L 9 U 4550/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2170/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4550/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob es sich bei dem Unfall des Klägers vom 28.10.2003 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Der 1966 geborene Kläger ist als Produktionsarbeiter bei der Technocell Dekor GmbH & Co. KG in Titisee-Neustadt beschäftigt. Diese organisierte auf Wunsch der Mitarbeiter für den 28.10.2003 eine Besichtigung des Werkes in Osnabrück, das ebenfalls zu der Felix-Schoeller-Gruppe gehört. Dabei übernahm der Arbeitgeber die Kosten für Bus und Übernachtung. Teilnehmen konnten Mitarbeiter, die frei hatten oder für die Werksbesichtigung Urlaub nahmen.

Am 28.10.2003 gegen 22:30 Uhr stürzte der Kläger und fiel auf die linke Hand. Hierbei zog er sich eine Teilruptur des ulnaren Seitenbandes des linken Daumengrundgelenkes zu (vgl. DA-Bericht der Chirurgin Dr. Sch. vom 24.2.2004). Die Beklagte erfuhr am 11.2.2004 von dem Unfall des Klägers durch die Anmeldung eines Erstattungsanspruches der Innungskrankenkasse Freiburg sowie später durch den Zwischenbericht des weiter behandelnden Handchirurgen Dr. L., Praxisklinik Chirurgie, vom 13.2.2004. Sie forderte daraufhin den DA-Bericht von Dr. Sch. vom 24.2.2004, MRT- und Szintigrafiebefunde sowie Auskünfte der Technocell Dekor vom 9.3.2004 und 7.7.2005 an, die mitteilte, ihres Erachtens liege kein Arbeitsunfall vor. Die Mitarbeiter könnten in ihrer Freizeit an den Werksbesichtigungen freiwillig teilnehmen; eine Bezahlung für diese Zeit finde nicht statt. Der Betrieb unterstütze die Besichtigung durch Übernahme der Bus- und Übernachtungskosten.

Am 27.6.2005 beantragte der Kläger die Anerkennung der Schädigung der linken Hand als Folge eines Wegeunfalls und die Gewährung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH. Er trug vor, es habe sich bei der Werksbesichtigung um eine betriebliche Veranstaltung gehandelt. Nach der Ankunft des Busses gegen Mittag habe er sich mit den anderen Teilnehmern den Betrieb angeschaut. Danach seien sie gegen 18:00 Uhr in ein Lokal zum Abendessen gegangen. Der Unfall sei nach dem Essen etwa 100 Meter vom Lokal entfernt passiert, als er zum Taxistand gegangen sei, um mit dem Taxi zum Hotel zu fahren. Es habe geschneit und er sei ausgerutscht.

Aus einem von der Firma vorgelegten Vermerk vom 4.3.2004 ist zu entnehmen, dass die Teilnehmer der Betriebsbesichtigung nach dem Abendessen gegen ca. 22:00 Uhr zu einem Stadtrundgang aufgebrochen seien. Dabei habe der Kläger festgestellt, dass er seine Zigaretten in der Gaststätte vergessen hatte. Er sei daraufhin in die Gaststätte zurückgegangen und anschließend seinen Kollegen, die in Richtung Stadt unterwegs gewesen seien, nachgerannt. Da er auf seinem eigenen (langen) Schnürsenkel gestanden habe, sei er auf die linke Hand gefallen. Nach dem Stadtrundgang seien sie ins Hotel zurückgegangen. Am folgenden Tag habe der Kläger Herrn Papastergiou über den Unfall informiert.

Mit Bescheid vom 16.9.2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 28.10.2003 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie aus, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stünden betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen nur dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn die Veranstaltung dazu diene, die Verbundenheit und das Vertrauensverhältnis zwischen Betriebsleitung und Belegschaft zu fördern und wenn und solange die Veranstaltung vom Unternehmer oder von dem mit seiner Vertretung Beauftragten veranstaltet, d. h. von seiner Autorität getragen werde. Darüber hinaus sei eine Mindestbeteiligung an Betriebsangehörigen erforderlich, nach der Rechtsprechung mindestens 20%. Nach Angaben des Arbeitgebers sei jedoch kein Vertreter der Betriebsleitung anwesend gewesen und es hätten lediglich 14 oder 15 Mitarbeiter, d. h. ca. 8% der Belegschaft (von 193 Beschäftigten), teilgenommen.

