L 4 B 17/08 KR ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 20 KR 65/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 B 17/08 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Beschwerdewert bei leihweise überlassenem Hilfsmittel (hier: Notebook)
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2008 wird als unzulässig verworfen.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auch im Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Der Beschwerdegegner und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) macht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Gewährung eines Notebooks mit der Spracherkennungssoftware "Dragon Naturally Speaking V 9" geltend.

Der im Mai 1991 geborene Antragsteller ist bei der Beschwerdeführerin und Antragsgegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) krankenversichert und leidet seit seiner Geburt an einer Thorakalskoliose sowie nunmehr u.a. an einer progredienten Polyneuropathie mit Einschränkung der Handfertigkeiten. Er besucht seit 1998 das Landesbildungszentrum für Körperbehinderte in Halle.

Am 24. Oktober 2007 beantragte er bei der Antragsgegnerin die Kostenübernahme für ein Notebook sowie eine Eingabehilfe zur schriftlichen Kommunikation. Neben einem Angebot für ein handelsübliches Notebook fügte er dem Antrag ein Angebot des Ingenieurbüros Dr. E. S. , Computer für Behinderte, für das Spracherkennungsprogramm Dragon Naturally Speaking Preferred V 9 inklusive Headset, einer kundenspezifischen Installation und Einweisung sowie ein Schreiben dieser Firma vom 4. Oktober 2007 bei, in welchem über die Erprobung dieses Schreibhilfsmittels berichtet wird.

Auf Hinweis der Antragsgegnerin übersandte der Antragsteller eine von der Kinderärztin Dr. S. am 22. November 2007 ausgestellte ärztliche Verordnung für eine behindertengerechte Kommunikationshilfe zur schriftlichen Kommunikation und Eingabehilfe nach Prüfung durch die Krankenkasse.

Die Antragsgegnerin zog ein Pflegegutachten vom 4. Februar 2006 über den Antragsteller bei und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Unter Hinweis hierauf lehnte sie die Kostenübernahme mit Bescheid vom 8. Januar 2008 ab, da das Notebook und das beantragte Spracherkennungsprogramm keine von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzierenden Hilfsmittel seien. Hiergegen legte der Antragsteller am 1. Februar 2008 Widerspruch ein. Am 15. April 2008 hat er die Gewährung des Notebooks und des Spracherkennungsprogramms im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG beim Sozialgericht Halle beantragt. Das Hilfsmittel sei zum Ausgleich der behinderungsbedingten Einschränkungen in der Schule wichtig. Seit der Antragstellung seien inzwischen fast fünf Monate vergangen und eine kurzfristige Entscheidung im Widerspruchsverfahren sei nicht in Sicht. Er sei nicht in der Lage, über den gesamten Zeitraum des Unterrichts einen Stift zu halten und sich Mitschriften zu machen. Mit dem Notebook würde er wieder selbständig arbeiten können, seine Hausaufgaben erledigen und wieder Spaß am Lernen haben. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich u. a. aus dem bevorstehenden Schuljahresende.

Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht erkennbar und aus den vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, dass der Antragsteller das begehrte Hilfsmittel sowie das Spracherkennungsprogramm benötige. Bei dem vom Antragsteller besuchten Landesbildungszentrum für Körperbehinderte handele es sich um eine sonderpädagogische Einrichtung im Sinne des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt. Nach Darstellung der Schule im Internet sei die vom Antragsteller begehrte Technik in der Schule bereits vorhanden. Zudem könnten danach Arbeiten durch Sprechen auf Band gefertigt werden. Während des Unterrichts seien demgegenüber nach Angabe der Schule Bandaufnahmen nicht möglich. Es sei daher nicht einsichtig, warum die Spracherkennungssoftware benötigt werde. Schließlich sei nicht geklärt, ob der Antragsteller eine PC-Tatstatur bedienen könne. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die Antragsgegnerin nicht zur Leistung von Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens verpflichtet. Eine kurzfristige leihweise Überlassung eines Laptops mit der gewünschten Spracheingabesoftware sei praktisch nicht möglich, da dieses Hilfsmittel im Hilfsmittelpool der Antragsgegnerin nicht vorgehalten werde.

