L 15 B 475/08 BL

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 BL 16/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 B 475/08 BL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 23. April 2008 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 21. August 2008 - S 10 BL 16/02 - wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
In der Blindengeldangelegenheit des Klägers und hiesigen Beschwerdeführers hat das Sozialgericht Bayreuth mit Beweisanordnung vom 16.10.2002 Dr. S.T. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat mit augenärztlichem Gutachten vom 03.12.2002 das Vorliegen einer Blindheit im Sinne des BayBlindG verneint. Der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Prof. Dr. B. ist mit augenärztlichem Gutachten vom 14.07.2003 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger blindengeldberechtigt sei. Hierbei hat sich Prof. Dr. B. auch auf den Bericht von Prof. Dr. Sch. vom 21.06.2001 gestützt.
Das Sozialgericht Bayreuth hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.03.2004 abgewiesen und ist hierbei im Wesentlichen den gutachterlichen Ausführungen von Dr. S.T. mit Gutachten vom 03.12.2002 gefolgt. Das Sozialgericht Bayreuth hat sich hierbei aus rechtlicher Sicht von der Überlegung leiten lassen, dass eine sogenannte "visuelle Agnosie" nicht als Blindheit anerkannt werden könne. Dies schließe jedoch nicht aus, dass bei einem kombiniertem Krankheitsbild die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 BayBlindG gleichwohl erfüllt sein könnten, wenn der Betroffene in Folge des Zusammenwirkens der verschiedenen Störungen des Sehvermögens (etwa durch eine Optikusschädigung) mit visuellen Verarbeitungsstörungen (als Teilursache) derart gravierend beeinträchtigt sei, dass die Störung des Sehvermögens insgesamt in ihrem Schweregrad einer Sehschärfenbeeinträchtigung im Sinne der Nr. 1 gleich zu achten seien. Das Bundessozialgericht (BSG) habe aber in dem von ihm entschiedenen Verfahren die Sache zurückverwiesen, weil "unklar geblieben" sei, ob und in wie weit der damalige Kläger im "Erkennen-Können" oder im "Benennen-Können" beeinträchtigt gewesen sei.
Das sich anschließende Berufungsverfahren L 15 BL 6/04 ist mit Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) vom 23.07.2004 zum Ruhen gebracht worden, um das Ergebnis des am Bundessozialgericht anhängigen Revisionsverfahrens abzuwarten. Zwischenzeitlich hat das BSG mit Urteil vom 20.07.2005 - B 9a BL 1/05 R - entschieden, dass als blind auch gilt, wer aufgrund schwerer Hirnschädigung visuell nichts wahrnimmt, sofern andere Sinnesmodalitäten wenigstens teilweise noch erhalten sind.
In Berücksichtigung der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung hat das BayLSG mit Beschluss vom 20.09.2006 Prof. Dr. St. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG zum weiteren ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat mit Gutachten vom 14.12.2006 ausgeführt, dass eine Bestimmung der Sehschärfe hier nicht möglich gewesen sei. Es bestehe aber eine nicht nur vorübergehende Störung des Sehvermögens, die hochgradig sei, und deren Schweregrad eine Einschränkung der Sehschärfe von 1/50 oder weniger auf dem besseren Auge gleich zu achten sei. Die Störung des Sehvermögens sei spezifisch, da ein Leistungsunterschied zu anderen teilweise noch vorhandenen Sinneswahrnehmungen und geistigen Leistungen bestehe. Die Sehschädigung bestehe in diesem Ausmaß seit mindestens 04.01.2001.
Dementsprechend hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2008 ein Anerkenntnis dahingehend abgegeben, dass der Kläger Anspruch auf Blindengeld nach dem BayBlindG ab 01.05.2001 unter Berücksichtigung der anzurechnenden Leistungen (Pflegeleistungen) habe.
