L 8 B 362/08 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 SO 44/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 B 362/08 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts A. vom 14. April 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsgegner (Ag) vorläufig zu verpflichten ist, dem Antragsteller (Ast) Pflegegeld über den 31.07.1999 hinaus zu zahlen.

Der 1970 geborene Ast ist schwerbehindert und wird durch seinen Bruder und seine Mutter als Betreuer gesetzlich vertreten. Der Ast ist in einer Werkstätte für Behinderte tätig und dort seit 1. Januar 2005 gesetzlich pflegeversichert. Bis zum 31.07.1999 bezog er Pflegegeld nach der Besitzstandsregelung des Art. 51 des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG), seit 1. Januar 2003 Leistungen des Grundsicherungsgesetzes bzw. gem. §§ 41 ff. SGB XII. Zuständig für die Zahlung des Pflegegelds nach Art. 51 PflegeVG war zuletzt der Ag, der die Leistung mit Bescheid vom 20.07.1999 ab 01.08.1999 wegen fehlender Mitwirkung einstellte. Den Antrag des Ast auf Weiterzahlung des Pflegegeldes lehnte der Ag mit Bescheid vom 11.07.2000 ab, da die Leistungsvoraussetzungen des
§ 69 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) a.F. nicht mehr vorliegen. Unter Berücksichtigung sämtlicher vorliegender Gutachten sei festzustellen, dass sich der Gesundheitszustand des Ast seit 1995 kontinuierlich verbessert und sich dadurch der Pflegeumfang verringert habe.

Die von dem Ag vertretene Auffassung wurde vom Bayerischen Verwaltungsgericht A. (VG) mit Urteil vom 14.11.2000 (Au 9 K 00.689) sowie dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof - VGH - (Urteil vom 11.07.2002, Az. 12 B 01.200) geteilt. Beide Gerichte kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Ast ab 01.08.1999 keinen Anspruch mehr auf die weitere Gewährung des Besitzstandspflegegeldes habe. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2003 über die Zurückweisung der Beschwerde des Ast gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sind die genannten Entscheidungen rechtskräftig geworden.

Mit Schreiben vom 6. März 2007 stellte der Betreuer des Ast einen "Nachholantrag auf Pflegegeld gemäß §§ 69 Abs. 1 SGB X und 68a BSHG ab 1.8.1999 bis aktuell und weiterhin" für den Ast. Ausgeführt ist, die Pflegegeldkasse berufe sich zu Unrecht auf eine erhebliche Besserung des Ast. Die Unterlagen des MDK könnten nicht als Grundlage herangezogen werden.

Mit Schreiben vom 19. März 2007 teilte die Ag dem Ast mit, es werde kein Anlass gesehen, eine Entscheidung zu treffen, ob dem Ast für die Zeit ab 01.08.1999 Pflegegeld zusteht. Auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2003 sowie des Verwaltungsgerichts A. vom 28. September 2004 wurde verwiesen.

Die Betreuer des Ast mahnten daraufhin mit Schreiben vom 20. März 2007 und 22. März 2007 eine Verbescheidung ihres Antrags vom 6. März 2007 an. Aus dem Schwerbehindertenausweis des Ast ergebe sich, dass der Ast seit August 1998 bis heute pflegebedürftig sei.

Am 04.03.2008 hat der Ast Klage zum VG erhoben, mit der er zugleich einen Antrag nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt hat. Es sei die Zahlung des Pflegegelds aufgrund Besitzstandwahrung widerrechtlich verweigert worden. Alle vorausgegangenen Urteile der Verwaltungsgerichte seien wegen Befangenheit aufzuheben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Der Ast beantragte:

1. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller als Schutzbefohlener des Staates ab
01.08.1999 bis aktuell das fehlende Pflegegeld bis aktuell und weiter zu bezahlen.
Hinzukommen seit dem 01.08.1999 noch 5 % Verzugszinsen.

2. Dem Antragsgegner wird auferlegt, dass er es in Zukunft unterlässt, das Datenschutz-
gesetz zu missbrauchen und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen falsche Behaup-
tungen aufstellt.

Am 19.03.2008 hat der Ag Stellung genommen und beantragt,

die Klage und den Antrag zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 01.04.2008 hat das VG den Rechtsstreit an das Sozialgericht A. (SG) zuständigkeitshalber verwiesen.

