L 9 U 3902/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 326/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3902/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29. März 2007 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob als Folge des Arbeitsunfalls vom 2.11.1994 beim verstorbenen Ehemann der Klägerin (W.) Schwindel als weitere Unfallfolge festzustellen ist und ob er Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung hatte.

Der 1940 geborene und am 13.4.2008 verstorbene Ehemann der Klägerin war als Kraftfahrer/Tanklastwagenfahrer bei der M. GmbH in H. beschäftigt. Auf dem Weg zur Arbeit am 2.11.1994 gegen 6:45 Uhr fuhr ein anderer Verkehrsteilnehmer auf den PKW von W. ungebremst auf. W. nahm zunächst die Arbeit auf und suchte gegen 16:00 Uhr die Chirurgische Universitätsklinik H. auf. Dort wurde folgender Befund erhoben: Diskreter Druckschmerz über der rechten Nackenmuskulatur, kein Klopfschmerz über der Halswirbelsäule (HWS) und ausgeführt, W. klage über geringen Schwindel und Kopfschmerzen, jedoch weder über Übelkeit noch Erbrechen und auch nicht über einen Gedächtnisverlust; er sei während des Unfalls angeschnallt gewesen. Professor Dr. H./Professor Dr. M. diagnostizierten eine HWS-Distorsion und eine Densfraktur (Fraktur des Zahnfortsatzes des 2. Halswirbels). W. erhielt eine starre Halskrause und wurde vom 3. bis 5.11.1994 zur Abklärung einer Operationsindikation stationär aufgenommen (DA-Bericht vom 28.11.1994). Wegen der nur minimal dislozierten Densfraktur ohne Nachweis einer spezifischen neurologischen Symptomatik wurde W. nur konservativ behandelt, wobei nach 5 Tagen die starre Halskrause gegen eine individuell angepasste ausgetauscht wurde, die sechs Wochen getragen werden musste. Ab 13.12.1994 konnte die Krawatte tagsüber zeitweise abgelegt werden, wobei die isometrische krankengymnastische Beübung der HWS zur muskulären Stabilisierung fortgesetzt wurde (Berichte der Chirurgischen Klinik vom 16.12.1994 und 27.1.1995). Bei den Vorstellungen am 24.2. und 21.3.1995 in der Chirurgischen Klinik bestanden nach wie vor Nackenschmerzen und Schwindel nach längerem Weglassen der Halskrawatte bzw. persistierender Schwindel und Schmerzen bei Bewegung (vor allem Rotation). Die durchgeführten Funktionsaufnahmen zeigten eine knöchern durchbaute Fraktur, Zeichen für Instabilität im Bereich der HWS waren nicht vorhanden. Die Ärzte der Chirurgischen Universitätsklinik H. empfahlen eine ambulante Abklärung des Schwindels in der Neurologischen Klinik H. (Berichte der Chirurgischen Universitätsklinik H. vom 27.2. und 31.3.1995). Am 3.4.1995 wurde W. aus der ambulanten Behandlung als arbeitsfähig zum 4.4.1995 entlassen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde über die 13. Woche hinaus auf weniger als 20 vH eingeschätzt. Am 31.5.1995 stellte sich W. erneut in der Chirurgischen Universitätsklinik vor und berichtete, der zwischenzeitlich geklagte Schwindel sei eher rückläufig, jedoch bei Linkswendung gelegentlich auslösbar. Er leide unter rezidivierenden Kopfschmerzen, die bei Behandlung mit einer Halskrause sofort rückläufig seien. W. wurde daraufhin Krankengymnastik verordnet (Wiedererkrankungsbericht vom 1.6.1995).

Mit Schreiben und H-Arzt-Bericht vom 24.10.2000 teilte der Orthopäde Dr. R. der Beklagten mit, bei der HWS-Prüfung sei Schwindel auslösbar und die Seitneigung der HWS hälftig eingeschränkt gewesen. Am 14.3.2001 beantragte W. die Gewährung von Rente. Die Beklagte zog Leistungsauszüge der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK), die eine Arbeitsunfähigkeit vom 15.2.2001 bis 28.3.2001 auswiesen (Synkope und Kollaps, Fraktur des 2. HWK) und Arztbriefe des Neurologen und Psychiaters Dr. Jacobi vom 1.6.2001 (Zustand nach Dens-Fraktur 1994 sowie Zustand nach akutem Tonusverlust mit Verdacht auf vertebrobasiläre Insuffizienz und beginnende vaskuläre Enzephalopathie), des Internisten Dr. R. vom 10.3.2001 (Koronare Herzkrankheit, vitium cordis, Synkope, supraventrikuläre Extrasystolie), der Radiologischen Gemeinschaftspraxis in der Atos Praxisklinik vom 27.4.2001 (MRT Schädel: äußerst diskrete Zeichen einer SAE; unauffällige Darstellung des Hirnstamms) und vom 23.2.2001 (MRT HWS mit MR-Angio: Spondylosis deformans, Protrusionen HWK 4/5, 5/6, 6/7 mit leichter Einengung des vorderen Liquorraumes, Neuroforamina frei, Myelon ohne Befund), der HNO-Universitätsklinik Heidelberg vom 29.3.2001 (Vertigo unklarer Ursache), des HNO-Arztes Dr. S.-F. vom 22.3.2001 (Ausschluss peripher vestibulären Schwindels, Zustand nach Synkope) bei und holte ein orthopädisches Gutachten ein.

