L 11 B 517/08 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 SO 89/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 517/08 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.06.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht wird abgelehnt.

Gründe:

Die Antragstellerin (ASt) begehrt von der Antragsgegnerin (AG) die Zustimmung zu einem geplanten Umzug mit unbekanntem Ziel und Ersatz der hierfür anfallenden Umzugskosten.

Die 1970 geborene ASt erhält, nachdem sie vorher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der ARGE A-Stadt bezogen hat, laufende Leistungen nach dem SGB XII – Drittes Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt) von der AG, zuletzt mit Bescheid vom 16.05.2008.

Seit dem 01.04.2006 bewohnt sie ihre gegenwärtige Wohnung in der A-Straße, A-Stadt.

Bereits am 28.7.2007 hatte die ASt beim Verwaltungsgericht A. einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die AG und das "Arbeitsamt" gestellt, mit dem Ziel, 2000 bis 2500 EUR für einen Umzug und die Kaution für eine neue Wohnung zu erhalten. Eine konkrete Wohnung hatte sie nicht in Aussicht. Die Streitsache wurde an das Sozialgericht Nürnberg verwiesen (Az. S 20 SO 125/07 ER). Mit Schreiben vom 14.9.2007 nahm die ASt den Antrag zurück.

Einen weiteren Eilantrag beim Sozialgericht Nürnberg (Az. S 20 SO 188/07 ER) wegen der Genehmigung eines Umzugs und Gewährung finanzieller Hilfen hierfür nahm die ASt mit Schreiben vom 03.12.2007 zurück.

Nach der Miet - und Ausstattungsbeschreibung vom 3.5.2008 - unterschrieben von der ASt und der Hausverwaltung - befindet sich die derzeitige Wohnung in unrenoviertem, besenreinem Zustand, eine Abschlussrenovierung würde deswegen nicht verlangt

Am 9.5.2008 stellte die ASt einen Antrag auf Umzug aus gesundheitlichen Gründen wegen ihrer Sonnenlichtallergie. Hierzu wurde ein Attest von Dr. K. vorgelegt, wonach die Antragstellerin unter einer Sonnenallergie leide und direkte UV- Strahlung vermeiden solle. Mit einer E-Mail vom 22.5.2008 wiederholte die ASt ihren Umzugsantrag. Ihre türkischen Nachbarn seien für sie nicht mehr zumutbar, man bekomme keine Ruhe und Erholung mehr und müsse ständig mit Belästigungen und Lärm leben.

Bereits am 22.5.2008 hat die ASt beim Sozialgericht Nürnberg erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen einer Umzugsgenehmigung und der hierfür erforderlichen Kosten beantragt. Wegen Krankheit, Lärmkrankheit und einer schweren Nasennebenhöhlenentzündung und der Nachbarschaft (Türken), mit denen sie nicht zusammen leben könne und wolle, und da die Wohnung zu klein sei, wolle sie umziehen und benötige hierfür eine Umzugsgenehmigung.

Mit Beschluss vom 4.6.2008 hat das Sozialgericht Nürnberg den Eilantrag abgelehnt. Eine Eilbedürftigkeit sei nicht gegeben. Es sei nicht ersichtlich, weshalb es der ASt nicht zumutbar sein solle, zumindest eine Prüfung ihrer Wohnsituation durch den Außendienst der AG und im weiteren Verlauf eine Entscheidung der AG über ihren erst vor kurzem am 9.5.2008 gestellten Antrag abzuwarten. Es sei nicht ersichtlich, dass der ASt dadurch schwerwiegende Nachteile drohten.

Hiergegen hat die ASt mit Schreiben vom 18.06.2008 Beschwerde eingelegt und einen Augenscheinstermin in der Wohnung beantragt. Sie hätte massive Angst und könne dort nicht mehr wohnen, da sich in der Umgebung der Wohnung gewalttätige Türken und Alkoholiker aufhielten. Sie könne nicht mehr in A-Stadt bleiben, da sie den Verdacht habe, Rechtsradikale hätten sie ins Auge gefasst. Sie würde gern nach B., P. beziehungsweise nach H. ziehen.

Mit E-Mail und Schreiben vom 28.06.2008 hat die ASt Wohnungsangebote vorgelegt und mitgeteilt, dass der Schalter im Bad kaputt und es im Bad modrig sei. Gleichzeitig hat sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Die AG hat am 10.06.2008 und 15.07.2008 eine Außendienstprüfung der Wohnung vorgenommen. Am 10.06.2008 hat die ASt dabei mehr das Umfeld und die Gegend der Wohnung bemängelt, als dass sie auf die bei ihr bestehende Allergie einging. Sie könne ihre Kleidung nicht waschen, weil sie hierfür das Haus verlassen müsse. Außerdem wolle sie aus Bayern wegziehen. Nach dem Aktenvermerk haben sich keine Beeinträchtigungen oder Verschlechterungen des Gesundheitszustands der ASt aufgrund der Sonnenallergie ergeben. Die labil wirkende ASt habe mehr ein Problem mit der Wohngegend als mit der Wohnung.

