L 8 AS 3102/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 3774/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 3102/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. Juni 2008 aufgehoben und der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) und die Übernahme ihrer Stromschulden.

Die 1974 geborene Antragstellerin zu 1 ist die Mutter der Antragstellerin zu 2 (geboren 1995), zu 3 (geboren 1999) und zu 4 (geboren am 2007). Die Antragstellerin zu 1 hat inzwischen ein weiteres Kind geboren. Sie erhielt bis zur Geburt ihres 4. Kindes Kindergeld in Höhe von monatlich 462,00 EUR und bezog bis 1.10.2008 Elterngeld in Höhe von monatlich 491,37 EUR. Der Ehemann der Antragstellerin zu 1 ist erwerbstätig und hatte im Mai 2008 ein Bruttoeinkommen von 2.281,23 EUR (1.460,43 EUR netto).

Am 19.12.2007 beantragte die Antragstellerin zu 1 beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und gab an, sie sei alleinerziehende Mutter und wohne mit ihren drei Kindern in der S. Straße ... in S. -Z ... Ihr von ihr getrennt lebender Ehemann sei erwerbstätig; seine Anschrift laute W ... in S.-H ... Für die Antragsteller zu 2 bis 4 leiste er Unterhalt. Mit Bescheid vom 11.03.2008 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1 unter Berücksichtigung der mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder für die Zeit vom 19.12.2007 bis 31.03.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von zuletzt 449,93 EUR monatlich.

Am 20.03.2008 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Ferner legten sie die Jahresrechnung der E. vom 21.02.2008 vor, aus der sich ergibt, dass die Antragstellerin zu 1 für die Zeit vom 16.02.2007 bis 15.02.2008 für Strom einen Betrag von 959,32 EUR nachzuzahlen hat.

Am 21.12.2007 teilte das Polizeipräsidium S. (Polizeirevier Z.) dem Antragsgegner mit, es sei ein anonymer Hinweis eingegangen, wonach der angeblich von der Antragstellerin zu 1 getrennt lebende Ehemann ebenfalls Leistungen beziehe. Der Wohnsitz in H. (A. W ...) solle aber nur ein Scheinwohnsitz sein und die angebliche Trennung nur dem Bezug einer vollständigen Leistung dienen. Das Ehepaar solle weiter in Z. zusammenleben. Im Rahmen eines am 25.03.2008 von einem Mitarbeiter des Antragsgegners mit der Antragstellerin zu 1 geführten Telefongesprächs gab diese u.a. an, nur weil sie von ihrem Ehemann schwanger sei, heiße das nicht, dass sie zusammenlebten. Er sei nur ab und zu da, um nach den Kindern zu schauen. Am 25.03.2008 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1 auf, bis 07.04.2008 im Einzelnen aufgeführte, ihren Ehemann betreffende Unterlagen (z.B. Lohnabrechnungen und Girokontoauszüge der letzten drei Monate) vorzulegen, andernfalls die Leistung ganz entzogen werde. Daraufhin teilte die Antragstellerin zu 1 mit, ihr Ehemann sei unter Fristsetzung bis 04.04.2008 zur Vorlage der genannten Unterlagen aufgefordert worden. Allerdings habe sie bis jetzt keine Unterlagen von ihm erhalten. Sie bestreite entschieden, dass sie mit ihrem Ehemann zusammenlebe. Es sei zwar richtig, dass sie erneut von ihrem Ehemann schwanger sei, tatsächlich lebten sie jedoch dauernd getrennt.

Mit Bescheid vom 15.04.2008 versagte der Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab 01.04.2008 ganz, da die mit Schreiben vom 25.03.2008 angeforderten Unterlagen und Nachweise trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt worden seien.