Das Sozialgericht Halle hat mit Beschluss vom 8. Mai 2008 die Sozialagentur Sachsen-Anhalt beigeladen. Diese hat eine amtsärztliche Stellungnahme vom 18. Mai 2008 eingereicht, nach der bei der vorliegenden fortschreitenden Muskelerkrankung des Antragstellers und der damit verbundenen gestörten Handmotorik ein Mitschreiben im Unterricht nur für maximal zehn Minuten möglich sei. Die Stifthaltung und das Schreiben erforderten höchste Anstrengung. Das Schreibtempo sei sehr langsam und die Schrift werde zunehmend unlesbar. Ein Computer sei als Hilfsmittel für den weiteren erfolgreichen Schulbesuch und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dringend erforderlich.

Die Beigeladene hat ausgeführt, es sei nach wie vor weder geklärt, ob der Antragsteller in der Lage sei, die PC-Tastatur zu bedienen noch ob das Landesbildungszentrum das für den Antragsteller erforderliche Hilfsmittel vorhalten müsse und daher als vorrangiger Leistungsträger zur Hilfegewährung verpflichtet sei. Schließlich sei die Antragsgegnerin und nicht die Beigeladene der zuerst angegangene Leistungsträger. Die (endgültige) Zuständigkeit des Leistungsträgers könne dann ggf. in einem Kostenerstattungsverfahren geklärt werden.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat die Förderschule für Körperbehinderte mit Schreiben vom 6. Juni 2008 mitgeteilt, die Schule besitze keine Notebooks bzw. Laptops als Hilfsmittel für die Schüler. PC´s seien fest im Computerraum installiert und könnten nur im Fachunterricht Wirtschaft/Technik genutzt werden. In dringenden Fällen könne an Schüler ein "Alphasmart" ausgeliehen werden, der aber den Anforderungen des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der Oberstufe nicht mehr gerecht werde. Eine Bandaufnahme sei während des Unterrichts wegen der damit verbundenen erheblichen Störung nicht möglich. Bandaufnahmen könnten nur für besondere Klassenarbeiten (z. B. Deutsch oder Englisch) angeboten werden. Der Antragsteller benötige das Notebook dringend, da die Lehrer das Tafelbild bzw. Arbeitsblätter vorbereiteten und ihm als Datei zur Verfügung stellten. Die Spracherkennungssoftware benötige er im häuslichen Bereich.

Frau Dr. S. hat auf Nachfrage des Sozialgerichts mitgeteilt, der Antragsteller könne noch einen Faustgriff machen und die Tatstatur des Computers im Rahmen einer Einfingerbedienung zum jetzigen Zeitpunkt noch benutzen.

