Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 10 VG 23/04
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 2 VG 16/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Ka vom 31. Januar 2007 und der Bescheid des beklagten Landes vom 18. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2004 aufgehoben. Das beklagte Land wird verurteilt, bei dem Kläger wegen der Folgen der Gewalttat vom 26. August 1999 folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolge anzuerkennen: - leichtgradige posttraumatische Hirnleistungsminderung mit Einschränkung der Umstellungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie Zeitgitterstörungen, - vollständiger Verlust des Riechvermögens und Einschränkung des Geschmacksinnes, - bis zum 30. November 2006: posttraumatisches cerebrales Anfallsleiden und dem Kläger für die Zeit vom 1. August 1999 bis zum 30. November 2006 Versorgung nach einem GdS von 60 und für die Zeit seit dem 1. Dezember 2006 Versorgung nach einem GdS von 40 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das beklagte Land trägt 9/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Den späteren Schädiger, Y K , erreichte gegen Anfang des Jahres 1998 über CB-Funk ein Funkspruch, mit dem er als "Hu¬rensohn" bezeichnet wurde. Da ihm als Absender des Funkspruchs ein "M aus der W " genannt wurde, nahm er an, dass der 1974 geborene Kläger, den er lediglich vom Sehen kannte, Absender dieses Funkspruchs gewesen sei. Im Februar oder März des Jahres 1998 konnte der Kläger einem Zusammentreffen mit dem späteren Schädiger auf der S straße in Ka ausweichen, indem er an der Wohnungstür eines Bekannten, Kb A , klingelte, wo er eingelassen wurde. Einige Monate danach kam es zu einem Zusammentreffen des Klägers mit Y K , als der Kläger als Beifahrer in dem Fahrzeug eines anderen Bekannten, Ma B , den T Ring befuhr. Y K , der mit seiner Schwester unterwegs war, fuhr mit seinem Fahrzeug neben dem Fahrzeug des Ma B. Die Schwester des Y K machte mit der Hand eine horizontale Bewegung an ihrem Hals und rief dazu "Du bist tot". Als dann der spätere Schädiger eine Gaspistole aus dem offenen Fahrerfenster seines Fahrzeugs auf den Kläger richtete, nahm dieser seinerseits aus dem Handschuhfach die Gaspistole seines Bekannten, Ma B , und richtete sie auf Y K. Zu einem Schusswechsel kam es nicht.
In der Nacht vom 25. auf den 26. August 1999 kam es zu einem zufälligen Zusammentreffen des Klägers mit dem Y K auf dem Gelände der D -Tankstelle an der G straße in Ka. An dieser Tankstelle hielt sich der Kläger zusammen u. a. mit seinem Bekannten Ma B auf. Danach fuhr der spätere Schädiger mit seinem Fahrzeug auf das Gelände der Tankstelle und begab sich zu dem Kläger. Es kam zu einer kurzen verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem späteren Schädiger, bei der es um den Funkspruch aus dem Jahr 1998 ging. Als sich der Kläger vom Schädiger abwandte, schlug Y K den Kläger mit der Faust auf die linke Kopfseite. Der Kläger fiel zu Boden und schlug mit dem Hinterkopf auf.
Am 26. Mai 2000 beantragte der Kläger bei dem beklagten Land die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Das beklagte Land zog Akten des Amtsgerichts Ka zum Aktenzeichen 32 Ls Jug 568 Js 717/00 HW sowie Akten des Landgerichts Ka zum Aktenzeichen 6 U 323/02 bei. Die Akten des Amtsgerichts Ka haben ein Strafverfahren gegen Y K wegen der Tat am 26. August 2008 zum Nachteil des Klägers begangenen Tat zum Gegenstand. Y K wurde deshalb mit Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 4. Juli 2001 zu 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit sowie 2.000,00 DM Schmerzensgeld, zu zah¬len an den Kläger, verurteilt. Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig geworden, nachdem Y K , der Berufung ein¬gelegt hatte, durch das Landgericht Ka in einem Zivilrechtsstreit (Verfahren zum Aktenzeichen 6 U 323/02) zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 23.000,00 EUR verurteilt worden war. Das Strafverfahren wurde daraufhin mit Beschluss der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Ka vom 28. Juli 2003 mit der Begründung eingestellt, dass der im strafrechtlichen Verfahren erkannte Schmerzensgeldbetrag auf den wesentlich höheren Betrag aus dem Zivilurteil anzurechnen sei und dass es deshalb keiner weiteren strafrechtlichen Sanktionierung bedürfe. Das beklagte Land zog Entlassungsberichte des Städtischen Krankenhauses Ka vom 26. August 1999 und des Universitätsklinikums Ka vom 14. September 2000 bei. Außerdem holte das beklagte Land Auskünfte zu Vorstrafen des Klägers und des Ma B zu möglichen Vorstrafen aus dem Bundeszentralregister ein. Beim Arbeitsamt Ka zog das beklagte Land das arbeitsamtsärztliche Gutachten der Dr. Ba vom 28. März 2001 bei und veranlasste schließlich das Gutachten der Ärztin für Neurologie Dr. P vom 27. März 2002 mit einer ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juni 2002 sowie das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Bb vom 20. November 2002. Ferner holte das beklagte Land Befund- und Behandlungsberichte des Arztes für Allgemeinmedizin Ga vom 14. August 2003 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Gb vom 26. August 2003 ein. Weitere medizinische Unterlagen lagen dem beklagten Land aufgrund der beigezogenen Akten des Amtsgerichts Ka und des Landgerichts Ka vor.
Mit Bescheid vom 18. September 2003 lehnte das beklagte Land den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Herr K habe in der Hauptverhandlung vor dem Jugendgericht in Ka angegeben, er und der Kläger hätten sich gestritten. Der Kläger habe zuschlagen wollen. Sein Freund H habe ihn weggezogen. Der Kläger sei wieder auf Herrn K zugekommen. Bevor der Kläger diesen geschlagen habe, habe Herr K den Kläger auf die rechte Seite seines Kiefers geschlagen. Dann sei der Kläger umgefallen. Auf Nachfrage habe Herr K angegeben, der Kläger sei "durchgedreht" und habe "gezappelt". Der Kläger sei wieder auf ihn zugekommen und habe die Arme schnell bewegt. Man habe gesehen, dass der Kläger habe zuschlagen wollen. Der Zeuge H Ta habe in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erklärt, er habe gesehen, wie die rechte Hand des Klägers habe zuschlagen wollen. Er, H Ta , habe Herrn K zur Seite gezogen. Der Kläger habe noch einmal versuchen wollen, Herrn K zu schlagen. Herr K sei aber schneller gewesen und habe dem Kläger "mit links eine gelangt". In dem nicht rechtskräftig gewordenen Urteil vom 4. Juli 2001 sei das Amtsgericht Ka davon ausgegangen, dass der Kläger nach einem Funkspruch des Klägers mit der Faust auf die linke Kopfseite geschlagen worden sei. Der Kläger sei "wie ein Brett" zu Boden gegangen und mit dem Hinterkopf aufgeschlagen. In dem anschließenden Berufungsverfahren vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Ka sei das Verfahren durch Beschluss vom 28. Juli 2003 eingestellt worden. Die Einlassung des Beschuldigten, in Notwehr gehandelt zu haben, sei ihm nicht widerlegt worden. Das Landgericht Ka habe im Zivilverfahren gegen Herrn K festgestellt, dass über den weiteren Hergang des Geschehens nach dem Zusammentreffen am 25. August 1999 bei der D -Tankstelle zwischen den Parteien Streit herrsche. In der Folge sei es jedoch unstreitig dazu gekommen, dass Herr K dem Kläger ins Gesicht geschlagen habe, so dass dieser mit dem Hinterkopf auf den Betonboden aufgeschlagen und bewusstlos geworden sei. Von Amts wegen sei eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich. Damit stehe zum konkreten Hergang des schädigen Vorganges Aussage gegen Aussage. Auch wenn es in der Folge dazu gekommen sei, dass Herr K den Kläger ins Gesicht schlug, so sei nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass der Kläger Herrn K durch sein eigenes Verhalten provoziert habe oder dass Herr K , wie von ihm behauptet, in Notwehr bzw. Putativ-Notwehr gehandelt habe. Darüber hinaus sei nach dem Ergebnis der Ermittlungen auch nicht feststellbar, ob der Kläger es unterlassen habe, eine sich zuspitzende Situation erhöhter Gefahrgeneigtheit zu meiden, obwohl ihm dies nach den Gesamtumständen des Hergangs möglich und auch zumutbar gewesen wäre und ob nicht unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ein Anspruch auf Versorgung nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen wäre. Diese Beweislosigkeit gehe nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers, so dass der Antrag abgelehnt werden müsse.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das beklagte Land mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2004 im Wesentlichen aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.
Dagegen hat sich der Kläger mit der am 6. Februar 2004 bei dem Sozialgericht Ka erhobenen Klage gewandt und sich zur Begründung auf die vom Inhalt der angefochtenen Bescheide abweichenden Feststellungen des Amtsgerichts Ka aus dem Urteil vom 4. Juli 2001 sowie der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ka aus dem Urteil vom 22. März 2003 bezogen. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes habe er weder die Schädigung verursacht noch habe es sonstige in seinem Verhalten liegende Gründe gegeben, die zur Unbilligkeit der Entschädigung führen würden. Zur Einstellung des Strafverfahrens durch das Landgericht sei es nicht etwa deshalb gekommen, weil von einer Notwehr- oder Putativ-Notwehr-Situation ausgegangen worden sei, sondern allein, weil im zivilrechtlichen Verfahren bereits eine Verurteilung des Schädigers zu einem Schmerzensgeld in erheblicher Höhe ergangen sei. Der Vortrag des Schädigers K , wonach dieser in Notwehr bzw. Putativ-Notwehr gehandelt habe, sei stets eine reine Schutzbehauptung gewesen. Tatsächlich gebe es dafür keinerlei Anhaltspunkte. Die entsprechenden Bekundungen des Zeugen Ta seien widersprüchlich. Er habe den Sachverhalt im Strafverfahren und im Zivilverfahren unterschiedlich geschildert. Er, der Kläger, habe keinerlei Anlass für eine Auseinandersetzung gegeben. Die angebliche Beleidigung des Herrn K , die ohnehin nicht von ihm stamme, habe einen weit vor der Tat liegenden Zeitraum betroffen. Das Aufeinandertreffen bei der D -Tankstelle sei rein zufällig erfolgt. Er, der Kläger, habe noch versucht klarzustellen, dass er jenen Funkspruch niemals abgesetzt habe. Er habe sich abgewandt, um einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Er sei unmittelbar darauf geschlagen worden und zu Boden gegangen. Dabei habe er ein Schädelhirntrauma erlitten. Es bestehe eine Hirnleistungsminderung, ein Anfallsleiden sowie der Verlust des Riechvermögens. Wegen des Anfallsleidens habe er seine Umschulung zum Dachdecker abbrechen müssen. Seitdem sei er arbeitslos und schwerbehindert und habe ganz erhebliche Schwierigkeiten bei der Berufswahl.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des beklagten Landes vom 18. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2004 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, ihm wegen einer am 26. August 1999 erlittenen Verletzung Beschädigtenversorung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) zu bewilligen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sich das beklagte Land auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen.
Mit Urteil vom 31. Januar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Gewährung einer Entschädigung an den Kläger wäre angesichts der gesamten Situation des Geschehens unbillig im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG. Deshalb seien Leistungen nach diesem Gesetz zu versagen. Das Gericht folge den überzeugenden Ausführungen des beklagten Landes im Bescheid vom 18. September 2003 und sehe insoweit von einer wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 136 Abs. 3 SGG ab. Die Unbilligkeit folge nach Auffassung des Gerichts bereits daraus, dass der Kläger in der Tatnacht jedenfalls eine Situation erhöhter Gefahrgeneigtheit hätte vermeiden können und müssen. Zwischen den Beteiligten sei zwar streitig, ob der Kläger lediglich überraschend von Herrn K geschlagen worden sei oder ob der Kläger selbst zuvor versucht habe, den "Zeugen K " ebenfalls zu schlagen und ob damit eine Notwehrsituation bestanden habe. Dies ergebe sich im Einzelnen aus den in den beigezogenen Akten enthaltenen Zeugenaussagen. Es sei jedoch nicht erforderlich, die dort gehörten Zeugen in der mündlichen Verhandlung nochmals zu dem Geschehen anzuhören. Der "Zeuge K " habe am 2. August 2000 im Strafverfahren angegeben, dass der Kläger durchgedreht und auf ihn zugekommen sei. Dies sei durch den Zeugen Ta in derselben Verhandlung bestätigt worden. Dieser habe gesehen, wie der Kläger mit der rechten Hand habe zuschlagen wollen und dies nochmals habe versuchen wollen. Der Kläger habe dies in der Sitzung bestritten. Die Zeugen Pa und B hätten die Auseinandersetzung nicht im Einzelnen gesehen. Der Zeuge Ab habe nur angegeben, dass die Beteiligten Streit gehabt hätten. Die übrigen befragten Zeugen hätten jeweils zu dem Sachverhalt auf dem Gelände der Tankstelle nichts aussagen können. Für die Kammer sei dies jedoch nicht weiter aufzuklären, weil unstreitig die Beteiligten seit 1998 bereits im Zusammenhang mit den Geschehnissen um den CB-Funkspruch und einer behaupteten Beleidigung sowie in der S straße und auf dem T Ring eine Aus¬ein¬andersetzung führten, die ein Spannungsverhältnis zwischen den Beteiligten aufgebaut habe. Die Geschehnisse um den CB-Funkspruch, der Hergang in der S straße sowie auf dem T Ring seien grundsätzlich zwischen den Beteiligten nicht streitig. Als der Kläger vor diesem Hintergrund am 26. August 1999 auf dem Gelände der Tankstelle nachts den "Zeugen K " angetroffen habe, habe aus Sicht des Gerichts mindestens angesichts der bisherigen Vorkommnisse, unabhängig von dem genauen Ablauf einer erst wörtlichen und später tätlichen Auseinandersetzung, eine Situation wirklich erhöhter Gefahrgeneigtheit bestanden. Der Kläger habe schon beim Befahren des Tankstellengeländes und dem Erkennen des Herrn K aus den vorherigen Auseinandersetzungen gewusst, dass sich dieser mit ihm auch körperlich habe auseinandersetzen wollen. Dem Kläger habe angesichts der Aggressivität der Beteiligten schon nach der Schilderung der vorherigen Geschehnisse bewusst sein müssen, dass eine möglicherweise zunächst beabsichtigte nur wörtliche Aussprache auch jederzeit in eine tätliche Auseinandersetzung, insbesondere mit Herrn K , einmünden könnte. In dieser Situation stehe für das Gericht die erhöhte Gefahrgeneigtheit fest. Der Kläger hätte ausweichen können und müssen. Allein deshalb erweise sich die Gewährung einer Opferentschädigung an den Kläger als unbillig.
Gegen das ihm am 26. Juni 2007 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 20. Juli 2007 beim Schleswig-Holstei¬ni¬schen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft. Das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er sich wissentlich in eine Situation erhöhter Gefahrgeneigtheit begeben habe, als er auf das Tankstellengelände gefahren sei. Das Sozialgericht habe nicht geprüft, ob seinerzeit eine Ausweichmöglichkeit bestanden habe. Es habe ohne entsprechende Anhaltspunkte unterstellt, dass er schon beim Einfahren in die Tankstelle gewusst und gesehen habe, dass dort der spätere Schädiger auf ihn warten würde. Tatsächlich sei er, der Kläger, jedoch zunächst auf dem Tankstellengelände gewesen und dort ausgestiegen, um sich Getränke zu kaufen. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht ahnen können, dass der Schädiger dort auftauchen würde. Er habe zudem geringe Einflussmöglichkeiten gehabt, da er von einem Bekannten mitgenommen worden und nicht selbst gefahren sei. Aus diesem Grunde habe er zum Zeitpunkt des Auftauchens des späteren Schädigers keine Möglichkeit mehr gehabt, einer Begegnung mit diesem auszuweichen. Dieser sei aus dem Fahrzeug ausgestiegen, auf ihn zugekommen und habe begonnen, ihn anzupöbeln. Er habe darauf nur erwidert, man möge ihn in Ruhe lassen und sich umgedreht. In diesem Moment habe der Schädiger völlig unvermittelt zugeschlagen, so dass er zu Boden gegangen sei und sich dabei die bekannten erheblichen Verletzungen zugezogen habe. Dieser Geschehensablauf ergebe sich auch aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft. Aus dem Urteil des Amtsgerichts werde zudem ersichtlich, dass der Schädiger nicht in Notwehr gehandelt habe. Er sei völlig schuldlos in die Situation geraten und habe keinerlei Ausweichmöglichkeiten gehabt. Die jederzeit bestehende Gefahr eines zufälligen Zusammentreffens mit dem Schädiger hätte er nur vermeiden können, wenn er sich ständig zu Hause aufgehalten hätte. Das wäre ihm nicht zumutbar gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 31. Januar 2007 sowie den Bescheid des beklagten Landes vom 18. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Ja¬nu¬ar 2004 aufzuheben und das beklagte Land zu verurteilen bei ihm als Folgen der Gewalttat vom 25./26. August 1999 als Schädigungsfolgen anzuerkennen: - leichtgradige posttraumatische Hirnleistungsminderung mit Einschränkung der Umstellungs- und Konzentrationsfähigkeit und Zeitgitterstörungen - vollständiger Verlust des Riechvermögens und Einschränkung des Geschmacksinnes - für die Zeit bis zum 30. November 2006: posttraumatisches cerebrales Anfallsleiden und ihm für die Zeit vom 1. August 1999 bis November 2006 Entschädigungsleistungen nach einem GdS von 60 zu gewähren und für die Zeit danach Entschädigungsleistungen nach einem GdS von 50 zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich das beklagte Land auf die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils und führt ergänzend aus: Auch unter Zugrundelegung des im Urteil des Amtsgerichts Ka vom 4. Juli 2001 geschilderten Sachverhalts wäre es dem Kläger möglich gewesen, die sich zuspitzende Situation erhöhter Gefahrgeneigtheit zu meiden. Ihm sei bekannt gewesen, dass der spätere Schädiger ihn seit längerer Zeit gesucht habe, da er eine Beleidigung gegen dessen Mutter ausgesprochen habe. Bei dieser Sachlage könne die staatliche Gemeinschaft für die vom Kläger erlittene Gesundheitsstörung nicht einstehen, da der Kläger den Angriff durch sein eigenes vorausgegangenes Verhalten zumindest mit verursacht habe. Daher seien die Leistungen nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des beklagten Landes, die Akten des Landgerichts Ka zum Aktenzeichen 6 O 323/02 sowie die Akten des Amtsgerichts Ka zum Aktenzeichen 32 Ls Jug 568 Js 717/00 HW sowie die Akten des Sozialgerichts Ka zum Aktenzeichen S 10 SB 22/04 haben dem Senat ebenso wie die Prozessakte vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen des Ereignisses vom 26. August 1999.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) auf Antrag Versorgung, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Ka aus dem Urteil vom 4. Juli 2001, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt, hat der Schädiger, Y K , den Kläger angegriffen, indem er ihn mit der Faust gegen die linke Seite des Kopfes geschlagen hat. Der Kläger ist daraufhin zu Boden gegangen und mit dem Hinterkopf aufgeschlagen. Der Senat geht ebenfalls in Übereinstimmung mit der genannten Entscheidung des Amtsgerichts Ka davon aus, dass der Angriff rechtswidrig war und dass insbesondere keine Notwehr im Sinne des § 32 Strafgesetzbuch (StGB) vorgelegen hat. Das Amtsgericht Ka ist für den Senat in jeder Hinsicht nachvollziehbar davon ausgegangen, dass es sich bei der Schilderung einer Notwehrsituation durch den einschlägig vorbestraften Y K (Angeklagter des dortigen Verfahrens) um eine Schutzbehauptung handelt und dass die Aussage des Zeugen Ta den Versuch darstellt, diesen entgegen des wahren Geschehensablaufs zu schützen. Die Angaben des Angeklagten und des Zeugen Ta in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Ka waren widersprüchlich. Anders als der Zeuge Ta hat der Angeklagte nicht angegeben, dass es bereits Schläge von Seiten des Klägers gegeben habe, bevor er, Y K , sich durch einen Faustschlag zur Wehr gesetzt habe, sondern vielmehr habe der Kläger seine Arme nur in einer Weise bewegt, dass er, Y K , habe fürchten müssen, dass der Kläger im nächsten Moment zuschlagen werde. Er habe den Kläger deshalb zur Abwehr eines insofern vorgestellten Angriffs geschlagen. Diese Angaben standen im Widerspruch zu der Aussage des Zeugen Ta , der davon berichtet hatte, dass es erst einen Schlag des Klägers gegeben und dieser dann sogar noch einen zweiten Schlag ausgeführt habe, bevor es zur Gegenwehr des Y K gekommen sei. Im Übrigen standen die Angaben des Y K , er habe den Geschädigten mit der linken Faust auf die rechte Gesichtshälfte geschlagen im Widerspruch zu dem Ergebnis der Ermittlungen des Amtsgerichts auf medizinischem Gebiet. Der medizinische Sachverständige hat vor dem Amtsgericht dargelegt, dass die Verletzungen durch einen Schlag auf die linke Gesichtshälfte entstanden sein müssten. Der Umstand, dass die Schlagverletzungen nachweislich auf der linken Gesichtshälfte des Geschädigten stattgefunden haben, spricht für die Darstellung des Klägers, nach der der Schlag erst in dem Moment erfolgt ist, in dem er sich abgewandt hat. Nur so ist auch erklärlich, dass ein mit der linken Hand geführter Schlag bei einem gegenüberstehenden Kontrahenten die linke Gesichtshälfte trifft. Auch dass der Kläger nach dem Schlag "wie ein Brett umgefallen" ist, spricht dafür, dass ihn der Schlag unvorbereitet getroffen hat. Vor diesem Hintergrund ist das Amtsgericht nachvollziehbar davon ausgegangen, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat, wie er vom Kläger geschildert worden ist. Danach ist es nicht der Kläger gewesen, der auf Y K zugegangen ist. Ferner geht der Senat in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Amtsgerichts davon aus, dass Y K den Kläger auf dem Gelände der Tankstelle gesehen hat, noch bevor der Kläger auf Y K aufmerksam geworden war.
Dass die Beweiswürdigung durch das Amtsgericht Ka nicht zu beanstanden ist, wird auch in dem den Antrag des Schädigers auf Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 18. November 2002 (11 W 42/02) bestätigt.
Damit im Einklang stehen die Feststellungen der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ka aus dem rechtskräftigen Urteil vom 27. Mai 2003. Danach ist dem Angriff des Schädigers kein Angriff des Klägers vorausgegangen. Die davon abweichenden Angaben, die der auch vor dem Landgericht Ka als Zeuge vernommene H Ta gemacht hat, waren widersprüchlich. So hat der Zeuge Ta vor dem Landgericht zunächst angegeben, im Auto sitzengeblieben zu sein. Erst auf Vorhalt seiner Aussage aus dem Strafverfahren gegen den Schädiger hat er angegeben, es könne auch so gewesen sein, dass er aus dem Auto ausgestiegen sei. Sobald dem Zeugen konkrete Vorhalte gemacht worden sind, hat er sich bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht Ka nur vage dahin geäußert, dass dies möglich gewesen sei und er sich an nichts Konkretes mehr erinnern könne.
Abweichend von den Feststellungen, die das Amtsgericht Ka in dem oben genannten Strafverfahren getroffen hat und auch abweichend von den Feststellungen der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ka hat das beklagte Land seinen Feststellungen zum Sachverhalt die Aussagen des Angeklagten aus dem Strafverfahren und seines Bekannten, des Zeugen H Ta zugrunde gelegt. Das beklagte Land ist damit von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Entsprechendes gilt für die Angabe in dem Bescheid des beklagten Landes vom 18. September 2003, nach der das Strafverfahren gegen den Schädiger mit der Begründung eingestellt worden sein soll, dass ihm die Einlassung, in Notwehr gehandelt zu haben, nicht widerlegt worden sei. Aus den Gründen des Einstellungsbeschlusses der Großen Strafkammer des Landgerichts Ka vom 28. Juli 2003 geht eindeutig hervor, dass das Strafverfahren allein deshalb eingestellt worden ist, weil der Kläger durch das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Ka bereits zu einem wesentlich höheren Schmerzensgeld verurteilt worden war als in dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Ka. Für die dem entgegenstehende Auffassung des beklagten Landes, dass das Verfahren eingestellt worden sei, weil das Vorliegen einer Notwehrlage nicht habe widerlegt werden können, enthalten die vorliegenden Akten keine Grundlage. Dies ist im Berufungsverfahren nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis auch von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen worden, die nun ebenfalls vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG und damit auch vom Vorliegen eines gegen den Kläger gerichteten rechtswidrigen Angriffs ausgeht.
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes und der Auffassung des Sozialgerichts liegen Versagungsgrunde im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Leistungen zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat (erste Alternative) oder wenn es aus sonstigen Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren (zweite Alternative).
Bei der Mitverursachung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative OEG handelt es sich um einen Sonderfall der Unbilligkeit. Sie ist in der ersten Alternative abschließend geregelt, wenn nur die unmittelbare Tatbeteiligung des Geschädigten als Leistungsausschlussgrund in Betracht kommt (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urt. v. 6. Dezember 1989 – 9 RVg 2/89, BSGE 66, 115 = SozR 3800 § 2 Nr. 7). Diese Alternative ist stets zuerst zu prüfen (BSG, Urt. v. 18. April 2001 B 9 VG 3/00 R, BSGE 88, 96 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 10, m. w. N.). Zum Bereich der Mitursächlichkeit gehören alle unmittelbaren, nach natürlicher Betrachtungsweise mit dem eigentlichen schädigenden Tatgeschehen insbesondere auch zeitlich eng verbundenen Umstände, während alle nicht unmittelbaren, lediglich erfolgs¬fördernden Umstände, wie typischerweise die Vorgeschichte der eigentlichen Gewalttat, im Rahmen der Unbilligkeit zu prüfen sind. Ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Satz 1 1. Alter¬na¬tive OEG kommt nur in Betracht, wenn das Verhalten des Opfers wesentlich mitursächlich im Sinne der im Versorgungs- und Entschädigungsrecht geltenden Kausalitätsnorm, d. h. in etwa gleichwertig mit dem Tatbeitrag des Schädigers gewesen ist (BSG, Urt. v. 18. April 2001, a. a. O.). Das ist anzunehmen, wenn sich das Opfer bei seinem Ursachenbeitrag in ähnlich schwerer Weise gegen die Rechtsordnung vergangen hat wie der vorsätzlich handelnde Gewalttäter. In Fällen, in denen das Opfer in der zu beurteilenden Situation selbst einen strafrechtlichen Tatbestand verwirklicht hat, beurteilt das Bundessozialgericht die Vergleichbarkeit nach der strafrechtlichen Einordnung der Tatbeiträge von Opfer und Angreifer (vgl. BSG, Urt. v. 15. August 1996 – 9 RVg 6/94, BSGE 79, 87 = SozR 3 3800 § 2 Nr. 5; BSG, Urt. v. 6. Dezember 1989 9 RVg 2/89, BSGE 66, 115 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 7). Auch wenn das Opfer der Gewalttat nicht selbst einen Straftatbestand erfüllt hat, kann ein Leistungsausschluss wegen Mitverursachung in Betracht kommen, wenn sich der Geschädigte etwa durch Provokation entweder grob fahrlässig (leichtfertig) oder gar vorsätzlich (bewusst) der Gefahr einer Gewalttat ausgesetzt und dadurch selbst gefährdet hat (vgl. BSG, Urt. v. 21. Oktober 1998 – B 9 VG 6/97 R – BSGE 83, 62 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 9). In diesem Zusammenhang ist nach der Rechtsprechung des BSG zu prüfen, ob der Angriff nach Art und Schwere der Provokation objektiv – verhältnismäßig war und ob der Geschädigte subjektiv – mit einer so schweren Gewalttat hätte rechnen müssen (BSG, Urt. v. 1. September 1999 – B 9 VG 3/97 R -; BSG, Urt. v. 15. August 1996, a. a. O.; BSG, Urt. v. 21. Oktober 1998 – B 9 VG 2/97 R – SozR 3-1500 § 128 Nr. 12).
Für eine diesen Maßstäben entsprechende Mitverursachung des Klägers in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Tat gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Der Auffassung des Sozialgerichts, nach der sich der Kläger in eine Situation erhöhter Gefahrgeneigtheit begeben habe, liegt offenbar die unzutreffende Annahme zugrunde, dass sich der Kläger auf das Gelände der D -Tankstelle begeben habe, nachdem sich der späterer Schädiger, Y K , dort bereits eingefunden hatte. Davon abweichend und in Übereinstimmung mit den Feststellungen, die das Amtsgericht Ka seiner Entscheidung vom 4. Juli 2001 zugrunde gelegt hat, geht der Senat davon aus, dass sich der Kläger zuerst auf dem Tankstellengelände befunden hat und dass es nicht der Kläger war, der sich zu dem späteren Schädiger begeben hat, sondern dass umgekehrt der Schädiger, Y K , von anderen Personen auf den Kläger aufmerksam gemacht worden war, dass sich Y K dann zum Kläger begeben und diesen angesprochen hat. Der Kläger weist nach Auffassung des Senats im Übrigen zutreffend darauf hin, dass er zu diesem Zeitpunkt kaum noch eine Möglichkeit gehabt haben dürfte, sich einem Zusammentreffen mit dem Y K zu entziehen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach seinen nachvollziehbaren und mit den Zeugenaussagen im Strafverfahren übereinstimmenden Angaben lediglich als Beifahrer des Ma B auf das Gelände der Tankstelle gekommen ist und dass der Fahrer, Ma B , weggelaufen war, unmittelbar nachdem er das Erscheinen des Y K bemerkt hatte.
Auch ein Fall der Unbilligkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative OEG liegt nicht vor. Der Begriff der Unbilligkeit ist als unbestimmter Rechtsbegriff so zu konturieren, dass die darauf beruhende Gegennorm den Leistungsausschluss gegenüber dem Rechtsanspruch aus § 1 OEG rechtfertigt (BSG, Urt. v. 7. November 1979 – 9 RVg 2/78, BSGE 49, 104, 107 = SozR 3800 § 2 Nr. 1; BSG, Urt. v. 21. Oktober 1998 B 9 VG 6/97 R – BSGE 83, 62, 65 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 9). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG führen nur solche Gründe zur Unbilligkeit, die dem in der 1. Alternative des § 2 Abs. 1 OEG genannten Fall der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen (BSG, Urt. v. 7. November 2001 – B 9 VG 2/01 R, BSGE 89, 75 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 11, m. w. N.). Der Maßstab hierfür ergibt sich aus dem gesetzlichen Zweck der Gewaltopferentschädigung, aus verfassungsrechtlichen Wertungen, aus Prinzipien der Gesamtrechtsordnung und aus viktimologischen Erkenntnissen. Im Rahmen der zweiten Alternative sind insbesondere auch die lediglich mittelbaren Ursachen der Gewalttat wie typischerweise die Vorgeschichte zu prüfen. Ein Tatbeitrag des Gewaltopfers, der unter der Schwelle der versorgungsausschließenden Mitverursachung bleibt, kann zusammen mit anderen Ursachen die Gewährung von Leistungen als unbillig erscheinen lassen. Gefordert ist dann, dass die "sonstigen Umstände" zusammen mit dem für sich genommen nicht ausreichenden Tatbeitrag dem in der ersten Alternative genannten Grund der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen (BSG, Urt. v. 6. Juli 2006 – B 9a VG 1/05 R, SozR 4-3800 § 2 Nr. 1; BSG, Urt. v. 29. März 2007 – B 9a VG 2/05 R, zur Veröffentlichung vorgesehen für BSGE und SozR 4).
Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unbilligkeit im Sinne der zweiten Alternative des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG hat das BSG in ständiger Rechtsprechung vier Fallgruppen gebildet (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 29. März 2007, a. a. O.):
1. eine im Vorfeld der Tat liegende rechtsfeindliche Betätigung, mit der sich das spätere Opfer außerhalb der staatlichen Gemeinschaft stellt; 2. die sozialwidrige mit speziellen Gefahren verbundene Zugehörigkeit zum Kreis der Alkohol- oder Drogenkonsumenten, wenn die Tat aus diesem Milieu entstanden ist; 3. das bewusste oder leichtfertige Eingehen einer Gefahr, der sich das Opfer ohne Weiteres hätte entziehen können, es sei denn für dieses Verhalten läge ein rechtfertigender Grund vor und 4. eine durch die Versorgung entstehende Begünstigung des Täters.
Für eine im Vorfeld der Tat liegende rechtsfeindliche Betätigung des Klägers, wozu nach ständiger Rechtsprechung insbesondere die Zugehörigkeit zum Bereich der organisierten Kriminalität gezählt wird, bestehen auch unter Berücksichtigung der Verurteilung des Klägers wegen Computerbetrugs in drei Fällen und Hehlerei mit Urteil des Amtsgerichts Ka vom 5. November 1997 wegen einer zuletzt am 19. Juni 1995 begangenen Tat (vgl. den von der Beklagten eingeholten Auskunft aus dem Zentralregister und aus dem Erziehungsregister, Bl. 86 der Verwaltungsakte) keine Anhaltspunkte. Entsprechendes gilt für die o.g. 4. Fallgruppe. Die Tat ist auch nicht aus dem Milieu der Alkohol- und Drogenkonsumenten heraus verübt worden und der Kläger war zum Zeitpunkt der Tat nicht einem solchen Milieu zuzuordnen. Der Kläger kannte den Schädiger zum Zeitpunkt der Tat nur flüchtig. Für eine Zugehörigkeit des Klägers zum Kreis der Alkohol- oder Drogenkonsumenten zum Zeitpunkt der Tat bestehen keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass es zu einem vor¬übergehenden übermäßigen Alkoholkonsum und dem "Herumtreiben" in Kneipen erst nach der Gewalttat gekommen ist. Die Tatsache, dass bei dem Kläger unmittelbar nach der Tat eine Blutalkoholkonzentration von 0,88 ‰ gemessen worden ist, spricht nicht für eine Zugehörigkeit zum Kreis der Drogen- oder Alkoholkonsumenten und einem Entstehen der Tat aus einem solchen Milieu heraus.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und auch des Sozialgerichts liegt auch keine Unbilligkeit wegen bewussten oder leichtfertigen Eingehens einer Gefahr vor, der sich das Opfer ohne Weiteres hätte entziehen können. Dem steht bereits entgegen, dass eine Möglichkeit des Klägers, sich der Gefahr ohne Weiteres zu entziehen, nicht erkennbar ist, weil es – wie oben dargelegt – nicht der Kläger war, der sich zu dem Y K begeben hat. Vielmehr ist der spätere Schädiger, Y K , nach dem Kläger auf dem Tankstellengelände eingetroffen und hat sich zu dem Kläger begeben, und es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser zu diesem Zeitpunkt noch eine Möglichkeit gehabt hätte, sich einem Zusammentreffen mit dem Y K zu entziehen. Ferner kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, dass er den Schädiger durch eine vorangegangene Beleidigung provoziert habe. Abgesehen davon, dass es sich bei einer Beleidigung gerade wenn sie wie im vorliegenden Fall bereits mehr als ein Jahr zurückliegt keinesfalls um einen gleichwertigen Tatbeitrag des Opfers einer Gewalttat gehandelt haben kann, kann die Beleidigung des späteren Schädigers dem Kläger nicht entgegengehalten werden, weil nicht festgestellt werden kann, dass er den Funkspruch mit dem beleidigenden Inhalt abgegeben hat. Bei der Vernehmung vor dem Amtsgericht Ka haben sich der Kläger und der Ma B gegenseitig beschuldigt, den Funkspruch abgesetzt zu haben. Auch die Vernehmung weiterer Zeugen hat keine Klarheit zu der Frage erbracht, wer den Funkspruch abgesetzt hat. Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht diese Frage offen gelassen. Auch der Senat sieht keine Möglichkeit, diese Frage inzwischen mehr als zehn Jahre nach dem angeblichen Funkspruch – aufzuklären. Die Beteiligten haben dazu auf ausdrückliches Befragen zu weiteren für erforderlich gehaltenen Ermittlungen keine Einwände erhoben.
Entgegen der Auffassung, die das beklagte Land in dem angefochtenen Bescheid vom 18. September 2003 vertreten hat, hat nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast nicht der Kläger, sondern das beklagte Land die Beweislast bezogen auf das Vorliegen von Versagungsgründen nach § 2 OEG zu tragen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urt. v. 18. Juni 1996 – 9 RVg 7/94 – SozR 3 3800 § 2 Nr. 4 = BSGE 78, 270; BSG, Urt. v. 25. März 1999 – B 9 VG 5/97 R -, juris Rz. 12). Daher kann dem Kläger auch nicht die – nicht beweisbare – Beleidigung des Schädigers entgegengehalten werden.
Feststeht allerdings, dass sich der Schädiger und der Kläger aus dem fahrenden Kraftfahrzeug heraus mit Gaspistolen gegenseitig bedroht haben. Dabei hat der Kläger eine Gaspistole des Ma B verwendet. Diese Konfrontation zwischen dem Kläger und dem späteren Schädiger stellt nach Auffassung des Senats nach Art und Schwere keine Provokation dar, die die mehrere Monate später verübte Gewalttat objektiv verhältnismäßig erscheinen lassen würde und die den Kläger hätte veranlassen müssen, auch noch nach diesem Zeitablauf mit der Gewalttat zu rechnen. Im Übrigen kann – wie oben dargelegt – nicht festgestellt werden, dass der Kläger eine Möglichkeit gehabt hätte, sich dem Zusammentreffen mit Y K in der Nacht vom 25. auf den 26. August 1999 ohne Weiteres zu entziehen.
Da die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sind und der Entschädigung auch kein Versagungsgrund entgegensteht, hat der Kläger Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Der Kläger hat Anspruch auf Versorgung für die Zeit seit Beginn des Monats, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind und damit seit dem 1. August 1999, weil er den Antrag innerhalb eines Jahres gestellt hat (§ 60 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BVG). Für die Zeit vom 1. August 1999 bis zum 30. November 2006 hat der Kläger Anspruch auf Versorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 60 und für die Zeit seit dem 1. Dezember 2006 nach einem GdS von 40.
Gemäß § 30 Abs. 1 BVG ist der GdS nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehner-Graden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu 5 Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehner-Grad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten.
Der GdS ist als Ausmaß der Behinderung unter Heranziehung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung festzulegen (zur Bemessung des GdB vgl. BSG, Urt. v. 9. April 1997 – 9 RVs 4/95 – SozR 3 3870 § 4 Nr. 19, m. w. N.; Bundesverfassungsgericht, Beschl. v. 6. März 1995 – 1 BvR 60/95 – SozR 3-3870 § 3 Nr. 6). Zwar beruhen die AHP weder auf Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, sodass sie keinerlei Normqualität haben. Dennoch sind sie als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich zum einen daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur dann gewährleistet ist, wenn die verschiedenen Behinderungen nach gleichen Maßstäben beurteilt werden; zum anderen stellen die AHP 2008 – ebenso wie ihre Vorgänger – ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der Versorgungsverwaltung und Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdS dar (zur Bemessung des GdB vgl. BSG, Urt. v. 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr. 2, m. w. N.). Die zur Bemessung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts sind auch für das soziale Entschädigungsrecht maßgebend, da sich die Begriffe "GdB" und "GdS" einander in der Regel entsprechen (BSG, Beschl. v. 24. April 2008 - B 9 VJ 7/07 B).
