L 11 B 581/08 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 487/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 581/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 16.06.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die vorläufige Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II
-Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.04.2008 bis 30.09.2008, insbesondere die Bewilligung höherer Unterkunfts- und Heizungskosten und die Nichtberücksichtigung von Einkommen aus einer geringfügigen Tätigkeit.
Der Antragsteller (ASt) ist am 01.04.2008 ohne Zustimmung des Jobcenters S.-, von dem er Leistungen für die vorangegangene Zeit bezogen hatte, in den Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin (Ag) umgezogen. Er nahm zunächst eine geringfügige Tätigkeit und ab 05.06.2008 - vorübergehend - ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auf. Mit Bescheid vom 14.04.2008 in der Fassung des Bescheides vom 17.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2008 bewilligte die Ag Alg II unter Anrechnung eines Teils des Einkommens aus geringfügiger Tätigkeit und unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten lediglich in Höhe seiner am früheren Wohnort gezahlten Miete (280,33 EUR). Eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid hat der ASt nicht erhoben.
Bereits am 29.05.2008 hat der ASt einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Würzburg (SG) dahingehend begehrt, ihm Alg II ohne Anrechnung von Einkommen aus geringfügiger Tätigkeit und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizungs-kosten in Höhe von 385,00 EUR monatlich zu zahlen. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 16.06.2008 aufgrund summarischer Prüfung abgelehnt. Ein Umzug von B. nach A-Stadt sei gemäß § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht notwendig gewesen. Es seien daher nur Unterkunftskosten in der Höhe von der Ag zu übernehmen, wie sie in B. entstanden wären. Das Einkommen aus geringfügiger Tätigkeit sei anzurechnen.
Dagegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. In B. hätte er keine Arbeit gefunden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogen Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet. Einstweiliger Rechtsschutz ist dem ASt nicht zu gewähren.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiellrechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung – ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.

Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 –1 BvR 2971/06 -).

In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (BVerfG vom 12.05.2005 aaO).
Vorliegend hat der ASt gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.06.2008 keine Klage zum SG erhoben. Damit ist der Bescheid vom 14.04.2008 in der Fassung des Bescheides vom 17.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 19.06.2008 bestandskräftig geworden. Ein Hauptsacheverfahren ist nicht anhängig, eine Klage hat der ASt nicht erhoben. Einstweiliger Rechtsschutz ist dann aber nicht zu gewähren, wenn eine vorläufige Entscheidung bis zur Hauptsacheentscheidung nicht mehr getroffen werden kann. Das Vorliegen eines laufenden Hauptsacheverfahrens ist Voraussetzung für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Wie der Begriff "vorläufiger Rechtsschutz" bereits aussagt, geht es hierbei allein um vorläufige Regelungen, soweit solche bis zur Klärung in der Hauptsache eilbedürftig sind. Deshalb besteht grundsätzlich für einen einstweiligen Rechtsschutz dort kein Raum mehr, wo die Leistung an den ASt bereits bestands- oder aber rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl. Beschluss des Senates vom 12.07.2006 - L 11 B 440/06 SO ER - mwN).
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen, so dass offen gelassen werden kann, ob die Erforderlichkeit eines Umzugs bestanden hat und ob § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II auch auf einen Umzug außerhalb der jeweiligen Wohnortgemeinde anzuwenden ist (vgl. hierzu u.a. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Aufl, § 22 Rdnr 47b).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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