Hiergegen legte der Kläger am 28.9.2005 Widerspruch ein und trug vor, er habe nicht am Stadtrundgang teilgenommen und dies auch nicht beabsichtigt. Nach der Werksbesichtigung und dem Einchecken im Hotel seien sie in eine weit entfernte Gaststätte gefahren worden, in der der Arbeitgeber das Essen und zwei oder drei Getränke bezahlt habe. Er habe die Gruppe, die den Stadtrundgang machen wollte, nur soweit begleiten wollen, bis er den Taxistand erreicht hätte, weil dieser sich in Richtung Stadt befunden habe. Zutreffend sei, dass er die Zigaretten vergessen hatte und der Gruppe hinterher eilen wollte; er habe die Gruppe aber nicht mehr gesehen.

Die Beklagte holte weitere Auskünfte bei der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W.-v. L. vom 28.11.2005 (erste Inanspruchnahme 30.10.2003, sei auf die linke Hand gestürzt, sofortige Überweisung an die Chirurgin Dr. Sch., von BG-Unfall sei nicht die Rede gewesen), bei der Technocell Dekor GmbH & Co. KG vom 18.1.2006 (die teilnehmenden Mitarbeiter seien im Anschluss an die Werksbesichtigung zum Essen eingeladen worden; der Kläger habe den Unfall am 28.10.2003 in Osnabrück in alkoholisiertem Zustand erlitten) ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 6.4.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 4.5.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg, mit der er die Feststellung begehrte, dass es sich bei dem Sturz vom 28.10.2003 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Das SG holte eine Auskunft bei der Technocell Dekor, Niederlassung Osnabrück, vom 15.9.2006 ein (das gemeinsame Abendessen habe in der Hausbrauerei Rampendahl - ohne Teilnahmepflicht - stattgefunden, als Vertreter der Technocell Dekor in Osnabrück hätten die Herren J. B. und K. H. als Schichtleiter sowie D. D. als Tagesschichtleiter teilgenommen; von der Geschäftsführung sei niemand anwesend gewesen; H. B. habe die Gaststätte gegen ca. 23:00 Uhr, K. H. um ca. 23:30 Uhr und D. D. gegen ca. 22:00 Uhr verlassen; mit dem Bezahlung der Rechnung um 20:52 Uhr habe der offizielle Teil geendet; jeder weitere Verzehr habe aus der eigenen Tasche bezahlt werden müssen, was D. D. gegen 21:00 Uhr mündlich mitgeteilt habe), hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 8.5.2007 persönlich an und vernahm den Personalleiter der Firma Technocell Dekor L. sowie den Beschäftigten P. der Firma als Zeugen. Auf die Niederschrift vom 8.5.2007 wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 8.5.2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, bei dem Ausflug nach Osnabrück sowie der Besichtigung der dortigen Betriebsstätte habe es sich schon deswegen nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt, weil nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers, beider Zeugen und des Unternehmens keine Mitglieder oder Vertreter der Unternehmensleitung teilgenommen hätten. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 16.8.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 17.9.2007, Berufung eingelegt und vorgetragen, aus dem Schreiben der Firma Technocell Dekor vom 15.9.2006 ergebe sich, dass die Herren J. B. und K. H. als Schichtleiter und Herr D. als Tagesschichtleiter als Vertreter der Firma Technocell Dekor teilgenommen hätten. Insoweit seien diese Herren als Vertreter der Betriebsleitung an dem Unternehmen beteiligt gewesen. Ferner habe die Veranstaltung auch dazu gedient, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter zu fördern, wie der Zeuge L. bestätigt habe. Entscheidend sei, dass die Veranstaltung von dem Personalleiter L. organisiert und im Betrieb bekanntgemacht sowie sämtliche Kosten (Fahrt-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten) vom Arbeitgeber übernommen worden seien. Ferner sei zu berücksichtigen, dass diese Veranstaltung seit 1999 schon 5 bis 6 Mal durchgeführt worden sei und Versicherungsschutz auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gegeben sein könnte. Das SG habe zu Unrecht das Vorliegen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung verneint.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Mai 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. September 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2006 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei seinem Sturz vom 28. Oktober 2003 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, selbst wenn die Herren B. und H. als Vertreter des Arbeitgebers an der Reise teilgenommen hätten, ersetzte dies nicht die Teilnahme der Unternehmensleitung, weil dadurch die Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten nicht erreicht werden könne. Schichtleiter gehörten vielmehr zu den Beschäftigten.