Am 09.04.2008 hat der Ag diverse Gerichtsentscheidungen in Kopie sowie den aktuellen Leistungsbescheid des Ast über die laufenden Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 30.01.2008 übersandt. Erneut wurde darauf hingewiesen, dass aktuelle Anträge zum Pflegegeld nicht vorliegend seien.

Mit Beschluss vom 14.04.2008 hat das SG den Antrag abgelehnt. Der Antrag sei bereits unzulässig, da ihm ein rechtliches Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung nicht zur Seite stehe. Denn der Ast habe keinen Antrag bei dem Ag gestellt, bevor er sich erneut mit Klage und Eilantrag an das Gericht gewandt habe. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehle auch im sozialgerichtlichen Eilverfahren, wenn ein Ast sein Begehren in der Hauptsache überhaupt noch nicht im Verwaltungsverfahren geltend gemacht habe. Da es dem Ast vorliegend offensichtlich um eine positive Entscheidung entgegen bzw. unter Aufhebung der in dieser Sache bereits ergangenen Gerichtsentscheidungen gehe, könne für einen ein Rechtsschutzbedürfnis begründenden Antrag bei der Behörde auch nicht mehr auf die Anträge aus den Jahren 1999 und 2000 abgestellt werden. Der Antrag wäre im Übrigen auch unbegründet. Soweit der Ast im Wege der einstweiligen Anordnung die Nachzahlung von Pflegegeldleistungen für die Zeit vor Stellung des Antrags bei Gericht beantrage, ergebe sich dies bereits daraus, dass insoweit ein Anordnungsgrund, also eine Eilbedürftigkeit nicht erkennbar sei. Auch nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte könnten Leistungen im Wege der einstweiligen Anordnung erst ab Antragstellung bei Gericht zugesprochen werden.

Der Ast hätte darüber hinaus aber weder für die Vergangenheit noch für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn der hier gestellte Antrag auf Zahlung von Besitzstandspflegegeld über den 31.07.1999 hinaus sei bereits mit rechtskräftigen Urteilen der Verwaltungsgerichtsbarkeit abgelehnt worden. In den genannten Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit sei ausführlich dargelegt worden, dass der Gesundheitszustand des Ast tatsächlich keine Zahlung von Pflegegeldleistungen über den 31.08.1999 hinaus mehr rechtfertige.

Soweit der Ast darüber hinaus begehre, dem Ag aufzuerlegen, dass er es in Zukunft unterlasse, das Datenschutzgesetz zu missbrauchen und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen falsche Behauptungen aufzustellen, sei bereits ein zulässiges Rechtsschutzziel nicht erkennbar. Offensichtlich beziehe sich der Ast insoweit auf Passagen aus den bereits angesprochenen Gerichtsentscheidungen, die seiner Meinung nach nicht zutreffend seien. Diese seien im Eilverfahren ebenso wenig einer Überprüfung zugänglich wie die bestandskräftigen Entscheidungen selbst.

Gegen den Beschluss des SG vom 14.04.2008 richtet sich die Beschwerde vom 21.04.2008 zum Bay. Landessozialgericht (LSG). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das SG gehe fälschlicherweise von einer Streitigkeit nach dem SGB XII aus. Hier gehe es jedoch um Leistungen nach § 69 Abs.1 SGB X bzw. § 68a BSHG. Nach wie vor leide er an einem frühkindlichen Zerebralschaden des Gehirns, der nicht heilbar sei. So liege bei ihm ein Grad der Behinderung von 100 vor und die Merkzeichen "G" und "B" seien zuerkannt. Beim Ast sei 1999 keine Besserung eingetreten. Er sei nach wie vor zeitlich unorientiert. Es werde beantragt, ein medizinisches Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit ab dem 01.08.1999 einzuholen, den Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamtes A. anzuerkennen und den Unterschied von Pflegegeldberechtigung eines Körperbehinderten und eines geistigen Behinderten festzulegen.

Der Ast beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts A. vom 14.04.2008 aufzuheben
und den Ag vorläufig zu verpflichten, ihm weiterhin Pflegegeld über den
31.07.1999 hinaus zu zahlen sowie dem Ag aufzuerlegen, dass er es in
Zukunft unterlässt, das Datenschutzgesetz zu missbrauchen und unter
Vorspiegelung falscher Tatsachen falsche Behauptungen aufzustellen.