Der Kläger hat als Folge der Gewalttat vom 26. August 1999 sein Riechvermögen vollständig verloren und es ist zu der damit verbundenen Beeinträchtigung der Geschmackswahrnehmung gekommen. Daraus folgt unter Zugrundelegung der Maßstäbe aus den AHP in der Fassung des Jahres 2008, Seite 62 und den damit insoweit übereinstimmenden Fassungen der AHP aus den Jahren seit 1996 ein GdS von 15. Darüber hinaus besteht bei dem Kläger als Folge der Gewalttat eine posttraumatische Einschränkung der hirnorganischen Leistungsfähigkeit. Der Kläger hat als Folge der Gewalttat vom 26. August 1999 ein Schädelhirntrauma mit kontusioneller (substantieller) Hirnbeteiligung erlitten. Hinweise auf eine hirnorganisch bedingte Leistungsminderung, die auf die Gewalttat zurückgeführt werden kann, fanden sich bereits bei der Untersuchung des Klägers durch den Diplom-Psychologen Dr. N am 3. September 1999 (Arztbrief des Dr. N vom 3. September 1999), wobei zu diesem Zeitpunkt noch eine Besserung erwartet werden konnte. Bei einer weiteren neuro-psychologischen Untersuchung vom 14. Juni 2001 (Arztbrief des Dr. W vom 15. Juni 2001) wurde ebenfalls eine Störung der Aufmerksamkeit festgestellt, die von dem untersuchenden Arzt ursächlich auf das Schädelhirntrauma von 1999 zurückgeführt wurde. Allerdings handelte es sich nach Auffassung des Dr. W zu diesem Zeitpunkt nur noch um eine "als allenfalls leicht zu qualifizierende Störung der Aufmerksamkeit". Unter Bezugnahme auf diesen Befund ist auch Dr. P in ihrem auf Veranlassung des beklagten Landes erstatteten Gutachten vom 27. März 2002 ebenso wie in dem auf Veranlassung des Amtsgerichts Ka erstatteten Gutachten des Prof. Dr. Da und der Dr. P vom 16. Juni 2001 vom Vorliegen einer leichten Hirnleistungsschwäche ausgegangen, die ursächlich auf die Gewalttat vom 26. August 1999 zurückzuführen ist. Diese Einschätzung ist im Grundsatz auch durch das fachpsychologische Gutachten des Prof. Dr. Gerber und des Dr. N vom 24. Juli 2006 bestätigt worden, das auf Veranlassung des Sozialgerichts Ka in dem Verfahren zum Az. S 10 SB 22/04 erstattet worden ist. Dieser Einschätzung hat sich Prof. Dr. Hb in seiner auf Veranlassung des Sozialgerichts Ka in dem o. g. Verfahren erstatteten ergänzenden Stellungnahme vom 30. August 2006 angeschlossen und schließlich ist auch Dr. Kc in seinem auf Veranlassung des Senats erstatteten insoweit überzeugenden Gutachten vom 14. August 2008 vom Vorliegen einer leichtgradigen posttraumatischen Hirnleistungsminderung ausgegangen, die ursächlich auf die Gewalttat vom 26. August 1999 zurückzuführen ist.
Mit der Feststellung, dass bei dem Kläger ein auf die Gewalttat vom 26. August 1999 ursächlich zurückzuführender Hirnschaden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung vorliegt, folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen in den o. g. Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen. Der Senat folgt dagegen nicht der Beurteilung des Dr. Bb in seinem auf Veranlassung des beklagten Landes erstatteten Gutachten vom 20. November 2002. Insbesondere unter Berücksichtigung der in dem Gutachten der Prof. Dr. Gerber und des Dr. N vom 24. Juli 2006 erhobenen testpsychologischen Untersuchungsbefunde, die zum Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens des Dr. Bb noch nicht vorlagen, ist vom Vorliegen von Hirnschäden auszugehen, die als "Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung" nach den AHP mit einem GdS von 30 bis 40 zu bewerten sind. Die Hirnschäden sind nicht so geringfügig, dass dies einer Bewertung mit dem in den AHP vorgesehenen Mindestwert von 30 v.H. entgegenstehen würde.
Bezogen auf die Frage, ob die beim Kläger vorliegenden Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung innerhalb des in den AHP vorgesehenen Rahmen mit einem GdS von 30 oder mit einem GdS von 40 zu bewerten sind, enthalten die vorliegenden Gutachten keine einheitliche Bewertung. Das auf Veranlassung des beklagten Landes erstattete Gutachten der Dr. P vom 27. März 2002 und deren ergänzende Stellungnahme vom 19. Juni 2002 enthalten keine Angabe zum Einzel-GdS für die Hirnleistungsminderung. Dr. P schlägt eine Gesamt-MdE von 75 für die Hirnleistungsminderung, den Verlust des Riechvermögens und das Anfallsleiden sowie eine Bewertung mit 60 v. H. ohne das Anfallsleiden vor. Die Gutachterin stellt jedoch keinen Bezug zu den Maßstäben aus den AHP her und dieser ist aus Sicht des Senats auch nicht zu erkennen. Prof. Dr. Hb geht in seiner auf Veranlassung des Sozialgerichts erstatteten ergänzenden Stellungnahme vom 30. August 2006 von einer Bewertung der Hirnleistungsminderung mit dem in den AHP vorgesehenen Mindestwert von 30 aus. Abweichend davon bewertet der Sachverständige Dr. Kc unter Bezugnahme auf die gutachtliche Aussage des Prof. Dr. Hb die Hirnleistungsminderung mit einem Einzel-GdS von 40. Daran hat Dr. Kc auch auf Befragen in der mündlichen Verhandlung festgehalten. Die Ausführungen des Dr. Kc konnten den Senat vor dem Hintergrund der Bewertung durch Prof. Dr. Hb , auf den sich Dr. Kc mit seiner Bewertung ausdrücklich bezogen hat, jedoch nicht in vollem Umfang überzeugen.
Im Ergebnis konnte der Senat diese Frage jedoch dahingestellt lassen. Auch wenn die Hirnschädigung des Klägers mit geringer Leistungsbeeinträchtigung nicht nur mit dem in den AHP vorgesehenen Mindestwert von 30 zu bewerten wären, sondern der GdS von 40 gerade noch erreicht würde, würde daraus – entgegen der Einschätzung des Dr. Kc – unter Einbeziehung des Verlustes des Riechvermögens (GdS 15) kein Gesamt-GdS von mehr als 40 folgen. Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit den Maßstäben aus den AHP 2008, Seite 24 ff., davon aus, dass die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdS nicht addiert werden dürfen. Maßgebend ist vielmehr die Auswirkung der einzelnen Funktionseinschränkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdS ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdS bedingt. Im Hinblick auf die vorliegenden weiteren Funktionsbeeinträchtigungen ist zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS-Grad von 10 bedingen, führen - von Ausnahmefällen abgesehen - nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Beeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte (AHP 2008, S. 26). In Übereinstimmung mit der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG (BSG, Urt. v. 13. Dezember 2000 B 9 V 8/00 R – SozR 3-3870 § 4 Nr. 28) geht der Senat davon aus, dass dieses "Erhöhungsverbot" auch dann gilt, wenn die weiteren, nur geringfügigen Funktionsstörungen sich unabhängig voneinander in verschiedenen Lebensbereichen auswirken. Bezogen auf den Ausfall des Riechvermögens gilt ein solches "Erhöhungsverbot" zwar nicht, weil dafür eine Bewertung mit 15 und nicht lediglich mit 10 vorgesehen ist. Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass es selbst bei Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdS-Grad von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP, a.a.O.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist davon auszugehen, dass ein GdS von 40 für die Hirnschädigung, der nach Auffassung des Senats allenfalls gerade eben erreicht wird, unter weiterer Berücksichtigung des mit einem Einzel-GdS von 15 zu bewertenden Verlusts des Riechvermögens nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führt, die die Bewertung mit einem Gesamt-GdS von 50 rechtfertigen würde. Daher geht der Senat von einem Gesamt-GdS von 40 für die Zeit seit dem 1. Dezember 2006 aus.
In der Zeit seit der Schädigung im August 1999 und bis zum 30. November 2006 bestand bei dem Kläger neben den o.g. Gesundheitsstörungen (aufgehobenes Riechvermögen, Hirnleistungsminderung) ein posttraumatisches cerebrales Anfallsleiden, das ursächlich auf die Gewalttat vom 26. Au¬gust 1999 zurückzuführen ist. Zu einem ersten generalisierten epileptischen Anfall ist es bei dem Kläger am 8. August 2000 gekommen. Einen weiteren generalisierten Anfall hat der Kläger im November 2003 erlitten. Aufgrund der überzeugenden Darlegungen des Dr. Kc in der mündlichen Verhandlung am 9. September 2008 geht der Senat davon aus, dass auch dieser zweite Anfall ursächlich auf die Gewalttat vom 26. Au¬gust 1999 zurückzuführen ist. Zwar hat der Kläger in der Zeit nach der Gewalttat in erheblichem Maße Alkohol konsumiert, sodass ein Entzugskrampf nicht ganz auszuschließen ist. Sehr viel wahrscheinlicher ist nach den überzeugenden Darlegungen des Dr. Kc jedoch, dass der im November 2003 erlittene generalisierte Krampfanfall ursächlich auf die Gewalttat vom 26. August 1999 zurückzuführen ist. Dafür spricht insbesondere, dass Anfälle infolge eines Alkoholmissbrauchs regelmäßig erst ein Spätsymptom nach einem längeren übermäßigen Alkoholkonsum darstellen. Zu Entzugskrämpfen kommt es danach regelmäßig im Zusammenhang mit anderen durch den langjährigen Alkoholmissbrauch bedingten gesundheitlichen Störungen, die bei dem Kläger jedoch nicht festzustellen sind.
Danach ist beim Kläger vom Vorliegen sehr seltener großer epileptischer Anfälle auszugehen, die nach den AHP 2008 (und damit übereinstimmenden Formulierungen in vorangegangenen Fassungen der AHP) mit einem Einzel-GdS von 40 zu bewerten sind. Da ein Anfallsleiden erst als abgeklungen gilt, wenn ohne Medikation drei Jahre Anfallsfreiheit besteht, ist das bei dem Kläger bestehende Anfallsleiden bis einschließlich November 2006 mit einem GdS von 40 zu bewerten. Eine antikonvulsive Behandlung ist – wie der Kläger auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat nach dem Krampfanfall im November 2003 nicht durchgeführt worden, sodass sich der in den AHP vorgesehene Zeitraum von drei Jahren nicht verlängert. Unter weiterer Berücksichtigung der mit einem GdS von 30 bis 40 zu bewertenden Hirnleistungsminderung und dem mit einem GdS von 15 zu bewertenden Verlust des Riechvermögens ist der Gesamt-GdS nach Auffassung des Senats in Übereinstimmung mit den Gutachten des Dr. Kc für die Zeit vom 1. August 1999 bis zum 30. November 2006 mit 60 zu bewerten.
Auch bezogen auf die Bezeichnung der Schädigungsfolgen folgt der Senat dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Kc und dessen ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung.
Die Voraussetzungen dafür, dass der GdS aufgrund einer besonderen beruflichen Betroffenheit des Klägers höher zu bewerten wäre, liegen nach Auffassung des Senats nicht vor. Gemäß § 30 Abs. 2 BVG ist der GdS höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist besonders der Fall, wenn
a) auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, b) zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder c) die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
Der Kläger hat vor der Schädigung keine Berufsausbildung abgeschlossen und im Baubereich, insbesondere als Malerhelfer gearbeitet, soweit er nicht ohne Beschäftigung war. Eine im August 2000 begonnene Umschulung zum Dachdecker musste er nach einer Woche aufgrund des aufgetretenen ersten großen epileptischen Anfalls abbrechen. Zwar ist unter Berücksichtigung des von dem beklagten Land beigezogenen arbeitsamtsärztlichen Gutachtens der Dr. Ba vom 28. März 2001 davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls in der Zeit, in der das Anfallsleiden vorlag, weder als Malerhelfer noch als Dachdecker arbeiten konnte. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch die Unfähigkeit, weiter als Malerhelfer zu arbeiten, wirtschaftliche Einbußen in Gestalt eines Minderverdienstes erlitten hat. Insbesondere ist davon auszugehen, dass der Kläger gesundheitlich noch in der Lage ist, durch vollschichtigen Einsatz seiner Arbeitskraft weiterhin das gleiche Einkommen wie zuvor als Malerhelfer zu erzielen. Von einem solchen vollschichtigen Leistungsvermögen geht auch das o. g. arbeitsamtsärztliche Gutachten aus. Nach den beigezogenen Unterlagen des Arbeitsamtes ist davon auszugehen, dass der Kläger auch schon vor dem schädigenden Ereignis immer wieder für längere Zeiten arbeitslos war. Das einzige Beschäftigungsverhältnis des Klägers, das mehr als ein Jahr angedauert hat, hat danach in der Zeit von September 1991 bis Dezember 1993 bestanden. Vor diesem Hintergrund kann ein Minderverdienst in Ge¬stalt erheblicher finanzieller Einbußen, die als sozialer Abstieg zu bewerten wären und zur Erhöhung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit führen könnten, nicht ermittelt werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass ein vor der Schädigung nachweisbar angestrebter Beruf schädigungsbedingt nicht erreicht wurde. Auf Befragen in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass er den Beruf des Dachdeckers erst nach der Schädigung im Rahmen der beruflichen Neuorientierung angestrebt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Den späteren Schädiger, Y K , erreichte gegen Anfang des Jahres 1998 über CB-Funk ein Funkspruch, mit dem er als "Hu¬rensohn" bezeichnet wurde. Da ihm als Absender des Funkspruchs ein "M aus der W " genannt wurde, nahm er an, dass der 1974 geborene Kläger, den er lediglich vom Sehen kannte, Absender dieses Funkspruchs gewesen sei. Im Februar oder März des Jahres 1998 konnte der Kläger einem Zusammentreffen mit dem späteren Schädiger auf der S straße in Ka ausweichen, indem er an der Wohnungstür eines Bekannten, Kb A , klingelte, wo er eingelassen wurde. Einige Monate danach kam es zu einem Zusammentreffen des Klägers mit Y K , als der Kläger als Beifahrer in dem Fahrzeug eines anderen Bekannten, Ma B , den T Ring befuhr. Y K , der mit seiner Schwester unterwegs war, fuhr mit seinem Fahrzeug neben dem Fahrzeug des Ma B. Die Schwester des Y K machte mit der Hand eine horizontale Bewegung an ihrem Hals und rief dazu "Du bist tot". Als dann der spätere Schädiger eine Gaspistole aus dem offenen Fahrerfenster seines Fahrzeugs auf den Kläger richtete, nahm dieser seinerseits aus dem Handschuhfach die Gaspistole seines Bekannten, Ma B , und richtete sie auf Y K. Zu einem Schusswechsel kam es nicht.
In der Nacht vom 25. auf den 26. August 1999 kam es zu einem zufälligen Zusammentreffen des Klägers mit dem Y K auf dem Gelände der D -Tankstelle an der G straße in Ka. An dieser Tankstelle hielt sich der Kläger zusammen u. a. mit seinem Bekannten Ma B auf. Danach fuhr der spätere Schädiger mit seinem Fahrzeug auf das Gelände der Tankstelle und begab sich zu dem Kläger. Es kam zu einer kurzen verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem späteren Schädiger, bei der es um den Funkspruch aus dem Jahr 1998 ging. Als sich der Kläger vom Schädiger abwandte, schlug Y K den Kläger mit der Faust auf die linke Kopfseite. Der Kläger fiel zu Boden und schlug mit dem Hinterkopf auf.
Am 26. Mai 2000 beantragte der Kläger bei dem beklagten Land die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Das beklagte Land zog Akten des Amtsgerichts Ka zum Aktenzeichen 32 Ls Jug 568 Js 717/00 HW sowie Akten des Landgerichts Ka zum Aktenzeichen 6 U 323/02 bei. Die Akten des Amtsgerichts Ka haben ein Strafverfahren gegen Y K wegen der Tat am 26. August 2008 zum Nachteil des Klägers begangenen Tat zum Gegenstand. Y K wurde deshalb mit Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 4. Juli 2001 zu 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit sowie 2.000,00 DM Schmerzensgeld, zu zah¬len an den Kläger, verurteilt. Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig geworden, nachdem Y K , der Berufung ein¬gelegt hatte, durch das Landgericht Ka in einem Zivilrechtsstreit (Verfahren zum Aktenzeichen 6 U 323/02) zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 23.000,00 EUR verurteilt worden war. Das Strafverfahren wurde daraufhin mit Beschluss der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Ka vom 28. Juli 2003 mit der Begründung eingestellt, dass der im strafrechtlichen Verfahren erkannte Schmerzensgeldbetrag auf den wesentlich höheren Betrag aus dem Zivilurteil anzurechnen sei und dass es deshalb keiner weiteren strafrechtlichen Sanktionierung bedürfe. Das beklagte Land zog Entlassungsberichte des Städtischen Krankenhauses Ka vom 26. August 1999 und des Universitätsklinikums Ka vom 14. September 2000 bei. Außerdem holte das beklagte Land Auskünfte zu Vorstrafen des Klägers und des Ma B zu möglichen Vorstrafen aus dem Bundeszentralregister ein. Beim Arbeitsamt Ka zog das beklagte Land das arbeitsamtsärztliche Gutachten der Dr. Ba vom 28. März 2001 bei und veranlasste schließlich das Gutachten der Ärztin für Neurologie Dr. P vom 27. März 2002 mit einer ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juni 2002 sowie das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Bb vom 20. November 2002. Ferner holte das beklagte Land Befund- und Behandlungsberichte des Arztes für Allgemeinmedizin Ga vom 14. August 2003 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Gb vom 26. August 2003 ein. Weitere medizinische Unterlagen lagen dem beklagten Land aufgrund der beigezogenen Akten des Amtsgerichts Ka und des Landgerichts Ka vor.
Mit Bescheid vom 18. September 2003 lehnte das beklagte Land den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Herr K habe in der Hauptverhandlung vor dem Jugendgericht in Ka angegeben, er und der Kläger hätten sich gestritten. Der Kläger habe zuschlagen wollen. Sein Freund H habe ihn weggezogen. Der Kläger sei wieder auf Herrn K zugekommen. Bevor der Kläger diesen geschlagen habe, habe Herr K den Kläger auf die rechte Seite seines Kiefers geschlagen. Dann sei der Kläger umgefallen. Auf Nachfrage habe Herr K angegeben, der Kläger sei "durchgedreht" und habe "gezappelt". Der Kläger sei wieder auf ihn zugekommen und habe die Arme schnell bewegt. Man habe gesehen, dass der Kläger habe zuschlagen wollen. Der Zeuge H Ta habe in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erklärt, er habe gesehen, wie die rechte Hand des Klägers habe zuschlagen wollen. Er, H Ta , habe Herrn K zur Seite gezogen. Der Kläger habe noch einmal versuchen wollen, Herrn K zu schlagen. Herr K sei aber schneller gewesen und habe dem Kläger "mit links eine gelangt". In dem nicht rechtskräftig gewordenen Urteil vom 4. Juli 2001 sei das Amtsgericht Ka davon ausgegangen, dass der Kläger nach einem Funkspruch des Klägers mit der Faust auf die linke Kopfseite geschlagen worden sei. Der Kläger sei "wie ein Brett" zu Boden gegangen und mit dem Hinterkopf aufgeschlagen. In dem anschließenden Berufungsverfahren vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Ka sei das Verfahren durch Beschluss vom 28. Juli 2003 eingestellt worden. Die Einlassung des Beschuldigten, in Notwehr gehandelt zu haben, sei ihm nicht widerlegt worden. Das Landgericht Ka habe im Zivilverfahren gegen Herrn K festgestellt, dass über den weiteren Hergang des Geschehens nach dem Zusammentreffen am 25. August 1999 bei der D -Tankstelle zwischen den Parteien Streit herrsche. In der Folge sei es jedoch unstreitig dazu gekommen, dass Herr K dem Kläger ins Gesicht geschlagen habe, so dass dieser mit dem Hinterkopf auf den Betonboden aufgeschlagen und bewusstlos geworden sei. Von Amts wegen sei eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich. Damit stehe zum konkreten Hergang des schädigen Vorganges Aussage gegen Aussage. Auch wenn es in der Folge dazu gekommen sei, dass Herr K den Kläger ins Gesicht schlug, so sei nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass der Kläger Herrn K durch sein eigenes Verhalten provoziert habe oder dass Herr K , wie von ihm behauptet, in Notwehr bzw. Putativ-Notwehr gehandelt habe. Darüber hinaus sei nach dem Ergebnis der Ermittlungen auch nicht feststellbar, ob der Kläger es unterlassen habe, eine sich zuspitzende Situation erhöhter Gefahrgeneigtheit zu meiden, obwohl ihm dies nach den Gesamtumständen des Hergangs möglich und auch zumutbar gewesen wäre und ob nicht unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ein Anspruch auf Versorgung nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen wäre. Diese Beweislosigkeit gehe nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers, so dass der Antrag abgelehnt werden müsse.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das beklagte Land mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2004 im Wesentlichen aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.
Dagegen hat sich der Kläger mit der am 6. Februar 2004 bei dem Sozialgericht Ka erhobenen Klage gewandt und sich zur Begründung auf die vom Inhalt der angefochtenen Bescheide abweichenden Feststellungen des Amtsgerichts Ka aus dem Urteil vom 4. Juli 2001 sowie der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ka aus dem Urteil vom 22. März 2003 bezogen. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes habe er weder die Schädigung verursacht noch habe es sonstige in seinem Verhalten liegende Gründe gegeben, die zur Unbilligkeit der Entschädigung führen würden. Zur Einstellung des Strafverfahrens durch das Landgericht sei es nicht etwa deshalb gekommen, weil von einer Notwehr- oder Putativ-Notwehr-Situation ausgegangen worden sei, sondern allein, weil im zivilrechtlichen Verfahren bereits eine Verurteilung des Schädigers zu einem Schmerzensgeld in erheblicher Höhe ergangen sei. Der Vortrag des Schädigers K , wonach dieser in Notwehr bzw. Putativ-Notwehr gehandelt habe, sei stets eine reine Schutzbehauptung gewesen. Tatsächlich gebe es dafür keinerlei Anhaltspunkte. Die entsprechenden Bekundungen des Zeugen Ta seien widersprüchlich. Er habe den Sachverhalt im Strafverfahren und im Zivilverfahren unterschiedlich geschildert. Er, der Kläger, habe keinerlei Anlass für eine Auseinandersetzung gegeben. Die angebliche Beleidigung des Herrn K , die ohnehin nicht von ihm stamme, habe einen weit vor der Tat liegenden Zeitraum betroffen. Das Aufeinandertreffen bei der D -Tankstelle sei rein zufällig erfolgt. Er, der Kläger, habe noch versucht klarzustellen, dass er jenen Funkspruch niemals abgesetzt habe. Er habe sich abgewandt, um einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Er sei unmittelbar darauf geschlagen worden und zu Boden gegangen. Dabei habe er ein Schädelhirntrauma erlitten. Es bestehe eine Hirnleistungsminderung, ein Anfallsleiden sowie der Verlust des Riechvermögens. Wegen des Anfallsleidens habe er seine Umschulung zum Dachdecker abbrechen müssen. Seitdem sei er arbeitslos und schwerbehindert und habe ganz erhebliche Schwierigkeiten bei der Berufswahl.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des beklagten Landes vom 18. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2004 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, ihm wegen einer am 26. August 1999 erlittenen Verletzung Beschädigtenversorung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) zu bewilligen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sich das beklagte Land auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen.
Mit Urteil vom 31. Januar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Gewährung einer Entschädigung an den Kläger wäre angesichts der gesamten Situation des Geschehens unbillig im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG. Deshalb seien Leistungen nach diesem Gesetz zu versagen. Das Gericht folge den überzeugenden Ausführungen des beklagten Landes im Bescheid vom 18. September 2003 und sehe insoweit von einer wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 136 Abs. 3 SGG ab. Die Unbilligkeit folge nach Auffassung des Gerichts bereits daraus, dass der Kläger in der Tatnacht jedenfalls eine Situation erhöhter Gefahrgeneigtheit hätte vermeiden können und müssen. Zwischen den Beteiligten sei zwar streitig, ob der Kläger lediglich überraschend von Herrn K geschlagen worden sei oder ob der Kläger selbst zuvor versucht habe, den "Zeugen K " ebenfalls zu schlagen und ob damit eine Notwehrsituation bestanden habe. Dies ergebe sich im Einzelnen aus den in den beigezogenen Akten enthaltenen Zeugenaussagen. Es sei jedoch nicht erforderlich, die dort gehörten Zeugen in der mündlichen Verhandlung nochmals zu dem Geschehen anzuhören. Der "Zeuge K " habe am 2. August 2000 im Strafverfahren angegeben, dass der Kläger durchgedreht und auf ihn zugekommen sei. Dies sei durch den Zeugen Ta in derselben Verhandlung bestätigt worden. Dieser habe gesehen, wie der Kläger mit der rechten Hand habe zuschlagen wollen und dies nochmals habe versuchen wollen. Der Kläger habe dies in der Sitzung bestritten. Die Zeugen Pa und B hätten die Auseinandersetzung nicht im Einzelnen gesehen. Der Zeuge Ab habe nur angegeben, dass die Beteiligten Streit gehabt hätten. Die übrigen befragten Zeugen hätten jeweils zu dem Sachverhalt auf dem Gelände der Tankstelle nichts aussagen können. Für die Kammer sei dies jedoch nicht weiter aufzuklären, weil unstreitig die Beteiligten seit 1998 bereits im Zusammenhang mit den Geschehnissen um den CB-Funkspruch und einer behaupteten Beleidigung sowie in der S straße und auf dem T Ring eine Aus¬ein¬andersetzung führten, die ein Spannungsverhältnis zwischen den Beteiligten aufgebaut habe. Die Geschehnisse um den CB-Funkspruch, der Hergang in der S straße sowie auf dem T Ring seien grundsätzlich zwischen den Beteiligten nicht streitig. Als der Kläger vor diesem Hintergrund am 26. August 1999 auf dem Gelände der Tankstelle nachts den "Zeugen K " angetroffen habe, habe aus Sicht des Gerichts mindestens angesichts der bisherigen Vorkommnisse, unabhängig von dem genauen Ablauf einer erst wörtlichen und später tätlichen Auseinandersetzung, eine Situation wirklich erhöhter Gefahrgeneigtheit bestanden. Der Kläger habe schon beim Befahren des Tankstellengeländes und dem Erkennen des Herrn K aus den vorherigen Auseinandersetzungen gewusst, dass sich dieser mit ihm auch körperlich habe auseinandersetzen wollen. Dem Kläger habe angesichts der Aggressivität der Beteiligten schon nach der Schilderung der vorherigen Geschehnisse bewusst sein müssen, dass eine möglicherweise zunächst beabsichtigte nur wörtliche Aussprache auch jederzeit in eine tätliche Auseinandersetzung, insbesondere mit Herrn K , einmünden könnte. In dieser Situation stehe für das Gericht die erhöhte Gefahrgeneigtheit fest. Der Kläger hätte ausweichen können und müssen. Allein deshalb erweise sich die Gewährung einer Opferentschädigung an den Kläger als unbillig.
Gegen das ihm am 26. Juni 2007 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 20. Juli 2007 beim Schleswig-Holstei¬ni¬schen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft. Das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er sich wissentlich in eine Situation erhöhter Gefahrgeneigtheit begeben habe, als er auf das Tankstellengelände gefahren sei. Das Sozialgericht habe nicht geprüft, ob seinerzeit eine Ausweichmöglichkeit bestanden habe. Es habe ohne entsprechende Anhaltspunkte unterstellt, dass er schon beim Einfahren in die Tankstelle gewusst und gesehen habe, dass dort der spätere Schädiger auf ihn warten würde. Tatsächlich sei er, der Kläger, jedoch zunächst auf dem Tankstellengelände gewesen und dort ausgestiegen, um sich Getränke zu kaufen. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht ahnen können, dass der Schädiger dort auftauchen würde. Er habe zudem geringe Einflussmöglichkeiten gehabt, da er von einem Bekannten mitgenommen worden und nicht selbst gefahren sei. Aus diesem Grunde habe er zum Zeitpunkt des Auftauchens des späteren Schädigers keine Möglichkeit mehr gehabt, einer Begegnung mit diesem auszuweichen. Dieser sei aus dem Fahrzeug ausgestiegen, auf ihn zugekommen und habe begonnen, ihn anzupöbeln. Er habe darauf nur erwidert, man möge ihn in Ruhe lassen und sich umgedreht. In diesem Moment habe der Schädiger völlig unvermittelt zugeschlagen, so dass er zu Boden gegangen sei und sich dabei die bekannten erheblichen Verletzungen zugezogen habe. Dieser Geschehensablauf ergebe sich auch aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft. Aus dem Urteil des Amtsgerichts werde zudem ersichtlich, dass der Schädiger nicht in Notwehr gehandelt habe. Er sei völlig schuldlos in die Situation geraten und habe keinerlei Ausweichmöglichkeiten gehabt. Die jederzeit bestehende Gefahr eines zufälligen Zusammentreffens mit dem Schädiger hätte er nur vermeiden können, wenn er sich ständig zu Hause aufgehalten hätte. Das wäre ihm nicht zumutbar gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 31. Januar 2007 sowie den Bescheid des beklagten Landes vom 18. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Ja¬nu¬ar 2004 aufzuheben und das beklagte Land zu verurteilen bei ihm als Folgen der Gewalttat vom 25./26. August 1999 als Schädigungsfolgen anzuerkennen: - leichtgradige posttraumatische Hirnleistungsminderung mit Einschränkung der Umstellungs- und Konzentrationsfähigkeit und Zeitgitterstörungen - vollständiger Verlust des Riechvermögens und Einschränkung des Geschmacksinnes - für die Zeit bis zum 30. November 2006: posttraumatisches cerebrales Anfallsleiden und ihm für die Zeit vom 1. August 1999 bis November 2006 Entschädigungsleistungen nach einem GdS von 60 zu gewähren und für die Zeit danach Entschädigungsleistungen nach einem GdS von 50 zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich das beklagte Land auf die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils und führt ergänzend aus: Auch unter Zugrundelegung des im Urteil des Amtsgerichts Ka vom 4. Juli 2001 geschilderten Sachverhalts wäre es dem Kläger möglich gewesen, die sich zuspitzende Situation erhöhter Gefahrgeneigtheit zu meiden. Ihm sei bekannt gewesen, dass der spätere Schädiger ihn seit längerer Zeit gesucht habe, da er eine Beleidigung gegen dessen Mutter ausgesprochen habe. Bei dieser Sachlage könne die staatliche Gemeinschaft für die vom Kläger erlittene Gesundheitsstörung nicht einstehen, da der Kläger den Angriff durch sein eigenes vorausgegangenes Verhalten zumindest mit verursacht habe. Daher seien die Leistungen nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des beklagten Landes, die Akten des Landgerichts Ka zum Aktenzeichen 6 O 323/02 sowie die Akten des Amtsgerichts Ka zum Aktenzeichen 32 Ls Jug 568 Js 717/00 HW sowie die Akten des Sozialgerichts Ka zum Aktenzeichen S 10 SB 22/04 haben dem Senat ebenso wie die Prozessakte vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen des Ereignisses vom 26. August 1999.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) auf Antrag Versorgung, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Ka aus dem Urteil vom 4. Juli 2001, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt, hat der Schädiger, Y K , den Kläger angegriffen, indem er ihn mit der Faust gegen die linke Seite des Kopfes geschlagen hat. Der Kläger ist daraufhin zu Boden gegangen und mit dem Hinterkopf aufgeschlagen. Der Senat geht ebenfalls in Übereinstimmung mit der genannten Entscheidung des Amtsgerichts Ka davon aus, dass der Angriff rechtswidrig war und dass insbesondere keine Notwehr im Sinne des § 32 Strafgesetzbuch (StGB) vorgelegen hat. Das Amtsgericht Ka ist für den Senat in jeder Hinsicht nachvollziehbar davon ausgegangen, dass es sich bei der Schilderung einer Notwehrsituation durch den einschlägig vorbestraften Y K (Angeklagter des dortigen Verfahrens) um eine Schutzbehauptung handelt und dass die Aussage des Zeugen Ta den Versuch darstellt, diesen entgegen des wahren Geschehensablaufs zu schützen. Die Angaben des Angeklagten und des Zeugen Ta in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Ka waren widersprüchlich. Anders als der Zeuge Ta hat der Angeklagte nicht angegeben, dass es bereits Schläge von Seiten des Klägers gegeben habe, bevor er, Y K , sich durch einen Faustschlag zur Wehr gesetzt habe, sondern vielmehr habe der Kläger seine Arme nur in einer Weise bewegt, dass er, Y K , habe fürchten müssen, dass der Kläger im nächsten Moment zuschlagen werde. Er habe den Kläger deshalb zur Abwehr eines insofern vorgestellten Angriffs geschlagen. Diese Angaben standen im Widerspruch zu der Aussage des Zeugen Ta , der davon berichtet hatte, dass es erst einen Schlag des Klägers gegeben und dieser dann sogar noch einen zweiten Schlag ausgeführt habe, bevor es zur Gegenwehr des Y K gekommen sei. Im Übrigen standen die Angaben des Y K , er habe den Geschädigten mit der linken Faust auf die rechte Gesichtshälfte geschlagen im Widerspruch zu dem Ergebnis der Ermittlungen des Amtsgerichts auf medizinischem Gebiet. Der medizinische Sachverständige hat vor dem Amtsgericht dargelegt, dass die Verletzungen durch einen Schlag auf die linke Gesichtshälfte entstanden sein müssten. Der Umstand, dass die Schlagverletzungen nachweislich auf der linken Gesichtshälfte des Geschädigten stattgefunden haben, spricht für die Darstellung des Klägers, nach der der Schlag erst in dem Moment erfolgt ist, in dem er sich abgewandt hat. Nur so ist auch erklärlich, dass ein mit der linken Hand geführter Schlag bei einem gegenüberstehenden Kontrahenten die linke Gesichtshälfte trifft. Auch dass der Kläger nach dem Schlag "wie ein Brett umgefallen" ist, spricht dafür, dass ihn der Schlag unvorbereitet getroffen hat. Vor diesem Hintergrund ist das Amtsgericht nachvollziehbar davon ausgegangen, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat, wie er vom Kläger geschildert worden ist. Danach ist es nicht der Kläger gewesen, der auf Y K zugegangen ist. Ferner geht der Senat in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Amtsgerichts davon aus, dass Y K den Kläger auf dem Gelände der Tankstelle gesehen hat, noch bevor der Kläger auf Y K aufmerksam geworden war.
Dass die Beweiswürdigung durch das Amtsgericht Ka nicht zu beanstanden ist, wird auch in dem den Antrag des Schädigers auf Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 18. November 2002 (11 W 42/02) bestätigt.
Damit im Einklang stehen die Feststellungen der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ka aus dem rechtskräftigen Urteil vom 27. Mai 2003. Danach ist dem Angriff des Schädigers kein Angriff des Klägers vorausgegangen. Die davon abweichenden Angaben, die der auch vor dem Landgericht Ka als Zeuge vernommene H Ta gemacht hat, waren widersprüchlich. So hat der Zeuge Ta vor dem Landgericht zunächst angegeben, im Auto sitzengeblieben zu sein. Erst auf Vorhalt seiner Aussage aus dem Strafverfahren gegen den Schädiger hat er angegeben, es könne auch so gewesen sein, dass er aus dem Auto ausgestiegen sei. Sobald dem Zeugen konkrete Vorhalte gemacht worden sind, hat er sich bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht Ka nur vage dahin geäußert, dass dies möglich gewesen sei und er sich an nichts Konkretes mehr erinnern könne.
Abweichend von den Feststellungen, die das Amtsgericht Ka in dem oben genannten Strafverfahren getroffen hat und auch abweichend von den Feststellungen der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ka hat das beklagte Land seinen Feststellungen zum Sachverhalt die Aussagen des Angeklagten aus dem Strafverfahren und seines Bekannten, des Zeugen H Ta zugrunde gelegt. Das beklagte Land ist damit von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Entsprechendes gilt für die Angabe in dem Bescheid des beklagten Landes vom 18. September 2003, nach der das Strafverfahren gegen den Schädiger mit der Begründung eingestellt worden sein soll, dass ihm die Einlassung, in Notwehr gehandelt zu haben, nicht widerlegt worden sei. Aus den Gründen des Einstellungsbeschlusses der Großen Strafkammer des Landgerichts Ka vom 28. Juli 2003 geht eindeutig hervor, dass das Strafverfahren allein deshalb eingestellt worden ist, weil der Kläger durch das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Ka bereits zu einem wesentlich höheren Schmerzensgeld verurteilt worden war als in dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Ka. Für die dem entgegenstehende Auffassung des beklagten Landes, dass das Verfahren eingestellt worden sei, weil das Vorliegen einer Notwehrlage nicht habe widerlegt werden können, enthalten die vorliegenden Akten keine Grundlage. Dies ist im Berufungsverfahren nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis auch von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen worden, die nun ebenfalls vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG und damit auch vom Vorliegen eines gegen den Kläger gerichteten rechtswidrigen Angriffs ausgeht.
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes und der Auffassung des Sozialgerichts liegen Versagungsgrunde im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Leistungen zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat (erste Alternative) oder wenn es aus sonstigen Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren (zweite Alternative).
Bei der Mitverursachung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative OEG handelt es sich um einen Sonderfall der Unbilligkeit. Sie ist in der ersten Alternative abschließend geregelt, wenn nur die unmittelbare Tatbeteiligung des Geschädigten als Leistungsausschlussgrund in Betracht kommt (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urt. v. 6. Dezember 1989 – 9 RVg 2/89, BSGE 66, 115 = SozR 3800 § 2 Nr. 7). Diese Alternative ist stets zuerst zu prüfen (BSG, Urt. v. 18. April 2001 B 9 VG 3/00 R, BSGE 88, 96 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 10, m. w. N.). Zum Bereich der Mitursächlichkeit gehören alle unmittelbaren, nach natürlicher Betrachtungsweise mit dem eigentlichen schädigenden Tatgeschehen insbesondere auch zeitlich eng verbundenen Umstände, während alle nicht unmittelbaren, lediglich erfolgs¬fördernden Umstände, wie typischerweise die Vorgeschichte der eigentlichen Gewalttat, im Rahmen der Unbilligkeit zu prüfen sind. Ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Satz 1 1. Alter¬na¬tive OEG kommt nur in Betracht, wenn das Verhalten des Opfers wesentlich mitursächlich im Sinne der im Versorgungs- und Entschädigungsrecht geltenden Kausalitätsnorm, d. h. in etwa gleichwertig mit dem Tatbeitrag des Schädigers gewesen ist (BSG, Urt. v. 18. April 2001, a. a. O.). Das ist anzunehmen, wenn sich das Opfer bei seinem Ursachenbeitrag in ähnlich schwerer Weise gegen die Rechtsordnung vergangen hat wie der vorsätzlich handelnde Gewalttäter. In Fällen, in denen das Opfer in der zu beurteilenden Situation selbst einen strafrechtlichen Tatbestand verwirklicht hat, beurteilt das Bundessozialgericht die Vergleichbarkeit nach der strafrechtlichen Einordnung der Tatbeiträge von Opfer und Angreifer (vgl. BSG, Urt. v. 15. August 1996 – 9 RVg 6/94, BSGE 79, 87 = SozR 3 3800 § 2 Nr. 5; BSG, Urt. v. 6. Dezember 1989 9 RVg 2/89, BSGE 66, 115 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 7). Auch wenn das Opfer der Gewalttat nicht selbst einen Straftatbestand erfüllt hat, kann ein Leistungsausschluss wegen Mitverursachung in Betracht kommen, wenn sich der Geschädigte etwa durch Provokation entweder grob fahrlässig (leichtfertig) oder gar vorsätzlich (bewusst) der Gefahr einer Gewalttat ausgesetzt und dadurch selbst gefährdet hat (vgl. BSG, Urt. v. 21. Oktober 1998 – B 9 VG 6/97 R – BSGE 83, 62 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 9). In diesem Zusammenhang ist nach der Rechtsprechung des BSG zu prüfen, ob der Angriff nach Art und Schwere der Provokation objektiv – verhältnismäßig war und ob der Geschädigte subjektiv – mit einer so schweren Gewalttat hätte rechnen müssen (BSG, Urt. v. 1. September 1999 – B 9 VG 3/97 R -; BSG, Urt. v. 15. August 1996, a. a. O.; BSG, Urt. v. 21. Oktober 1998 – B 9 VG 2/97 R – SozR 3-1500 § 128 Nr. 12).
