L 9 U 3968/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 777/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3968/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05. April 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Tatbestand:

Umstritten ist die Feststellung von (weiteren) Unfallfolgen und die Gewährung höherer Verletztenrente sowie die Gewährung von Verletztenrente auf Dauer.

Der 1965 geborene Kläger erlitt am 26. Oktober 2001 einen Unfall, als er auf dem Weg von der Arbeit nach Hause mit seinem Roller fahrend mit einem PKW kollidierte. Hierbei zog er sich neben einer Schürfwunde der rechten Schulter und einer Knieprellung rechts im Wesentlichen eine Scapulafraktur rechts zu, die am 30. Oktober 2001 mittels Plattenosteosynthese operativ versorgt wurde (Berichte Dr. D. vom 2. und 12. November). Nach stationärer Behandlung bis 12. November 2001 erfolgten bei verzögertem Heilungsverlauf mehrere weitere stationäre Behandlungen, so vom 18. bis 27. Dezember 2001, 21. bis 28. Februar 2002 und 01. bis 22. Oktober 2002. Bis 22. Oktober 2002 gewährte die Beklagte dem Kläger, der ab 23. Oktober 2002 wieder arbeitsfähig war (Mitteilung vom 22.Oktober 2002 und Bericht vom 11. November 2002 des Prof. Dr ...W.), Verletztengeld. Am 21. Juli 2004 wurde die Metallplatte bei komplikationslosem Verlauf entfernt (vorläufiger Entlassungsbericht des Dr. K., Orthopädische Klinik des Klinikums M., vom 22. Juli 2004). Deswegen war der Kläger nach Mitteilung der Beklagten von 20. Juli bis 6. August 2004 arbeitsunfähig.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2003 und Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 23. Oktober 2002 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. und anerkannte als Unfallfolgen "Muskel- und Kraftminderung im Bereich der re. Schulter; Bewegungseinschränkung im re. Schultergelenk; reizlose Narbe mit Sensibilitätsstörungen an der re. Schulter; röntgenologische Veränderungen und Belastungsbeschwerden im Bereich der rechten Schulter nach Schulterhals- und Schulterblattfraktur re., die bei liegendem Metall knöchern fest verheilt sind."

Dem Bescheid und dem Widerspruchsbescheid lagen neben vielfachen Behandlungsberichten im Wesentlichen ein nervenärztliches Zusatzgutachten des Dr. B. vom 29. Mai 2003 (Unfallfolgen auf nervenärztlichem Gebiet: Muskuläre Direktschädigung des Musculus infraspinatus mit diskreter Schwäche bei Oberarmabduktion und -außenrotation und beim Schürzengriff rechts, lokale Schädigung sensibler Hautnerven mit funktionell unerheblicher handflächengroßer Sensibilitätsstörung im Narbenbereich; streng nervenärztlich keine MdE) sowie das erste Rentengutachten des Prof. Dr. Q. vom 31. März 2003 und dessen abschließende gutachterliche Stellungnahme vom 16. Juni 2003 (Gesamt-MdE vom 23. Oktober 2002 bis 24. März 2003 20 v.H., vom 25. März 2003 bis Ende des 3. Unfalljahres 20 v.H.; wegen der Bezeichnung der wesentlichen Unfallfolgen wird auf das Gutachten, wegen der Bewegungsmaße auf das diesem beiliegende Messblatt verwiesen) und weitere Berichte des Prof. Dr. W. vom 29. Juli und 07. November 2003 zu Grunde.

Mit seiner deswegen am 19. März 2004 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat der Kläger zunächst die Feststellung von Bewegungseinschränkung, Kraftlosigkeit und eines zeitweisen Taubheitsgefühls des rechten Armes und eines zeitweisen Taubheitsgefühls der rechten Hand sowie die Gewährung höherer Verletztenrente geltend gemacht.

Das SG hat zunächst den Orthopäden L. und den Chirurgen Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Orthopäde L. hat am 6. Juli 2004 dem Gutachten von Prof. Dr. Q. zugestimmt, aber im Hinblick auf einen - beigefügten - Bericht des Nervenarztes Dr. K. vom 28. Juni 2004 (u. a. "deutliche Arbeitszeichen der Hände beidseits") zusätzlich eine Schädigung des nervus suprascapularis, welcher den Musculus infraspinatus (Außendreher) versorge, mit einer MdE um 20 v.H. auf Dauer (weil eine Besserung eher fraglich sei) angenommen. Der Chirurg Dr. Mayer hat am 8. Juli 2004 den Befunden in den Gutachten von Prof. Dr. Q: und Dr. B. zugestimmt und die MdE auf 15 v.H. geschätzt sowie u. a. einen Bericht des Nervenarztes Dr. B. vom 15. September 2003 (kein Anhalt für Schädigung eines peripheren Nerven des Armplexus oder einer cervikalen Nervenwurzel, kein Hinweis auf zentrale Störung) vorgelegt.