Das Sozialgericht Bayreuth hat es mit Beschluss vom 21.04.2008 - S 10 BL 16/02 - abgelehnt, die Kosten für das von Prof. Dr. B. gemäß § 109 SGG erstellte Gutachten vom 14.07.2003 auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten von Prof. Dr. B. habe keine neuen, schon gar keine neuen entscheidungserheblichen Befunde aufgezeigt, die nicht schon in den von Amts wegen eingeholten Befunden und versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Beklagten berücksichtigt worden wären. Auch sei das Anerkenntnis des Beklagten entgegen den Ausführungen des Antragstellers (und hiesigen Beschwerdeführers) gerade nicht aufgrund der Beurteilung des Prof. Dr. B. erfolgt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 23.04.2008 ging am 25.04.2008 beim Sozialgericht Bayreuth ein, welches der Beschwerde nicht abhalf.
Die Bevollmächtigten des Beschwerdeführers hoben mit Beschwerdebegründung vom 20.05.2008 hervor, dass die Abgabe des Anerkenntnisses des Beklagten "insbesondere" auch auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. St. erfolgt sei. Dies heiße jedoch nicht, dass das Gutachten des Prof. Dr. B. vom 14.07.2003 völlig außer Acht gelassen werden könne. Vielmehr habe dieses Gutachten einen ebenso großen Anteil an dem von dem Beklagten abgegebenen Anerkenntnis gehabt, da dieses Gutachten ebenfalls mitursächlich für das von dem Beklagten abgegebene Anerkenntnis gewesen sei. Auf das Wort "insbesondere" im Protokoll des Bayer. Landessozialgerichts vom 19.02.2008 werde hingewiesen. Der Gutachter Prof. Dr. B. habe sich ebenfalls, genauso wie die nachfolgenden Gutachter, ausführlich mit der spezifischen Einschränkung des Sehsinnes des Klägers beschäftigt und nicht unwesentlichen Anteil aufgrund seines Gutachtens an dem zuletzt von dem Beklagten abgegebenen Anerkenntnis gehabt.

II.
Auf Antrag eines Behinderten muss ein bestimmter Arzt gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG gutachtlich gehört werden. Die Anhörung ist hier erstinstanzlich davon abhängig gemacht worden, dass der Antragsteller (und hiesige Beschwerdeführer) die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Im Rahmen der Ermessensentscheidung über eine Kostenübernahme auf die Staatskasse ist vor allem zu berücksichtigen, ob das Gutachten die Sachverhaltsaufklärung wesentlich gefördert hat (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., Rz. 16a zu § 109 SGG m.w.N.).
Hiervon ausgehend ist der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.04.2008 - S 10 BL 16/02 - die Kosten für das von Prof. Dr. B. gemäß § 109 SGG erstellte Gutachten vom 14.07.2003 nicht auf die Staatskasse zu übernehmen, zutreffend. Denn bereits vom Zeitablauf her haben die erstinstanzlich gehörten Gutachter Dr. S.T. und Prof. Dr. B. und damit auch das Sozialgericht Bayreuth mit Gerichtsbescheid vom 01.03.2004 nicht die Gesichtspunkte beachten können, die das BSG mit seiner erweiternden Rechtsprechung des Blindengeldbegriffs vor allem mit Urteil vom 20.07.2005 - B 9a BL 1/05 R - für entscheidungserheblich erachtet hat. Dementsprechend hat das BayLSG zweitinstanzlich nochmals Prof. Dr. H. M. St. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG gutachtlich gehört. Auf die umfassenden rechtlichen Hinweise in den Beweisfragen der Beweisanordnung vom 20.09.2006 wird Bezug genommen.
Wenn der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2008 darauf hingewiesen hat, dass der Senat auf der Grundlage "insbesondere" des Gutachtens des Prof. Dr. St. zu der Auffassung gelangt, dass bei dem Kläger eine spezifische Einschränkung des Sehsinnes vorliegt, während andere Sinneswahrnehmungen (Hörsinn und Tastsinn) noch wesentlich besser funktionieren und dass dieser Zustand ebenfalls seit Antragstellung so vorliegt, bedeutet dies nicht, dass dabei auch die Ausführungen des erstinstanzlich nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Prof. Dr. B. mit- ursächlich gewesen sind. Vielmehr sind die rechtlichen Ausführungen des BSG mit Urteil vom 20.07.2005 - B 9a BL 1/05 R - zum Tragen gekommen.
Nach alledem ist die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 23.04.2008 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.04.2008 - S 10 BL 16/02 - zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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