Das Sozialgericht Halle hat mit Beschluss vom 11. Juni 2008 die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ein Notebook, mindestens ausgestattet mit Basisbetriebssystem (Windows Home Basic) und Standard Schreibprogramm mit Zeichenfunktion, welches der Art und des Herstellers nach von ihr zu bestimmen ist, leihweise bis zum 25. August 2008 zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen hat es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsteller gehöre zu dem nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) sowie §§ 26 Abs. 1 Nr. 6, 31 Nr. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) förderfähigen Personenkreis und das Notebook stelle nach summarischer Prüfung ein geeignetes Mittel zur Wahrnehmung seiner schulischen Aufgaben, insbesondere auch im häuslichen Bereich dar. Die Antragsgegnerin sei für die Leistung als zuerst angegangener Träger nach § 43 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) vorläufig leistungspflichtig. Eilbedürftigkeit bestehe, da bis zum Ende des Schuljahres noch mehrere Klassenarbeiten anstünden. Die begehrte Spracherkennungssoftware sei nicht zu gewähren, da hierfür die Eilbedürftigkeit fehle. Klassenarbeiten könne er durch Bandaufnahmen erbringen, eine Steuerung der Funktionen des Computers, das Erstellen von Tabellen oder Zeichnungen könnten über dieses Programm nicht erfolgen. Außerdem sei eine Nutzung des Programms während des Unterrichts nicht möglich. Auf Grund der leihweisen Leistungsgewährung bis zum neuen Schuljahr nach Abschluss der 9. Klasse werde durch diesen Beschluss auch nicht die Hauptsache vorweggenommen. Der Beschluss sei nach § 172 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) neue Fassung unanfechtbar, da weder für den Antragsteller noch für die Antragsgegnerin die für die Beschwerde maßgebliche Berufungssumme von 750 Euro erreicht werde. Ein einfaches Notebook ohne Sonderausstattung koste neu zwischen 500 und 700 Euro. Die leihweise Überlassung für ca. 2 ½ Monate besitze demgegenüber einen niedrigeren Wert.

Gegen den der Antragsgegnerin am 19. Juni 2008 zugestellten Beschluss hat sie am 9. Juli 2008 Beschwerde eingelegt. Sie habe für die Versorgung des Antragstellers mit einem Notebook durch einen Leistungserbringer der gesetzlichen Krankenversicherung einen Betrag in Höhe von 1.222,13 EUR aufwenden müssen. Damit sei die maßgebliche Berufungssumme überschritten. Die Versorgung des Antragstellers habe zwingend über einen vertragsgebundenen Leistungserbringer erfolgen müssen, deren Preise regelmäßig wesentlich über den Preisen des normalen Handels lägen, da sie die Voraussetzungen des § 126 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) erfüllen müssten. Diese hielten aber handelsübliche Notebooks als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens nicht für einen Wiedereinsatz vorrätig und könnten daher nicht lediglich mit einer leihweisen Versorgung beauftragt werden. Vielmehr sei der vollständige Kaufpreis zu zahlen gewesen. Die Möglichkeit, das zur Verfügung gestellte Notebook nach dem 25. August 2008 zurückzuverlangen, sei für die Antragsgegnerin praktisch wertlos, da eine weitere Einsatzmöglichkeit dieses Gebrauchsgegenstandes des täglichen Lebens für sie fast ausgeschlossen sei. Daher habe die Antragsgegnerin ein Interesse an der Feststellung, dass auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht ein Teil einer beantragten Leistung vorläufig zugesprochen werden könne, wenn die zugesprochene Teilleistung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Dies sei bei einem Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens offensichtlich der Fall. Zudem bestehe auf Grund der im Beschluss geregelten Befristung eine Wiederholungsgefahr. Der Antragsteller habe nach bereits erfolgter Rückholung des Notebooks die erneute Durchführung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens angekündigt. Falls die Beschwerde unzulässig sei, werde gebeten sie als Gegenvorstellung zu werten. Es sei zweifelhaft, ob das angestrebte Ziel der Verbesserung der schulischen Leistungsfähigkeit des Antragstellers mit einem handelsüblichen Notebook ohne behindertengerechte Mehrausstattung überhaupt erreichbar sei, zumal der Bewilligungszeitraum fast ausschließlich die Schulferien betroffen habe. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, wie der Antragsteller mit Hilfe der Einfingermethode Mitschriften während des Unterrichts anfertigen könne. Die Antragsgegnerin hat der Beschwerde ein Angebot der Firma Kommunikationshilfsmittel und Beratung K. GmbH vom 27. Juni 2008 bezüglich eines Notebooks einschließlich eines Textverarbeitungsprogramms mit Zeichenfunktion beigefügt, nach welchem für die Leistung insgesamt 1.222,13 EUR berechnet werden. Die Antragsgegnerin hat der K. GmbH mit Schreiben vom 1. Juli 2008 eine entsprechende Kostenzusage erteilt.