Die Beklagte hat sodann ein Gutachten des Prof. Dr. Q: vom 19. Mai 2004 (MdE 10 v.H.; wegen der noch festgestellten Unfallfolgen wird im Übrigen auf das Gutachten und das beigefügte Messblatt verwiesen) vorgelegt und - nach Anhörung (Schreiben vom 21. Juni 2004) - mit Bescheid vom 13. Juli 2004, dem Kläger am 19. Juli 2004 zugestellt, die vorläufige Rente mit Ablauf des Monats Juli 2004 entzogen, einen Anspruch auf Rente für unbestimmte Zeit abgelehnt und als Unfallfolgen noch "Muskelminderung im Bereich der re. Schulter, Bewegungseinschränkung im re. Schultergelenk, reizlose Narbe an der re. Schulter, röntgenologische Veränderungen und Beschwerden im Bereich der re. Schulter nach Schulterhals- und Schulterblattfraktur re., die bei liegenden Metall knöchern fest verheilt ist" festgestellt. Die Bewegungseinschränkung rechtfertige keine MdE um 20 v.H. mehr.

Das SG hat den Orthopäden L. nochmals als sachverständigen Zeugen gehört, der am 12. August 2004 über die zwischenzeitliche Metallentfernung berichtet sowie Arztbriefe des Dr. Seiferth vom 9. Juli 2004 und des Dr. K. vom 22. Juli 2004 (über die Metallentfernung), jeweils orthopädische Klinik des Klinikums M., vorgelegt und MdE mit 20 v.H. bewertet hat. Am 6. August seien bei reizlosen Wundverhältnissen die Hautfäden entfernt worden. Die Bewegungsfähigkeit der rechten Schulter sei bei 14 Tage zurückliegender Operation eher schlechter als besser. Mit einer Besserung sei aber zu rechnen. Es bleibe abzuwarten, ob der geschädigte Nervus suprascapularis sich durch die Metallentfernung wieder erhole. Derzeit schätze er die MdE auf 20 vH und empfehle eine Nachbegutachtung in einem halben Jahr.

Außerdem hat das SG ein Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. P. vom 06. Juni 2005 eingeholt. Er hat eine Muskelminderung im Bereich der rechten Schulter insbesondere des Musculus infraspinatus, eine leichte Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes, eine posttraumatische Arthrose des rechten Schultergelenks bei Zustand nach osteosynthetisch versorgter Schulterblattfraktur und zwischenzeitlich erfolgter Metallentfernung und einen Zustand nach in anatomisch exakter Position abgeheilter Rippenserienfraktur rechts als Unfallfolgen festgestellt und hat die unfallbedingte MdE vom 23. Oktober 2002 bis 19. Juli 2004 auf 20 v.H., vom 20. Juli bis 31. August 2004 auf 100 v.H. und ab 01. September 2004 auf insgesamt 10 v.H. geschätzt. Im übrigen hat er ausgeführt, zum Zeitpunkt der Erstellung des zweiten Rentengutachtens durch Prof. Dr. Q: im Mai 2004 habe eine im Vergleich mit dem Vorgutachten deutlich gebesserte Funktion mit weiteren klinischen Hinweisen für eine gute Belastbarkeit der rechten oberen Extremität im Sinne von Arbeitsspuren bestanden, weswegen eine nun niedrigere Einschätzung der MdE ebenso nachvollziehbar wie zutreffend sei.

Mit Urteil vom 05. April 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe verwiesen.

Gegen das am 11. Juli 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07. August 2006 Berufung eingelegt, mit welcher er die Feststellung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung von höherer Verletztenrente bzw. Verletztenrente auf Dauer erstrebt. Es lägen Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet vor. Hierzu hat er einen Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 22. Januar 2007 (Diagnose: Obere Plexusläsion rechts, differentialdiagnostisch mechanische Störung bei Zustand nach Trauma; zu keinem Zeitpunkt sei eine neurologische Störung beschrieben, die mechanische Störung stehe im Vordergrund) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05. April 2006 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides vom 14. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2004 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Juli 2004 als weitere Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung und Kraftlosigkeit sowie ein zeitweises Taubheitsgefühl des rechten Armes und ein zeitweises Taubheitsgefühl der rechten Hand festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 23. Oktober 2002 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H. auf Dauer zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Orthopäden L. und Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Der Orthopäde L. hat am 29. Dezember 2006 über Behandlungen und die erhobenen Befunde berichtet (nach 2004 keine weitere Behandlung der rechten Schulter). Dr. B. hat am 19. März 2007 über die seit 20. November 2006 erhobenen Befunde berichtet und sich mangels Kenntnis der Erstverletzung außerstande gesehen, eine Zusammenhangsbeurteilung abzugeben.