Der Orthopäde Dr. J. führte im Gutachten vom 19.6.2001 aus, W. gebe ständige Kopfschmerzen sowie einen Druck im Kopf an. Bei bestimmten Kopfhaltungen, insbesondere bei der Inklination, fühle er sich schwindelig, sodass er mit Wechselschritt das Gleichgewicht stabilisieren müsse. Beim Autofahren schliefen die Finger ein, links mehr als rechts. Die Beweglichkeit der HWS sei stark eingeschränkt. Als Unfallfolge sah Dr. J. einen Teil der Bewegungseinschränkung der HWS, einen Teil des zervikalen und muskulären Reizsyndroms (ohne objektivierbare neurologische Ausfälle) und die röntgenologischen Veränderungen einer stabil verheilten Densfraktur (ohne wesentliche Achsabweichung und ohne Beeinträchtigung des Myelons) an. Die MdE hierfür schätzte er ab 4.4.1995 bis auf weiteres auf 10 vH. Als unfallunabhängig sah er die degenerativen Veränderungen der HWS in den mittleren und unteren Abschnitten (C 4/5, 5/6 und 6/7 mit dorsaler Protrusion an der Bandscheibe C 6/7 mit leichter Einengung des subarachnoidalen Raumes) und den unklaren Schwindel an. Am 14.2.1995 habe eine freie HWS-Beweglichkeit bestanden. Der lange Zeitraum zwischen Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit (4/95) und den jetzt geschilderten Beschwerden mache bei fehlender Brückensymptomatik einen Unfallzusammenhang wenig wahrscheinlich. Die deutliche konzentrische Bewegungseinschränkung der HWS sei bei unfallunabhängigen degenerativen Veränderungen der unteren HWS nicht zwanglos auf das Unfallereignis zurückzuführen. Eine neurologische Zusatzbegutachtung werde empfohlen.

Mit Bescheid vom 12.7.2001 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 2.11.1994 als Arbeitsunfall und lehnte die Gewährung von Rente ab. Sie führte aus, als Folge des Arbeitsunfalls bestünden ein Teil der Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sowie röntgenologisch nachweisbare Veränderungen im ehemaligen Bruchbereich des knöchern fest verheilten Zahnfortsatzes des 2. Halswirbelkörpers ohne Beeinträchtigung des Rückenmarks. Der später aufgetretene Bewusstseinsverlust sowie der Schwindel seien nicht durch den Arbeitsunfall entstanden, sondern beruhten auf einer Hirnstammmangeldurchblutung. Darauf sei die weitere Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit zurückzuführen. Unfallunabhängig bestünden ebenfalls degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule und der Halsbandscheiben. Den Widerspruch von W. wies die Beklagte nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme bei Dr. J. vom 17.11.2001 mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2001 zurück.

Hiergegen erhob W. am 21.1.2002 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim, mit der er die Anerkennung eines Schwindels als weiteren Unfallfolge sowie die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 20 vH begehrte.

Das SG zog Leistungsauszüge sowie Unterlagen der AOK bei und hörte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen.

