L 9 U 2551/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 2130/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2551/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob beim Kläger eine Berufskrankheit (BK) Nr. 5101 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt und ihm deswegen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen.

Der 1950 geborene Kläger hat von September 1966 bis April 1968 in der ehemaligen DDR eine Ausbildung zum Chemiefacharbeiter absolviert. Von Mai 1968 bis April 1978 war er bei der NVA Oberfeldwebel im Stab und von Mai 1978 bis April 1981 Löschmeister bei der Berufsfeuerwehr. Nach einer Tätigkeit als Arbeitsvermittler von Mai bis September 1981 war er von Oktober 1981 bis Dezember 1986 als LKW-Fahrer, von Januar 1987 bis März 1988 als Tontechniker bei einer Kapelle und von Mai 1988 bis Dezember 1989 als Chemiefacharbeiter beschäftigt. Nach der Wende arbeitete der Kläger von Februar 1990 bis Juni 2002 als Maschineneinrichter bei der Firma P., E. im Kunststoffspritzguß und vom 19. August 2002 bis Februar 2003 bei der Firma W. Formenbau E. als Kunststoff-Formgeber ebenfalls im Kunststoffspritzguß. Seit 18.10.2002 war der Kläger wegen Hauterscheinungen arbeitsunfähig erkrankt.

Am 30.1.2003 zeigte die AOK Esslingen der Beklagten den Verdacht auf eine BK an und teilte mit, der Kläger sei seit 18.10.2002 wegen einer Dyshidrosis (Pompholyx), ekzematoiden Dermatitis und allergischen Kontaktdermatitis arbeitsunfähig. Wegen dieser Erkrankung sei der Kläger auch schon ab 25.6.2001 arbeitsunfähig gewesen.

Die Beklagte holte Auskünfte beim Kläger, der Firma W. GmbH & Co., der Firma P., der AOK sowie den behandelnden Hautärzten des Klägers Dr. S., Dr. A. und Dr. B., dem Zentrum für Hautkrankheiten (nunmehr: Klinik für Dermatologie und Allergologie) am Krankenhaus Bad Cannstatt ein, veranlasste Stellungnahmen durch ihren Präventionsdienst und den Technischen Aufsichtsdienst der BG Chemie, zog den Entlassungsbericht der DRK-Nordsee-Reha-Klinik Goldene Schlüssel vom 13.8.2003 bei und holte gewerbeärztliche Stellungnahmen ein.

Dr. S. erklärte am 28.2.2003, er habe den Kläger am 27.8. und 5.9.2001 behandelt. Er habe beim Kläger am 27.8.2001 psoriasiforme Hauterscheinungen am Rücken festgestellt. Seit drei Jahren würden schubweise Hauterscheinungen auftreten, deren Ursache nicht bekannt sei. Ein dyshidrosiformes Ekzem an den Händen sei während eines Aufenthaltes in den USA aufgetreten. Eine berufliche Auslösung sei nicht erkennbar gewesen.

Dr. A. gab am 10.3.2003 an, der Kläger habe ihn erstmals am 21.7.1999 wegen eines Hautausschlages an beiden Händen aufgesucht. Behandlungen seien bis zum 8.8.2002 erfolgt (1999: 2 x; 2000: 1 x; 2001: 5 x und 2002: 5 x). Arbeitsunfähigkeit wegen der Hauterkrankung habe vom 25.6. bis 27.6.2001 vorgelegen. Es habe der Verdacht auf ein allergisches Kontaktekzem bestanden. Vermutet worden sei ein Zusammenhang zwischen dem beruflichen Hautkontakt mit Granulaten, Pigmentfarben und Polystyrolen bei der Arbeit mit Kunststoffen.