Die Antragsgegnerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2008 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, körperlich immer weniger in der Lage zu sein, zu schreiben bzw. das Notebook zu bedienen. Daher sei er auch auf die Spracherkennungssoftware angewiesen. Von den Lehrern vorbereitete Tafelbilder bzw. Arbeitsblätter würden ihm als Datei zur Verfügung gestellt. Er selbst wolle aber - auch im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Beschwerde angesichts des Beschwerdewertes - kein Rechtsmittel einlegen.

Die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin hat vorgelegen und ist Gegenstand des Verfahrens gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und der Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist weder nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG noch als Gegenvorstellung statthaft und war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 202 SGG i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung – ZPO).

Nach dem seit 1. April 2008 geltenden § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Diese Regelungen sind auf die am 9. Juli 2008 erhobene Beschwerde anwendbar.

Das vorliegende Verfahren betrifft einen auf eine Sachleistung gerichteten Verwaltungsakt der Antragsgegnerin, deren Wert 750 Euro nicht übersteigt. Die Antragsgegnerin bestreitet nicht, dass die von ihr nach dem Beschluss des Sozialgerichts zu erbringende Sachleistung in Form der vorläufigen Gewährung eines Notebooks, mindestens ausgestattet mit einem Basisbetriebssystem (Windows Home Basic) und Standard Schreibprogramm mit Zeichenfunktion leihweise für etwa zweieinhalb Monate als solche nicht den (Markt-)Wert von 750 Euro übersteigt. Handelsübliche Notebooks mit der geforderten Ausstattung werden nach Internetrecherchen (http://www.notebook.de) bereits zu einem Neupreis ab ca. 450 Euro aufwärts zum Kauf angeboten. Da zur Versorgung des Antragstellers auch ein gebrauchtes Laptop ausreichend gewesen wäre und nur die leihweise Gewährung geschuldet war, wird die Berufungssumme nicht erreicht.

Unerheblich ist, ob die Antragsgegnerin aufgrund ihrer Verträge mit Leistungserbringern verpflichtet war, das Notebook von dort zu beziehen und hierfür einen über der Berufungssumme liegenden Preis zu zahlen hatte. Maßgeblich ist allein der Wert der zu erbringenden Leistung. Dieser ist objektiv zu bestimmen und hängt nicht davon ab, welche konkreten Verträge zur Beschaffung der Sachleistung geschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Verträge den zur Sachleistung verpflichteten Versicherungsträger zur Beschaffung der Leistung seinerseits an einen bestimmten "Lieferanten" bzw. den Hilfsmittelerbringer binden. Denn rechtliche oder wirtschaftliche den Wert erhöhende oder mindernde Folgewirkungen bleiben außer Betracht, selbst wenn diese nach dem Gesetz unumgänglich sind (vgl. BSG, Beschl. v. 6.2.1997, 14/10 BKg 14/96, NZS 1997, 391; Meyer-Ladewig u.a., 8. Aufl., § 144 Rz. 15). Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut des Gesetzes, der auf den Wert des Beschwerdegegenstandes abstellt und nicht darauf, inwieweit eine subjektive Beschwer vorliegt. Die Berücksichtigung der Art und Weise, wie sich der zur Sachleistung Verpflichtete selbst die Sache verschafft, würde auch gegen den Grundsatz der Rechtsmittelklarheit verstoßen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Grundsatz der Rechtsmittelklarheit aus dem rechtsstaatlichen Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns hergeleitet, mit einer für die Rechtsuchenden klaren Vorgabe der Möglichkeiten zur Überprüfung von gerichtlichen Entscheidungen (BVerfG, Plenumsbeschluss v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02, Rz. 69, NJW 2003, 1924 sowie BVerfG, Beschl. v. 7.10.2003, 1 BvR 10/99, NJW 2003, 3687). Vor diesem Hintergrund kann unter dem Begriff "Wert der Sachleistung" i.S.d. § 144 Abs. 1 SGG nur der objektive, jedem Rechtssuchenden erkennbare (Markt-)Wert der Sache gemeint sein. Vertragliche Verpflichtungen der Antragsgegnerin gegenüber ihren Hilfsmittelerbringern sind den Versicherten in der Regel weder dem Grunde noch der Höhe nach bekannt und daher für diese weder messbar noch vorhersehbar.