Der HNO-Arzt Dr. H. erklärte am 19.4.2002, W. habe sich lediglich einmal (24.8.1992) beim Praxisvorgänger Dr. Wiegand wegen einer schleichenden Schwerhörigkeit vorgestellt. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Knauf teilte am 29.8.2002 und 18.1.2003 mit, W. stehe seit 1976 in ihrer hausärztlichen Behandlung. Konsultationen wegen des Schwindels und der Kopfschmerzen seien erst nach dem Unfall vom 2.11.1994 erfolgt. Behandlungen wegen dieser Beschwerden habe sie nicht durchgeführt, da es sich dabei um Folgen eines Wegeunfalls gehandelt habe. Nach Entlassung und Ablegen der Halskrawatte habe W. trotz intensiver Krankengymnastik bis zum heutigen Tag über Schwindelerscheinungen beim Bewegen des Kopfes nach hinten, einen Kopfschmerz vom Nacken ausgehend und über Bewegungseinschränkungen der HWS sowie häufiges Nasenbluten geklagt. Eine Änderung sei bei W. nicht eingetreten. Konkretere Angaben könne sie nicht machen, da erst seit Oktober 2000 eine elektronische Patientenkartei geführt werde und zuvor die Konsultationen auf den Karteikarten und quartalsgebundenen Krankenscheinen vermerkt worden seien. Auf den Karteikarten von W. finde sich speziell den Schwindel betreffend kein Vermerk. Im von Dr. Knauf vorgelegten Arztbrief des Internisten Dr. R. vom 4.2.1996 werden folgende Diagnosen gestellt: "Carotis-Stenose, Bulbusplaque, supraventrikuläre Extrasystolie mäßigen Grades, koronare Herzkrankheit, Struma nodosa" und ausgeführt, W. habe über rezidivierende Schwindelattacken bei Blickwendungen und Kopfdrehungen geklagt. Dr. K. attestierte W. unter dem 24.8.1996, dass er am meisten unter dem lagerungs- und bewegungsabhängigen Schwindel als Residualsymptomaktik nach dem Unfall vom 2.11.1994 leide. Aus einem Gutachten des Chirurgen Dr. K. vom 20.3.1998, erstattet für die Helvetia-Versicherung, ist zu entnehmen, dass W. über Schwindelerscheinungen bei Reklination des Kopfes und eine Neigung zu Nasenbluten geklagt hat.

Das SG beauftragte Professor Dr. M., Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik H., mit der Begutachtung von W. Im Gutachten vom 22.2.2003 gelangte der Sachverständige zusammenfassend zum Ergebnis, in den klinischen Untersuchungen und der apparativen Diagnostik lasse sich kein Korrelat für die subjektiven Beschwerden von W. finden. Der zeitliche Zusammenhang zwischen Unfall und Symptomatik lege einen ursächlichen Zusammenhang mit der Densfraktur nahe, ohne den Zusammenhang zu beweisen. Die einmalige Episode mit Kollaps vom 15.2.2001 stelle mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Unfallfolge dar, da eine ähnliche Symptomatik bis dahin noch nicht aufgetreten sei und sich durch klinische Untersuchungen und apparative Diagnostik kein Korrelat habe finden lassen. Er schätzte die MdE für die Unfallfolgen ab 4.4.1995 auf 10 vH.

Auf Antrag von W. gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Professor Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser führte im Gutachten vom 4.5.2004 aus, nach den anamnestischen Angaben von W. vom 2.3.2004 sowie auch eindeutig nach der gesamten Aktenlage seien vor allem nach der Abnahme der starren Halskrause subjektive Schwindelbeschwerden in Form von Schwankschwindel und Instabilitätsgefühl, vor allem belastungsabhängig, dokumentiert. Bei W. sei im Unterberger´schen Tretversuch eine pathologische Abweichtendenz nachweisbar gewesen, obwohl eine zentrale Gleichgewichtsstörung und eine peripher-vestibuläre Gleichgewichtstörung ausgeschlossen werden konnten. Ferner sei ein propriozeptiver Cervicalnystagmus objektivierbar gewesen, der bei Kopfanteflexion den Spontansystagmus signifikant verstärke; ein diskreter Spontannystagmus nach links führe allein durch Körperrotation um 30° bei fixiertem Kopf zum Umschlag und somit zum Rechtsnystagmus. Nach diesen Befunden sei eine vertebragene Gleichgewichtstörung objektivierbar. Nach Aktenlage müsse davon ausgegangen werden, dass diese vertebragene Gleichgewichtstörung und Schwindelsymptomatik seit dem Unfall bestehe. Die von W. geklagte subjektive Schwindelsymptomatik sei wahrscheinlich nicht direkte, sondern indirekte Unfallfolge als Folge des Tragens einer starren Halskrause über acht Wochen. Folge man den Empfehlungen von Feldmann, Das Gutachten des HNO- Arztes und den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit (S. 73 Punkt 26.5.), so müsse bei W. von einer leichten Unsicherheit, geringen Schwindelerscheinungen wie Schwankungen, Stolpern, Ausfallschritt bei alltäglichen Belastungen ausgegangen werden. Eine derartige Schwindelsymptomatik bei einem objektivierbaren Schwindel werde mit einer MdE um 20 vH eingeschätzt. Synkopale Anfälle mit kurzfristiger Bewusstlosigkeit gehörten primär nicht zum Bild einer zervikalen Gleichgewichtstörung. Synkopale Anfälle seien am ehesten im Rahmen einer vertebrobasilären Insuffizienz zu sehen. Es handle sich hierbei um ein gänzlich anderes Krankheitsbild als den vertebragenen Schwindel nach HWS-Trauma und daraus resultierender Afferentationsstörung aus dem Kopfgelenksbereich. Der Beurteilung im neurologischen Gutachten von Prof. Dr. M. könne hinsichtlich den Ausführungen zu den Synkopen gefolgt werden. Anzumerken sei, dass eine Angiografie nicht nur eine Stenose im Bereich der hauptzuführenden Arterien darstellen könne, sondern auch ein Aneurysma. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der 2001 aufgetretenen Synkope und dem Unfall könne allein auf Grund einer kernspintomographischen Untersuchung mit Angiografie ausgeschlossen werden.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 23.11.2004 - nach Durchführung einer kernspintomographischen Untersuchung - führte Professor Dr. H. aus, bei W. sei eine erhebliche Einengung im oberen Anteil der Arterie vertebralis erkennbar. Dieser Befund könne die synkopalen Anfälle von W. erklären. Die angiografisch darstellbaren Gefäßveränderungen könnten jedoch nicht auf das schwere HWS-Trauma von 1994 zurückgeführt werden. In einer weiteren Stellungnahme vom 8.12.2004 setzte sich Professor Dr. H. mit Äußerungen der Beklagten auseinander. In der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12.4.2005 führte Professor Dr. H. aus, er gehe nach der gesamten Aktenlage und auf Grund der glaubhaften Angaben von W. von einer durchgehenden Schwindelsymptomatik aus. Die von der Beklagten angeführten Krankheitsbilder (angiografisch bestätigte Hyperplasie der Arterie vertebralis, ein bereits vor dem Unfall zur Arbeitsunfähigkeit führender Bluthochdruck, Bandscheibenprotrusionen HWK 4/5, 5/6 und 6/7 mit leichter Einengung des vorderen Liquorraumes) führten nicht zu einer Schwindelsymptomatik und zu einer zervikalen Gleichgewichtstörung, die er als Unfallfolge ansehe.

