durchläuft seit dem 01.09.2007 eine Ausbildung als zahnmedizinische Fachangestellte in der zahnärztlichen Praxis Prof. L. und Partner, F. Str., 90429 A-Stadt.
Am 15.08.2007 übersiedelte die ASt aus dem elterlichen Anwesen in S./Süd-Thüringen in ein von ihr gemietetes 1-Zimmer-Appartement in A-Stadt, H.straße.
Am 01.06.2007 beantragte die ASt bei der AG die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe, was die AG mit Bescheid vom 12.02.2008 ablehnte. Die ASt sei zwar außerhalb des Haushalts der Eltern untergebracht, jedoch könne sie die Ausbildungsstätte von der Wohnung ihrer Eltern (gleiche Anschrift mit der Mutter – H.straße, A-Stadt) aus in angemessener Zeit erreichen. Sie habe weder das 18.Lebensjahr vollendet, noch sei sie verheiratet, noch würde sie mit mindestens einem Kind zusammenleben, es lägen auch keine schwerwiegenden sozialen Gründe vor, die ihr das Wohnen bei ihren Eltern unzumutbar machten. Die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 64 Abs.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) seien somit nicht erfüllt.
Hiergegen legte die ASt Widerspruch ein, den die AG mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2008 zurückwies. Bei einem minderjährigen Auszubildenden könne auch dann ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe bestehen, wenn er aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf das Wohnen im elterlichen Haushalt verwiesen werden könne. Ob solche gewichtigen Gründe vorlägen, sei als Einzelfall unter Berücksichtigung der gegenseitigen Rechte und Pflichten und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern zu bestimmen. Abzustellen sei insbesondere auf ein nachhaltig gestörtes Eltern-Kind-Verhältnis oder eine Gefährdung des Kindeswohls. Nachweise hierfür seien nicht zu erkennen. Die weitere Prüfung habe ergeben, dass sich die ASt ausschließlich in der Region um A-Stadt beworben habe, da die Mutter der ASt dort wohne. Die ASt habe einen Realschulabschluss mit guten Noten, damit wäre eine Vermittlung im "Wunschberuf" auch in der Region Süd-Thüringen und der Region um C. möglich gewesen, beide Elternteile hätten sich nachweislich um die Ausbildung der ASt bemüht.
Gegen die Bescheide der AG ist unter dem Aktenzeichen S 6 AL 181/08 eine Klage anhängig.
Am 28.04.2008 hat die ASt im Rahmen einer einstweiligen Anordnung beantragt, die AG zu verpflichten, ihr ab sofort laufende Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren. Zwar bewohne die Mutter der ASt im gleichen Appartementkomplex ebenfalls ein 1-Zimmer-Appartement mit nur ca. 30 qm Wohnfläche, eine Verweisung auf die Wohnung der Mutter sei aber aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht zumutbar. Der Mutter der ASt als Leistungsbezieherin von Alg II sei es nicht möglich, eine größere Wohnung anzumieten. Die Mutter der ASt habe neben der ASt und drei älteren Söhnen auch noch drei jüngere Kinder, die seit der Trennung der Eltern beim Vater in Thüringen lebten, aber die Mutter regelmäßig am Wochenende in deren 1-Zimmer-Appartement besuchen würden. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, da die ASt momentan lediglich eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 325,52 EUR erhalte.
Mit Beschluss vom 14.05.2008 hat das Sozialgericht Nürnberg (SG) den Antrag der ASt zurückgewiesen. Zwar läge ein Anordnungsgrund vor, allerdings wäre ein Anordnungsanspruch bei der ASt nicht gegeben. Diese habe die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe nicht erfüllt. Sie sei noch keine 18 Jahre alt und könne deshalb zumutbar auf ein Wohnen bei ihren Eltern verwiesen werden. Dies gelte sowohl bei einer möglichen Ausbildung im südlichen Thüringen bzw. im Raum C. für die elterliche Wohnung bei ihrem Vater, als auch für die elterliche Wohnung der Mutter bei einer Ausbildung zur Zahnarzthelferin in A-Stadt. Schwerwiegende soziale Gründe, die ihr ein Wohnen bei einem der Elternteile unzumutbar machen würden, seien nicht vorgetragen.