Der Ag beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Das Gericht hat die AOK C-Stadt - Pflegekasse - zum Verfahren notwendig beigeladen. Diese hat mitgeteilt, dass der Ast am 15.4.2008 einen Antrag auf ambulante Pflegegeldleistungen nach dem SGB XI gestellt habe. Der Antrag sei mit Bescheid vom 01.07.2008 abgelehnt worden. Der medizinische Dienst habe im Rahmen eines Hausbesuchs am 24.06.2008 einen grundpflegerischen Hilfebedarf von 0 Minuten festgestellt. Pflegebedürftigkeit liege nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Ag sowie die Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Ast ist gemäß §§ 172 Abs.1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG mit Beschluss vom 14.04.2008 den Eilantrag auf Erlass der hier statthaften Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG abgelehnt. Denn die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten Eilentscheidung liegen nicht vor.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.

Auch für den Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG müssen die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen, zu denen das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis zählt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz - SGG -, 8. Auflage, § 86b Rn. 26). Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn sich das angestrebte Ziel auf einfachere und näherliegende Weise erreichen lässt. Es liegt damit in der Regel dann nicht vor, wenn sich der Antragsteller nicht zunächst an die Verwaltung wendet und dort einen Antrag auf die begehrte Leistung stellt.

Der Ast hat mit Schreiben vom 6. März 2007 einen Antrag auf rückwirkende Gewährung von Pflegegeld ab August 1999 und auf eine laufende Weitergewährung gestellt. Über diesen Antrag wurde vom Ag bisher noch nicht entschieden. Eine Entscheidung kann insbesondere nicht in dem Schreiben vom 19. März 2007 gesehen werden, da hierin der Ag dem Ast mitgeteilt hat, er sehe keinen Anlass, über diesen Antrag des Ast eine Entscheidung zu treffen.

Der Ast hatte sich also vor Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes an die Verwaltung gewendet. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag ist damit gegeben.

Der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz ist jedoch unbegründet.

Entstehen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Rechtsbeeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes besonders ausgestaltet. In diesen Fällen müssen die Erfolgsaussichten der Klage abschließend geprüft werden, wobei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens nicht zu überspannen sind. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, ist anhand einer umfassenden Güter- und Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007,1 BvR 3101/06 und vom 12.5.2005,
1 BvR 569/05).

Soweit der Ast Pflegegeldleistungen für die Zukunft, also für den Zeitraum vor dem
11. März 2008 (Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beim Bayrischen Verwaltungsgericht A.) geltend macht, können ohne Gewährung vorläufigen Rechtschutzes schwere und unzumutbare Rechtsbeeinträchtigungen des Ast in Betracht kommen. Der Antrag des Ast vom 6. März 2007 nimmt Bezug auf "§ 69 SGB X und 68a BSHG" und zielt seinem Wortlaut nach auf die Revision der diversen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen für die Vergangenheit ab. Aus seinem Antrag lässt sich aber auch der Wunsch entnehmen, für die Zukunft Pflegegeldleistungen zu erhalten. Dies lässt sich als Antrag auch auf Gewährung von Pflegegeld auf der Basis anderer Rechtsgrundlagen verstehen. Der Senat hält es nicht für sachgerecht, den Ast hier an die von ihm (falsch) zitierten gesetzlichen Vorschriften des sog. Besitzstandpflegegelds festzuhalten. Unterstellt, der Ast hätte einen Anspruch auf Pflegegeld gem. Art. 51 Abs. 1 PflegeVG iVM § 69 BSHG oder gem. § 64 SGB XII gegen den Ag, wären durch die Nichtleistung Beeinträchtigungen der Menschenwürde des Ast (Art. 1 Grundgesetz - GG) zu befürchten, da dann ihm nicht die nötigen Mittel zur Verfügung stehen, seine erforderliche Pflege sicherzustellen. Hinzu kommt, dass dem Ast ein Anspruch gegen die Beigeladene gem. § 15 SGB XI auf Gewährung von Pflegegeld zustehen könnte. Hierüber kann jedenfalls erst nach Einholung eines medizinischen Gutachtens entschieden werden.