Auf Anfrage des Senats hat der Arbeitgeber des Klägers unter dem 31.10.2008 mitgeteilt, dass an der Fahrt nach Osnabrück am 28.3.2007 keine Vertreter der Unternehmensleitung und auch kein Betriebsratmitglied teilgenommen habe. Bei den Herren B., H. und D. handele es sich um Mitarbeiter des Werks Osnabrück.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung hat, dass es sich bei seinem Sturz vom 28.10.2003 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) oder infolge der Zurücklegung eines versicherten Weges (§ 8 Abs. 2 SGB VII). Zur Annahme eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sog. innerer oder sachlicher Zusammenhang). Dies ist wertend zu entscheiden, indem untersucht wird, ob die Tätigkeit innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht (ständige Rechtsprechung, BSG, Urt. vom 18.3.2008 -B 2 U 13/07 R und vom 10.10.2006 -B 2 U 20/05 R in JURIS mit Hinweis auf BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70 S. 197; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 32 S. 113; BSGE 94, 262, 263 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14, Rdnr. 6). Maßgebend ist dabei, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, Urt. vom 10.10.2006 a.a.O. Rdnr. 14).

Der Kläger hat den Unfall nicht bei seiner Arbeit für die Firma Technocell Dekor in Titisee-Neustadt während seiner üblichen Arbeitszeit erlitten, sondern während einer Reise zur Werksbesichtigung in Osnabrück, die während seiner Freizeit stattfand. Hierbei handelte es sich um keine Dienst- bzw. Geschäftsreise, die der Kläger im Auftrag oder auf Veranlassung seines Arbeitgebers unternommen hat.

Die Teilnahme des Klägers an der Reise zur Betriebsbesichtigung nach Osnabrück war auch nicht gem. § 8 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert, da diese nicht im Sinne einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung der betrieblichen Tätigkeit des Klägers bei der Firma Technocell Dekor in Titisee-Neustadt zuzurechnen war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann die Teilnahme von Beschäftigten an betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und damit der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden, wenn durch die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung die Verbundenheit zwischen der Betriebsleitung und der Belegschaft gefördert wird und damit betrieblichen Interessen dient. Die Veranstaltung muss entweder von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität getragen werden (vgl. BSGE 1, 179, 182; 17, 280, 281; SozR Nr. 66 zu § 542 RVO; SozR 2200 § 548 Nr. 30; BSG, Urt. vom 28.3.1985 - 2 RU 47/83 -, 25.8.1994 - 2 RU 23/93 - sowie 9.12.2003 - B 2 U 52/02 R -SozR 4-2700 § 8 Nr. 2). Ferner hat das BSG mehrfach betont, dass eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offen stehen muss, wobei sie nach ihrer Planung und der Art und Weise der Programmgestaltung alle Betriebsangehörigen ansprechen und die Teilnahme für alle zumutbar sein soll (vgl. BSGE 56, 283, 284; SozR 2200 § 550 Nr. 19; SozR 2200 § 548 Nr. 30; Urt. vom 25.8.1994 - 2 RU 23/93 - und vom 8.12.1994 - 2 RU 40/93 -). Für die Beurteilung, ob eine Veranstaltung diese Voraussetzung erfüllt, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich.

Eine Veranstaltung ist dann von der Autorität der Unternehmensleitung getragen, wenn der Veranstalter dabei nicht oder nicht nur aus eigenem Antrieb und freier Entschließung, sondern im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung oder für diese handelt. Die Unternehmensleitung muss nicht selbst Veranstalter sein; es genügt, dass sie die Veranstaltung billigt und fördert. Veranstalter - im Auftrag der Unternehmensleitung - kann auch der Betriebsrat oder eine Gruppe bzw. einzelne Beschäftigte des Unternehmens sein. Die Billigung der Unternehmensleitung muss sich nicht nur auf die wegen der Durchführung einer Veranstaltung erforderlichen betrieblichen Änderungen (z. B. der Arbeitszeit, das Benutzen betrieblicher Räume) erstrecken, sondern die Durchführung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss von ihr gewollt sein, zumal mögliche Unfälle bei solchen Veranstaltungen Auswirkungen auf die von dem Unternehmen zu zahlenden Beiträge haben können. Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen, die in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens erfolgen, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Filialen verfügt, genügt es, wenn die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit oder Filiale als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert.

Um die für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen wesentliche "betriebliche Zielsetzung" - Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander - annehmen zu können, muss die Veranstaltung grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offen stehen. Es reicht nicht aus, dass allen Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme an einer für sie und nicht für alle Beschäftigten des Unternehmens oder Unternehmensteils ausgerichteten Veranstaltung ermöglicht wird.

Eine Anwesenheit der Unternehmensleitung während der gesamten Veranstaltung ist nicht erforderlich. Die Veranstaltung ist von der Autorität der Unternehmensleitung auch zu einer Zeit getragen, in der sie nicht selbst anwesend ist, z.B. der Betriebsrat die Veranstaltung leitet und dabei zugleich für das Unternehmen handelt. Grundsätzlich muss aber die Unternehmensleitung oder Teile von ihr an der Veranstaltung teilnehmen, damit die betriebliche Zielsetzung im Sinne einer Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten erreicht werden kann. Zusammenkünfte, welche der Pflege der Verbundenheit nur der Beschäftigten eines Unternehmens untereinander dienen, reichen nach der Rechtsprechung des BSG nicht aus, um die Teilnahme an ihnen einer betrieblichen Tätigkeit gleichzustellen (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 2 Rdnr. 8).

