L 11 B 394/08 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AS 294/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 394/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschuss des Sozialgerichtes C-Stadt vom 29.04.2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast) begehrt die Übernahme von Mietrückständen in Höhe von 800,00 EUR.

Der Ast bezog seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II – Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt mit Bescheid vom 24.10.2007 für den Zeitraum 01.12.2007 bis 31.05.2008 in Höhe von 497,15 EUR.

Anlässlich der Vorsprachen am 11.02. und 15.02.2008 beantragte der Ast die Bewilligung eines Darlehens zur Deckung der offenen Mietzahlungen für Januar und Februar 2008, weil er die bewilligten Leistungen zur Begleichung der Kfz-Steuer benötigt habe. Die Antragsgegnerin forderte in diesem Zusammenhang die Vorlage von Nachweisen über die Mietrückstände. Im Rahmen einer weiteren Vorsprache am 06.03.2008 wurde dem Ast mitgeteilt, dass eine darlehensweise Übernahme der Mietschulden nicht möglich sei.

Am 31.03.2008 hat der Ast beim Sozialgericht Würzburg (SG) beantragt, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einen Betrag in Höhe 800.00 EUR – entsprechend zweier Monatswarmmieten – auszuzahlen. Zum Beleg seiner Mietrückstände hat er ein Schreiben seines Vermieters vom 28.03.2008 vorgelegt, dass dieser auf der Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.05.2008 bestehe, weil der Ast sich bereits mit drei Monatsmieten im Rückstand befinde.

Die Ag hat in Aussicht gestellt, die Mietzahlungen zukünftig in den Zeiten eines Leistungsbezuges direkt an den Vermieter zu überweisen, sofern hierdurch zur Erhaltung der Mietwohnung beigetragen werden könne. Im Übrigen habe man dem Ast angeboten im Falle der Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung unverzüglich einen Eingliederungszuschuss zur Verfügung zu stellen, aus dem er seine Mietschulden begleichen könne.

Das SG hat den Ast darauf hingewiesen, dass das Schreiben vom 28.03.2008 nicht als Kündigung zu verstehen sei, sondern auf eine solche Bezug nehmen. Auch ließe sich dem Schreiben entnehmen, dass der Ast selbst gekündigt habe. Das SG hat den Ast aufgefordert, das Kündigungsschreiben und einen Nachweis über die Höhe der tatsächlichen Mietrückstände vorzulegen.

Nachdem die Anfrage des SG ohne Reaktion des Ast geblieben war, hat es mit Beschluss vom 29.04.2008 den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, weil nach den vorgelegten Unterlagen kein zweifelsfreier Schluss möglich sei, dass die Wohnung durch die Übernahme der Mietrückstände dauerhaft erhalten werden könne. Zum Einen lasse das Schreiben vom 28.03.2008 die Möglichkeit offen, dass eine Kündigung seitens des Ast erfolgt sein könne. Darüber hinaus sei auch nicht ersichtlich, dass allein durch die Übernahme der zwei beantragten Monatsmieten die Mietrückstände insgesamt auszugleichen wären und die Wirkung einer Vermieterkündigung entfallen könnte.

Gegen diesen Beschluss hat der Ast am 05.05.2008 beim Bayerischen Landessozialgericht Beschwerde eingelegt. Die Kündigung sei nicht zum 30.05.2008 sondern zum 30.06.2008 erfolgt, und der Vermieter sei auch bereit, das Mietverhältnis bei Zahlung von 800.00 EUR fortzusetzen.

Dem hat die Ag entgegnet, dass der Vermieter des Ast bei der Ag vorgesprochen und das Vorhandensein von Mietrückständen bestätigt habe. Zudem sei mitgeteilt worden, dass nunmehr eine Kündigung der Mietwohnung tatsächlich zum 30.06.2008 erfolgt sei; davon, dass der Ast bei Zahlung von 800.00 EUR Mietschulden in der Wohnung verbleiben könne, sei jedoch keine Rede gewesen. Mit Bescheid vom 06.05.2008 idF des Bescheides vom 26.06.2008 hat die Ag dem Ast weiterhin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.06.2008 bewilligt.

Nachweise über die Höhe der Mietrückstände und eine Bestätigung des Vermieters über eine Möglichkeit bei Zahlung von 800.00 EUR in der Wohnung zu verbleiben, hat der Ast trotz gerichtlicher Aufforderung nicht vorgelegt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde des Ast ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Ein Abhilfeverfahren war – nach Eingang der Beschwerde am 05.05.2008 – nicht mehr erforderlich, nachdem § 174 SGG mit Wirkung ab 01.04.2008 ohne Übergangsvorschrift ersatzlos entfallen ist (Art 1 Nr.30, Art 5 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 – BGBl. I S 444). In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Bezug auf das vom Ast geltend gemachte Begehren zur Regelung eines vorläufigen Zustandes stellt vorliegend § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar. Der Ast hat bei seinen Vorsprachen am 11.02. und 15.02.2008 die Übernahme von Mietschulden in Höhe von 800.00 EUR beantragt, wobei eine schriftliche Entscheidung der Ag hierüber bisher nicht vorliegt.

Insoweit ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 (74); vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr. 643)

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Ast sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06 -).

Vorliegend war dem Ast einstweiliger Rechtsschutz zu versagen, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist.

Die materielle Anspruchsgrundlage auf Übernahme bestehender Mietschulden setzt voraus, dass Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, und die Übernahme von Schulden aus dem Mietverhältnis zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Ast jedoch nicht, denn nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Ag im Beschwerdeverfahren wurde die Wohnung seitens des Vermieters mittlerweile tatsächlich zum 30.06.2008 gekündigt, so dass eine Sicherung der Unterkunft für die Zukunft nicht mehr möglich erscheint.

Der Ast selbst hat in diesem Zusammenhang nicht glaubhaft gemacht, dass er trotz der Kündigung weiterhin in der Wohnung verbleiben könne, wenn er ausstehende Mietzahlungen in Höhe von 800.00EUR an seinen Vermieter erbringt. Es ist nicht ersichtlich, dass er der Kündigung des Mietverhältnisses – im Rahmen eines Rechtsstreites - entgegengetreten wäre, womit auch nicht erkennbar wird, welchen Einfluss die Zahlung der Schulden auf die Erhaltung des Mietverhältnisses haben kann. Der Vermieter des Ast hat gegenüber der Ag vielmehr bestätigt, dass keine Rede davon sein könne, dem Ast werde ein Verbleiben in der Wohnung gestattet, wenn er die bestehenden Mietschulden in Höhe eines (Teil-)Betrages von 800.- EUR begleiche. Im Hinblick auf diese Sachlage können Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens nicht mehr als offen angesehen werden, denn es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Ag die Mietschulden des Ast zu übernehmen haben wird, zumal sich die streitgegenständlichen Mietrückstände auf Zeiträume beziehen, für die dem Ast die tatsächlichen Kosten der Unterkunft bereits ausgezahlt worden waren, dieser die Leistungen jedoch zweckfremd verbraucht hat.

Auch die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ist nicht zu erkennen, nachdem der Ast über den 01.06.2008 hinaus Leistungen nach dem SGB II bezieht, unter der bisherigen Wohnschrift weiterhin zu erreichen ist und keine Anhaltspunkte vorliegen, dass der Ast von Wohnungslosigkeit bedroht wäre, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Vermieter eine Räumungsklage gegen den Ast erhoben hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Ast.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved