L 9 R 3885/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2032/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3885/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt noch für die Zeit vom 01. Oktober 2002 bis zum 30. November 2006 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1946 geborene Klägerin, die nach ihren Angaben nach einer Hauswirtschaftslehre von Mai 1961 bis Januar 1970 als Arbeiterin bei der Firma B. (Produktion von Rasiergeräten) beschäftigt war, hat danach bis Juni 1977 keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Sie widmete sich der Kindererziehung und arbeitete außerdem im Schreinereibetrieb ihres Ehemannes mit, wobei sie nach ihren Angaben täglich zwei bis drei Stunden Büroarbeiten erledigte und zusätzlich im angeschlossenen Ladengeschäft arbeitete sowie teils auch in der Schreinerei aushalf. Ab Juli 1977 bis Oktober 2002 übte sie diese Tätigkeit im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Danach bezog sie Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Seit 1. Dezember 2006 erhält sie Altersrente für Schwerbehinderte Menschen. Wegen der einzelnen Versicherungszeiten und der entrichteten Beiträge wird auf den Versicherungsverlauf zum Rentenbescheid vom 29. November 2006 verwiesen.

Zu ihrem Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 27. September 2002 machte sie geltend, sie halte sich wegen eines Diabetes, einer Nierenerkrankung, einer Sehbehinderung, Rückenschmerzen und einem Harnwegsinfekt für seit 1996 erwerbsgemindert.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 27. Januar 2003 und Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2004 ab, weil die Klägerin als Bürokauffrau mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

Der Entscheidung lagen Äußerungen behandelnder Ärzte sowie Gutachten des Internisten Dr. P. vom 11. November 2002, des Orthopäden Dr. A. vom 11. Februar 2002, des Orthopäden Dr. B. vom 11. Juli 2003, der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom 01. August 2003 (mit Dr. H.) und der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. S. vom 19. März 2004 zu Grunde. Dr. P. hatte unter Berücksichtigung der - näher dargelegten - internistischen Erkrankungen Tätigkeiten einer kaufmännischen Angestellten wie auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit zeitweisem Stehen, Gehen und Sitzen in Tagesschicht - ohne häufiges Bücken, Heben und Tragen, Bewegung von Lasten über fünf Kilogramm, Zwangshaltungen, Arbeiten über der Horizontalen sowie Gefährdungs- und Belastungsfaktoren - sechs Stunden und mehr für zumutbar erachtet. Dr. A. hatte unter Berücksichtigung der - näher beschriebenen - orthopädischen Leiden die Klägerin für in der Lage gehalten, Tätigkeiten einer Bürokauffrau sowie leichte Tätigkeiten mit zeitweisem Stehen, Gehen und Sitzen - ohne Arbeiten mit dem linken Arm über der Waagerechten, Arbeiten in der Hocke, häufiges Treppensteigen, gebeugte Zwangshaltung, Witterungseinflüsse sowie Nachtschicht - sechs Stunden und mehr zu verrichten. Dr. B. hatte - im Hinblick auf näher beschriebene orthopädische Erkrankungen (wobei er insofern mit Dr. A. im Wesentlichen übereinstimmte) und unter Einbeziehung von Leiden auf internistischem und nervenärztlichem Gebiet Tätigkeiten als Büro- und Werkstatthilfe wie auch des allgemeinen Arbeitsmarktes - ohne Arbeiten mit längerem Armvorhalten, Überkopfarbeiten, länger gebeugter Haltung und Zwangshaltung sowie schweres Heben, ausschließliches Stehen und längere Hockstellung - in geschlossenen Räumen leichter Art vollschichtig für zumutbar gehalten. Dr. E. und Dr. H. hatten unter Berücksichtigung einer im Vordergrund stehenden mittelschweren depressiven Episode und der sonstigen Erkrankungen auf nervenärztlichem Gebiet leichte körperliche Tätigkeiten - ohne Treppensteigen, Besteigen von Leitern, Heben, schweres Tragen, Zwangshaltungen und Überkopfarbeit - als vollschichtig zumutbar angesehen. Dr. S. hatte eine Anpassungsstörung diagnostiziert und bis zu mittelschwerer körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr bzw. vollschichtig für möglich erachtet, wobei die Einschränkungen in den orthopädischen Gutachten mit zu berücksichtigen seien.

Am 12. Juli 2004 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, auch leichte berufliche Tätigkeiten seien ihr nicht mehr möglich.

Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Es haben über die erhobenen Befunde der Orthopäde Dr. L. am 16. November 2004 (Leistungsvermögen sechs Stunden, Zustimmung zum Gutachten Dr. B.), die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. am 15. Dezember 2004 (Behandlungen am 2. September, 18. November und 14. Dezember 2004; Leistungsvermögen nicht über drei Stunden), der Allgemeinmediziner Dr. H. im Dezember 2004 (eine Arbeit von sechs Stunden täglich sei wegen chronischer Schmerzen, Depression mit Schlafstörungen, Angstzuständen und Panikattacken nicht möglich) und der Psychotherapeut V. am 27. Dezember 2004 (mit Hinweis auf sein beigefügtes Attest vom 15. Oktober 2003; die Klägerin sei seit einem Jahr nicht mehr in Behandlung) über die erhobenen Befunde berichtet.

Außerdem hat das SG Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 11. April 2005 und - auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Glaser eingeholt. Dr. S. hat eine leichte depressive Störung (ICD-10 F32.0) diagnostiziert. Weiter gebe es Hinweise auf eine sensible, am ehesten diabetogene Polyneuropathie. Auf neuro-orthopädischem Gebiet lägen degenerative Veränderungen der HWS und LWS vor. Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung (Akkordarbeit) oder unphysiologischer Stressbelastung (Nachtschicht), grundsätzlich erhöhter Konzentrationsleistung, erhöhten Anforderungen an das koordinative System sowie Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten und an gefährdenden, laufenden Maschinen seien nicht mehr möglich. Bei Beachtung der Einschränkungen sei auch angesichts des bei den beiden Untersuchungen gezeigten Leistungsvermögens nicht von einer relevanten quantitativen Leistungsbeeinträchtigung auszugehen. Entsprechende Tätigkeiten seien weiterhin vollschichtig, also bis zu acht Stunden werktäglich möglich. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich und eine relevante Einschränkung des Arbeitsweges liege nicht vor. Ärztin für Neurologie und Psychiatrie G. hat die Diagnosen einer mittelschweren depressiven Störung sowie einer diabetischen Polyneuropathie gestellt. Die Klägerin könne nur leichte körperliche Arbeiten - ohne Heben und Tragen von Lasten über zwei Kilogramm sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Akkord- Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit sowie Tätigkeiten in Kälte und unter Wärmeeinfluss, unter Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen, in Nässe sowie im Freien, besondere Beanspruchung des Gehörs und des Sehvermögens, Publikumsverkehr, Arbeiten an Schreib- und Büromaschinen (eingeschränkt), besondere geistige Beanspruchung und hohe Verantwortung sowie mit wenigem Bücken und seltenem Treppensteigen - im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen weniger als zwei Stunden täglich verrichten. Betriebsunübliche Pausen seien wegen der Zuckerkontrolle und wegen der Entlastung der Gelenke und des Körpers erforderlich. Der Zustand bestehe "langsam und zunehmend seit 1992".

Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme der Nervenärztin M. vom 10. April 2006 vorgelegt. Die Befunde des Dr. S. und der Nervenärztin G. seien annähernd gleich. Der Sachverständigen G. sei nicht zu folgen, da es an einer näheren Begründung fehle.

Das SG hat mit Urteil vom 22. Juni 2006 die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung sowie Berufsunfähigkeit seien nicht erfüllt, da die Klägerin zumutbare Tätigkeiten, jedenfalls einer gehobenen Bürokraft der Vergütungsgruppe VIII BAT verrichten könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Urteils verwiesen.

Gegen das am 06. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03. August 2006 Berufung eingelegt. Auf Grund ihres angegriffenen Gesundheitszustandes auf verschiedenen Fachgebieten sei ihr die Ausübung einer nennenswerten Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Januar 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2004 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01. Oktober 2002 bis 30. November 2006 Rente wegen Erwerbsminderung in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, eine rentenberechtigende Erwerbsminderung sei nicht nachgewiesen.