Mit Urteil vom 29.3.2007 hat das SG unter Änderung des Bescheides vom 12.7.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2001 als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 2.11.1994 Schwindel festgestellt und im übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Schwindel sei als weitere Unfallfolge festzustellen. Seine Überzeugung stütze das SG auf die übereinstimmende Beurteilung von Dr. K. und Professor Dr. H ... Der Expertise von Prof. Dr. H. sei zu entnehmen, dass seine Untersuchungen durch Objektivierung eines Cervicalnystagmus eine zervikale Gleichgewichtstörung nachgewiesen hätten. Da seit dem Unfall immer wieder Schwindelbeschwerden dokumentiert seien, sichere die pathologische Abweichtendenz im Unterberger´schen Tretversuch auch bei Verneinung einer sonstigen zentralen und auch einer peripher-vestibulären Gleichgewichtstörung und bei Objektivierung des propriozeptiven Cervicalnystagmus die vertebragene Gleichgewichtstörung. Die gefundene Schwindelsymptomatik beruhe nicht auf einer unfallbedingten primären Irritation im Kopfgelenksbereich, sondern auf einer sekundären Schädigung durch das anfängliche Tragen einer starren Halskrause als - inzwischen gehäuft als Kunstfehler angesehene, hier aber wegen der Densfraktur ersichtlich gerechtfertigte - posttraumatischen Therapie über acht Wochen hinweg. Die Unfallfolgen, die im Wesentlichen in dem geringfügigen Schwindel und den minimalen, auch von Dr. Kopp und Dr. J. beschriebenen orthopädischen Unfallfolgen (teilweise Bewegungseinschränkung der HWS, ein Teil des zervikalen muskulären Reizsyndroms, Zustand nach Densfraktur) bestünden, rechtfertigten allerdings entgegen Professor Dr. H. in der unverjährten Zeit nach dem 1.1.1997 keine MdE um 20 vH. Der von Prof. Dr. H. selbst als geringfügig charakterisierte Schwindel trete nur bei bestimmten Bewegungen des Kopfes auf. Die vom Schwindel ausgehende MdE und deren Auswirkungen auf die Einsetzbarkeit im allgemeinen Erwerbsleben seien auch auf Grund der zusammengefassten Tabelle von Stoll ab 1979 mit unter 10 vH zu bewerten. Auf die Entscheidungsgründe im übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 27.7.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9.8.2007 und gegen das ihm am 30.7.2007 zugestellte Urteil hat W. am 28.8.2007 Berufung eingelegt. Nachdem W. am 13.4.2008 verstorben ist, führt seine Ehefrau den Rechtsstreit als Sonderrechtsnachfolgerin weiter.

Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Berufung vorgetragen, das SG habe sich auf das gem. § 109 SGG erstattete neurootologische Gutachten von Prof. Dr. H. vom 6.5.2004 gestützt, der zum Ergebnis gelangt sei, eine längere Ruhigstellung der HWS mittels einer starren Halskrause habe zu einer Störung des Propriorezeptorensystems im Kopfgelenksbereich geführt. Es seien keine wissenschaftlich begründeten Erkenntnisse bekannt, die diese Theorie stützten. Auch habe Professor Dr. H. das notwendige Abwägen der Ursachen und Mitursachen unterlassen und ordne die Schwindelsymptomatik diskussionslos dem Unfallgeschehen zu. Zusammenfassend werde nicht plausibel gemacht, in wiefern der derzeitige subjektive Schwindel noch auf das Tragen der Halskrawatte im Jahr 1994 zurückzuführen sein solle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29. März 2007 aufzuheben, soweit Schwindel als Folge des Arbeitsunfalls vom 2. November 1994 anerkannt wurde und die Klage auch insoweit abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29. März 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr als Sonderrechtsnachfolgerin von W. Rente für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 30. April 2008 nach einer MdE um 20 vH zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, soweit die Klage abgewiesen worden sei, sei das Urteil nicht frei von Rechtsfehlern. Der Sachverständige Prof. Dr. H. habe die unfallbedingte MdE mit 20 vH eingeschätzt und diese Bewertung auch überzeugend begründet. Soweit das SG dieser Bewertung nicht gefolgt sei und dies - wenn auch nur ergänzend - damit begründet habe, dass Professor Dr. H. in einem Telefonat vor dem Entscheidungstermin sich den Überlegungen des Vorsitzenden angeschlossen habe, sei diese Art und Weise der Beweiserhebung und -verwertung sowie Beweiswürdigung unzulässig. Der von Prof. Dr. H. keineswegs als geringfügig, sondern als rentenbegründend charakterisierte Schwindel sei zwar nur bei bestimmten Bewegungen des Kopfes aufgetreten. Diese seien bei der Teilnahme am Erwerbsleben aber nicht zu verhindern gewesen. Auf die Beurteilungen von Dr. J. und Dr. J. könne schon deshalb nicht abgestellt werden, weil diese von einer unzutreffenden Diagnose ausgegangen seien, ebenso wie Prof. Dr. M. im Jahr 1995. Dass W. seinen Beruf noch einige Jahre ausgeübt habe, vermöge die von Prof. Dr. H. festgestellte Schwere der Leistungsbeeinträchtigung nicht in Zweifel zu ziehen.

Der Senat hat Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Diese hat am 27.10.2007 mitgeteilt, die handschriftlichen Eintragungen in die Karteikarte von W. umfassten den Zeitraum vom 20.12.1975 bis 5.5.2000. Eine Verordnung über ein Medikament gegen Schwindel sei nicht dokumentiert. Da ihr nicht klar gewesen sei, ob Schwindel Folge des Arbeitsunfalls vom 2.11.1994 oder kardial bedingt sei, habe sie W. am 15.11.1999 zum Internisten Dr. R. überwiesen. Sie könne sich noch daran erinnern, dass W. in den Jahren 1996 bis 2000 recht häufig über Schwindel geklagt habe. Ferner hat sie einen Auszug aus der elektronischen Kartei vorgelegt, der die Zeit vom 4.7.2000 bis 28.8.2003 umfasst und mitgeteilt, auf der elektronischen Kartei finde sich am 5.7.2001 ein Vermerk, dass W. über Schwindel geklagt habe.

Des Weiteren hat der Senat die Schwerbehindertenakte von W. und die Akte des SG Mannheim S 9 SB 2113/02 in dem Rechtsstreit des W. gegen das Land Baden-Württemberg beigezogen. In letzterer befindet sich ein Befundbericht des Orthopäden Dr. S. an Dr. K. vom 15.2.2001, wonach W. diesem am 15.2.2001 berichtet habe, er habe am 31.1.2001 beim Hinknien Schwindel verspürt und sei auf beide Knie gefallen. Im Rahmen der Untersuchung sei bei HWS-Reklination sofort Schwindel aufgetreten. Bis zur Abklärung der unklaren Synkopen durch den Neurologen sei W. als Fahrer eines Benzintransporters zunächst arbeitsunfähig.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats und die beigezogenen Schwerbehindertenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegten Berufungen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig. Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet, da sie als Sonderrechtsnachfolgerin von W. keinen Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls von W. bis zu seinem Tod hat. Die Berufung der Beklagten ist dagegen begründet, da das SG zu Unrecht Schwindel als weitere Unfallfolge festgestellt hat.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten nacheinander 1. dem Ehegatten, 1 a. dem Lebenspartner, 2. den Kindern, 3. den Eltern, 4. dem Haushaltsführer zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben und von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Mehrere Personen einer Gruppe stehen die Ansprüche zu gleichen Teilen zu (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Da die Klägerin Ehefrau des verstorbenen Versicherten war und mit diesem zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, stehen ihr die Rentenansprüche des Versicherten, soweit er solche hatte, bis zu dessen Tod zu. Die Klägerin kann demnach etwaige Rentenansprüche geltend machen und ist befugt, den Rechtsstreit, den sie als Nachfolgerin aufgenommen hat, fortzuführen. Ein Anspruch auf Rente besteht jedoch nicht.