Dagegen legte die Antragstellerin zu 1 Widerspruch ein und verwies darauf, dass ihr Ehemann am 07.04.2008 erneut zur Vorlage der benötigten Unterlagen schriftlich aufgefordert worden sei. Im Übrigen habe ihr Ehemann mit dem Antragsgegner einen Termin (24.04.2008) vereinbart, in dem er die Unterlagen vorlegen wolle. Sie sei auf die sofortigen Zahlungen des Antragsgegners dringend angewiesen, um ihren Lebensunterhalt und den ihrer drei minderjährigen Kinder sicherzustellen. Der Ehemann der Antragstellerin zu 1 gab nach der aktenkundigen handschriftlichen Gesprächsnotiz des Antragsgegners vom 24.04.2008 im Rahmen des genannten Termins an, dass er keine Unterlagen abgeben werde, da er nicht mit der Antragstellerin zu 1 zusammenlebe. Die Gesprächsnotiz des Antraggegners enthält den Hinweis, dass sich die Dolmetscherin "verplappert" und gesagt habe, dass der Ehemann der Antragstellerin zu 1 manchmal dort schlafe. Er habe eine eigene Wohnung. Über den Widerspruch ist ersichtlich noch nicht entschieden.

Am 27.05.2008 beantragte die Antragstellerin zu 1 beim Sozialgericht Stuttgart (SG), den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Sie habe mehrfach ihren von ihr getrennt lebenden Ehemann zur Vorlage der benötigten Unterlagen aufgefordert. Sie habe alles getan, was ihr möglich gewesen wäre. Ferner machte sie geltend, dass die E. angekündigt habe, die Stromlieferung ab 21.05.2008 einzustellen, da sie die Stromnachzahlungsforderungen für ihre frühere Wohnung (485,99 EUR) und ihre jetzige Wohnung (1.203,32 EUR) nicht habe begleichen können. Der Antragsgegner trat dem Antrag entgegen. Am 02.06.2008 stellte die E. die Stromlieferung ein. Diese teilte telefonisch mit, dass der auf die jetzige Wohnung entfallende Nachzahlungsbetrag 1.289,00 EUR betrage.

Mit Beschluss vom 03.06.2008 verpflichtete das SG den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung, den Antragstellern vom 27.05.2008 bis 26.11.2008 vorbehaltlich weiter bestehender Hilfebedürftigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorläufig in Höhe von monatlich 449,00 EUR zu gewähren. Ferner verpflichtete es den Antragsgegner, die Schulden der Antragstellerin zu 1 aus dem Stromlieferungsvertrag mit der E. in Höhe von 1.289,00 EUR darlehensweise zu übernehmen. Es bejahte die Eilbedürftigkeit und hielt auch einen Anordnungsanspruch für glaubhaft gemacht. Wegen der Gründe im Einzelnen wird auf den angefochtenen Beschluss des SG Bezug genommen.

Dagegen hat der Antragsgegner am 01.07.2008 Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, es bestünden erhebliche Zweifel an den Angaben der Antragstellerin zu 1, dass sie von ihrem Ehemann getrennt lebe. Vielmehr sei dies als Schutzbehauptung anzusehen, um zu erreichen, dass bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit das Einkommen des Ehemannes der Antragstellerin zu 1 unberücksichtigt bleibe. Außendienstmitarbeiter hätten festgestellt, dass der Ehemann der Antragstellerin zu 1 in zwei angegebenen Wohnungen (Anschrift des Arbeitgebers und Anschrift seines Schwagers) tatsächlich nicht gewohnt habe. Was die Stromschulden anbetreffe, sei von der Antragstellerin zu 1 nicht vorgetragen worden, dass sie im Rahmen der von ihr zu ergreifenden Selbsthilfe alle rechtlichen Möglichkeiten genutzt habe, um die Stromsperrung zu vermeiden. Die Möglichkeiten des Versorgungsunternehmens, die Grundversorgung mit Strom einzustellen, seien rechtlich eingeschränkt gewesen. Die Liefersperre sei unverhältnismäßig gewesen. Dadurch hätten der schwangeren Antragstellerin zu 1 und ihren Kleinkindern schwerwiegende Folgen für die Versorgung und die Gesundheit gedroht.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. Juni 2008 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie machen geltend, die Antragstellerin zu 1 und ihr Ehemann lebten getrennt. Ihr Ehemann lebe in seinem eigenen Haushalt im S.weg und sei dort auch gemeldet. Sie haben eine Kopie der Unterhaltsklage der drei Kinder der Antragstellerin zu 1 gegen ihren Vater vom 16.07.2008 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 01.04.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 29 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444) ausgeschlossen, da der Beschwerdewert von mehr als 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) erreicht ist. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegt worden.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat dem Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht stattgegeben.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237; BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).

Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II setzt u.a. Hilfebedürftigkeit des Antragstellers voraus (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehören neben dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen selbst als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte (§ 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II). Unter welchen Voraussetzungen von einem dauernden Getrenntleben auszugehen ist, definiert das Sozialgesetzbuch nicht. Soweit das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in § 1567 Abs. 1 eine Legaldefinition enthält, ist diese angesichts ihrer klaren Ausrichtung auf das Scheidungsverfahren, vor allem im Hinblick auf die in ihr enthaltenen subjektiven Komponenten, nicht ohne weiteres auf andere Bereiche, insbesondere nicht das Steuer- und Sozialrecht, übertragbar. Der Begriff des "nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten" ist in Anlehnung an die seit dem 30.06.1979 die steuerliche Zusammenveranlagung von Ehegatten regelnde Bestimmung des § 26 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auszulegen, wobei - soweit im Einzelnen mit dem Sinn und Zweck der Regelungen des SGB II vereinbar - auf die finanzgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Denn in Anlehnung an § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG (vgl. BT-Drs. 8/2624 S. 30 zu Nr. 46) hatte der Begriff des dauernd Getrenntlebens mit dem Fünften Änderungsgesetz zum Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vom 23.07.1979 (BGBl. I S. 1189) bereits Eingang in den - zwischenzeitlich wieder außer Kraft getretenen - § 138 Abs. 1 Nr. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes und schließlich in § 193 SGB III gefunden. Der Gesetzgeber hat für den Bereich des Sozialrechts bereits dort jeweils geregelt, dass für die Arbeitslosenhilfe im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten als Einkommen zu berücksichtigen ist.

Damit ist von einem dauernden Getrenntleben dann auszugehen, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft endgültig aufgehoben worden ist, wobei insoweit Lebensgemeinschaft die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten bedeutet, während unter Wirtschaftsgemeinschaft die gemeinsame Erledigung der die Ehegatten gemeinsam berührenden wirtschaftlichen Fragen ihres Zusammenlebens zu verstehen ist. Leben Ehegatten zwar für nicht absehbare Zeit räumlich voneinander getrennt und halten sie die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft dadurch aufrecht, dass sie die sie berührenden wirtschaftlichen Fragen gemeinsam erledigen und gemeinsam über die Verwendung des Familieneinkommens entscheiden, so kann dies - ggf. zusammen mit anderen Umständen - dazu führen, dass ein nicht dauerndes Getrenntleben anzunehmen ist. Der Beurteilung sind in erster Linie äußerlich erkennbare Umstände zugrunde zu legen, wobei dem räumlichen Zusammenleben der Ehegatten besondere Bedeutung zukommt. Bei einem zu bejahenden dauernden Getrenntleben wird regelmäßig auch mindestens einem Ehegatten der Wille zur Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft fehlen, was das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung (BVerwGE 97, 344, 348) zum Getrenntleben im Sinne von § 28 des bis 31.12.2004 geltenden Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) gefordert hatte. (vgl. zum Vorstehenden LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 26.08.2005 - L 13 AS 3390/05 ER-B - und vom 02.05.2007 - L 13 AS 948/07 ER-B -, m.w.N.; Urteil des Senats vom 14.03.2008 - L 8 AS 1358/07 -).