Wenngleich die Veranstaltung allen Beschäftigten des Unternehmens offen stehen muss, ist eine feste Mindestbeteiligungsquote nicht Voraussetzung für das Vorliegen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung. Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine feste Grenze oder Relation angesichts der Verschiedenartigkeit der von der gesetzlichen Unfallversicherung umfassten Unternehmen aufgrund ihrer Größe und Struktur (vgl. die besonderen Fallgestaltungen wie z.B. Großbetriebe, Versorgungsunternehmen usw.) auch nicht festlegbar. Entscheidend sind immer die konkreten Verhältnisse im Einzelfall im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 2 Rdnr. 9).

Bei einem möglichen Missverhältnis ist zudem zu beachten, dass der Versicherungsschutz auf Vertrauensschutz beruhen kann, zumal die geringe Anzahl der Teilnehmer gegebenenfalls erst bei Beginn der Veranstaltung festgestellt wird. Nehmen aber nur wenige Teilnehmer an der Veranstaltung teil, gewinnt die Frage, ob das Unternehmen als Veranstalter angesehen werden kann, im Rahmen der Gesamtbetrachtung an Bedeutung (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 2 Rdnrn. 10, 17; Brackmann/Krasney, § 8 Rdnr. 121).

Form und Ort der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung sind nicht eng begrenzt. Ebenso ist der Zeitpunkt der Gemeinschaftsveranstaltung für den Versicherungsschutz unerheblich, sie kann deshalb auch an einem arbeitsfreien Tag stattfinden (BSGE 7, 249, 243; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 2 Rdnr. 11).

Nach diesen Grundsätzen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger bei seinem Unfall vom 28.10.2003 keinen Arbeitsunfall erlitten hat. Im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Reise zur Betriebsbesichtigung nach Osnabrück, bei der der Kläger am Abend den Unfall erlitten hat, Teil einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung gewesen ist. Die Veranstaltung diente nämlich nicht der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten des Werkes Titisee-Neustadt noch der zwischen allen Beschäftigten und der Unternehmensleitung der gesamten Felix-Schöller-Gruppe. Die Unternehmensleitung des Werkes Titisee-Neustadt hat an der Fahrt nach Osnabrück und der Werksbesichtigung nicht teilgenommen, wie die Firma Technocell Dekor Titisee-Neustadt am 31.10.2008 ausdrücklich bestätigt hat. Die Herren B., H. und D., die beim Abendessen vom 28.10.2003 anwesend waren, waren Mitarbeiter des Werkes Osnabrück und nicht Vertreter der Unternehmensleitung der Felix-Schöller-Gruppen oder des Werkes Titisee-Neustadt. Der Umstand, dass die Firma Technocell Dekor auch den Mitarbeitern der Produktionsabteilung die Möglichkeit bot, ein anderes Werk der Felix-Schöller-Gruppe kennen zu lernen bzw. zu besichtigen und hierfür Bus-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernahm, führt nicht dazu, daraus eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu machen, auch wenn damit das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter und deren Motivation gefördert werden sollte.

Aber selbst wenn man die Fahrt zur Betriebsbesichtigung nach Osnabrück als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung ansehen könnte, wäre der Sturz des Klägers nach dem Abendessen nicht als Arbeitsunfall anzusehen. Denn der Kläger stürzte auf dem Rückweg vom Lokal, als er aus eigenwirtschaftlichen Interessen seine im Lokal vergessenen Zigaretten geholt hatte. Die Betriebsbesichtigung, bei der der Kläger nach § 51 Abs. 1 b (Versicherung nicht im Unternehmen beschäftigter Personen) der Satzung der Beklagten unter Unfallversicherungsschutz stand, war am Nachmittag gegen 17:00 Uhr abgeschlossen. Eine Verpflichtung am Abendessen, zu dem das Werk Osnabrück eingeladen hatte, teilzunehmen, bestand darüber hinaus nicht; es diente viel mehr im Wesentlichen eigenwirtschaftlichen Zwecken. Jedenfalls stand das Holen der vergessenen Zigaretten in keinem rechtlich bedeutsamen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Klägers und auch nicht mit der Betriebsbesichtigung. Der Rückweg vom Holen der Zigaretten ist deswegen ebenfalls als eigenwirtschaftlich anzusehen.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved