L 4 R 67/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 RA 967/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 67/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Oktober 2004 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander für beide Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, inwieweit die Beklagte bei der Berechung der Altersrente des Klägers auch die über der Beitragsbemessungsgrenze der DDR liegenden Arbeitsentgelte aus seiner Beschäftigung bei der Deutschen Reichsbahn (DR) berücksichtigen muss.

Der 1936 geborene Kläger war vom 1. April 1964 bis zum 30. Juni 1990 und darüber hinaus bei der DR beschäftigt. Im Dezember 1973 erzielte er ein Einkommen von 1.400 Mark monatlich. In der Folgezeit überstieg sein monatliches Einkommen durchgehend den Betrag von 600 Mark.

Der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) trat der Kläger nicht bei. Mit Schreiben vom 5. Juni 1974 teilte die DR ihm mit, dass die Berechnung seiner Alters- bzw. Invalidenversorgung deshalb nur auf Grundlage des § 2 der Versorgungsordnung der DR bzw., wenn dies günstiger sei, auf Grundlage der Ziffer 3 des 32. Nachtrages zum Rahmenkollektivvertrag für Beschäftigte der DR vom 7. November 1973 vorgenommen werde. Zugrunde gelegt werde für die Berechnung ein in der Zeit vom 1. Januar 1969 bis 31. Dezember 1973 erzielter Tariflohn von 1.400 Mark.

Mit Rentenbescheid vom 18. Juni 1996 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1. Juli 1996. Für die Rentenberechnung legte sie dabei für die Zeit ab dem 1. März 1971 – also ab Einführung der FZR - lediglich ein Arbeitsentgelt bis höchstens 600 Mark monatlich zugrunde.

Auf den Widerspruch des Klägers berücksichtigte die Beklagte mit Rentenbescheid vom 11. April 2002 für die Zeit vom 1. März 1971 bis zum 31. Dezember 1973 die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2003 wies sie den darüber hinaus gehenden Widerspruch als unbegründet zurück. Für die Zeit ab dem 1. Januar 1974 könnten die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte nicht berücksichtigt werden. Gemäß § 256 a Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) in der Fassung des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2001 (2. AAÜG-ÄndG) sei hierfür Voraussetzung, dass am 1. Januar 1974 ein Beschäftigungsverhältnis bei der DR bereits 10 Jahre ununterbrochen bestanden habe. Diese Voraussetzung erfülle der Kläger nicht. Soweit der Kläger zudem die Berücksichtigung eines Steigerungssatzes von 1,5 % begehre, seien entsprechende Ansprüche aufgrund der Regelungen des Einigungsvertrages entfallen.

Mit seiner am 26. Februar 2003 bei dem Sozialgericht Berlin eingereichten Klage hat der Kläger weiterhin geltend gemacht, dass auch das über 600 Mark liegende Monatseinkommen bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sei. § 256 a Abs. 2 SGB VI berücksichtige wie auch das vom Bundesgesetzgeber in Bezug genommene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. November 1998 – B 4 RA 33/98 R – nicht, dass es nach der Versorgungsordnung der DR für die begehrte vorteilhafte Altersversorgung ausgereicht habe, wenn eine ununterbrochene 10jährige Dienstzeit bei Eintritt des Versorgungsfalles vorgelegen habe. Auf die Dienstzeit am 1. Januar 1974 dürfe es daher nicht ankommen. Daneben sei bei der Berechnung der besondere Steigerungssatz von 1,5 % zu berücksichtigen.

Mit Urteil vom 8. Oktober 2004, der Beklagten zugestellt am 21. Dezember 2004, hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid vom 18. Juni 1996 in der Fassung des Bescheides vom 11. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2003 geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine höhere Rente zu gewähren und dabei für Beitragszeiten vom 1. Januar 1974 bis zum 30. Juni 1990 die tatsächlich erzielten Entgelte, höchstens jedoch 1.250 Mark monatlich, zu berücksichtigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Kläger nach dem Wortlaut des § 256 a Abs. 2 SGB VI eigentlich keinen Anspruch auf Berücksichtigung höherer Arbeitsentgelte habe, da er am 1. Januar 1974 noch keine 10jährige ununterbrochene Dienstzeit bei der DR zurückgelegt habe. In Anwendung von Art. 3 Grundgesetz (GG), wonach wesentlich Gleiches nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden dürfe, sei § 256 a Abs. 2 SGB VI jedoch dahingehend auszulegen, dass auch in seinem Fall Entgelte bis zu einem Betrag von 1.250 Mark monatlich zu berücksichtigen seien. § 256 a Abs. 2 SGB VI sei als Reaktion des Gesetzgebers auf das Urteil des BSG vom 10. November 1998 – B 4 RA 333/98 R – durch das 2. AAÜG-ÄndG eingeführt worden. Das BSG habe in besagtem Urteil entschieden, dass ein für die Rentenberechnung erheblicher Verdienst auch vorliege, soweit in der DDR Arbeitsentgelt in der Zeit ab März 1971 ohne Zahlung von Beiträgen zur FZR rentenwirksam bzw. versichert gewesen sei. Das BSG sei bezüglich der Eisenbahnerversorgung davon ausgegangen, dass mit der EisenbahnerVO vom 28. März 1973, welche die Altersversorgung eigentlich danach differenziert habe, ob ein Beitritt zur FZR erfolgt sei oder nicht, zugleich eine begünstigende Regelung für Altfälle eingeführt worden sei. Habe bereits vor dem 1. Januar 1974 ein Arbeitsverhältnis zur DR bestanden und seien die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung erfüllt gewesen und habe der Beschäftigte eine mindestens 10jährige ununterbrochene Dienstzeit bei der DR vor dem 1. Januar 1974 nachweisen können, so habe ein Anspruch auf die so genannte "Alte Versorgung" bestanden, das heißt auf eine Altersversorgung auf der Grundlage des Tariflohns des Monates Dezember 1973 unabhängig von der Beitragszahlung zur FZR. Dieses Arbeitsentgelt sei mithin rentenwirksam versichert gewesen. Das BSG habe in diesem Zusammenhang auf die Ähnlichkeit der Eisenbahner mit den Angehörigen der Zusatzversorgungssysteme hingewiesen, bei denen ebenfalls ein höherer Verdienst als 600 Mark monatlich bei der Rentenberechnung berücksichtigt werde, ohne dass entsprechende Beiträge entrichtet worden seien. Der Gesetzgeber sei – so das Sozialgericht – bei der Neufassung von § 256 a SGB VI dieser Bewertung des BSG gefolgt und davon ausgegangen, dass in der DDR hinsichtlich der "Alten Versorgung" Vertrauensschutz nur in den Fällen gewährt worden sei, in denen bereits vor dem 1. Januar 1974 ein langjähriges Beschäftigungsverhältnis bei der DR bestanden habe. Diese Annahme trage indes den Gegebenheiten der DDR nur unvollständig Rechnung. Während § 9 der Versorgungsordnung der DR vom 28. März 1973 Günstigkeitsberechnungen für Altfälle nur dann vorgesehen habe, wenn die Beschäftigten zum 1. Januar 1974 eine 10jährige Dienstzeit aufzuweisen hatten, habe mit Ziffer 3 des 32. Nachtrages zum Rahmenkollektivvertrag der DR (RKV) auch eine Übergangsvorschrift bestanden, für die die Erfüllung einer 10jähren Dienstzeit bereits zum 1. Januar 1974 nicht erforderlich gewesen sei. Die Rechtsstellung eines nach dem 32. Nachtrag zum RKV Begünstigten sei nicht wesentlich anders zu bewerten als die eines nach § 9 der Versorgungsordnung Begünstigten. Es gebe keine Hinweise, dass der Bundesgesetzgeber die nach dem Nachtrag zum RKV Begünstigten bei Erlass des 2. AAÜG-ÄndG habe ausschließen wollen. Vielmehr sei vom Vorliegen einer Regelungslücke auszugehen. Diese sei in Anwendung von Art. 3 GG dahingehend zu schließen, dass auch bei den Personen Entgelt über 600 Mark als versichert anzusehen sei, die ohne 10jährige Dienstzeit vor dem 1. Januar 1974 eine Anwartschaft auf eine "Alte Versorgung" erworben hätten. Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 256 a SGB VI seien allerdings höchstens weitere 650 Mark berücksichtigungsfähig. Für die vom Kläger ebenfalls begehrte Berücksichtigung eines Steigerungssatzes von 1,5% gebe es indes keine Rechtsgrundlage.

Am 14. Januar 2005 hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für rechtswidrig. Der Kläger habe unstreitig die in § 256 a SGB VI genannte Voraussetzung einer ununterbrochenen 10jährigen Beschäftigung bei der DR zum 1. Januar 1974 nicht erfüllt. Selbst die Voraussetzungen der Versorgungsordnung der DR, nämlich eine Zugehörigkeit zur DR bei Eintritt des Versorgungsfalles habe der Kläger nicht erfüllt. Die Übernahme der Versorgungsordnung habe im Übrigen ohnehin bereits der Einigungsvertrag ausgeschlossen. Der Gesetzgeber sei daher nicht verpflichtet gewesen, Ansprüche aus der Eisenbahnerversorgung in das SGB VI zu überführen. Er habe zulässigerweise als Abgrenzungspunkt lediglich den Stichtag des Wechsels der alten Versorgungsordnung zur neuen Eisenbahnerverordnung eingeführt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Oktober 2004 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Aus Erwägungen des Vertrauensschutzes, des Gleichheitsgrundsatzes und des Eigentumsschutzes sei vorliegend eine verfassungskonforme Auslegung von § 256 a Abs. 2 SGB VI geboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht Berlin der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Berücksichtigung von Arbeitsentgelten oberhalb von 600 Mark monatlich verurteilt. Die Klage ist vollumfänglich unbegründet und daher abzuweisen.

Rechtsgrundlage für die Ermittlung von Entgeltpunkten für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet ist § 256 a SGB VI in der Fassung des 2. AAÜG-ÄndG (vorliegend gemäß Art. 13 Abs. 12 2. AAÜG-ÄndG bereits zum 1. Januar 1992 in Kraft getreten, da der angefochtene Rentenbescheid am 10. November 1998 noch nicht bindend gewesen ist). § 256 a SGB VI lautet, soweit für den vorliegenden Fall erheblich, wie folgt:

(1) Für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 8. Mai 1945 werden Entgeltpunkte ermittelt, indem der mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigte Verdienst (Beitragsbemessungsgrundlage) durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und für das davorliegende Kalenderjahr ist der Verdienst mit dem Wert der Anlage 10 zu vervielfältigen, der für diese Kalenderjahre vorläufig bestimmt ist.

(2) Als Verdienst zählen der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst und die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die jeweils Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, sowie der Verdienst, für den Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung oder freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 oder danach bis zum 31. März 1999 zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 279b) gezahlt worden sind. Für Zeiten der Beschäftigung bei der Deutschen Reichsbahn oder bei der Deutschen Post vor dem 1. Januar 1974 gelten für den oberhalb der im Beitrittsgebiet geltenden Beitragsbemessungsgrenzen nachgewiesenen Arbeitsverdienst Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung als gezahlt. Für Zeiten der Beschäftigung bei der Deutschen Reichsbahn oder bei der Deutschen Post vom 1. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 gelten für den oberhalb der im Beitrittsgebiet geltenden Beitragsbemessungsgrenzen nachgewiesenen Arbeitsverdienst, höchstens bis zu 650 Mark monatlich, Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung als gezahlt, wenn ein Beschäftigungsverhältnis bei der Deutschen Reichsbahn oder bei der Deutschen Post am 1. Januar 1974 bereits zehn Jahre ununterbrochen bestanden hat.

Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift hat der Kläger, wie auch das Sozialgericht dargelegt hat, keinen Anspruch auf Berücksichtigung des nach dem 1. Januar 1974 tatsächlich erzielten Arbeitsentgeltes. Für den oberhalb der im Beitragsgebiet geltenden Beitragsbemessungsgrenze liegenden Teil seines Arbeitsentgelts hat er weder Pflichtbeiträge noch Beiträge zur FZR entrichtet. Beiträge zur FZR gelten nach dem Wortlaut der Vorschrift auch nicht als gezahlt, da sein Beschäftigungsverhältnis bei der Deutschen Reichsbahn am 1. Januar 1974 nicht bereits 10 Jahre ununterbrochen bestanden hat.

Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift entgegen deren eindeutigem Wortlaut hält der Senat auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben nicht für geboten. Es ist nicht ersichtlich, dass eine unbeabsichtigte, rechtswidrige Regelungslücke vorliegt. Vielmehr ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit seiner Stichtagsregelung an das Inkrafttreten der Eisenbahner-Verordnung vom 28. März 1973 angeknüpft und der Zusage einer "Alten Versorgung" nur in den Fällen Rechnung getragen hat, in denen bereits am 1. Januar 1974 ein ununterbrochenes 10jähriges Dienstverhältnis bei der Deutschen Reichsbahn bestanden hat.

Anlass für die Neufassung des § 256 a SGB VI durch das 2. AAÜG-ÄndG hatte eine Entscheidung des BSG vom 10. November 1998 (B 4 RA 33/98 R) gegeben, in der das Gericht zu dem Ergebnis gekommen war, dass bei dem Kläger auch ohne Beitritt zur FZR und ohne Zahlung von Höchstbeiträgen sein über der Beitragsbemessungsgrenze der Sozialpflichtversicherung liegender Verdienst bis zur Höhe seines Lohnes für den Monat Dezember 1973 in einem der Sozialpflichtversicherung und der FZR zuzurechnenden System rentenwirksam ("versichert") gewesen war. Dies ergab sich nach Auffassung des BSG aus den die Eisenbahnerversorgung der DR betreffenden Gegebenheiten der DDR, die es wie folgt darstellte (Rnr. 12 f., zitiert nach juris):

"Die Eisenbahnerversorgung sicherte zunächst allen am 1. Januar 1956 und nach diesem Zeitpunkt bei der DR Beschäftigten eine Altersversorgung zu, wenn sie die Altersgrenze (bei Männern das 65., bei Frauen das 60. Lebensjahr) erreicht und die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt hatten und sie eine ununterbrochene Beschäftigung von zehn Jahren bei der DR nachweisen konnten (§ 12 EisenbahnerVO vom 18. Oktober 1956, § 2 Abs 1 der Eisenbahnerversorgung-EinführungsAO vom 9. Februar 1956). Die Altersversorgung betrug bei einer zehnjährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit 20 vH des durchschnittlichen Monatsgrundlohns der letzten fünf Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalles und erhöhte sich für jedes weitere Beschäftigungsjahr um 2 vH bis zu einer 25jährigen Beschäftigungszeit und jedes weitere Jahr um 1 vH bis zu einem Höchstsatz von 70 vH des Monatsgrundlohns, höchstens jedoch 800,00 Mark monatlich (vgl § 2 Abs 3 und 10 Eisenbahnerversorgung-EinführungsAO). Als mit Wirkung vom 1. März 1971 die FZR eingeführt wurde, fand zunächst keine Änderung in der Versorgung der Eisenbahner statt (vgl § 13 Abs 2 FZR-VO 1971). Dies war erst aufgrund der - neuen - am 1. Januar 1974 in Kraft getretenen EisenbahnerVO vom 28. März 1973 (GBl DDR I 1973 Nr 25 S 217) der Fall. Diese differenzierte bei der Ausgestaltung der Altersversorgung ua danach, ob ein Beitritt zur FZR erfolgte oder ob dies nicht der Fall war. Fand - wie vorliegend - kein Beitritt des bei der DR Beschäftigten zur FZR statt, erhielt er nach mindestens zehnjähriger ununterbrochener Dienstzeit bei der DR und Erfüllung der Voraussetzungen für eine Rente aus der Sozialpflichtversicherung bei ab 1. Januar 1974 entstandenen Ansprüchen über den Wert der nach den Vorschriften der Sozialpflichtversicherung berechneten Rente hinaus für jedes Jahr ununterbrochener Dienstzeit bei der DR einen Steigerungsbetrag von 1,5 vH des beitragspflichtigen Durchschnittsverdienstes der letzten 20 Kalenderjahre vor Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit; dieser Steigerungsbetrag wirkte wie ein Faktor von 1,5 (vgl § 11 EisenbahnerVO 1973 iVm § 2 der Versorgungsordnung der DR (DRVersO)). Für Altfälle war eine Günstigkeitsberechnung vorgesehen, sofern bei Eintritt des Versorgungsfalles noch ein bereits vor dem 1. Januar 1974 begründetes Arbeitsverhältnis zur DR bestand, die Voraussetzungen für den Bezug einer ua Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung erfüllt waren und der Beschäftigte eine mindestens zehnjährige ununterbrochene Dienstzeit bei der DR vor dem 1. Januar 1974 nachweisen konnte; an Altersversorgung (sog "Alte Versorgung") wurden in diesem Fall gewährt: 20 vH des in der Zeit vom 1. Januar 1969 bis 31. Dezember 1973 erzielten durchschnittlichen Tariflohns oder - wenn dies günstiger war - 20 vH des im Monat Dezember 1973 erzielten Tariflohns, zuzüglich 2 vH des jeweiligen Betrages für jedes weitere Jahr bis zu einer 25jährigen ununterbrochenen Dienstzeit und weiteren 1 vH für jedes weitere Jahr bis zu einem Höchstsatz von 70 vH, höchstens jedoch 800,00 Mark (ohne Zuschläge; vgl Nr 3 des 32. Nachtrags zum Rahmenkollektivvertrag für Beschäftigte der DR, registriert unter Nr 102/73)."

Bezugnehmend auf diese Entscheidung hielt der Bundesgesetzgeber "rechtliche Klarstellungen" für geboten. In der Gesetzesbegründung zum diesbezüglichen 2. AAÜG-ÄndG heißt es hierzu:

"Auch für Beschäftigungszeiten bei der Deutschen Reichsbahn und bei der Deutschen Post soll bei der Rentenberechnung grundsätzlich nur der erzielte Arbeitsverdienst, für den tatsächlich Beiträge gezahlt worden sind, in die Ermittlung der Entgeltpunkte eingehen. Das Bundessozialgericht verweist in seinen Entscheidungen jedoch auf eine Ähnlichkeit der "Alten Versorgungen" der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post mit den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, insoweit die Rente in Bestand und Wert nicht von den Beiträgen zur FZR abhängig war. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts war die "Alte Versorgung" ab 1. Januar 1974 als Teil der Anwartschaft auf eine Sozialversicherungsrente ausgestaltet. Dieser rechtlichen Bewertung folgend bestimmt das Gesetz, dass bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für die Rentenberechnung für Beschäftigungszeiten in diesen beiden Bereichen vom 1. März 1971 bis 31. Dezember 1973 generell das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Beachtung der Beitragszahlung zur FZR der ehemaligen DDR angerechnet werden soll. Für Versicherte, die am 31. Dezember 1973 bereits 10 Jahre ununterbrochen bei der Deutschen Reichsbahn oder bei der Deutschen Post beschäftigt gewesen sind, soll im Zeitraum vom 1. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 bei der Rentenberechnung ein Arbeitsverdienst bis zu 1.250 Deutsche Mark monatlich ohne Beachtung der Beitragszahlung zur FZR anrechnungsfähig sein." (Bundestagsdrucksache 14/5640, S. 13 f.)."

Der Gesetzgeber hat mithin bewusst an die "rechtliche Bewertung" des BSG – wie sie im zitierten Urteil entwickelt worden ist – angeknüpft. Es ist nicht ersichtlich, dass er über die vom BSG ausdrücklich genannten Fälle hinaus entgegen dem von ihm aufgestellten Grundsatz, dass nur der tatsächlich versicherte Verdienst rentenrechtliche Bedeutung hat, die Fiktion von Beitragszahlungen zur FZR zulassen wollte.

Der Gesetzgeber war hierzu auch nicht aus verfassungsrechtlicher Sicht verpflichtet.

In seinem Beschluss über die Nichtannahme einer im Anschluss an das oben zitierte BSG-Urteil eingelegten Verfassungsbeschwerde hat sich das Bundesverfassungsgericht sowohl mit der Frage auseinandergesetzt, ob § 256 a SGB VI in der Fassung des 2. AAÜG-ÄndG gegen Art. 14 GG verstößt, als auch eine Verletzung von Art. 3 GG geprüft. Es hat klargestellt, dass sich aus der Versorgungsordnung der DR selbst keine Ansprüche mehr ableiten lassen und deswegen auch kein eigentumsrechtlich geschütztes Gut vorliegt. Des Weiteren hat es betont, dass dem Bundesgesetzgeber ein breiter Rahmen zur Ausgestaltung rentenrechtlicher Positionen aus der DDR zusteht (Beschluss vom 30. August 2005 – 1 BvR 616/99 BvR 1028/03, zitiert nach juris). Wörtlich heißt es:

"aa) Rentenansprüche und Rentenanwartschaften unterfallen demnach grundsätzlich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 53, 257 (289 f); 58, 81 (109); stRspr). Für rentenrechtliche Ansprüche und Anwartschaften, die in der Deutschen Demokratischen Republik begründet wurden, gilt dies mit der Maßgabe, dass Art. 14 Abs. 1 GG sie in der Form schützt, die sie aufgrund der Regelungen des Einigungsvertrags erhalten haben (vgl. BVerfGE 100, 1 (33 f.)).

bb) Im Einigungsvertrag ist in Bezug auf die Eisenbahnerversorgung der Deutschen Demokratischen Republik angeordnet, dass §§ 11 bis 15 der EisenbahnerVO 1973 und die auf ihrer Grundlage ergangenen Versorgungsordnung nur bis zum 31. Dezember 1991 anzuwenden sind (Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 2 Buchstabe a). Gegenstand dieser Vorschriften sind die hier in Frage stehenden Rentenanwartschaften und Rentenansprüche von DR-Angehörigen sowohl aus der "Alten Versorgung" (§ 13 EisenbahnerVO 1973) als auch aus der 1973 neu geregelten Versorgung mit dem besonderen Steigerungsbetrag 1,5 (§ 11 Abs. 3 Satz 1 EisenbahnerVO 1973). Dies entspricht der Regelung in Art. 9 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 6 Buchstabe a EV für die berufsbezogene Zuwendung (BBZ) an Balletttänzer der Deutschen Demokratischen Republik. Auch hier hatte der Einigungsvertragsgesetzgeber die Beendigung der Leistung zum 31. Dezember 1991 verfügt. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Eigentumsverletzung der Betroffenen durch diese Regelung und die auf dieser Regelung beruhenden Gerichtsentscheidungen verneint (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2002, SozR 3-8120 Kap. VIII H III Nr. 6 Nr. 3 SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 6 Nr 3).