In der Hauptsache wäre mithin die Berufung nach §§ 143, 144 SGG nicht zulässig, so dass die Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen ist. Für die Statthaftigkeit der Beschwerde ist nicht zu prüfen, ob in der Hauptsache die Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen wäre (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 8.9.08, L 13 AS 178/08 ER; LSG Hamburg, Beschl. v. 1.9.08, L 5 AS 70/08 NZB; LSG NRW, Beschl. v. 2.7.08, L 7 B 192/08 AS ER; Hessisches LSG, Beschl. v. 11.8.08, L 7 AS 213/08 B ER – zitiert nach Juris). Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Vorschriften als auch aus deren Sinn und Zweck. Nach dem Gesetzeswortlaut der §§ 143, 144 SGG ist eine Berufung von Gesetzes wegen nur zulässig, wenn der Beschwerdewert erreicht wird. Andernfalls bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts. Die Berufung ist dann nicht zulässig, sondern zugelassen bzw. zuzulassen. Die Prüfung, ob in der Hauptsache die Berufung zuzulassen wäre, ist wenig sinnvoll, weil häufig nicht erkennbar sein wird, ob und gegebenenfalls mit welchen genauen Anträgen ein Hauptsacheverfahren geführt und wie es entschieden wird. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) dürfte fiktiv in aller Regel nicht festzustellen sein. Ebenso wenig kann regelmäßig im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Prüfung von Verfahrensmängeln (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) das Hauptsacheverfahren betreffend erfolgen. Schließlich wäre es wenig sinnvoll die Beschwerdemöglichkeiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon abhängig zu machen, ob in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) zu klären ist.

Eine entsprechende Anwendung des § 144 Abs. 2 SGG auf das Beschwerdeverfahren mit dem Ziel einer Zulassung der Beschwerde durch das Sozialgericht oder im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde durch das Landessozialgericht sieht das Gesetz nicht vor (vgl. hierzu auch die oben zitierten Entscheidungen der verschiedenen Landessozialgerichte). Das bereits oben dargestellte Gebot der Rechtsmittelklarheit fordert für die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Zudem würde eine entsprechende Anwendung des § 144 Abs. 2 SGG auf Beschwerden in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dem mit der Einfügung des § 172 Abs. 3 SGG verfolgten gesetzgeberischen Ziel der Entlastung der Sozialgerichte widersprechen. Schließlich sind die in § 144 Abs. 2 SGG aufgezählten Zulassungsgründe nach ihrem Sinn und Zweck nicht ohne weiteres auf einstweilige Rechtsschutzverfahren übertragbar. Da Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz nur vorläufig ergehen, ggf. rückgängig zu machen sind und bei besonderer Eilbedürftigkeit auf einer Interessenabwägung und einer Einschätzung der Erfolgsaussichten und Folgen basieren, werden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung in der Regel in diesen Entscheidungen zumindest nicht abschließend geklärt. Dies kann ggf. noch im Hauptsacheverfahren erfolgen. Auch für eine abschließende Klärung bei Divergenzen in der Rechtsprechung ist das umfassendere Hauptsacheverfahren besser geeignet. Irreversible Folgen einer vorläufigen Entscheidung sind in der Regel nicht zu erwarten, da bei anders lautender Hauptsacheentscheidung die vorläufige Entscheidung ggf. rückgängig zu machen ist und der einstweilige Rechtsschutz gerade auch dazu dient, nicht oder nur schwer rückgängig zu machende Folgen von Verwaltungsentscheidungen oder nicht rechtzeitig erfolgten abschließenden Entscheidungen zu verhindern. Zudem soll durch eine vorläufige Entscheidung die Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Auch ein Verfahrensmangel wirkt sich daher im einstweiligen Rechtsschutzverfahren weniger gravierend aus als im Hauptsacheverfahren.