Der Senat ist zu der Auffassung gelangt, dass unter Würdigung der Gesamtumstände ein dauerndes Getrenntleben der Antragstellerin zu 1 und ihres Ehemannes derzeit nicht angenommen werden kann. Aus den äußeren Umständen wird nicht ersichtlich, dass es den Eheleuten am Willen mangelt, die eheliche Lebensgemeinschaft fortzusetzen. Die Antragstellerin zu 1, ihr Ehemann und die gemeinsamen Kinder bilden daher eine Bedarfsgemeinschaft. Der Senat folgert dies zum einen aus den Ergebnissen der vom Außendienst des Antragsgegners angestellten Ermittlungen und auch aus den Angaben der Antragstellerin zu 1 und ihres Ehemannes selbst. Die vom Ehemann der Antragstellerin zu 1 angegebenen Anschriften (W ... in S.-H. und E.-G.-Str ... in S.), an denen der Ehemann der Antragstellerin zu 1 in einem eigenen Haushalt gewohnt haben will, erwiesen sich als Anschriften, unter denen der Ehemann der Antragstellerin zu 1 allenfalls zeitweise "Unterschlupf" gefunden hatte. Eine auf Dauer angelegte eigene Wohnung oder ein eigener Haushalt des Ehemannes ist trotz der angeblichen dauernden Trennung seit spätestens März 2006 (vgl. Antrag auf Leistungsfortzahlung vom 15.03.2006) nicht ersichtlich. Bei der Anschrift W ... in S.-H ... handelt es sich um die Anschrift des Arbeitgebers des Ehemannes der Antragstellerin zu 1. Ob dort überhaupt eine Wohnmöglichkeit und nicht bloß eine provisorische Übernachtungsmöglichkeit besteht, lässt sich nicht sagen. Bei der genannten weiteren Anschrift handelt es sich um die Anschrift des Schwagers des Ehemannes der Antragstellerin zu 1, wo er sich nach dessen Angaben ohnehin nur ca. zwei Monate aufgehalten habe.

Für entscheidend hält der Senat jedoch die eigenen Angaben der Antragstellerin zu 1 und ihres Ehemannes. Die Antragstellerin zu 1 hat gegenüber einem Mitarbeiter des Antragsgegners in einem Telefongespräch angegeben, nur weil sie von ihrem Ehemann schwanger sei, heiße das nicht, dass sie zusammenlebten. Er sei nur ab und zu da, um nach den Kindern zu schauen. Angesichts des am 12.10.2007 geborenen Kindes und des weiteren im Laufe des Jahres 2008 geborenen Kindes, die nach den glaubhaften Angaben der Antragstellerin zu 1 von ihrem Ehemann stammen, erscheint es wenig glaubhaft, dass ihr Ehegatte nur ab und zu da gewesen sei, um nach den Kindern zu schauen. In Verbindung mit der Notiz des Antragsgegners über das am 24.04.2008 mit dem Ehemann der Antragstellerin zu 1 geführte Gespräch, dass sich die Dolmetscherin "verplappert" und gesagt habe, dass der Ehemann der Antragstellerin zu 1 manchmal dort schlafe, hält der Senat ein dauerndes Getrenntleben der Eheleute für unwahrscheinlich. Insbesondere der Umstand, dass die Antragstellerin zu 1 mittlerweile erneut ein weiteres Kind geboren hat, das nach ihren glaubhaften Angaben von ihrem Ehemann stammt, ist ein starkes Indiz dafür, dass die Eheleute nicht dauernd getrennt leben. Berücksichtigt man zusätzlich, dass die Antragstellerin zu 1 angegeben hat, schon längere Zeit nicht mehr mit ihrem Ehemann zusammenzuleben, sie aber trotzdem im Oktober 2007 und im Jahr 2008 zwei Kinder geboren hat, spricht vieles dafür, dass es sich lediglich um ein zeitweise vorübergehendes und nicht ein dauerndes Getrenntleben handelt. Unter diesen Umständen spricht weit mehr gegen ein dauerndes Getrenntleben der Antragstellerin zu 1 und ihres Ehemannes als dafür. Da das zu berücksichtigende Einkommen des Ehemannes der Antragstellerin zu 1 (Mai 2008 1.460,43 EUR netto) und das Kindergeld für die inzwischen vier Kinder den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft übersteigt, sind die Antragsteller nicht hilfebedürftig (§ 9 Abs. 1 und 2 SGB II). Der angefochtene Beschluss des SG ist mithin aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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