Für eine diesen Maßstäben entsprechende Mitverursachung des Klägers in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Tat gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Der Auffassung des Sozialgerichts, nach der sich der Kläger in eine Situation erhöhter Gefahrgeneigtheit begeben habe, liegt offenbar die unzutreffende Annahme zugrunde, dass sich der Kläger auf das Gelände der D -Tankstelle begeben habe, nachdem sich der späterer Schädiger, Y K , dort bereits eingefunden hatte. Davon abweichend und in Übereinstimmung mit den Feststellungen, die das Amtsgericht Ka seiner Entscheidung vom 4. Juli 2001 zugrunde gelegt hat, geht der Senat davon aus, dass sich der Kläger zuerst auf dem Tankstellengelände befunden hat und dass es nicht der Kläger war, der sich zu dem späteren Schädiger begeben hat, sondern dass umgekehrt der Schädiger, Y K , von anderen Personen auf den Kläger aufmerksam gemacht worden war, dass sich Y K dann zum Kläger begeben und diesen angesprochen hat. Der Kläger weist nach Auffassung des Senats im Übrigen zutreffend darauf hin, dass er zu diesem Zeitpunkt kaum noch eine Möglichkeit gehabt haben dürfte, sich einem Zusammentreffen mit dem Y K zu entziehen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach seinen nachvollziehbaren und mit den Zeugenaussagen im Strafverfahren übereinstimmenden Angaben lediglich als Beifahrer des Ma B auf das Gelände der Tankstelle gekommen ist und dass der Fahrer, Ma B , weggelaufen war, unmittelbar nachdem er das Erscheinen des Y K bemerkt hatte.
Auch ein Fall der Unbilligkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative OEG liegt nicht vor. Der Begriff der Unbilligkeit ist als unbestimmter Rechtsbegriff so zu konturieren, dass die darauf beruhende Gegennorm den Leistungsausschluss gegenüber dem Rechtsanspruch aus § 1 OEG rechtfertigt (BSG, Urt. v. 7. November 1979 – 9 RVg 2/78, BSGE 49, 104, 107 = SozR 3800 § 2 Nr. 1; BSG, Urt. v. 21. Oktober 1998 B 9 VG 6/97 R – BSGE 83, 62, 65 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 9). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG führen nur solche Gründe zur Unbilligkeit, die dem in der 1. Alternative des § 2 Abs. 1 OEG genannten Fall der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen (BSG, Urt. v. 7. November 2001 – B 9 VG 2/01 R, BSGE 89, 75 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 11, m. w. N.). Der Maßstab hierfür ergibt sich aus dem gesetzlichen Zweck der Gewaltopferentschädigung, aus verfassungsrechtlichen Wertungen, aus Prinzipien der Gesamtrechtsordnung und aus viktimologischen Erkenntnissen. Im Rahmen der zweiten Alternative sind insbesondere auch die lediglich mittelbaren Ursachen der Gewalttat wie typischerweise die Vorgeschichte zu prüfen. Ein Tatbeitrag des Gewaltopfers, der unter der Schwelle der versorgungsausschließenden Mitverursachung bleibt, kann zusammen mit anderen Ursachen die Gewährung von Leistungen als unbillig erscheinen lassen. Gefordert ist dann, dass die "sonstigen Umstände" zusammen mit dem für sich genommen nicht ausreichenden Tatbeitrag dem in der ersten Alternative genannten Grund der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen (BSG, Urt. v. 6. Juli 2006 – B 9a VG 1/05 R, SozR 4-3800 § 2 Nr. 1; BSG, Urt. v. 29. März 2007 – B 9a VG 2/05 R, zur Veröffentlichung vorgesehen für BSGE und SozR 4).
Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unbilligkeit im Sinne der zweiten Alternative des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG hat das BSG in ständiger Rechtsprechung vier Fallgruppen gebildet (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 29. März 2007, a. a. O.):
1. eine im Vorfeld der Tat liegende rechtsfeindliche Betätigung, mit der sich das spätere Opfer außerhalb der staatlichen Gemeinschaft stellt; 2. die sozialwidrige mit speziellen Gefahren verbundene Zugehörigkeit zum Kreis der Alkohol- oder Drogenkonsumenten, wenn die Tat aus diesem Milieu entstanden ist; 3. das bewusste oder leichtfertige Eingehen einer Gefahr, der sich das Opfer ohne Weiteres hätte entziehen können, es sei denn für dieses Verhalten läge ein rechtfertigender Grund vor und 4. eine durch die Versorgung entstehende Begünstigung des Täters.
Für eine im Vorfeld der Tat liegende rechtsfeindliche Betätigung des Klägers, wozu nach ständiger Rechtsprechung insbesondere die Zugehörigkeit zum Bereich der organisierten Kriminalität gezählt wird, bestehen auch unter Berücksichtigung der Verurteilung des Klägers wegen Computerbetrugs in drei Fällen und Hehlerei mit Urteil des Amtsgerichts Ka vom 5. November 1997 wegen einer zuletzt am 19. Juni 1995 begangenen Tat (vgl. den von der Beklagten eingeholten Auskunft aus dem Zentralregister und aus dem Erziehungsregister, Bl. 86 der Verwaltungsakte) keine Anhaltspunkte. Entsprechendes gilt für die o.g. 4. Fallgruppe. Die Tat ist auch nicht aus dem Milieu der Alkohol- und Drogenkonsumenten heraus verübt worden und der Kläger war zum Zeitpunkt der Tat nicht einem solchen Milieu zuzuordnen. Der Kläger kannte den Schädiger zum Zeitpunkt der Tat nur flüchtig. Für eine Zugehörigkeit des Klägers zum Kreis der Alkohol- oder Drogenkonsumenten zum Zeitpunkt der Tat bestehen keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass es zu einem vor¬übergehenden übermäßigen Alkoholkonsum und dem "Herumtreiben" in Kneipen erst nach der Gewalttat gekommen ist. Die Tatsache, dass bei dem Kläger unmittelbar nach der Tat eine Blutalkoholkonzentration von 0,88 ‰ gemessen worden ist, spricht nicht für eine Zugehörigkeit zum Kreis der Drogen- oder Alkoholkonsumenten und einem Entstehen der Tat aus einem solchen Milieu heraus.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und auch des Sozialgerichts liegt auch keine Unbilligkeit wegen bewussten oder leichtfertigen Eingehens einer Gefahr vor, der sich das Opfer ohne Weiteres hätte entziehen können. Dem steht bereits entgegen, dass eine Möglichkeit des Klägers, sich der Gefahr ohne Weiteres zu entziehen, nicht erkennbar ist, weil es – wie oben dargelegt – nicht der Kläger war, der sich zu dem Y K begeben hat. Vielmehr ist der spätere Schädiger, Y K , nach dem Kläger auf dem Tankstellengelände eingetroffen und hat sich zu dem Kläger begeben, und es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser zu diesem Zeitpunkt noch eine Möglichkeit gehabt hätte, sich einem Zusammentreffen mit dem Y K zu entziehen. Ferner kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, dass er den Schädiger durch eine vorangegangene Beleidigung provoziert habe. Abgesehen davon, dass es sich bei einer Beleidigung gerade wenn sie wie im vorliegenden Fall bereits mehr als ein Jahr zurückliegt keinesfalls um einen gleichwertigen Tatbeitrag des Opfers einer Gewalttat gehandelt haben kann, kann die Beleidigung des späteren Schädigers dem Kläger nicht entgegengehalten werden, weil nicht festgestellt werden kann, dass er den Funkspruch mit dem beleidigenden Inhalt abgegeben hat. Bei der Vernehmung vor dem Amtsgericht Ka haben sich der Kläger und der Ma B gegenseitig beschuldigt, den Funkspruch abgesetzt zu haben. Auch die Vernehmung weiterer Zeugen hat keine Klarheit zu der Frage erbracht, wer den Funkspruch abgesetzt hat. Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht diese Frage offen gelassen. Auch der Senat sieht keine Möglichkeit, diese Frage inzwischen mehr als zehn Jahre nach dem angeblichen Funkspruch – aufzuklären. Die Beteiligten haben dazu auf ausdrückliches Befragen zu weiteren für erforderlich gehaltenen Ermittlungen keine Einwände erhoben.
Entgegen der Auffassung, die das beklagte Land in dem angefochtenen Bescheid vom 18. September 2003 vertreten hat, hat nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast nicht der Kläger, sondern das beklagte Land die Beweislast bezogen auf das Vorliegen von Versagungsgründen nach § 2 OEG zu tragen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urt. v. 18. Juni 1996 – 9 RVg 7/94 – SozR 3 3800 § 2 Nr. 4 = BSGE 78, 270; BSG, Urt. v. 25. März 1999 – B 9 VG 5/97 R -, juris Rz. 12). Daher kann dem Kläger auch nicht die – nicht beweisbare – Beleidigung des Schädigers entgegengehalten werden.
Feststeht allerdings, dass sich der Schädiger und der Kläger aus dem fahrenden Kraftfahrzeug heraus mit Gaspistolen gegenseitig bedroht haben. Dabei hat der Kläger eine Gaspistole des Ma B verwendet. Diese Konfrontation zwischen dem Kläger und dem späteren Schädiger stellt nach Auffassung des Senats nach Art und Schwere keine Provokation dar, die die mehrere Monate später verübte Gewalttat objektiv verhältnismäßig erscheinen lassen würde und die den Kläger hätte veranlassen müssen, auch noch nach diesem Zeitablauf mit der Gewalttat zu rechnen. Im Übrigen kann – wie oben dargelegt – nicht festgestellt werden, dass der Kläger eine Möglichkeit gehabt hätte, sich dem Zusammentreffen mit Y K in der Nacht vom 25. auf den 26. August 1999 ohne Weiteres zu entziehen.
Da die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sind und der Entschädigung auch kein Versagungsgrund entgegensteht, hat der Kläger Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Der Kläger hat Anspruch auf Versorgung für die Zeit seit Beginn des Monats, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind und damit seit dem 1. August 1999, weil er den Antrag innerhalb eines Jahres gestellt hat (§ 60 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BVG). Für die Zeit vom 1. August 1999 bis zum 30. November 2006 hat der Kläger Anspruch auf Versorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 60 und für die Zeit seit dem 1. Dezember 2006 nach einem GdS von 40.
Gemäß § 30 Abs. 1 BVG ist der GdS nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehner-Graden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu 5 Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehner-Grad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten.
Der GdS ist als Ausmaß der Behinderung unter Heranziehung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung festzulegen (zur Bemessung des GdB vgl. BSG, Urt. v. 9. April 1997 – 9 RVs 4/95 – SozR 3 3870 § 4 Nr. 19, m. w. N.; Bundesverfassungsgericht, Beschl. v. 6. März 1995 – 1 BvR 60/95 – SozR 3-3870 § 3 Nr. 6). Zwar beruhen die AHP weder auf Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, sodass sie keinerlei Normqualität haben. Dennoch sind sie als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich zum einen daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur dann gewährleistet ist, wenn die verschiedenen Behinderungen nach gleichen Maßstäben beurteilt werden; zum anderen stellen die AHP 2008 – ebenso wie ihre Vorgänger – ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der Versorgungsverwaltung und Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdS dar (zur Bemessung des GdB vgl. BSG, Urt. v. 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr. 2, m. w. N.). Die zur Bemessung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts sind auch für das soziale Entschädigungsrecht maßgebend, da sich die Begriffe "GdB" und "GdS" einander in der Regel entsprechen (BSG, Beschl. v. 24. April 2008 - B 9 VJ 7/07 B).