Im Berufungsverfahren ist eine berufskundliche Stellungnahme der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit vom 11. Mai 2000, unter anderem zum Berufsbild des Registrators, eingeführt worden.

Dr. K. hat am 19. Februar 2007 als Zeugin angegeben, sie habe die Klägerin am 18. November und 14. Dezember 2004, 12. Mai und 07. November 2005 sowie 13. Februar 2007 behandelt. Die Klägerin sei bei Alltagstätigkeiten eingeschränkt belastbar. Insgesamt zeige sich eine Verschlechterungstendenz. Für leichte Tätigkeiten sei die Klägerin bei Beachtung - näher dargelegter - qualitativer Einschränkungen drei bis vier Stunden einsetzbar.

Außerdem hat der Senat ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Dr. H. vom 26. Mai 2007 mit einer testpsychologischen Zusatzuntersuchung des Dipl.-Psych. B. vom 24. Mai 2007 eingeholt. Dr. H. hat den ihm beschriebenen Tagesablauf geschildert. Der erhobene neurologische Befund sei im Wesentlichen unauffällig gewesen. Auf psychiatrischem Gebiet hat Dr. H. eine rezidivierende depressive Störung, im Untersuchungszeitpunkt weitgehend remittiert, diagnostiziert. Befunde hinsichtlich einer somatoformen Schmerzstörung seien bei der Untersuchung nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin könne noch leichte Arbeiten - ohne Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, gleichförmige Körperhaltung, Überkopfarbeiten, Tätigkeiten auf Leitern, häufiges Bücken und Treppensteigen, Tätigkeiten in Kälte und unter Kälteeinfluss oder im Freien, Überforderung durch Akkord-, Wechselschicht oder Nachtarbeit, Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck und solche mit einer das normale Maß deutlich übersteigender Verantwortung oder geistiger Beanspruchung - im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen acht Stunden täglich bzw. 40 Stunden wöchentlich verrichten. Sie könne auch vier Mal eine Wegstrecke von mehr als 500 Meter zu Fuß zurücklegen und in jeweils höchstens 15 bis 20 Minuten bewältigen sowie zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeiten öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Zwar scheine eine gewisse Fluktuation im Hinblick auf das Ausmaß der Ausprägung der depressiven Symptomatik vorgelegen zu haben, ansonsten habe sich der Zustand und die Leistungsfähigkeit im Laufe des Rentenverfahrens aber offensichtlich nicht wesentlich geändert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet, denn die Klägerin hat in dem noch strittigen Zeitraum keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst die Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI).

Bei Prüfung der Frage, ob Berufsunfähigkeit vorliegt, muss zunächst der bisherige Beruf festgestellt und danach geklärt werden, auf welche Tätigkeiten ein Versicherter verwiesen werden kann. Hierzu hat die Rechtsprechung ein Mehrstufenschema entwickelt, demzufolge sich die rentenversicherungspflichtigen Berufstätigkeiten in mehrere Gruppen aufteilen lassen. Im Bereich der Angestelltenberufe lassen sich nach der Rechtsprechung des BSG folgende Gruppen bilden: Auf der untersten Ebene (Stufe 1) sind dies Tätigkeiten unausgebildeter bzw. nur kurzzeitig eingearbeiteter Angestellter, deren Anforderungsprofil keine über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht hinausgehenden Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert. Es folgen (Stufe 2) Angestelltenberufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren und danach (Stufe 3) solche mit einer längeren, regelmäßig dreijährigen Ausbildung. Weitere Gruppen bilden die Angestelltenberufe, welche eine Meisterprüfung oder den erfolgreichen Abschluss einer Fachschule (Stufe 4), oder ein abgeschlossenes Studium an einer Fachhochschule bzw wissenschaftlichen Hochschule (Stufe 5) voraussetzen. Schließlich kann für Führungspositionen, die ein Hochschulstudium erfordern, noch eine weitere Gruppe (Stufe 6) gebildet werden (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 240 Rdnr. 69 und 70 und BSG Urteil vom 9. April 2003 - B 5 RJ 38/02 - in Juris jeweils mit weiteren Nachweisen).

