L 10 B 527/08 AL PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 198/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 B 527/08 AL PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.05.2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG), in dem die Antragstellerin (ASt) von der Antragsgegnerin (AG) die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 59 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ab April 2008 begehrte.
Die am 04.08.1990 geborene ASt durchläuft seit dem 01.09.2007 eine Ausbildung als zahnmedizinische Fachangestellte in der zahnärztlichen Praxis Prof. L. und Partner, F. Str. 4a, 90429 A-Stadt.

Am 15.08.2007 übersiedelte die ASt aus dem elterlichen Anwesen in S./Süd-Thüringen in ein von ihr gemietetes 1-Zimmer-Apparement in A-Stadt, H.straße.

Am 01.06.2007 beantragte die ASt bei der AG die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe, was die AG mit Bescheid vom 12.02.2008 ablehnte. Die ASt sei zwar außerhalb des Haushalts der Eltern untergebracht, jedoch könnte sie die Ausbildungsstätte von der Wohnung ihrer Eltern (gleiche Anschrift mit der Mutter – H.straße, A-Stadt) aus in angemessener Zeit erreichen. Sie habe weder das 18.Lebensjahr vollendet noch sei sie verheiratet noch würde sie mit mindestens einem Kind zusammenleben, es lägen auch keine schwerwiegenden sozialen Gründe vor, die ihr das Wohnen bei ihren Eltern unzumutbar machten. Die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 64 Abs.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) seien somit nicht erfüllt.

Hiergegen legte die ASt mit Schreiben vom 17.02.2008 Widerspruch ein, den die AG mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2008 zurückwies. Bei einem minderjährigen Auszubildenden könne auch dann ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe bestehen, wenn er aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf das Wohnen im elterlichen Haushalt verwiesen werden könne. Ob solche gewichtigen Gründe vorlägen, sei als Einzelfall unter Berücksichtigung der gegenseitigen Rechte und Pflichten und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern zu bestimmen. Abzustellen sei insbesondere auf ein nachhaltig gestörtes Eltern-Kind-Verhältnis oder eine Gefährdung des Kindeswohles. Nachweise hierfür seien nicht zu erkennen. Die weitere Prüfung habe ergeben, dass sich die ASt ausschließlich in der Region um A-Stadt beworben habe, da die Mutter der ASt dort wohne. Die ASt habe einen Realschulabschluss mit guten Noten, damit wäre eine Vermittlung im "Wunschberuf" auch in der Region Süd-Thüringen und der Region um C. möglich gewesen, beide Elternteile hätten sich nachweislich um die Ausbildung der ASt bemüht.

Am 28.04.2008 hat die ASt im Rahmen einer einstweiligen Anordnung beantragt, die AG zu verpflichten, der ASt ab sofort laufende Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren. Zwar bewohne die Mutter der ASt im gleichen Appartementkomplex ebenfalls ein 1-Zimmer-Appartement mit nur ca. 30 qm Wohnfläche, eine Verweisung auf die Wohnung der Mutter sei aber aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht zumutbar. Der Mutter der ASt als Leistungsbezieherin von Alg II sei es nicht möglich, eine größere Wohnung anzumieten. Die Mutter der ASt habe neben der ASt und drei älteren Söhnen auch noch drei jüngere Kinder, die seit der Trennung der Eltern beim Vater in Thüringen lebten, aber die Mutter regelmäßig am Wochenende in deren 1-Zimmer-Appartement besuchen würden. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, da die ASt momentan lediglich eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 325,52 EUR erhalte.

Mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung hat die ASt auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat mit Beschluss vom 14.05.2008 den Antrag der ASt auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe im Wege der einstweiligen Anordnung zurückgewiesen und mit weiterem Beschluss vom 14.05.2008 auch den Antrag der ASt auf Gewährung von PKH abgelehnt.
Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung hinreichende Erfolgsaussichten nicht zu erkennen seien. Die ASt könne auf ein Wohnen bei ihrer Mutter verwiesen werden. Eine Verweisung auf die Wohnung der Eltern sei lediglich aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar, insbesondere wenn Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl der Auszubildenden bestünde. Solche schwerwiegenden sozialen Gründe seien nicht vorgetragen.
Hiergegen hat die ASt am 16.06.2008 Beschwerde eingelegt. Die ASt könne nicht auf die Wohnung der Mutter verwiesen werden, denn diese bewohne im gleichen Appartementkomplex wie die ASt nur ein 1-Zimmer-Appartement mit 30 qm Wohnfläche. Es seien die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie zu berücksichtigen, die es der Mutter der ASt als Leistungsbezieherin von Alg II eben gerade nicht erlauben würden, eine größere Wohnung anzumieten. Eine Verweisung der ASt auf die Wohnung der Mutter sei aufgrund der objektiven Gegebenheiten nicht möglich. Mit der Beschwerde ist auch PKH für das Beschwerdeverfahren beantragt worden.
Mit Bescheid vom 16.07.2008 hat die AG der ASt Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe ab 04.08.2008 bewilligt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte der AG sowie auch auf die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Eine Abhilfeentscheidung seitens des SG ist wegen des Wegfalls des § 174 SGG aF nicht mehr erforderlich. Das Rechtsmittel erweist sich aber als unbegründet.
Nach § 73a Abs. 1 iVm § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhalten PKH Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Hinreichende Erfolgsaussichten sind gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 8.Aufl., § 73a RdNr.7a). Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ist nicht notwendig, der Standpunkt des Antragstellers muss zumindest objektiv vertretbar sein (vgl. Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, § 114 ZPO RdNr.87).

Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten sind die Verhältnisse und der Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (vgl. Philippi in Zöller, ZPO, 26.Aufl 2007, § 119 RdNr.44 mwN). Anderes kann allenfalls gelten, wenn die PKH-Entscheidung durch das Erstgericht pflichtwidrig verzögert wurde (vgl. Philippi aaO, § 119 RdNr.47), wofür sich vorliegend keine Anhaltspunkte ergeben.

Im vorliegenden Rechtsstreit ist ein Erfolg nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, sodass unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen der ASt ein Anspruch auf PKH nicht besteht.

Für die einstweilige Anordnung der ASt fehlte es an einem Anordnungsanspruch. Die zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung minderjährige ASt konnte unter Berücksichtigung des § 64 Abs.1 Satz 2 SGB III zumutbar auf die Wohnung der Mutter der ASt verwiesen werden, schwerwiegende soziale Gründe lagen bei der ASt nicht vor. Insoweit ist auf den Beschluss des Senats vom gleichen Tage in dem Parallelstreit L 10 B 522/08 AL ER zu verweisen.
Darüber hinaus fehlt es zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung auch an einem Anordnungsgrund. Für den Zeitraum ab April 2008 beziehen sich die geltend gemachten Leistungen ausschließlich auf abgelaufene Zeiträume, für die die Dringlichkeit der Angelegenheit in aller Regel nicht glaubhaft zu machen ist (vgl. Beschluss des BayLSG, Az: L 11 B 1107/07 AS ER). Für die Zukunft ist die ASt mit Bescheid vom 16.07.2008 und der Bewilligung von Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe ab 04.08.2008 klaglos gestellt. Auch insoweit wird auf die Entscheidung des Senats vom heutigen Tage im Parallelrechtsstreit L 10 B 522/08 AL ER verwiesen.
Für das Beschwerdeverfahren bzgl. der Bewilligung von PKH ist PKH nicht zu bewilligen (vgl. Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl., 2005, SGG § 73a Rdnr.2b).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen der Ast.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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