Hiergegen hat die ASt am 16.06.2008 Beschwerde eingelegt. Es bestünde nicht nur ein Anordnungsgrund, sondern auch ein Anordnungsanspruch. Die ASt könne nicht auf die Wohnung der Mutter verwiesen werden, denn die Mutter bewohne im gleichen Appartementkomplex wie die ASt ebenfalls nur ein 1-Zimmer-Appartement mit ca. 30 qm Wohnfläche. Es seien gerade auch im Rahmen der Zumutbarkeit die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie zu berücksichtigen, wobei auch der regelmäßige Besuch der Geschwister der ASt bei der Mutter in die Abwägung mit einzubeziehen seien. Auf die persönliche Beziehung zwischen Mutter und Tochter komme es aufgrund der objektiven Begebenheiten nicht mehr an. Der gänzliche Förderungsausschluss aller Auszubildenden in beruflichen Ausbildungen, die im Haushalt ihrer Eltern untergebracht seien, sei gerade im Hinblick auf Art. 3, 12 und 20 Grundgesetz (GG) erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.
Mit Bescheid vom 16.07.2008 hat die AG ab 04.08.2008 Berufsausbildungsbeihilfe bewilligt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der AG sowie auf die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Eine Abhilfeentscheidung seitens des SG ist wegen des Wegfalls des § 174 SGG aF nicht mehr erforderlich. Das Rechtsmittel erweist sich aber als unbegründet.
Die ASt begehrt die Gewährung von Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 59 ff SGB III ab April 2008 im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt § 86b Abs. 2 S. 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so Bundesverfassungsgericht vom 25.10.1998, BVerfGE 79, 69 ; vom 19.10.1997, BVerfGE 46, 166 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl., RdNr.643).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes – das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit – und das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs – das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt – voraus. Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs.2 Satz 2 und 4 SGG iVm §§ 920 Abs.2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer , SGG 8.Aufl, § 86b RdNr.41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anspruchsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Umfang (BVerfGE vom 12.05.2005, Breithaupt 2005, 803 = NVwz 2005 927) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruchs der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anspruchsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers zu entscheiden (vgl. BVerfGE vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 aaO; zuletzt BVerfGE vom 15.01.2007 – 1 BvR 2971/06 - ).
In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (BVerfG vom 12.05.2005 aaO):
Unter Beachtung dieser Überlegungen war der ASt einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren.
Vorliegend besteht bei der ASt weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund.
Nach § 64 SGB III wird der Auszubildende bei einer beruflichen Ausbildung nur gefördert, wenn er (1.) außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils wohnt und (2.) die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus nicht in angemessener Zeit erreichen kann. Die unter Nr. 2 genannte Voraussetzung gilt jedoch nicht, wenn der Auszubildende (1.) das 18.Lebensjahr vollendet hat, (2.) verheiratet ist oder war, (3.) mit mindestens einem Kind zusammenlebt oder (4.) aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, § 64 Abs.1 Satz 2
SGB III.
Schwerwiegende soziale Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn es sich um eine dauerhaft gestörte Eltern-Kind-Beziehung handelt, der Auszubildende etwa deshalb seit längerem auswärts untergebracht ist, oder wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Auszubildenden durch die Eltern oder deren Umfeld gefährdet ist (z.B. Alkohol, Drogen, Prostitution), vgl. Stratmann in Niesel
SGB III 4.Aufl., 2007 § 64 Rdnr.8.
Solche schwerwiegenden sozialen Gründe liegen hier nicht vor, vielmehr haben sich die Eltern der ASt unwidersprochen gerade beide um die Ausbildung der ASt bemüht.
Allein in der Größe der Wohnung der Mutter der ASt ist ein schwerwiegender sozialer Grund nicht zu sehen, das Zusammenwohnen von zwei Personen auf ca. 30 qm Wohnfläche ist nicht unzumutbar, sondern z.B. in studentischen Wohngemeinschaften nicht unüblich. Damit erst recht nicht bei einem Zusammenleben von Mutter und Tochter. Gelegentliche räumliche Engpässe bei der Wahrnehmung des Umgangsrechts der Mutter mit ihren weiteren Kindern kann die ASt beispielsweise durch einen Besuch beim Vater im Rahmen von dessen Umgangsrecht kompensieren.
Die von der ASt angesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken betreffen die Frage eines gänzlichen Förderungsausschlusses von Auszubildenden, die im Haushalt ihrer Eltern untergebracht sind (vgl insoweit Fuchsloch in Gagel SGB III § 64 Rdn. 11; Stratmann aaO. Rdnr. 4), somit einen gänzlich anderen Sachverhalt.
Darüber hinaus fehlt es aber zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung auch an einem Anordnungsgrund. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Anordnungsgrundes, also der Eilbedürftigkeit der Sache, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Antrag (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 8.Aufl., 2005, § 86b Rdnr.42).
Soweit mit dem Beschwerdeverfahren Leistungen ab April 2008 geltend gemacht werden, beziehen sich diese Leistungen ausschließlich auf abgelaufene Zeiträume, für die die Dringlichkeit der Angelegenheit in aller Regel nicht glaubhaft zu machen ist (vgl. Beschluss des BayLSG, Az: L 11 B 1107/07 AS ER).
Die AG hat mit Bescheid vom 16.07.2008 über den Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe bei der ASt ab 04.08.2008 (Vollendung des 18.Lebensjahres) entschieden und ab diesem Zeitpunkt Berufsausbildungsbeihilfe gewährt. Für die Zeit ab August 2008 ist die ASt somit klaglos gestellt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren war ebenso abzulehnen.
Gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 ff ZPO erhält ein Berechtigter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Prozesskosten nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Vorliegend sind hinreichende Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zu verneinen und ist daher PKH nicht zu bewilligen. Damit kommt es auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der ASt nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen der ASt.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe für die Antragstellerin (ASt) ab April 2008 durch die Antragsgegnerin (AG).
Die 1990 geborene ASt durchläuft seit dem 01.09.2007 eine Ausbildung als zahnmedizinische Fachangestellte in der zahnärztlichen Praxis Prof. L. und Partner, F. Str., 90429 A-Stadt.
Am 15.08.2007 übersiedelte die ASt aus dem elterlichen Anwesen in S./Süd-Thüringen in ein von ihr gemietetes 1-Zimmer-Appartement in A-Stadt, H.straße.
Am 01.06.2007 beantragte die ASt bei der AG die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe, was die AG mit Bescheid vom 12.02.2008 ablehnte. Die ASt sei zwar außerhalb des Haushalts der Eltern untergebracht, jedoch könne sie die Ausbildungsstätte von der Wohnung ihrer Eltern (gleiche Anschrift mit der Mutter – H.straße, A-Stadt) aus in angemessener Zeit erreichen. Sie habe weder das 18.Lebensjahr vollendet, noch sei sie verheiratet, noch würde sie mit mindestens einem Kind zusammenleben, es lägen auch keine schwerwiegenden sozialen Gründe vor, die ihr das Wohnen bei ihren Eltern unzumutbar machten. Die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 64 Abs.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) seien somit nicht erfüllt.
Hiergegen legte die ASt Widerspruch ein, den die AG mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2008 zurückwies. Bei einem minderjährigen Auszubildenden könne auch dann ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe bestehen, wenn er aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf das Wohnen im elterlichen Haushalt verwiesen werden könne. Ob solche gewichtigen Gründe vorlägen, sei als Einzelfall unter Berücksichtigung der gegenseitigen Rechte und Pflichten und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern zu bestimmen. Abzustellen sei insbesondere auf ein nachhaltig gestörtes Eltern-Kind-Verhältnis oder eine Gefährdung des Kindeswohls. Nachweise hierfür seien nicht zu erkennen. Die weitere Prüfung habe ergeben, dass sich die ASt ausschließlich in der Region um A-Stadt beworben habe, da die Mutter der ASt dort wohne. Die ASt habe einen Realschulabschluss mit guten Noten, damit wäre eine Vermittlung im "Wunschberuf" auch in der Region Süd-Thüringen und der Region um C. möglich gewesen, beide Elternteile hätten sich nachweislich um die Ausbildung der ASt bemüht.