Für die nach dem genannten Schema vorzunehmende Einordnung des bisherigen Berufs ist nicht ausschließlich die Dauer der absolvierten oder erforderlichen Ausbildung maßgebend. Entscheidend ist die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Auch wenn in einem Beruf nicht der herkömmliche Ausbildungsweg durchlaufen wurde, besteht ein entsprechender Berufsschutz, wenn der Beruf nicht nur vorübergehend ausgeübt wurde, der Versicherte über die für die Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse verfügt und sich diese auch in einer entsprechenden Bezahlung widerspiegeln (BSG SozR § 1246 Nr. 116 und 168; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 13).

Wer mit seinem bisherigen Beruf einer dieser Gruppen angehört, kann nach ständiger Rechtsprechung des BSG in der Regel auf eine Tätigkeit der jeweils nächst unteren Stufe verwiesen werden. Denn das Gesetz sieht einen Versicherten nicht schon dann als berufsunfähig an, wenn er seinen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, sondern verlangt, ausgehend von diesem Beruf, einen "zumutbaren beruflichen Abstieg" in Kauf zu nehmen. Erst wenn ein Versicherter auch auf eine ihm zumutbare andere Tätigkeit nicht verwiesen werden kann, ist er berufsunfähig (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 55, 75, 86 und 90 sowie SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 2, 17, 28 und 41).

Gemessen an den vorstehend beschriebenen Grundlagen war die Klägerin im strittigen Zeitraum weder voll noch teilweise erwerbsgemindert oder berufsunfähig. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt, dass die oben genannten Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bezogen auf den strittigen Zeitraum nicht erfüllt sind, weil die Klägerin ihr zumutbare Tätigkeiten noch wenigstens sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten konnte. Der Senat sieht deshalb nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Ergebnisses der weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Nach den vorliegenden ärztlichen Äußerungen und Gutachten lagen bei der Klägerin im strittigen Zeitraum - zum Teil vorübergehend, zum Teil von unterschiedlicher Ausprägung - eine Adipositas, ein Diabetes mellitus Typ II, ein arterieller Hypertonus Stadium II, ein Zustand nach Nephrolithiasis links, Dorsalgien, Cervikoneuralgien und Lumbalgien bei Aufbraucherscheinungen und Aufbaustörung der BWS und LWS sowie ein Bandscheibenschaden L5/S1 ohne Wurzelirritation, eine Periarthropathie der linken Schulter, Hinweise auf eine beginnende Polyneuropathie, Arthrosen in Knie- und Hüftgelenken, depressive Verstimmungen bzw. depressive Episoden und eine Anpassungsstörung vor.

Die genannten orthopädischen Erkrankungen der Klägerin führten nach den im Wesentlichen übereinstimmenden und den Senat überzeugenden Einschätzungen von Dr. A. und Dr. B., denen auch der behandelnde Orthopäde Dr. L. zugestimmt hat, nur zu einer qualitativen, nicht aber zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens im strittigen Zeitraum. Dies gilt auch für die internistischen Erkrankungen der Klägerin, was der Senat dem im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten des Dr. P. entnimmt. Dem Diabetes ist - so Dr. P. - insofern nur dadurch Rechnung zu tragen, dass keine Tätigkeiten mit Gefährdungs- und Belastungsfaktoren anfallen sollten. Eine weitere qualitative Einschränkung, insbesondere die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen, die über die üblichen Verteilzeiten hinausgehen, ist dadurch nicht erkennbar. Für eine solche ergibt sich auch aus dem von der Klägerin geschilderten Tagesablauf kein Anhalt. Soweit Dr. H. eine weitergehende Einschränkung des Leistungsvermögens angenommen hat, ist diese Einschätzung durch die genannten Gutachten widerlegt. Er begründet dies mit chronischen Schmerzen, einer Depression mit Schlafstörungen, Angstzuständen und Panikattacken. Dabei handelt es sich aber um Leiden, die auch wesentlich vom Nervenarzt zu beurteilen sind. Somit konnte die Klägerin im strittigen Zeitraum unter Berücksichtigung der orthopädischen und internistischen Leiden zumindest leichte Tätigkeiten - ohne Überkopfarbeiten, Zwangshaltungen, ausschließlich stehende Tätigkeiten, Hocken, längeres Heben des linken Armes über der Waagerechten, ständiges Besteigen von Leitern und Treppen - sechs Stunden und mehr verrichten. Eine weitergehende quantitative oder qualitative Leistungsminderung ist im strittigen Zeitraum insofern nicht nachgewiesen.

Auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet lag im strittigen Zeitraum keine einen Rentenanspruch begründende Einschränkung des Leistungsvermögens vor. Die bei der Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet diagnostizierte beginnende Polyneuropathie (ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen) und die - vorübergehenden - depressiven Episoden wechselnder Ausprägung, bedingten im strittigen Zeitraum keine dauerhafte schwerwiegende Beeinträchtigung. Dies ergibt sich für den Senat aus der Gesamtschau der im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten der Dr. E., der Dr. S., des Dr. Schwarz und des Dr. H ... Soweit die Nervenärztin Glaser insofern von einer dauerhaften schwerwiegenden Beeinträchtigung auf Grund einer mittelschweren depressiven Störung ausgeht, lässt sich dies für den strittigen Zeitraum insgesamt nicht verifizieren. Die von ihr erhobenen Befunde weichen nicht wesentlich von denen ab, die Dr. S. erhoben hat. Auch hinsichtlich der von ihr angenommenen Polyneuropathie lassen sich für den strittigen Zeitraum dauerhafte funktionelle Einschränkungen nicht feststellen. Insbesondere wurden später bei der Untersuchung durch Dr. H. keine entsprechenden Beschwerden geklagt. Soweit Dr. S. von einer Anpassungsstörung ausgegangen ist, handelte es sich insofern um einen vorübergegangenen Zustand, der bei späteren Untersuchungen in der Weise nicht mehr feststellbar war. Unter Berücksichtigung der sonach auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen vermag der Senat nicht festzustellen, dass eine quantitative Leistungsminderung auf weniger als sechs Stunden im strittigen Zeitraum vorgelegen hat. Dies ergibt sich schlüssig und überzeugend aus dem Gutachten der Dr. E., die leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen, auch die einer Büroangestellten, für vollschichtig zumutbar erachtet hat, der Beurteilung der Dr. S., welche gleichfalls eine quantitative Leistungsminderung, auch hinsichtlich einer Tätigkeit als Bürokauffrau verneint hat, dem Sachverständigengutachten des Dr. S. und dem weiteren Sachverständigengutachten des Dr. H., die die Klägerin als vollschichtig leistungsfähig erachtet haben. Diese Einschätzung wird überzeugend begründet. So lässt der Tagesablauf, wie er noch bei Dr. H. geschildert wurde, eine wesentliche Einschränkung nicht erkennen. Bei der Untersuchung hat die Klägerin u. a. angegeben, sie stehe gegen acht Uhr auf, messe dann den Blutzucker und bereite das Frühstück, das sie mit ihrem Ehemann einnehme. Weiter mache sie am Vormittag den Haushalt und räume auf. Ansonsten sei sie in ihrem Ziergarten. Sie bereite ein warmes Mittagessen und lege sich danach eine Stunde hin. Am Nachmittag telefoniere sie zum Teil mit der Tochter. Außerdem mache sie nachmittags wieder Hausarbeit oder gehe spazieren. Abends esse man dann etwas Kaltes. Anschließend sehe sie fern und gehe etwa gegen 23.00 Uhr zu Bett. Am Wochenende bekomme man Besuch oder besuche befreundete Ehepaare. Sie gehe auch noch auf Veranstaltungen, je nach Befinden. Die zum Tagesablauf von der Nervenärztin Glaser erhobenen Angaben sind insofern eher knapp, stehen aber nicht im Widerspruch zu den Angaben gegenüber Dr. H ... Zusätzlich hat die Klägerin bei der Gutachterin Glaser angegeben, sie sei in vielen Vereinen Mitglied, wobei sie versucht habe, alles zu reduzieren. Ein wesentliches durch Schmerzen und eine Depression bedingtes länger andauerndes Rückzugsverhalten ist damit nicht erkennbar.

Des weiteren belegen die noch bei Dr. H. erhobenen Befunde keine zusätzliche qualitative Leistungsminderung. Der erhobene neurologische Befund war im Wesentlichen unauffällig. Hinsichtlich des psychischen Befundes hat sich ein geordneter formaler Gedankengang ohne Verlangsamung gezeigt. Inhaltliche Denkstörungen waren nicht vorhanden. Die Stimmungslage war nur stellenweise etwas gedrückt, ansonsten euthym. Die affektive Schwingungsfähigkeit war nicht reduziert. Auch eine Störung des Antriebs hat sich nicht gezeigt. Auf psychiatrischem Gebiet hat Dr. H. eine rezidivierende depressive Störung, im Untersuchungszeitpunkt weitgehend remittiert, diagnostiziert. Befunde hinsichtlich einer somatoformen Schmerzstörung waren bei der Untersuchung nicht feststellbar. Bei der testpsychologischen Zusatzuntersuchung haben sich im Bereich der Informationsverarbeitung deutliche Einbußen sowie bei der Konzentrationsleistung eine leichte Störung des Gedächtnisses und eine sehr leichte Störung der Aufmerksamkeitsleistung gezeigt. Die Klägerin kann - so der Gutachter unter Mitberücksichtigung seiner eigenen Untersuchungen und Auswertung der in den Akten enthaltenen ärztlichen Äußerungen und Befundangaben - noch leichte Arbeiten - ohne Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, gleichförmige Körperhaltung, Überkopfarbeiten, Tätigkeiten auf Leitern, häufiges Bücken und Treppensteigen, Tätigkeiten in Kälte und unter Kälteeinfluss oder im Freien, Überforderung durch Akkord-, Wechselschicht oder Nachtarbeit, Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck und solche mit einer das normale Maß deutlich übersteigender Verantwortung oder geistiger Beanspruchung - im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen acht Stunden täglich bzw. 40 Stunden wöchentlich verrichten. Dem schließt sich der Senat an.

Eine weitergehende und insbesondere quantitative Leistungsminderung für Tätigkeiten im Bürobereich und mit den genannten qualitativen Einschränkungen, auch auf orthopädischem und internistischem Gebiet, ist nicht festzustellen, insbesondere auch nicht durch das Gutachten der Sachverständigen Glaser. Der Klägerin ist zwar zuzubilligen, dass es auch depressive Episoden mit schwerwiegenderen Beeinträchtigungen gab, doch lag im strittigen Zeitraum insofern zu keinem Zeitpunkt eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung vor. Dies zeigt sich auch in der Zahl der Behandlungstage bei Dr. K. (von November 2004 bis Februar 2007: fünf Termine, davon keinen im Jahr 2006) und der Beendigung der Psychotherapie bei dem Psychotherapeuten V. im Jahr 2003 mit letzter Untersuchung im Oktober 2003.

Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin im strittigen Zeitraum zumindest leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr verrichten konnte. Damit war sie weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert.

Im Übrigen war die Klägerin im strittigen Zeitraum auch nicht berufsunfähig. Tätigkeiten der Stufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren hat sie nicht ausgeübt. Für ihre zuletzt ausgeübte (gemischte) berufliche Tätigkeit (Büroarbeiten, teils auch Verkauf und Mithilfe in der Schreinerei) hat die Klägerin weder eine Ausbildung benötigt, noch hat sie eine förmliche Ausbildung absolviert. Auch lagen die von ihr erzielten versicherungspflichtigen Entgelte in der Zeit von 1977 bis 2002 (jährlich zwischen 7.274 DM und maximal 8.436 DM) weit unter den Durchschnittsentgelten aller Versicherten (24.945 DM bis 28.628 EUR). Damit ist sie als Angelernte des unteren Bereiches einzustufen und auch auf einfache Bürotätigkeiten zumutbar verweisbar. Da sie die im angefochtenen Urteil genannten leichten Bürotätigkeiten im strittigen Zeitraum zur Überzeugung des Senats auch noch mindestens sechs Stunden verrichten konnte, lag Berufsunfähigkeit nicht vor.

Aus den vorstehenden Gründen hat die Klägerin für den strittigen Zeitraum keinen Anspruch auf Rente. Der Senat weist deshalb die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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