Darüber hinaus liegt auch kein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 SGG vor. Insbesondere ergibt sich eine grundsätzliche Bedeutung nicht aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren könne nicht ein Teil einer beantragten Leistung vorläufig zugesprochen werden, wenn die zugesprochene Teilleistung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Meyer-Ladewig, 8. Aufl., § 160 Rz. 6 ff. m. w. N.). Es ist nicht zu erwarten, dass eine Beschwerdeentscheidung in dieser Frage die Rechtseinheitlichkeit oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern könnte, denn bei der einstweiligen Anordnung handelt es sich um eine auf der Abwägung der Individualinteressen der Beteiligten beruhende Einzelfallentscheidung, die unter besonderer Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten ergeht und nicht auf der Beurteilung eines typischen oder verallgemeinerungsfähigen Sachverhalts basiert. Eine das Interesse der Allgemeinheit berührende Beschwerdeentscheidung, die zur einheitlichen Fortentwicklung des Rechts beitragen könnte, ist bei dieser Sach- und Rechtslage nicht zu erwarten. Die von der Antragsgegnerin aufgrund der Befristung befürchtete Gefahr einer Wiederholungsentscheidung führt noch nicht zu einem Interesse der Allgemeinheit. Für einen anderen Zulassungsgrund sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Im Übrigen liegt durch den Ablauf der Befristung mit dem 25. August 2008 keine aktuelle Beschwer der Antragsgegnerin mehr vor. Sie kann das Notebook vom Antragsteller herausverlangen und muss zur Klärung der Rechtslage für die Vergangenheit auf das – aufgrund der umfassenden Sachverhaltsklärung hierzu besser geeignete – Hauptsacheverfahren und möglicherweise auf ein Erstattungsverfahren gegen andere Sozialleistungsträger verwiesen werden. Eine Eilbedürftigkeit kann sich für die Vergangenheit nicht ergeben. Auch dem kann von der Antragsgegnerin nicht entgegen gehalten werden, der Antragsteller werde nach Ablauf der Befristung erneut ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren anstrengen, so dass sich in Bezug auf die ergangene Entscheidung eine Wiederholungsgefahr ergebe. Sie hat selbst dargelegt, das Notebook nicht weiter verwenden zu können. Würde tatsächlich erneut eine solche Entscheidung ergehen, ergäbe sich durch die erneute zeitlich befristete Verpflichtung zur Überlassung des nunmehr bereits bei der Antragsgegnerin vorhandenen Notebooks kein weiterer finanzieller Nachteil und damit keine Vertiefung eines möglichen Schadens.

Eine Gegenvorstellung ist ebenfalls nicht statthaft. Rechtsmittel, die das SGG nicht kennt und die nicht als statthaftes Rechtsmittel ausgelegt werden können, werden als unzulässig verworfen (vgl. Meyer-Ladewig, 8. Aufl. 2005, Vor § 143 Rz. 15 d). Gegenvorstellungen werden seit dem 01.01.2005 durch die Anhörungsrüge nach § 178 a SGG ersetzt (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.0., Rz. 16). Das Rechtsmittel ist auch nicht als Anhörungsrüge zulässig, da diese nach § 178 a Abs. 2 Satz 5 SGG voraussetzt, dass in der Rüge eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dargelegt wird und die Rüge nach § 178 a Abs. 2 Satz 1 SGG innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben ist. Die Antragsgegnerin hat nicht die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt.

Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.

gez. Fock gez. Dr. Fechner gez. Dr. Waßer
Rechtskraft
Aus
Saved