Nach dem Aktenvermerk zum Hausbesuch vom 15.07.2008 wohnt die ASt im Erdgeschoss in einer verkehrsberuhigten Straße. Der Sonneneinfall sei aufgrund der engen Bebauung und eines Gebüsches minimal. Die ASt habe zu lautes Kindergeschrei von der Straße und nachts Lärmbelästigung durch Anwohner der Heilsarmee moniert. Es finde sich aber weder eine Schule noch ein Kindergarten oder -spielplatz in unmittelbarer Nähe. Die ASt wolle unbedingt aus A-Stadt wegziehen, da sie es in einer so großen Stadt nicht aushalte. Aber auch in Franken, Bayern, Süddeutschland wolle sie auf keinen Fall bleiben, da sie mit der hiesigen Mentalität nicht zurecht käme und meine, in Norddeutschland seien die Menschen ganz anders. Der von der ASt monierte Schimmelbefall sei mit bloßen Augen nicht festzustellen. Möglicherweise habe es im Flur tatsächlich an einer Wand einen Wasserschaden gegeben, aber auch hier sei kein Schimmelbefall feststellbar.

Während des laufenden Beschwerdeverfahrens beantragte die ASt erneut beim Sozialgericht Nürnberg den Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az.19 SO 100/08 ER) mit dem Ziel, die AG zur Erteilung einer Umzugsgenehmigung und Übernahme der Umzugskosten zu verurteilen. Die ASt wolle Bayern wegen Krankheit verlassen und könne ein Zimmer in einer Institution für Frauen erhalten. Die ASt nahm diesen Antrag mit Schreiben vom 15.07.2008 zurück, sie hätte sich mit dem Sozialamt geeinigt und könne Angebote vorlegen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten der AG sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen

II.

Die Beschwerde ist zulässig, §§ 172,173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Eine Abhilfeentscheidung ist nicht erforderlich, § 174 SGG ist mit Wirkung zum 01.04.2008 weggefallen. Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet.

Die ASt begehrt die Erteilung einer Umzugsgenehmigung und die Übernahme der Umzugskosten im Wege einer einstweiligen Anordnung.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs. 2 S. 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so Bundesverfassungsgericht vom 25.10.1998, BVerfGE 79, 69 ; vom 19.10.1997, BVerfGE 46, 166 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl., RdNr.643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes – das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit – und das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs – das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt – voraus. Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs.2 Satz 2 und 4 SGG iVm §§ 920 Abs.2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 86b RdNr.41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anspruchsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Umfang (BVerfGE vom 12.05.2005, Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruchs der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anspruchsgrund entscheidende Bedeutung zu.

Ein Anordnungsanspruch für eine Umzugsgenehmigung besteht nicht. Für einen Umzug benötigt ein Leistungsberechtigter, der während des Bezugs von Hilfe zum Lebensunterhalt umzieht, keine Genehmigung oder Zustimmung des Trägers der Sozialhilfe (vgl Grube in Grube/Wahrendorf 2. Auflage 2008 § 29 Rdnr. 42 mwN).

Für die Übernahme der Umzugskosten gelten jedoch die allgemeinen Bestimmungen, d.h. der Umzugsbedarf muss rechtzeitig im Sinne des § 18 SGB XII bekannt gemacht werden und eine Notwendigkeit für den Umzug muss bestehen (vgl Grube aaO Rdnr. 42).

Vorliegend bestehen bereits erhebliche Bedenken hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs, somit bei der Frage der Notwendigkeit eines Umzugs.

Ein Umzug ist u.a. dann notwendig, wenn er vom Sozialhilfeträger veranlasst wird, oder er aus gesundheitlichen bzw. dringenden persönlichen Gründen erzwungen wird oder die Räumung der Wohnung bevorsteht (vgl. Berlit in LPK-SGB XII § 29 Rdnr. 57).

Die ASt hat im Laufe des Verwaltungs- - und der mehreren sozialgerichtlichen Verfahren die Begründung für die bei ihr bestehende Notwendigkeit eines Umzugs mehrfach gewechselt. Ursprünglich stand für die ASt ihre Sonnenallergie im Vordergrund, dieses Argument wechselte dann mit Problemen mit den Nachbarn und einem von den Sachbearbeitern der AG nicht festzustellenden Schimmelbefall der Wohnung. Bei der Besichtigung der Wohnung durch die Hausverwaltung am 03.05.2008 zeigten sich keine beachtlichen Mängel. Ein Augenscheinstermin war somit unter Berücksichtigung der Besonderheiten des auf den einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens nicht geboten (vgl insoweit Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer 8.Auflage, 2005, § 86b Rdnr. 16a).

Insbesondere besteht aber kein Anordnungsgrund. Die Klägerin hat seit dem Jahre 2007 mehrfach im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Genehmigung eines Umzugs und der hierfür erforderlichen Umzugskosten begehrt, diese Anträge dann jedoch jeweils wieder zurückgenommen. Auch den nach der Beschwerde eingelegten Antrag auf einstweilige Anordnung beim Sozialgericht Nürnberg (Az. SO 100/08 ER) hat die ASt mit der Begründung zurückgenommen, sie habe sich mit dem Sozialamt geeinigt und könne Angebote vorlegen. Die Dringlichkeit eines Umzug erschließt sich daher nicht.
Bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung des Senats lag noch keine Entscheidung der AG hinsichtlich der Übernahme der Umzugskosten vor. Eine solche Entscheidung hat die ASt immer wieder durch Anträge auf sozialgerichtlichen Rechtsschutz vereitelt. Es ist der ASt zweifellos zumutbar, eine Entscheidung der AG abzuwarten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war ebenso abzulehnen.

Gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 ff ZPO erhält ein Berechtigter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Prozesskosten nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Vorliegend sind hinreichende Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung der Ausführungen zu verneinen und ist daher PKH nicht zu bewilligen. Damit kommt es auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der ASt nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen der ASt.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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