Im vorliegenden Fall gilt nichts anderes. Auch hier wurden die in Frage stehenden Anwartschaften im Einigungsvertrag nicht als Rechtspositionen der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannt; ihre Überführung in das SGB VI wurde ausgeschlossen. Insofern ist die rechtliche Situation nicht mit der Überführung der Rechte aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen vergleichbar, für die in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 EV ein differenziert ausgestaltetes Überführungsprogramm mit bestimmten Garantien vorgesehen ist. Die Versorgung der Angehörigen der Deutschen Reichsbahn war - wie das Bundessozialgericht in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise festgestellt hat (vgl. BSGE 78, 41; stRspr) - dem System der allgemeinen Sozialpflichtversicherung zugeordnet; es ist nach dem hier maßgeblichen Bundesrecht nicht als Zusatzversorgung im Sinne des Anspruchs- und Anwartschaftsübertragungsgesetzes zu qualifizieren.

cc) Aber auch wenn man die Anwartschaften und Ansprüche aus der "Alten Versorgung" der Angehörigen der Reichsbahn dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zuordnet, bewegen sich die hier maßgeblichen Vorschriften des § 256 a Abs. 2 SGB VI n.F. über die Berücksichtigung der "Alten Versorgung" innerhalb des Rahmens, den das Grundgesetz in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 für die Aus- und Umgestaltung rentenrechtlicher Positionen aus der Deutschen Demokratischen Republik setzt (vgl. dazu BVerfGE 100, 1 (37 f.); BVerfG, NJW 2005, S. 2213 (2214)). Die in Frage stehenden Regelungen dienen einem Gemeinwohlzweck und genügen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

(1) Der gesamtdeutsche Gesetzgeber verfolgte nach der Herstellung der Deutschen Einheit ein Ziel des Gemeinwohls, als er das System der gesetzlichen Rentenversicherung in einem einheitlichen Rechtsrahmen zusammenführte. Er durfte auch seinen Vorstellungen über das künftige einheitliche Rentenrecht ein Konzept zugrunde legen, das in der Gestalt des Rentenreformgesetzes bereits seit 1989 vorlag. Er war verfassungsrechtlich nicht gehalten, strukturelle Besonderheiten des Sozialversicherungssystems der Deutschen Demokratischen Republik im gesamtdeutschen Rentenrecht zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, NJW 2005, S. 2213 (2214))."

Bezüglich der Verletzung von Art. 3 GG hat das Bundesverfassungsgericht in Prüfung des § 256 a SGB VI in der Fassung des 2. AAÜG-ÄndG Folgendes ausgeführt:

"b) aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit zwar nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 107, 205 (213 f.); stRspr). Ist eine Regelung, die Bestandteil der gesetzlichen Überleitung von Renten aus einem System der Rentenversicherung in ein anderes System ist, am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu prüfen, so genügt es dessen Anforderungen, wenn der Überleitung ein sachgerechtes Konzept zugrunde liegt und sich die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Regelung in dieses Konzept einfügt. Dies gilt in ganz besonderer Weise, wenn der Systemwechsel durch die einzigartige Aufgabe der juristischen Bewältigung der Wiederherstellung der Deutschen Einheit veranlasst gewesen ist (vgl. BVerfG, NJW 2005, S. 2213 (2215)).

bb) Diesen Anforderungen genügt die gesetzliche Regelung."

Diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit von § 256 a SGB VI hat der Senat nichts hinzuzufügen. Sie überzeugen umso mehr, wenn man bedenkt, dass von einem zu schützenden Vertrauen des Klägers in eine "Alte Versorgung" schon deswegen nicht ausgegangen werden kann, da er – anders als von der einschlägigen Versorgungsordnung vorgesehen – bei Eintritt des Versorgungsfalles gar nicht mehr Beschäftigter der Eisenbahn war, sondern arbeitslos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz und entspricht dem Ausgang des Berufungsverfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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