Zurecht hat das SG als Rechtsgrundlage für die Entscheidung über das Klagebegehren die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) zugrunde gelegt, obwohl sich der Unfall noch unter Geltung des (alten) Rechts der Reichsversicherungsordnung (RVO) ereignet hat, da nach der Übergangsvorschrift des § 214 Abs. 3 SGB VII das ab 1.1.1997 geltende neue Recht des SGB VII bei Versicherungsfällen Anwendung findet, die sich zwar noch zur Zeit der Geltung der RVO ereignet haben, bei denen aber die erstmalige Feststellung einer Rente nach dem 31.12.1996 vorgenommen wird.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Darüber hinaus hat ein Versicherter, der einen Arbeitsunfall erlitten hat, auch einen Anspruch auf Feststellung der Unfallfolgen.

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles und auch ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung der MdE bzw. der Verletztenrente ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich- philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 17= BSGE 96, 196-209).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - aaO).

Der bei W. vorhanden gewesene Schwindel ist zur Überzeugung des Senats nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 2.11.1994 zurückzuführen. Bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. H. am 2.3.2004 gab W. an, dass er besonders bei Kopfrückneigung und Kopfvorbeugung ein Druckgefühl im ganzen Kopf empfinde. Es würde ein Kopfschmerz auftreten, der vom Hinterkopf bis in die Stirn ziehen würde. Dann würde ein Unsicherheitgefühl auftreten, das jeweils ein bis zwei Minuten lang anhalten würde. Derartige Schwindelanfälle würden mehrmals am Tag auftreten. Bei der Untersuchung auf propriozeptiven Cervicalnystagmus stellte Prof. Dr. H. bei W. vor allem bei der Kopfanteflexion eine deutliche Aktivierung des Spontannystagmus nach links fest, der bei Körperrotation nach links um 30° in einen Rechtsnystagmus umschlug und vertrat die Auffassung, dieser Cervicalnystagmus objektiviere eine zervikale Gleichgewichtstörung.

Auch wenn man Prof. Dr. H. darin folgt, dass es sich bei dem von ihm bei W. festgestellten Schwindel um eine zervikale Gleichgewichtstörung handelt, vermag der Senat nicht festzustellen, dass dieser mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 2.11.1994 beruht. Für den Senat ist schon nicht nachgewiesen, dass der von Prof. Dr. H. erhobene Befund bzw. die erhobene Schwindelsymptomatik seit dem Arbeitsunfall bzw. der Abnahme der Halskrause - wovon Prof. Dr. H. ausgeht - unverändert bestanden hat und auch nicht, dass nach Abnahme der starren Halskrawatte deutliche Unsicherheitsgefühle und Schwankschwindelbeschwerden aufgetreten sind.

Der Senat stellt vielmehr anhand der vorliegenden Akten fest, dass der ursprünglich nach dem Unfall vorhandene Schwindel nachgelassen hat und in der Folgezeit bis zum 31.1.2001 das Auftreten von Schwindel lediglich selten und in geringem Umfang dokumentiert ist, eine einschlägige Behandlung wegen Schwindel in diesem Zeitraum nicht stattgefunden hat und eine Arbeitsunfähigkeit des als Tanklastwagenfahrer tätig gewesenen W. erst nach dem im Arztbrief von Dr. Stock vom 15.2.2001 angegebenen Ereignis vom 31.1.2001 am 15.2.2001 eingetreten ist.