Gegen die Bescheide der AG ist unter dem Aktenzeichen S 6 AL 181/08 eine Klage anhängig.
Am 28.04.2008 hat die ASt im Rahmen einer einstweiligen Anordnung beantragt, die AG zu verpflichten, ihr ab sofort laufende Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren. Zwar bewohne die Mutter der ASt im gleichen Appartementkomplex ebenfalls ein 1-Zimmer-Appartement mit nur ca. 30 qm Wohnfläche, eine Verweisung auf die Wohnung der Mutter sei aber aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht zumutbar. Der Mutter der ASt als Leistungsbezieherin von Alg II sei es nicht möglich, eine größere Wohnung anzumieten. Die Mutter der ASt habe neben der ASt und drei älteren Söhnen auch noch drei jüngere Kinder, die seit der Trennung der Eltern beim Vater in Thüringen lebten, aber die Mutter regelmäßig am Wochenende in deren 1-Zimmer-Appartement besuchen würden. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, da die ASt momentan lediglich eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 325,52 EUR erhalte.
Mit Beschluss vom 14.05.2008 hat das Sozialgericht Nürnberg (SG) den Antrag der ASt zurückgewiesen. Zwar läge ein Anordnungsgrund vor, allerdings wäre ein Anordnungsanspruch bei der ASt nicht gegeben. Diese habe die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe nicht erfüllt. Sie sei noch keine 18 Jahre alt und könne deshalb zumutbar auf ein Wohnen bei ihren Eltern verwiesen werden. Dies gelte sowohl bei einer möglichen Ausbildung im südlichen Thüringen bzw. im Raum C. für die elterliche Wohnung bei ihrem Vater, als auch für die elterliche Wohnung der Mutter bei einer Ausbildung zur Zahnarzthelferin in A-Stadt. Schwerwiegende soziale Gründe, die ihr ein Wohnen bei einem der Elternteile unzumutbar machen würden, seien nicht vorgetragen.
Hiergegen hat die ASt am 16.06.2008 Beschwerde eingelegt. Es bestünde nicht nur ein Anordnungsgrund, sondern auch ein Anordnungsanspruch. Die ASt könne nicht auf die Wohnung der Mutter verwiesen werden, denn die Mutter bewohne im gleichen Appartementkomplex wie die ASt ebenfalls nur ein 1-Zimmer-Appartement mit ca. 30 qm Wohnfläche. Es seien gerade auch im Rahmen der Zumutbarkeit die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie zu berücksichtigen, wobei auch der regelmäßige Besuch der Geschwister der ASt bei der Mutter in die Abwägung mit einzubeziehen seien. Auf die persönliche Beziehung zwischen Mutter und Tochter komme es aufgrund der objektiven Begebenheiten nicht mehr an. Der gänzliche Förderungsausschluss aller Auszubildenden in beruflichen Ausbildungen, die im Haushalt ihrer Eltern untergebracht seien, sei gerade im Hinblick auf Art. 3, 12 und 20 Grundgesetz (GG) erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.
Mit Bescheid vom 16.07.2008 hat die AG ab 04.08.2008 Berufsausbildungsbeihilfe bewilligt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der AG sowie auf die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Eine Abhilfeentscheidung seitens des SG ist wegen des Wegfalls des § 174 SGG aF nicht mehr erforderlich. Das Rechtsmittel erweist sich aber als unbegründet.
