Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 57/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 B 17/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 23.10.2007 aufgehoben.
Gründe:
I.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Landshut wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Kürzung der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) um 30 %, nämlich um 104,00 EUR monatlich. Für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.10.2006 hatte die Arbeitsgemeinschaft Grundsicherung für Arbeitsuchende des Landkreises B-Stadt (Beklagte) die Regelleistung mit Bescheid vom 06.07.2006 aufgrund der Festsetzung einer Sanktion gemäß § 31 Abs.1 Nr.1d SGB II gekürzt, weil der Beschwerdeführer sich geweigert hatte, eine ihm angebotene Arbeitsgelegenheit fortzuführen. Der Beschwerdeführer vertrat im Widerspruchs- und Klageverfahren die Auffassung, die Kürzung sei rechtswidrig, weil die angebotene Arbeit unzumutbar sei. Von ihm seien Grünpflegemaßnahmen auf der Burg X. verlangt worden. Hierbei habe Zeckenbissgefahr bestanden.
Das Sozialgericht beraumte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 23.10.2007 an, zu dem der Beschwerdeführer erschien. Nachdem die Beteiligten ihre Anträge gestellt, die Kammer sich zur Beratung zurückgezogen hatte und zur Verkündung des Urteils wieder erschienen war, weigerte sich der Beschwerdeführer, zur Urteilsverkündung aufzustehen. Der Vorsitzende bat den Beschwerdeführer, aufzustehen, andernfalls ein Ordnungsgeld gegen ihn verhängt werden könne. Der Beschwerdeführer blieb sitzen und erklärte, er könne nicht aufstehen, weil ihm der Fuß weh tue. Nachdem er befragt worden war, wie er in diesem Gesundheitszustand nach Hause gehen wolle, stand er auf und verließ den Gerichtssaal. Diese Vorgänge wurden so im Protokoll über die mündliche Verhandlung festgehalten. Die Niederschrift lautet dazu: Es ergeht dann folgender Beschluss: Gegen den Kläger wird wegen grober Ungebühr und Missachtung des Gerichts ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,00 EUR, ersatzweise fünf Tage Ordnungshaft verhängt. Es folgt dann die Verkündung des Urteils nach geheimer Beratung.
Die Ausfertigung des Urteils und eine Abschrift der Niederschrift vom 23.10.2007 wurden dem Beschwerdeführer mit Einschreiben am 05.12.2007 zugestellt.
Eine schriftliche Ausfertigung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 23.10.2007 mit Gründen und Rechtsmittelbelehrung wurde dem Beschwerdeführer ebenfalls mit Einschreiben am 19.12.2007 zugestellt. Im Rubrum des Beschlusses heißt es, der Beschluss sei vom Vorsitzenden der 13. Kammer sowie den ehrenamtlichen Richtern, die auch an der mündlichen Verhandlung am 23.10.2007 teilgenommen hatten, erlassen worden.
Dagegen legte der Beschwerdeführer am 04.01.2008 beim Bayer. Landessozialgericht Beschwerde ein. Er sei mit den Gepflogenheiten bei Gericht nicht vertraut gewesen und sei dennoch aufgestanden, habe aber dann den Sitzungssaal verlassen. Im Übrigen habe die "Beratung" keine 10 Sekunden gedauert.
Der Vorsitzende der 13. Kammer half der Beschwerde nicht ab.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist begründet und führt zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 23.10 ...2007, weil dieser verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist.
Die Verhängung von Ordnungsgeld ist eine Festsetzung von Ordnungsmitteln im Sinne des § 61 Abs.1 SGG in Verbindung mit § 178 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Unter anderem kann dadurch gegenüber einem Verfahrensbeteiligten, der sich einer Ungebühr schuldig gemacht hat, Ordnungsgeld festgesetzt werden. Gemäß § 178 Abs. 2 GVG entscheidet über die Festsetzung von Ordnungsgeld gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in allen übrigen Fällen das Gericht.
Der Beschwerdeführer war als Kläger Verfahrensbeteiligter. Daraus folgt, dass für den Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses wegen Ungebühr das Gericht, d.h. der Vorsitzende zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zuständig ist.
Aus dem Protokoll ergibt sich nicht, dass der Beschluss unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zustande gekommen war. Aus § 12 Abs.1 Satz 2 SGG folgt im Umkehrschluss, dass bei Beschlüssen innerhalb der mündlichen Verhandlung die ehrenamtlichen Richter mitwirken. Auf einen Beschluss in der mündlichen Verhandlung ist u.a. § 61 Abs.2 SGG anzuwenden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, § 142 Anm.3a und § 61 Anm.5d). Daraus folgt, dass der Beschlussfassung eine Beratung der gesamten Kammer vorauszugehen hat und dies nach § 160 Abs.2 Zivilprozessordnung als wesentlicher Vorgang der Verhandlung in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen ist. Aus dem Protokoll vom 23.10.2007 lässt sich nicht erkennen, ob der Beschluss unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter ergangen war und ob dem Beschluss eine geheime Beratung vorausgegangen war. Da es eine Frage des Ermessens ist, ob überhaupt Ordnungsgeld verhängt wird und eine weitere, in welcher Höhe, bedarf es des Nachweises, dass eine Beratung stattgefunden hat. In Ermangelung eines solchen Nachweises ist der Beschluss fehlerhaft zustande gekommen.
Bei dieser Sachlage konnte ungeprüft bleiben, ob das Verhalten des Klägers abgemahnt wurde und ob es den Tatbestand der Ungebühr erfüllt. Auch die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses, in dem die ehrenamtlichen Richter im Rubrum mit aufgeführt sind, vermag nicht die zu protokollierende Beratung zu ersetzen.