Ab 13.12.1994 konnte W. die Halskrawatte tagsüber zeitweise ablegen, wobei die isometrische krankengymnastische Beübung zur muskulären Stabilisierung fortgesetzt wurde, wie der Senat dem Bericht der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg vom 27.1.1995 entnimmt. Am 24.2.1995 bestanden nach wie vor Nackenschmerzen und Schwindel nach längerem Weglassen der Halskrawatte, weswegen ein Schmerzmittel verschrieben und weiter Krankengymnastik durchgeführt wurde (Zwischenbericht der Chirurgischen Universitätsklinik H. vom 27.2.1995). Der Schwindel und die Schmerzen bei Bewegung (vor allem Rotation) bestanden auch noch am 21.3.1995 (Bericht der Chirurgischen Universitätsklinik vom 31.3.1995). Krankengymnastik wurde bis 7.4.1995 fortgesetzt. Bei der Untersuchung vom 31.3.1995 in der Ambulanz der Neurologischen Universitätsklinik H. gab W. Schwindel lediglich bei schnellen Kopfbewegungen an und schilderte insgesamt rückläufige Beschwerden (siehe Gutachten Prof. Dr. M. vom 22.2.2003). Bei der Wiedervorstellung in der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg wegen Kopfschmerzen am 31.5.1995 erklärte W. ebenfalls, dass der Schwindel eher rückläufig, jedoch bei Linkswendung noch gelegentlich auslösbar sei (Bericht der Chirurgischen Universitätsklinik vom 1.6.1995). Dies spricht dafür, dass es beim Schwindel zu einer Besserung gekommen ist, ebenso wie die Tatsache, dass W. ab 4.4.1995 wieder seinen Beruf als Tanklastwagenfahrers ausüben konnte, bei der Wiedervorstellung am 31.5.1995 keine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, sondern nur weiter Krankengymnastik verordnet wurde. Für die von Prof. Dr. H. angenommenen deutlichen Unsicherheitsgefühle und Schwankschwindelbeschwerden findet sich seit dem 4.4.1995 bzw. dem 31.5.1995 bis zum 31.1./15.2.2001 kein Anhalt und insbesondere kein Nachweis.

Die Angaben der behandelnden Hausärztin Dr. K. belegen ebenfalls nicht, dass bei W. seit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 4.4.1995 bis zum 31.1./15.2.2001 ein dauerhafter bzw. häufig rezidivierender Schwindel vorgelegen hat. Sie hat zwar in der sachverständigen Zeugenaussage vom 27.10.2007 behauptet, sie könne sich daran erinnern, dass W. in den Jahren 1996 bis 2000 immer wieder über Schwindel geklagt habe. Aus ihren handschriftlichen Eintragungen in der Karteikarte von W., die den Zeitraum vom 20.12.1995 bis 5.5.2000 umfassen, ergeben sich aber keine Vermerke über Schwindel oder die Verordnung eines Medikaments gegen Schwindel. Darüber hinaus hat sie in ihrer Zeugenaussage vom 29.8.2002 gegenüber dem SG angegeben, dass Behandlungen wegen des Schwindels und der Kopfschmerzen nach dem Unfall vom 2.11.1994 durch sie nicht erfolgt seien, weil es sich hierbei um einen Wegeunfall gehandelt habe und die Behandlung deswegen durch Fachärzte erfolgt sei. Aus den von Dr. K. vorgelegten Unterlagen ergibt sich lediglich aus dem Arztbrief des Internisten Dr. R. vom 4.2.1996, dass W. über rezidivierende Schwindelattacken bei Blickwendungen und Kopfdrehungen geklagt habe, aus dem Attest vom 24.8.1996, dass er am meisten unter dem lagerungs- und bewegungsabhängigen Schwindel als Residualsymptomaktik nach dem Unfall vom 2.11.1994 leide und aus dem Gutachten von Dr. K. vom 20.3.1998, erstattet für die Helvetia Versicherung, dass W. Schwindelerscheinungen beim Reklinieren des Kopfes (Kopf in den Nacken legen) angegeben hat. Weitere Belege für Schwindel ergeben sich nicht. Der Orthopäde Dr. R. schildert im H-Arzt-Bericht vom 24.10.2000, dass bei der HWS-Prüfung ein Schwindel auslösbar gewesen sei und dass eine deutliche konzentrische Bewegungseinschränkung der HWS vorliege, die er als Folgezustand nach der Densfraktur aus dem Jahr 1994 ansieht, Angaben über von W. geklagte Schwindelbeschwerden macht er dagegen nicht. Ebenso wenig finden sich im von W. am 24.1.2000 unterschriebenen Antrag nach dem damaligen Schwerbehindertengesetz (beim Versorgungsamt eingegangen am 17.5.2000) Angaben über Schwindelbeschwerden. Neben einer Gastropathia nervorsa bei Reizmagen werden lediglich dem orthopädischen Fachgebiet zuzurechnende Behinderungen geltend gemacht. Auch im anschließenden Verwaltungsverfahren (Bescheid vom 5.12.2000 (Grad der Behinderung 30 wegen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke) und Widerspruchsbescheid vom 8.3.2001 (mit Präzisierung der Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und des Schultergelenks links bei Osteoporose, des Hüftgelenks, des Kniegelenks links und des unteren Sprunggelenks rechts)) finden sich keine Hinweise auf Schwindelbeschwerden. Erst im Erhöhungsantrag vom 18.2.2002 wird unter Benennung der behandelnden Ärzte Schwindel mit Behandlungsbeginn ab 15.2.2001 angegeben. Dementsprechend wird auch im Arztbrief von Dr.S.-F. vom 22.3.2001 anamnestisch festgehalten, im Februar einmalige Synkope, seitdem rezidivierende, unsystematische Schwindelbeschwerden.