Dr. B. teilte unter Vorlage von Arztbriefen des Zentrums für Hautkrankheiten Bad Cannstatt am 28.3.2003 mit, er habe den Kläger vom 9.9.2002 bis 26.3.2003 behandelt; seit dem 18.10.2002 sei der Kläger durchgehend arbeitsunfähig. Bei der Erstvorstellung habe ein massives dyshidrosiformes Ekzem beider Hände - seit vielen Monaten - vorgelegen, wobei es sich um einen aktuell neuerlich schweren Schub gehandelt habe. Er habe ein chronisch-rezidivierendes dyshidrosiformes Handekzem beidseits diagnostiziert. Vom 2.12. bis 20.12.2002 sei der Kläger teilstationär in der Hautklinik B. C. behandelt worden. In den Arztbriefen dieser Klinik vom 17. und 19.12.2002 ist ausgeführt, der beschriebene Zeitverlauf der Hauterkrankung spreche eher nicht für eine berufliche Ursache. Dennoch sollte sich der Kläger erkundigen, ob am Arbeitsplatz Toluylendiisocyanat-haltige Materialien eingesetzt würden. Der Hautkontakt zu derartigen Materialien sollte möglichst vermieden werden. Der Kläger leide seit 2½ Jahren unter schubweise auftretenden Hautveränderungen an Händen und Füßen; er bemerke jedoch keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen den auftretenden Hautveränderungen und seiner beruflichen Tätigkeit. Als Diagnosen wurden gestellt: • Hyperkeratotisches-rhagadiformes Hand- und Fußekzem • Generalisiertes allergisches Kontaktekzem bei Typ IV-Sensibilisierung auf Sorbinsäure (Sorbic acid, E 200) in 8-MOP Creme und D’alibour’scher Creme • Typ IV-Sensibilisierungen auf Nickel, Kobalt, Kaliumdichromat, fraglich positive Reaktionen im Epikutantest auf Toluylendiisocyanat und Cignolin • Hyperurikämie.

Unter dem 5.10.2003 teilte Dr. B. mit, beim Kläger bestünden aktuell großflächige erythematöse, leicht schuppende Hautveränderungen beidseits palmar/an den Beugeseiten der Finger. Analoge Hautveränderungen fänden sich in geringerer Ausprägung auch an den Fußsohlen. Während des stationären Aufenthalts (Heilverfahren vom 1.7. bis 29.7.2003) sei es zu einer massiven Befundverschlechterung gekommen. Mittlerweile habe sich der Befund ganz gut stabilisiert; mit weiteren Rezidiven sei jedoch zu rechnen.

Dipl. Ing. Maus vom Technischen Aufsichtsdienst der BG Chemie erklärte unter dem 6.8.2003 und 24.9.2004, bei der Firma P. sei der Kläger keinen toluylendiisocyanathaltigen Materialien ausgesetzt gewesen. Die Überprüfung der dort genutzten Arbeitshandschuhe habe ergeben, dass das Material chromatgegerbt gewesen sei. Bei der Beurteilung sollte berücksichtigt werden, dass der Handschuh nur gelegentlich, zum Formenwechsel, getragen worden sei.

Der Staatliche Gewerbearzt Dr. H. schlug in der Stellungnahme vom 3.11.2003 eine BK gemäß Nr. 5101 der BKV nicht zur Anerkennung vor. Das hyperkeratotische Hand- und Fußekzem sei nicht beruflich verursacht, könne aber durch starke Hautbelastung auch beruflich hervorgerufen oder verstärkt werden. Das allergische Kontaktekzem, das gegen Kaliumdichromat und andere Stoffe vorliege, werde durch den Kontakt mit beruflich getragenen chromgegerbten Handschuhen unterhalten und verschlimmert. Die Handschuhe hätte man austauschen können.