Damit hat eine umfassende Güter- und Folgenabwägung zu erfolgen. Hierbei sind auf der einen Seite die Bedeutung des Hauptsacheanspruchs und die Erfolgsaussichten des Antragstellers in der Hauptsache einzustellen. Auf der anderen Seite sind die Schwere und die Wahrscheinlichkeit der drohenden Rechtsverletzung zu berücksichtigen, die der Ast drohen, wenn die begehrte einstweilige Anordnung nicht ergeht. Diese Abwägungsbelange sind unter Einbeziehung des Verhaltens des Rechtsschutzsuchenden zu gewichten und zueinander in Bezug zu setzen.

Die Bedeutung des Anspruchs für den Ast ist zwar hoch. Die Erfolgsaussichten des Antragstellers in der Hauptsache sind allerdings als sehr gering einzuschätzen.

Der Ast hat keinen Anspruch auf Pflegegeld gem. Art. 51 PflegeVG iVm § 69 BSHG.
Gemäß Art. 51 Abs. 1 PflegeVG erhalten Personen, die am 31.3.1995 Pflegegeld nach
§ 69 BSHG bezogen haben, dieses Pflegegeld und zusätzlich das bis zum 31.03.1995 nach § 57 SGB V gezahlte Pflegegeld vom Träger der Sozialhilfe nach Maßgabe der Absätze 3 bis 5. Gemäß Art. 51 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 PflegeVG entfällt der Anspruch nach Abs. 1, wenn die Leistungsvoraussetzungen nach § 69 BSHG nicht mehr vorliegen.

Insoweit wurde durch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.03.2003 rechtskräftig festgestellt, dass der Anspruch des Ast vom 01.08.1999 bis 15.09.1999 nach Entzug der Leistung wegen mangelnder Mitwirkung nicht nachträglich zu erbringen war und ab 15. September 1999 der Anspruch gemäß Art. 51 Abs. 1 Pflege VG nach Art. 51 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 Pflege VG entfallen ist. Wiederaufnahmegründe für dieses Verfahren sind nicht ersichtlich. Der vom Ast in seinen Klageschriftsatz vom 04.03.2008 erhobene Vorwurf der Befangenheit der beteiligten Richter läuft ins Leere, da ein nach der gerichtlichen Entscheidung erhobener Befangenheitsantrag unzulässig ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 60 Rn. 11).

Nachdem rechtskräftig festgestellt ist, dass der Anspruch entfallen ist, kommt ein Anspruch des Klägers auf dieser Grundlage für die Zukunft nicht in Betracht. Der gemäß Art. 51 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 PflegeVG entfallene Anspruch, der der Besitzstandswahrung dienen soll, kann nicht später erneut entstehen, da ein Wiederaufleben dieses Anspruchs bei Wegfall der in Art. 51 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 PflegeVG genannten Hinderungsgründe gesetzlich nicht vorgesehen ist. Dies ergibt sich daraus, dass das Gesetz in Art. 51 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 PflegeVG von einem "Entfallen" des Anspruchs und nicht von einem bloßen "Ruhen" des Anspruchs spricht wie in Art. 51 Abs. 5 S. 1 PflegeVG (Ruhen des Anspruchs während der Dauer der Unterbringung in einer voll stationären Einrichtung). Außerdem ist ein Entfallen des Anspruchs vorgeschrieben, wenn und nicht solange die Leistungsvoraussetzungen des § 69 BSHG nicht mehr vorliegen.

Darüber hinaus ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Wegfallgrund (Nichtvorliegen der Leistungsvoraussetzungen des § 69 BSHG) bis heute gegeben ist.

In den Feststellungen des VG in seinem Urteil vom 14.11.2000 sowie des VGH in seinem Urteil vom 11.07.2002 auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten des MDK vom 18.03.1998, 29.09.1999 und 18.02.2000 wurde dem Ast bescheinigt, er sei physisch in der Lage, die gewöhnlichen Verrichtungen wie Essen, Waschen, Ankleiden usw. auszuführen. An Desorientierung leide der Ast nicht mehr. Nach den Angaben des Ast könne er Brot oder Fleisch im mundgerechte Stücke schneiden. Die nötige Hilfestellung beim Ast beschränke sich auf Aufforderungen, eine ständige Kontrolle durch einen Dritten sei nicht erforderlich. Die Behauptung des Ast, er könne sich nicht in seinem Wohnort selbst orientieren und sei auf ständige Begleitung angewiesen, sei nicht belegt worden. Der hierzu gehörte Zeuge habe vielmehr angegeben, der Ast fahre mit dem Auto, dem Moped und dem Fahrrad allein in seinem Wohnort, kaufte gelegentlich kleinere Sachen selbstständig und gehe selbstständig zum Pkw, der ihn zur Behindertenwerkstätte fahre. Der körper- und mobilitätsbezogene Hilfebedarf wurde vom MDK zuletzt auf 12 Minuten festgelegt, der Hilfebedarf für die hauswirtschaftliche Versorgung auf 45 Minuten pro Tag.