Erst nach der - auch nach Ansicht von Prof. Dr. H. - unfallunabhängigen Synkope vom 31.1./15.2.2001 finden sich auch weitere Angaben von W. über die bei ihm vorhandene Schwindelsymptomatik: • Schwankschwindel für einige Sekunden (Arztbrief der HNO-Universitätsklinik H. vom 25.7.2001) • Schwindel bei bestimmten Kopfhaltungen, insbesondere bei der Inklination fühle er sich schwindelig, sodass er mit Wechselschritt das Gleichgewicht stabilisieren müsse (Gutachten des Orthopäden Dr. J. vom 19.6.2001) • Schwindelbeschwerden bei Reklination des Kopfes (Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. J. vom 1.6.2001) • Bei Kopfrückneigung und -vorbeugung Druckgefühl im ganzen Kopf, Kopfschmerz vom Hinterkopf in die Stirn ziehend, Unsicherheitsgefühle für ein bis zwei Minuten (Gutachten Prof. Dr. H. vom 4.5.2004).

Danach ist es entgegen der Annahme von Prof. Dr. H. ausweislich der Akten nach Abnahme der Halskrause nicht zu einem Schwankschwindel und einem Instabilitätsgefühl, vor allem bewegungsabhängig, gekommen, sondern der Schwankschwindel wurde erst nach der Synkope im Jahr 2001 und das Unsicherheitsgefühl ebenfalls erst ab dem Jahr 2001 geklagt. Der nach Prof. Dr. H. für Affernationsstörung bei funktioneller Kopfgelenksstörung typische asystemische Schwindel in Form von Schwankschwindel, Trunkenheitsgefühl, Unsicherheitsgefühl ist somit bei W. nach den vorhandenen ärztlichen Unterlagen in der Zeit von 1995 bis 2001 nicht nachweisbar. Deswegen vermag der Senat Prof. Dr. H. auch nicht darin zu folgen, dass die Schwindelbeschwerden von W. ursächlich auf die Behandlung mit einer starren Halskrause über acht Wochen nach dem Unfall zurückzuführen sind.

Unabhängig davon, dass nach Ansicht des Senats schon nicht mit Wahrscheinlichkeit feststellbar ist, dass die bei W. ab dem Jahr 2001 diagnostizierten Schwindelbeschwerden unfallbedingt sind, würden die Schwindelbeschwerden und die anerkannten Unfallfolgen auch nicht zu einer MdE um 20 vH führen. Nachdem bei W. Schwanken und Stolpern wegen Schwindel in den seit 1995 vorliegenden Arztbriefen und ärztlichen Unterlagen nicht dokumentiert sind und gegen derartige Beschwerden auch die weitere Berufstätigkeit von W. als Tanklastwagenfahrer bis zum 15.2.2001 spricht, ist von der Intensitätsstufe 0 (Gefühl der Unsicherheit) und Beschwerden bei niedriger bzw. mittlerer Belastung (Schwindel insbesondere bei schnellen Kopfbewegungen 3/95 bzw. bei bestimmten Kopfhaltungen) auszugehen. Hierfür ergäbe sich für den Schwindel eine MdE unter 10 vH (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 407 bis 410). Auch unter Berücksichtigung der schon anerkannten Unfallfolgen würde dies zu keiner MdE um 20 vH führen.

Der Senat sah auch keine Veranlassung, Prof. Dr. H. zur Erläuterung seines Gutachtens und der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen in die mündliche Verhandlung zu laden, zumal die Einschätzung der MdE nicht nur eine medizinische, sondern insbesondere eine Rechtsfrage ist, über die der Senat unter Berücksichtigung der einschlägigen unfallmedizinischen Literatur zu entscheiden hat.

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG insofern aufzuheben, als darin Schwindel als weitere Unfallfolge festgestellt wurde. Die Klage musste auch insoweit abgewiesen werden. Die Berufung der Klägerin musste zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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