Mit Bescheid vom 27.11.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab. Zur Begründung führte sie aus, beim Kläger habe in der Vergangenheit ein Kontaktekzem an den Händen und Unterarmen bestanden, das möglicherweise auf den Kontakt zu Arbeitsstoffen während der beruflichen Tätigkeit als Kunststoffformengeber in der Firma Weber zurückzuführen sein könnte. Voraussetzung sowohl für die Anerkennung der Hauterkrankung als BK nach der Nr. 5101 der Anlage zur BKV als auch für die Gewährung von Maßnahmen und Leistungen im Rahmen des § 3 BKV sei außer der Verursachung durch die versicherte Tätigkeit u. a., dass die Krankheit den Kläger zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen habe, die für ihre Entstehung, Verschlimmerung oder Wiederaufleben ursächlich gewesen seien oder sein könnten. Die Voraussetzung des Unterlassungszwanges liege beim Kläger nicht vor. Unter konsequenter Anwendung von Hautschutzmaßnahmen und Austausch der chromatgegerbten Schutzhandschuhe wäre ein Verbleiben am Arbeitsplatz in der Firma W. möglich gewesen, ohne dass die konkrete Gefahr des Entstehens einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit gedroht hätte. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.3.2004 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 1.4.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der er die Anerkennung seiner Hauterkrankung als BK und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung weiter verfolgte.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Dr. B. mit der Erstattung eines Gutachtens. In dem Gutachten vom 9.1.2005 gelangte dieser zum Ergebnis, beim Kläger bestehe eine Ekzemerkrankung, die sich schwerpunktmäßig durch ein beidseitiges, chronisch-rezidivierendes, teils dyshidrosiformes, teils hyperkeratotisches Handekzem manifestiert habe. Des weiteren bestehe eine epikutane Kontaktsensibilisierung gegen Kaliumdichromat, Nickel, Kobalt, Sorbinsäure und fraglich gegen Toluylendiisocyanat. Das Handekzem sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Berufstätigkeit des Klägers von Februar 1990 bis Juni 2002 zurückzuführen. Die Kaliumdichromat-Allergie habe der Kläger ebenfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bei dieser Tätigkeit (durch den Kontakt mit chromatgegerbten Handschuhen) erworben. Die berufliche Hauterkrankung sei als schwer zu bezeichnen und habe den Kläger gezwungen, seine berufliche Tätigkeit aufzugeben. Es liege eine BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV vor. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätze er auf 25 vH, resultierend aus den nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit nur noch leicht ausgeprägten ekzematoiden Hautveränderungen (10%) und der beruflich erworbenen Kaliumdichromat-Sensibilisierung (15%). Ein Verbleiben im Beruf wäre trotz aller präventiver Maßnahmen nicht möglich gewesen. Entscheidend für die Hautkrankheit seien der kumulativ-irritative Einfluss durch die manuelle Tätigkeit und die Exposition gegen potenziell irritierende Substanzen gewesen. Auch bei konsequenter Meidung der Noxe Kaliumdichromat wäre nicht unbedingt eine Besserung zu erwarten gewesen. Ein Austausch der Handschuhe gegen chromatfreie Handschuhe wäre nicht wirklich hilfreich gewesen, da Handschuhe aus Gummi oder Vinyl nicht vertragen würden.