Angesichts dieser Ausführungen ist der Senat ebenfalls davon überzeugt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des VGH als letzter Tatsacheninstanz die Voraussetzungen des
§ 69 BSHG aus den vom VGH gemachten Ausführungen zum damaligen Zeitpunkt nicht erfüllt gewesen waren. An der Verwertbarkeit der Gutachten des MDK, die der Entscheidung des VGH zu Grunde liegen, bestehen keine Zweifel. Insoweit wird auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem Beschluss vom 17.07.2003 verwiesen.

Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich dieser Zustand des Ast seitdem rechtserheblich verschlechtert haben könnte. Insoweit fehlt schon jeglicher konkrete Vortrag des Ast, der nur bestreitet, dass 1999 keine Besserung eingetreten sei. Von Seiten des Ast wurden auch keine medizinische Befundberichte oder etwa Bescheinigungen der Werkstatt für Behinderte, in der der Ast tätig ist, eingereicht, aus denen sich eine Steigerung des Hilfebedarfs des Ast entnehmen lassen könnte.

Auch nach dem von der Beigeladenen eingeholten Gutachten anlässlich eines Hausbesuchs am 24.06.2008 ergibt sich nach Auskunft der Beigeladenen, dass keine Pflegebedürftigkeit vorliege. Der grundpflegerische Hilfebedarf betrage 0 Minuten. Auch dies spricht ganz erheblich gegen einen Fortbestand des Anspruchs auf Besitzstandpflegegeld.

Der vom Ast geltend gemachte Anspruch auf Besitzstandpflegegeld besteht somit nicht.

Es besteht auch mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Anspruch gegen die Beigeladene, bei der der Ast pflegeversichert ist, auf Gewährung von Pflegegeld gem. §§ 37 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 15 Nr. 1 SGB XI.

Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität (= Grundpflege) wenigstens bei zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der tägliche Zeitaufwand muss hierfür mindestens 90 Minuten betragen. Davon müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen.

Angesichts der oben wiedergegebenen Feststellungen des VGH geht der Senat davon aus, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des VGH als letzter Tatsacheninstanz die Voraussetzungen des § 15 SGB XI zum damaligen Zeitpunkt nicht erfüllt gewesen wären. Denn der Ast hatte zu diesem Zeitpunkt bei Verrichtungen in den Bereichen Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftlicher Versorgung keinen Hilfebedarf von mindestens 90 Minuten. Da keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung vorgetragen oder aktenkundig sind, kommt auch zum jetzigen Zeitpunkt ein Anspruch gegen die Beigeladene mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in Betracht. Darüber hinaus ist auch insoweit auf das Gutachten der Beigeladenen aufgrund eines Hausbesuchs vom 24.06.2008 zu verweisen, wonach Pflegebedürftigkeit nicht besteht.

Daraus folgt, dass als Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Ast gegen den Ag auf Pflegegeldleistungen § 64 SGB XII ebenfalls grundsätzlich ausscheidet. Pflegebedürftige, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (erheblich Pflegebedürftige), erhalten gemäß § 64 Abs. 1 SGB XII ein Pflegegeld in Höhe des Betrags nach § 97 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB XI. Zwar fehlt in dieser Bestimmung ein Hinweis auf die Regelung des § 15 SGB XI, in dem eine Zuordnung zu drei Pflegestufen normiert ist. Da § 64 Abs. 1 jedoch hinsichtlich des Begriffs der Pflegebedürftigkeit an das SGB XI anschließt, kann ein Hilfebedarf im Sinne des § 64 Abs. 1 S. 1 SGB XII nur dann bestehen, wenn zumindest die Pflegestufe I vorliegt (Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum SGB XII, § 61 Rn. 24, § 64 Rn. 7).

Diese Vorschrift ist zwar auch für Empfänger von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 41 ff. SGB XII anwendbar, da § 19 Abs. 2 S. 3 SGB XII nur einen Vorrang der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gegenüber der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII normiert, nicht jedoch einen Vorrang vor den Leistungen nach dem 7. Kapitel, in dem § 64 SGB XII verortet ist.