Der Kläger hat als Folge der Gewalttat vom 26. August 1999 sein Riechvermögen vollständig verloren und es ist zu der damit verbundenen Beeinträchtigung der Geschmackswahrnehmung gekommen. Daraus folgt unter Zugrundelegung der Maßstäbe aus den AHP in der Fassung des Jahres 2008, Seite 62 und den damit insoweit übereinstimmenden Fassungen der AHP aus den Jahren seit 1996 ein GdS von 15. Darüber hinaus besteht bei dem Kläger als Folge der Gewalttat eine posttraumatische Einschränkung der hirnorganischen Leistungsfähigkeit. Der Kläger hat als Folge der Gewalttat vom 26. August 1999 ein Schädelhirntrauma mit kontusioneller (substantieller) Hirnbeteiligung erlitten. Hinweise auf eine hirnorganisch bedingte Leistungsminderung, die auf die Gewalttat zurückgeführt werden kann, fanden sich bereits bei der Untersuchung des Klägers durch den Diplom-Psychologen Dr. N am 3. September 1999 (Arztbrief des Dr. N vom 3. September 1999), wobei zu diesem Zeitpunkt noch eine Besserung erwartet werden konnte. Bei einer weiteren neuro-psychologischen Untersuchung vom 14. Juni 2001 (Arztbrief des Dr. W vom 15. Juni 2001) wurde ebenfalls eine Störung der Aufmerksamkeit festgestellt, die von dem untersuchenden Arzt ursächlich auf das Schädelhirntrauma von 1999 zurückgeführt wurde. Allerdings handelte es sich nach Auffassung des Dr. W zu diesem Zeitpunkt nur noch um eine "als allenfalls leicht zu qualifizierende Störung der Aufmerksamkeit". Unter Bezugnahme auf diesen Befund ist auch Dr. P in ihrem auf Veranlassung des beklagten Landes erstatteten Gutachten vom 27. März 2002 ebenso wie in dem auf Veranlassung des Amtsgerichts Ka erstatteten Gutachten des Prof. Dr. Da und der Dr. P vom 16. Juni 2001 vom Vorliegen einer leichten Hirnleistungsschwäche ausgegangen, die ursächlich auf die Gewalttat vom 26. August 1999 zurückzuführen ist. Diese Einschätzung ist im Grundsatz auch durch das fachpsychologische Gutachten des Prof. Dr. Gerber und des Dr. N vom 24. Juli 2006 bestätigt worden, das auf Veranlassung des Sozialgerichts Ka in dem Verfahren zum Az. S 10 SB 22/04 erstattet worden ist. Dieser Einschätzung hat sich Prof. Dr. Hb in seiner auf Veranlassung des Sozialgerichts Ka in dem o. g. Verfahren erstatteten ergänzenden Stellungnahme vom 30. August 2006 angeschlossen und schließlich ist auch Dr. Kc in seinem auf Veranlassung des Senats erstatteten insoweit überzeugenden Gutachten vom 14. August 2008 vom Vorliegen einer leichtgradigen posttraumatischen Hirnleistungsminderung ausgegangen, die ursächlich auf die Gewalttat vom 26. August 1999 zurückzuführen ist.
Mit der Feststellung, dass bei dem Kläger ein auf die Gewalttat vom 26. August 1999 ursächlich zurückzuführender Hirnschaden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung vorliegt, folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen in den o. g. Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen. Der Senat folgt dagegen nicht der Beurteilung des Dr. Bb in seinem auf Veranlassung des beklagten Landes erstatteten Gutachten vom 20. November 2002. Insbesondere unter Berücksichtigung der in dem Gutachten der Prof. Dr. Gerber und des Dr. N vom 24. Juli 2006 erhobenen testpsychologischen Untersuchungsbefunde, die zum Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens des Dr. Bb noch nicht vorlagen, ist vom Vorliegen von Hirnschäden auszugehen, die als "Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung" nach den AHP mit einem GdS von 30 bis 40 zu bewerten sind. Die Hirnschäden sind nicht so geringfügig, dass dies einer Bewertung mit dem in den AHP vorgesehenen Mindestwert von 30 v.H. entgegenstehen würde.
Bezogen auf die Frage, ob die beim Kläger vorliegenden Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung innerhalb des in den AHP vorgesehenen Rahmen mit einem GdS von 30 oder mit einem GdS von 40 zu bewerten sind, enthalten die vorliegenden Gutachten keine einheitliche Bewertung. Das auf Veranlassung des beklagten Landes erstattete Gutachten der Dr. P vom 27. März 2002 und deren ergänzende Stellungnahme vom 19. Juni 2002 enthalten keine Angabe zum Einzel-GdS für die Hirnleistungsminderung. Dr. P schlägt eine Gesamt-MdE von 75 für die Hirnleistungsminderung, den Verlust des Riechvermögens und das Anfallsleiden sowie eine Bewertung mit 60 v. H. ohne das Anfallsleiden vor. Die Gutachterin stellt jedoch keinen Bezug zu den Maßstäben aus den AHP her und dieser ist aus Sicht des Senats auch nicht zu erkennen. Prof. Dr. Hb geht in seiner auf Veranlassung des Sozialgerichts erstatteten ergänzenden Stellungnahme vom 30. August 2006 von einer Bewertung der Hirnleistungsminderung mit dem in den AHP vorgesehenen Mindestwert von 30 aus. Abweichend davon bewertet der Sachverständige Dr. Kc unter Bezugnahme auf die gutachtliche Aussage des Prof. Dr. Hb die Hirnleistungsminderung mit einem Einzel-GdS von 40. Daran hat Dr. Kc auch auf Befragen in der mündlichen Verhandlung festgehalten. Die Ausführungen des Dr. Kc konnten den Senat vor dem Hintergrund der Bewertung durch Prof. Dr. Hb , auf den sich Dr. Kc mit seiner Bewertung ausdrücklich bezogen hat, jedoch nicht in vollem Umfang überzeugen.
Im Ergebnis konnte der Senat diese Frage jedoch dahingestellt lassen. Auch wenn die Hirnschädigung des Klägers mit geringer Leistungsbeeinträchtigung nicht nur mit dem in den AHP vorgesehenen Mindestwert von 30 zu bewerten wären, sondern der GdS von 40 gerade noch erreicht würde, würde daraus – entgegen der Einschätzung des Dr. Kc – unter Einbeziehung des Verlustes des Riechvermögens (GdS 15) kein Gesamt-GdS von mehr als 40 folgen. Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit den Maßstäben aus den AHP 2008, Seite 24 ff., davon aus, dass die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdS nicht addiert werden dürfen. Maßgebend ist vielmehr die Auswirkung der einzelnen Funktionseinschränkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdS ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdS bedingt. Im Hinblick auf die vorliegenden weiteren Funktionsbeeinträchtigungen ist zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS-Grad von 10 bedingen, führen - von Ausnahmefällen abgesehen - nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Beeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte (AHP 2008, S. 26). In Übereinstimmung mit der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG (BSG, Urt. v. 13. Dezember 2000 B 9 V 8/00 R – SozR 3-3870 § 4 Nr. 28) geht der Senat davon aus, dass dieses "Erhöhungsverbot" auch dann gilt, wenn die weiteren, nur geringfügigen Funktionsstörungen sich unabhängig voneinander in verschiedenen Lebensbereichen auswirken. Bezogen auf den Ausfall des Riechvermögens gilt ein solches "Erhöhungsverbot" zwar nicht, weil dafür eine Bewertung mit 15 und nicht lediglich mit 10 vorgesehen ist. Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass es selbst bei Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdS-Grad von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP, a.a.O.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist davon auszugehen, dass ein GdS von 40 für die Hirnschädigung, der nach Auffassung des Senats allenfalls gerade eben erreicht wird, unter weiterer Berücksichtigung des mit einem Einzel-GdS von 15 zu bewertenden Verlusts des Riechvermögens nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führt, die die Bewertung mit einem Gesamt-GdS von 50 rechtfertigen würde. Daher geht der Senat von einem Gesamt-GdS von 40 für die Zeit seit dem 1. Dezember 2006 aus.
In der Zeit seit der Schädigung im August 1999 und bis zum 30. November 2006 bestand bei dem Kläger neben den o.g. Gesundheitsstörungen (aufgehobenes Riechvermögen, Hirnleistungsminderung) ein posttraumatisches cerebrales Anfallsleiden, das ursächlich auf die Gewalttat vom 26. Au¬gust 1999 zurückzuführen ist. Zu einem ersten generalisierten epileptischen Anfall ist es bei dem Kläger am 8. August 2000 gekommen. Einen weiteren generalisierten Anfall hat der Kläger im November 2003 erlitten. Aufgrund der überzeugenden Darlegungen des Dr. Kc in der mündlichen Verhandlung am 9. September 2008 geht der Senat davon aus, dass auch dieser zweite Anfall ursächlich auf die Gewalttat vom 26. Au¬gust 1999 zurückzuführen ist. Zwar hat der Kläger in der Zeit nach der Gewalttat in erheblichem Maße Alkohol konsumiert, sodass ein Entzugskrampf nicht ganz auszuschließen ist. Sehr viel wahrscheinlicher ist nach den überzeugenden Darlegungen des Dr. Kc jedoch, dass der im November 2003 erlittene generalisierte Krampfanfall ursächlich auf die Gewalttat vom 26. August 1999 zurückzuführen ist. Dafür spricht insbesondere, dass Anfälle infolge eines Alkoholmissbrauchs regelmäßig erst ein Spätsymptom nach einem längeren übermäßigen Alkoholkonsum darstellen. Zu Entzugskrämpfen kommt es danach regelmäßig im Zusammenhang mit anderen durch den langjährigen Alkoholmissbrauch bedingten gesundheitlichen Störungen, die bei dem Kläger jedoch nicht festzustellen sind.
Danach ist beim Kläger vom Vorliegen sehr seltener großer epileptischer Anfälle auszugehen, die nach den AHP 2008 (und damit übereinstimmenden Formulierungen in vorangegangenen Fassungen der AHP) mit einem Einzel-GdS von 40 zu bewerten sind. Da ein Anfallsleiden erst als abgeklungen gilt, wenn ohne Medikation drei Jahre Anfallsfreiheit besteht, ist das bei dem Kläger bestehende Anfallsleiden bis einschließlich November 2006 mit einem GdS von 40 zu bewerten. Eine antikonvulsive Behandlung ist – wie der Kläger auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat nach dem Krampfanfall im November 2003 nicht durchgeführt worden, sodass sich der in den AHP vorgesehene Zeitraum von drei Jahren nicht verlängert. Unter weiterer Berücksichtigung der mit einem GdS von 30 bis 40 zu bewertenden Hirnleistungsminderung und dem mit einem GdS von 15 zu bewertenden Verlust des Riechvermögens ist der Gesamt-GdS nach Auffassung des Senats in Übereinstimmung mit den Gutachten des Dr. Kc für die Zeit vom 1. August 1999 bis zum 30. November 2006 mit 60 zu bewerten.
Auch bezogen auf die Bezeichnung der Schädigungsfolgen folgt der Senat dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Kc und dessen ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung.
Die Voraussetzungen dafür, dass der GdS aufgrund einer besonderen beruflichen Betroffenheit des Klägers höher zu bewerten wäre, liegen nach Auffassung des Senats nicht vor. Gemäß § 30 Abs. 2 BVG ist der GdS höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist besonders der Fall, wenn
a) auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, b) zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder c) die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
Der Kläger hat vor der Schädigung keine Berufsausbildung abgeschlossen und im Baubereich, insbesondere als Malerhelfer gearbeitet, soweit er nicht ohne Beschäftigung war. Eine im August 2000 begonnene Umschulung zum Dachdecker musste er nach einer Woche aufgrund des aufgetretenen ersten großen epileptischen Anfalls abbrechen. Zwar ist unter Berücksichtigung des von dem beklagten Land beigezogenen arbeitsamtsärztlichen Gutachtens der Dr. Ba vom 28. März 2001 davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls in der Zeit, in der das Anfallsleiden vorlag, weder als Malerhelfer noch als Dachdecker arbeiten konnte. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch die Unfähigkeit, weiter als Malerhelfer zu arbeiten, wirtschaftliche Einbußen in Gestalt eines Minderverdienstes erlitten hat. Insbesondere ist davon auszugehen, dass der Kläger gesundheitlich noch in der Lage ist, durch vollschichtigen Einsatz seiner Arbeitskraft weiterhin das gleiche Einkommen wie zuvor als Malerhelfer zu erzielen. Von einem solchen vollschichtigen Leistungsvermögen geht auch das o. g. arbeitsamtsärztliche Gutachten aus. Nach den beigezogenen Unterlagen des Arbeitsamtes ist davon auszugehen, dass der Kläger auch schon vor dem schädigenden Ereignis immer wieder für längere Zeiten arbeitslos war. Das einzige Beschäftigungsverhältnis des Klägers, das mehr als ein Jahr angedauert hat, hat danach in der Zeit von September 1991 bis Dezember 1993 bestanden. Vor diesem Hintergrund kann ein Minderverdienst in Ge¬stalt erheblicher finanzieller Einbußen, die als sozialer Abstieg zu bewerten wären und zur Erhöhung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit führen könnten, nicht ermittelt werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass ein vor der Schädigung nachweisbar angestrebter Beruf schädigungsbedingt nicht erreicht wurde. Auf Befragen in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass er den Beruf des Dachdeckers erst nach der Schädigung im Rahmen der beruflichen Neuorientierung angestrebt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 SGG liegen nicht vor.
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