Dr. T., Arzt für Dermatologie und Arbeitsmedizin, vertrat in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 9.5.2005 die Auffassung, auf Grund der Krankheitsanamnese, des klinischen Befundes und der weiteren Untersuchungen handle es sich beim Kläger wahrscheinlich um ein atopisches Ekzem der Hände und Füße vom dyshidrotischen Typ. Weiter bestehe eine relevante Kontaktsensibilisierung gegen Kaliumdichromat und Sorbinsäure, die als Pfropfsensibilisierung gewertet werden müsse. Wahrscheinlich handle es sich beim Kläger um eine anlagebedingte Hauterkrankung, die u. a. durch die berufliche Tätigkeit mit ausgelöst, zumindest jedoch verschlimmert worden sei. Die ermittelten Allergene hätten im Krankheitsgeschehen keine ursächliche Rolle gespielt. Sie seien im Sinne einer so genannten Pfropfsensibilisierung erworben worden. Dabei handle es sich um vermeidbare Allergene. Der weitere Krankheitsverlauf sei durch außerberufliche Faktoren bestimmt worden. So sei es während der Arbeitsunfähigkeit weiterhin zu dyshidrotischen Krankheitsschüben gekommen. Die Hauterkrankung sei als schwer zu bewerten. Die durchgeführten Hautschutzmaßnahmen seien unzureichend gewesen. In Betracht kämen besondere Handschuhe aus PU- oder Nitrilbeschichtetem Material, u. a. aus Polyamid- oder Nylontrikot, die eine gute mechanische Belastbarkeit bei gleichzeitig hoher Fingerfertigkeit und sehr guter Griffigkeit auch beim Umgang mit Ölen und Fetten aufwiesen. Selbstverständlich müssten diese Schutzhandschuhe während der Arbeitsschicht gewechselt werden. Auch müssten sie bei dem genannten Tätigkeitsspektrum nur zeitweise und nicht über die gesamte Schicht getragen werden, sodass eine Hyperhidrosis auf Grund des Wärme- und Feuchtigkeitsstaus kaum auftreten könne. Die möglichen Hautschutzmaßnahmen seien vom Kläger keinesfalls ausgeschöpft worden, sodass ein Aufgabezwang nicht bejaht werden könne. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Hauterkrankung als BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV seien somit nicht erfüllt.

Dr. B. hielt auch nach Kenntnis der Stellungnahme von Dr. T. an seiner Beurteilung fest, dass der Kläger auf Grund der Hauterkrankung gezwungen gewesen sei, seine Berufstätigkeit aufzugeben (Stellungnahme vom 22.9.2005). Es widerspreche der hautärztlichen Erfahrung, dass ein Handekzem, wie es beim Kläger vorgelegen habe, allein durch das Tragen der von Dr. T. genannten Handschuhe zuverlässig und entscheidend gebessert bzw. vermieden werden könne.

Durch Urteil vom 29.3.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, mit dem Präventionsdienst der Beklagten, dem Gewerbearzt Dr. H. und dem Dermatologen und Arbeitsmediziner Dr. T. sei das SG zur Überzeugung gekommen, dass nicht alle aufgezeigten Abhilfemaßnahmen im Falle des Klägers ergriffen worden seien, weswegen nicht gesagt werden könne, ob objektiv ein Unterlassungszwang für die Tätigkeit des Klägers als Maschineneinrichter im Kunststoffspritzguß insgesamt oder auch gegebenenfalls für einzelne Teile gegeben gewesen sei. Ein Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 der BKV bestehe nicht. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 25.4.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.5.2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, er leide bereits seit 1999 an der Hautkrankheit, die sich im Laufe seiner Tätigkeit bei der Firma P. bis 2002 und dann in der Zeit seiner Tätigkeit bei der Firma Weber Formenbau von August 2002 bis 14. Februar 2003 verschlechtert habe. In dieser Zeit habe er die ihm genannten Schutzmaßnahmen selbstverständlich versucht. Er habe Latex- und Lederhandschuhe getragen. Die Ursache der Hauterkrankung sei jedoch lange Zeit nicht gefunden worden. Er sei dann während der Probezeit von seinem Arbeitgeber zum 14.2.2003 gekündigt worden. Auch habe die Beklagte verkannt, dass alle Lederhandschuhe chromgegerbt seien; ein Ausweichen auf nicht chromgegerbte Schutzhandschuhe wäre nicht möglich gewesen. Das Tragen von Latexhandschuhen helfe ebenfalls nicht, da er darin schwitze.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Hauterkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihm dafür die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, ein objektiver Zwang zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit habe nicht bestanden. Dem Kläger hätten ohne weiteres von der Beklagten auch nicht chromgegerbte Lederhandschuhe zur Verfügung gestellt werden können. Auch überzeuge das Argument nicht, dass der Kläger in Latexhandschuhen stark geschwitzt habe. In der Arbeitsmedizin sei allgemein anerkannt, dass Latexhandschuhe nicht unmittelbar auf die Haut aufgebracht werden dürften, sondern vielmehr Baumwollunterziehhandschuhe zu verwenden seien, die auch regelmäßig mehrmals am Tage entsprechend der Durchschweißung zu wechseln seien.