Die ASt begehrt die Gewährung von Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 59 ff SGB III ab April 2008 im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt § 86b Abs. 2 S. 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so Bundesverfassungsgericht vom 25.10.1998, BVerfGE 79, 69 ; vom 19.10.1997, BVerfGE 46, 166 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl., RdNr.643).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes – das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit – und das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs – das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt – voraus. Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs.2 Satz 2 und 4 SGG iVm §§ 920 Abs.2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer , SGG 8.Aufl, § 86b RdNr.41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anspruchsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Umfang (BVerfGE vom 12.05.2005, Breithaupt 2005, 803 = NVwz 2005 927) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruchs der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anspruchsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers zu entscheiden (vgl. BVerfGE vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 aaO; zuletzt BVerfGE vom 15.01.2007 – 1 BvR 2971/06 - ).
In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (BVerfG vom 12.05.2005 aaO):
Unter Beachtung dieser Überlegungen war der ASt einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren.
Vorliegend besteht bei der ASt weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund.
Nach § 64 SGB III wird der Auszubildende bei einer beruflichen Ausbildung nur gefördert, wenn er (1.) außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils wohnt und (2.) die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus nicht in angemessener Zeit erreichen kann. Die unter Nr. 2 genannte Voraussetzung gilt jedoch nicht, wenn der Auszubildende (1.) das 18.Lebensjahr vollendet hat, (2.) verheiratet ist oder war, (3.) mit mindestens einem Kind zusammenlebt oder (4.) aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, § 64 Abs.1 Satz 2
SGB III.
Schwerwiegende soziale Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn es sich um eine dauerhaft gestörte Eltern-Kind-Beziehung handelt, der Auszubildende etwa deshalb seit längerem auswärts untergebracht ist, oder wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Auszubildenden durch die Eltern oder deren Umfeld gefährdet ist (z.B. Alkohol, Drogen, Prostitution), vgl. Stratmann in Niesel
SGB III 4.Aufl., 2007 § 64 Rdnr.8.
Solche schwerwiegenden sozialen Gründe liegen hier nicht vor, vielmehr haben sich die Eltern der ASt unwidersprochen gerade beide um die Ausbildung der ASt bemüht.
Allein in der Größe der Wohnung der Mutter der ASt ist ein schwerwiegender sozialer Grund nicht zu sehen, das Zusammenwohnen von zwei Personen auf ca. 30 qm Wohnfläche ist nicht unzumutbar, sondern z.B. in studentischen Wohngemeinschaften nicht unüblich. Damit erst recht nicht bei einem Zusammenleben von Mutter und Tochter. Gelegentliche räumliche Engpässe bei der Wahrnehmung des Umgangsrechts der Mutter mit ihren weiteren Kindern kann die ASt beispielsweise durch einen Besuch beim Vater im Rahmen von dessen Umgangsrecht kompensieren.
Die von der ASt angesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken betreffen die Frage eines gänzlichen Förderungsausschlusses von Auszubildenden, die im Haushalt ihrer Eltern untergebracht sind (vgl insoweit Fuchsloch in Gagel SGB III § 64 Rdn. 11; Stratmann aaO. Rdnr. 4), somit einen gänzlich anderen Sachverhalt.
Darüber hinaus fehlt es aber zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung auch an einem Anordnungsgrund. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Anordnungsgrundes, also der Eilbedürftigkeit der Sache, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Antrag (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 8.Aufl., 2005, § 86b Rdnr.42).
Soweit mit dem Beschwerdeverfahren Leistungen ab April 2008 geltend gemacht werden, beziehen sich diese Leistungen ausschließlich auf abgelaufene Zeiträume, für die die Dringlichkeit der Angelegenheit in aller Regel nicht glaubhaft zu machen ist (vgl. Beschluss des BayLSG, Az: L 11 B 1107/07 AS ER).
Die AG hat mit Bescheid vom 16.07.2008 über den Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe bei der ASt ab 04.08.2008 (Vollendung des 18.Lebensjahres) entschieden und ab diesem Zeitpunkt Berufsausbildungsbeihilfe gewährt. Für die Zeit ab August 2008 ist die ASt somit klaglos gestellt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren war ebenso abzulehnen.
Gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 ff ZPO erhält ein Berechtigter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Prozesskosten nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Vorliegend sind hinreichende Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zu verneinen und ist daher PKH nicht zu bewilligen. Damit kommt es auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der ASt nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen der ASt.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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