Der verfahrensfehlerhaft zustande gekommene Beschluss vom 23.10.2007 war deshalb aufzuheben.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Landshut wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Kürzung der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) um 30 %, nämlich um 104,00 EUR monatlich. Für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.10.2006 hatte die Arbeitsgemeinschaft Grundsicherung für Arbeitsuchende des Landkreises B-Stadt (Beklagte) die Regelleistung mit Bescheid vom 06.07.2006 aufgrund der Festsetzung einer Sanktion gemäß § 31 Abs.1 Nr.1d SGB II gekürzt, weil der Beschwerdeführer sich geweigert hatte, eine ihm angebotene Arbeitsgelegenheit fortzuführen. Der Beschwerdeführer vertrat im Widerspruchs- und Klageverfahren die Auffassung, die Kürzung sei rechtswidrig, weil die angebotene Arbeit unzumutbar sei. Von ihm seien Grünpflegemaßnahmen auf der Burg X. verlangt worden. Hierbei habe Zeckenbissgefahr bestanden.
Das Sozialgericht beraumte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 23.10.2007 an, zu dem der Beschwerdeführer erschien. Nachdem die Beteiligten ihre Anträge gestellt, die Kammer sich zur Beratung zurückgezogen hatte und zur Verkündung des Urteils wieder erschienen war, weigerte sich der Beschwerdeführer, zur Urteilsverkündung aufzustehen. Der Vorsitzende bat den Beschwerdeführer, aufzustehen, andernfalls ein Ordnungsgeld gegen ihn verhängt werden könne. Der Beschwerdeführer blieb sitzen und erklärte, er könne nicht aufstehen, weil ihm der Fuß weh tue. Nachdem er befragt worden war, wie er in diesem Gesundheitszustand nach Hause gehen wolle, stand er auf und verließ den Gerichtssaal. Diese Vorgänge wurden so im Protokoll über die mündliche Verhandlung festgehalten. Die Niederschrift lautet dazu: Es ergeht dann folgender Beschluss: Gegen den Kläger wird wegen grober Ungebühr und Missachtung des Gerichts ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,00 EUR, ersatzweise fünf Tage Ordnungshaft verhängt. Es folgt dann die Verkündung des Urteils nach geheimer Beratung.
Die Ausfertigung des Urteils und eine Abschrift der Niederschrift vom 23.10.2007 wurden dem Beschwerdeführer mit Einschreiben am 05.12.2007 zugestellt.
Eine schriftliche Ausfertigung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 23.10.2007 mit Gründen und Rechtsmittelbelehrung wurde dem Beschwerdeführer ebenfalls mit Einschreiben am 19.12.2007 zugestellt. Im Rubrum des Beschlusses heißt es, der Beschluss sei vom Vorsitzenden der 13. Kammer sowie den ehrenamtlichen Richtern, die auch an der mündlichen Verhandlung am 23.10.2007 teilgenommen hatten, erlassen worden.
Dagegen legte der Beschwerdeführer am 04.01.2008 beim Bayer. Landessozialgericht Beschwerde ein. Er sei mit den Gepflogenheiten bei Gericht nicht vertraut gewesen und sei dennoch aufgestanden, habe aber dann den Sitzungssaal verlassen. Im Übrigen habe die "Beratung" keine 10 Sekunden gedauert.
Der Vorsitzende der 13. Kammer half der Beschwerde nicht ab.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist begründet und führt zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 23.10 ...2007, weil dieser verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist.
Die Verhängung von Ordnungsgeld ist eine Festsetzung von Ordnungsmitteln im Sinne des § 61 Abs.1 SGG in Verbindung mit § 178 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Unter anderem kann dadurch gegenüber einem Verfahrensbeteiligten, der sich einer Ungebühr schuldig gemacht hat, Ordnungsgeld festgesetzt werden. Gemäß § 178 Abs. 2 GVG entscheidet über die Festsetzung von Ordnungsgeld gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in allen übrigen Fällen das Gericht.
Der Beschwerdeführer war als Kläger Verfahrensbeteiligter. Daraus folgt, dass für den Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses wegen Ungebühr das Gericht, d.h. der Vorsitzende zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zuständig ist.
Aus dem Protokoll ergibt sich nicht, dass der Beschluss unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zustande gekommen war. Aus § 12 Abs.1 Satz 2 SGG folgt im Umkehrschluss, dass bei Beschlüssen innerhalb der mündlichen Verhandlung die ehrenamtlichen Richter mitwirken. Auf einen Beschluss in der mündlichen Verhandlung ist u.a. § 61 Abs.2 SGG anzuwenden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, § 142 Anm.3a und § 61 Anm.5d). Daraus folgt, dass der Beschlussfassung eine Beratung der gesamten Kammer vorauszugehen hat und dies nach § 160 Abs.2 Zivilprozessordnung als wesentlicher Vorgang der Verhandlung in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen ist. Aus dem Protokoll vom 23.10.2007 lässt sich nicht erkennen, ob der Beschluss unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter ergangen war und ob dem Beschluss eine geheime Beratung vorausgegangen war. Da es eine Frage des Ermessens ist, ob überhaupt Ordnungsgeld verhängt wird und eine weitere, in welcher Höhe, bedarf es des Nachweises, dass eine Beratung stattgefunden hat. In Ermangelung eines solchen Nachweises ist der Beschluss fehlerhaft zustande gekommen.
Bei dieser Sachlage konnte ungeprüft bleiben, ob das Verhalten des Klägers abgemahnt wurde und ob es den Tatbestand der Ungebühr erfüllt. Auch die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses, in dem die ehrenamtlichen Richter im Rubrum mit aufgeführt sind, vermag nicht die zu protokollierende Beratung zu ersetzen.
Der verfahrensfehlerhaft zustande gekommene Beschluss vom 23.10.2007 war deshalb aufzuheben.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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