Der Senat hat die behandelnden Hausärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört und Professor Dr. D., Ärztlicher Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Krankenhaus B. C., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

Der Internist Dr. M. hat am 3.1.2007 mitgeteilt, der Kläger sei zuletzt am 10.9.2001 bei ihm gewesen. Wegen irgendwelcher Hauterscheinungen habe jedoch keine Behandlung oder Überweisung stattgefunden; Befunde hierüber lägen auch nicht vor.

Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M. hat am 30.1.2007 angegeben, der Kläger befinde sich seit dem 13.3.2000 in seiner hausärztlichen Behandlung. Behandlungen wegen Hauterkrankungen seien von ihm nicht durchgeführt worden; diesbezüglich befinde sich der Kläger beim Hautarzt Dr. B. in ständiger Behandlung.

Nachdem Professor Dr. D. (zusammen mit Oberarzt Dr. H.) weitere Aufklärung hinsichtlich der Arbeitsstoffe des Klägers und die Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen für erforderlich gehalten hat, hat die Beklagte eine weitere Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 24.7.2007 sowie Sicherheitsdatenblätter vorgelegt, und der Senat hat Unterlagen der behandelnden Hautärzte des Klägers beigezogen.

Wegen Verhinderung von Professor Dr. D. hat der Senat Oberarzt Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat im Gutachten nach Aktenlage vom 1.6.2008 beim Kläger folgende Diagnosen gestellt: • Primär berufsunabhängiges, spontanes, genuines dyshidrotisches Palmoplantarekzem (ab ca. 1999), chronisch rezidivierend, mit • sukzessiver berufsunabhängiger dysregulativ-mikrobieller Ekzemstreureaktion (zeitlich nicht eingrenzbar) und mit • sekundärer außerberuflicher (fraglich Sorbinsäure, Nickel, Kobalt) und/oder sekundärer beruflicher (Kaliumdichromat, fraglich Sorbinsäure, Nickel, Kobalt) Kontaktsensibilisierung (Pfropfsensibilisierung zwischen Mitte 2001 und Ende 2002) sowie mit • schwersten, generalisiert streuenden, möglicherweise berufsbedingten (Kaliumdichromat, fraglich Sorbinsäure, Nickel, Kobalt), möglicherweise außerberuflichen (Sorbinsäure-haltige Externa, Nickel, Kobalt) allergischen Kontaktekzemen der Hände, kompliziert durch • interkurrente überlagerte therapiebedingte (Sorbinsäure-haltige Externa) und damit möglicherweise teils mittelbar berufsbedingte, generalisiert streuende allergische Kontaktekzeme der Hände. Er hat ausgeführt, nach Aktenlage ergebe sich, dass sich beim Kläger letztlich aus unbekannten Gründen mit knapp 50 Jahren ein sogenanntes genuines dyshidrotisches Palmoplantarekzem schicksalhaft entwickelt habe. Die Sensibilisierung gegenüber Kaliumdichromat sei beruflich erworben auf Grund mitgebrachter eigener chromatgegerbter oder vom Betrieb gestellter Lederhandschuhe. Der Kläger sei auf Grund seiner Hauterkrankung nicht gezwungen gewesen, seine Tätigkeit als Maschineneinrichter im Kunststoffspritzguß aufzugeben. Die höchstwahrscheinlich beruflich erworbene Kontaktallergie gegen Kaliumdichromat bedinge ab Ende der Tätigkeit zum 14.2.2003 eine MdE um 10 vH.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung seiner Hautkrankheit als BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV und auf Gewährung von Leistungen von der Beklagten hat. Ein dyshidrosiformes Palmoplantarekzem sowie weitere Sensibilisierungen sind nicht als BK festzustellen.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheit bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wurde ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung einer Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (BK Nr. 5101).