Leistungen der Pflegeversicherung sind jedoch vorrangig gegenüber Leistungen nach dem SGB XII. Soweit also ein Anspruch gegen die Beigeladene nach SGB XI in Betracht kommt, scheidet ein Anspruch gegen die Ag von vornherein aus (Schellhorn, § 62 Rn. 8).

Ein Anspruch gegen die Ag auf Pflegegeld gem. § 64 SGB XII ist damit nur insoweit möglich, als der Ast ein Hilfebedarf bei anderen als den in § 61 Abs. 5 SGB XII normierten Verrichtungen hat, da diese für die Beurteilung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI keine Relevanz haben (sog. erweiterter Pflegebedürftigkeitsbegriff der Sozialhilfe). Erforderlich ist jedoch, dass diese anderen, in § 61 Abs. 5 SGB XII nicht aufgeführten Verrichtungen ebenfalls in Zusammenhang mit den vier Bereichen Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftlicher Versorgung stehen (Schellhorn, § 64 Rn. 8).

Es ergibt sich aus der gesamten Aktenlage und dem Vortrag des Ast kein Hinweis darauf, dass der Ast bei anderen, im § 61 Abs. 5 SGB XII nicht genannten Verrichtungen in den Bereichen Körperpflege, Ernährung, Mobilität oder hauswirtschaftlichen Versorgung im Sinne des § 61 Abs. Abs. 1 S. 2 SGB XII ein weiterer Hilfebedarf vorliegt. Die vom Vater des Ast angegebenen Hilfebedarfe des Ast (Aufforderung zum Aufstehen und zum Händewaschen vor den Mahlzeiten, Zubereiten des Essens, Orientierung in der Heimatgemeinde) betreffen die Verrichtungen, die in § 61 Abs. 5 SGB XII aufgeführt sind (Nr. 1: Waschen, Nr. 2: mundgerechtes Zubereiten oder Aufnahme der Nahrung, Nr. 3: selbstständiges Aufstehen und Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung).

Angesichts dessen hält der Senat eine drohende Rechtsverletzung des Ast für unwahrscheinlich.

Aus dem Verhalten der Beteiligten lässt sich auch kein Grund zum Erlass einer einstweiligen Anordnung ableiten. Zwar hat der Ag über einen langen Zeitraum den Antrag des Ast nicht verbeschieden. Insoweit ist jedoch darauf zu verweisen, dass der Ast seit April 2007 keine Bescheiderteilung durch die Ag mehr angemahnt und bis zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz auch keine Untätigkeitsklage erhoben hat.

Damit hält der Senat bei Abwägung aller Umstände eine vorläufige Verpflichtung der Ag zur Zahlung von Pflegegeld für nicht angezeigt. Der Ag wird jedoch darauf hingewiesen, dass er zu einer unverzüglichen Prüfung und Verbescheidung des Antrags des Ast vom
6. März 2007 verpflichtet ist.

In Bezug auf der Vergangenheit ist hingegen schon ausgeschlossen, dass ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Rechtsbeeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, entstehen können. Denn ev. eingetretene Verletzungen der Menschenwürde des Ast in der Vergangenheit lassen sich auch durch eine Nachzahlung von Pflegegeldleistungen nicht mehr beseitigen.

Insoweit ist also nach den Regeln des einfachen Rechts zu entscheiden. Nach § 86b Abs.2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. In Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), auf den § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG verweist, ergeben sich daraus die Voraussetzungen der Regelungsanordnung. Zu fordern sind insbesondere ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der Hauptsacheanspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, ein Anordnungsgrund, wenn im Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung eine erhebliche Verletzung von Rechten droht (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage 2005, Rn.293, 300 m.w.N.).

Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass für die Geltendmachung von Leistungen für die Vergangenheit kein Anordnungsgrund gegeben ist, da es an einer Eilbedürftigkeit mangelt. Im Übrigen besteht auch, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Anordnungsanspruch.

Soweit der Ast sein Begehren weiterverfolgt, dem Ag aufzuerlegen, dass er es in Zukunft unterlässt, das Datenschutzgesetz zu missbrauchen und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen falsche Behauptungen aufzustellen, weist der Senat die Beschwerde aus den Gründen des Beschlusses des SG zurück und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG analog).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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