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen sowie die in der BKV bezeichnete Krankheit gehören, nachgewiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können. Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 19, 52; 32, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller - wesentlichen - Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand November 2006, E § 9 SGB VII Rdnr. 26). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 91). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30; 121, 123; 43, 110, 112). Das gleiche gilt, wenn der für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität erforderliche wahrscheinliche Zusammenhang nicht nachweisbar ist.

Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung an einer BK vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Als solcher sind durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnene Erkenntnisse anzunehmen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urt. vom 27.6.2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).

Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV bzw. BKVO müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: • beim Kläger muss eine Hauterkrankung vorliegen • diese muss schwer oder wiederholt rückfällig sein • sie muss durch Einwirkungen entstanden sein, denen der Kläger infolge seiner versicherten Tätigkeit ausgesetzt war • sie muss zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Beim Kläger hat unstreitig eine schwere Hauterkrankung vorgelegen. Nicht nachgewiesen ist jedoch, dass diese durch Einwirkungen entstanden ist, denen der Kläger infolge seiner versicherten Tätigkeit ausgesetzt war und dass sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat auf Grund des Gutachtens von Dr. H., der sich nach - der von ihm angeregten - Beiziehung weiterer Unterlagen (Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 24.7.2007 nach weiteren Ermittlungen, Beiziehung der Sicherheitsdatenblätter und Unterlagen der behandelnden Hautärzte Dr. A., Dr. S. und Dr. B.) eingehend mit dem Verlauf der Hautkrankheit des Klägers befasst hat.

Danach hat sich beim Kläger im Alter von knapp 50 Jahren und im neunten Jahr seiner Tätigkeit bei der Fa. P. ein sogenanntes genuines (Synonym: idiopathisches, essenzielles, primäres) dyshidrotisches Palmoplantarekzem schicksalhaft entwickelt. Es konnte nämlich nicht nachgewiesen werden, dass es sich bei den ersten Eruptionen um ein sekundäres (symptomatisches) dyshidrosiformes Palmoplantarekzem gehandelt hat, also als Ausdruck • einer atopischen Disposition • eines allergischen Kontaktekzems • eines kumulativ-subtoxischen Kontaktekzems • oder aber um eine dyshidrosiforme Verlaufsform einer Psoriasis vulgaris • eine dyshidrosiforme Verlaufsform einer Hautpilzinfektion oder • eine dyshidrosiforme Mykidreaktion als Ausdruck einer überschießenden immunologischen Reaktion im Rahmen einer anderweitigen entzündlichen Hautpilzinfektion, sodass als sog. Ausschlussdiagnose die genuine Variante übrig blieb, zumal sich die Hauterkrankung erstmals nach neun Jahren gefährdender Tätigkeit manifestiert hatte und eine Dekompensation zu einem früheren Zeitpunkt zu erwarten gewesen wäre. Nachdem auch keinerlei Indizien für eine syntrop ausschließlich an Handflächen griffseitig und Fußsohlen aufgetretenes allergisches Kontaktekzem mit Streuung auf Unterarme, Unterschenkel und Rücken vorliegen, bleibt zumindest für die Zeit bis zur Entwicklung der Kontaktallergie zwischen den beiden Epikutantests Mitte 2001 und Ende 2002 auch keine andere Interpretationsmöglichkeit als von einer sogenannten Ekzemstreureaktion auszugehen, wie Dr. H. nachvollziehbar dargelegt hat.

Für die im Dezember 2002 festgestellten Sensibilisierungen gegen Kaliumdichromat, Nickel, Kobalt, Sorbinsäure, die im Juli 2001 bei dem Epikutantest noch nicht vorlagen, ist lediglich die Sensibilisierung gegen Kaliumdichromat mit Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Tätigkeit des Klägers verursacht worden. Bei dem Erwerb der Kontaktallergien handelt es sich um eine sogenannte Pfropfsensibilisierung. Dabei kommt es, begünstigt durch die anhaltende Barrierestörung der Haut infolge der primären Dermatose - beim Kläger seit ca. 1999 -, im Laufe der Zeit (hier: zwischen dem Epikutantest vom 3.7.2001 und dem vom Dezember 2002) zu einer Kontaktsensibilisierung mit einem allergischen Kontaktekzem nach jeder neuen Kontaktierung des/der Allergenlieferanten und einer zunehmenden Boosterung (Verstärkung des Sensibilisierungsgrades). Da die am Arbeitsplatz des Klägers vorhandenen Lederhandschuhe chromatgegerbt waren (und gegebenenfalls auch die vom Kläger mitgebrachten), spricht mehr dafür als dagegen, dass die Sensibilisierung gegen Kaliumdichromat beruflich erworben ist. Für die Sensibilisierung gegen Nickel, Kobalt und Sorbinsäure ist dagegen nicht feststellbar, dass sie mit Wahrscheinlichkeit beruflich verursacht wurde.

Da schon nicht feststellbar ist, dass das dyshidrotische Palmoplantarekzem sowie die Sensibilisierungen gegen Kobalt, Nickel und Sorbinsäure beruflich verursacht wurden, ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger auf Grund der Hauterkrankung und der Kontaktsensibilisierung gezwungen war bzw. ist, die Tätigkeit eines Kunststoff-Formgebers zu unterlassen. Auch die Sensibilisierung gegen Kaliumdichromat hat den Kläger nicht gezwungen, seine Tätigkeit bei der Firma Weber aufzugeben, zumal er nicht chromatgegerbte Handschuhe hätte benutzen können.

Das Tatbestandsmerkmal des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat. Ob der Zwang zum Unterlassen der bisherigen Tätigkeit medizinisch geboten war, d. h. deren Fortsetzung wegen der schon eingetretenen Gesundheitsstörungen oder der Gefahr der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens der Krankheit aus medizinischer Sicht nicht verantwortet werden konnte, ist im Wege einer nachträglichen objektiven Betrachtungsweise festzustellen. Durch das Tatbestandsmerkmal des Zwanges der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung soll in typisierender Weise der Schweregrad der Krankheit beschrieben werden. Weiter hat das Merkmal den Zweck, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten (BSG, Urt. vom 5.5.1998 - B 2 U 9/97 R- in JURIS m. w. N.).

Eine medizinische Notwendigkeit, den Beruf als Kunststoff-Formgeber aufzugeben, lässt sich im Rahmen der nachträglichen objektiven Betrachtungsweise nicht feststellen. Der Umstand, dass die Firma Weber dem Kläger wegen der Hauterscheinungen während der Probezeit gekündigt hat, bedeutet nicht, dass auch objektiv aus medizinischer Sicht die Notwendigkeit bestand, den Beruf aufzugeben.

Der Beurteilung von Dr. B. folgt der Senat nicht, da er nicht begründet hat, wodurch konkret das dyshidrosiforme Palmoplantarekzem verursacht worden sein soll, sondern nur pauschal behauptet, es sei auf die Tätigkeit des Klägers von Februar 1990 bis Juni 2002 zurückzuführen. Auch setzt er sich nicht damit auseinander, dass der Kläger zwischen den ersten Schüben seines dyshidrosiformen Hand-/Fußekzems (Behandlung durch Dr. A. am 17.4.2000, dann wieder am 25.6.2001) über 14 Monate ohne jegliche hautärztliche Konsultation und sogar während der Schübe bis zum 17.10.2002 (mit Ausnahme der dreitägigen Arbeitsunfähigkeit vom 25. bis 27.6.2001) seine Berufstätigkeit weiter ausüben konnte. Ferner berücksichtigt er nicht, dass ein Unterlassungszwang erst dann besteht, wenn andere Abhilfemöglichkeiten (z. B. vollstationäre Heilverfahren) nicht genügen oder nicht realisierbar sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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