Außerdem hat der Senat ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie Dr. E. vom 05. Juli 2007 eingeholt. Dieser ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, es bestehe eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter mit Einschränkung der Armabduktion, die orthopädisch bedingt sei. Neurologische Unfallfolgen bestünden keine. Beklagte diffuse Sensibilitätsstörungen (Sensibilitätsstörungen im Sinne eines Taubheitsgefühle des gesamten rechten Armes und aller Finger während des Liegens auf der rechten Körperseite oder in Ruheposition des Armes, plötzlich auftretende Kraftlosigkeit des gesamten rechten Armes unter Belastung) seien klinisch nicht objektivierbar gewesen. Es liege eine abgeheilte und auch subjektiv beschwerdefreie Rippenserienfraktur 2 bis 7 rechts vor sowie eine lokale Schädigung sensibler Hautnerven im Narbenbereich, die funktionell unerheblich sei. Bei kompletter Zurückbildung der vorbeschriebenen Teilläsion des Nervus suprascapularis rechts und keinem Nachweis einer neurogenen Läsion des Muskulus infraspinatus bestehe keine MdE auf neurologischem Fachgebiet mehr. Er stimme allen Gutachten außer den Stellungnahmen des Orthopäden L. und des Dr. S. zu. Der Orthopäde L. schlage eine MdE um 20 v.H. vor, wohingegen Dr. Brosi die beschriebene Nervenschädigung bereits am 29. Mai 2003 ausgeschlossen habe. In der zur Verfügung stehenden medizinischen Dokumentation sei keine Unterarmbeugeparese, keine Unterarmsupinationsparese und kein schlaff herabhängender nach innen rotierter Arm mit ausgelöschtem Bizepssehnenreflex (BSR) und Radiusperiostreflex (RPR) beschrieben, weswegen die Diagnose einer Oberarmplexusparese durch Dr. Said nicht nachvollziehbar sei. Für die in der Aussage von Dr. B. vom 19. März 2007 erwähnte Lumboischalgie rechts sowie einen Ellenbogenschmerz unter Belastung links hätten sich bei seiner Untersuchung keine klinischen Hinweise ergeben und der Kläger diesbezüglich keine Beschwerden beklagt.

Des weiteren hat der Senat ein psychiatrisches Sachverständigengutachten des Dr. H. vom 21. August 2007 eingeholt. Er ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, es lägen weder unfallabhängige noch unfallunabhängige psychiatrische Erkrankungen vor.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat weder Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen, noch auf Gewährung höherer Verletztenrente und Verletztenrente über den 31. Juli 2004 hinaus.

Die gegen den Bescheid vom 14. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2004 erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage erstreckt sich gemäß § 96 SGG auch auf den Bescheid vom 13. Juli 2004, mit welchem die Beklagte die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente entzogen und die Gewährung einer Dauerrente abgelehnt hat. Diesen Bescheid hat das SG zwar mangels entsprechender Antragstellung nicht in den im Tatbestand aufgeführten Antrag aufgenommen, es hat über diesen aber im Urteil entschieden, in dem es in den Entscheidungsgründen einen Anspruch auf Verletztenrente über den 31. Juli 2004 hinaus verneint hat.

Soweit der Kläger die Feststellung weiterer Unfallfolgen erstrebt, ergibt sich die Zulässigkeit der Feststellungsklage aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG (vgl Urteil des BSG vom 5. Februar 2008 - B 2 U 6/07 R in Juris).

Das Begehren auf Feststellung einer Bewegungseinschränkung und Kraftlosigkeit sowie eines zeitweisen Taubheitsgefühls des rechten Armes und eines zeitweisen Taubheitsgefühls der rechten Hand als weitere Unfallfolgen ist nicht begründet. Darüber hinaus hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Gewährung höherer Verletztenrente und auf Gewährung von Verletztenrente über den 31. Juli 2004 hinaus.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2,3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit), wobei versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit sind (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Gemessen daran hat der Kläger einen als Wegeunfall versicherten Arbeitsunfall erlitten. Streitig ist indes, welche Ansprüche hieraus abzuleiten sind.

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles und auch ihrer Berücksichtigung bei der Gewährung von Leistungen, insbesondere auch der Bemessung der MdE bzw. der Verletztenrente ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich- philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 17= BSGE 96, 196-209).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen. Soweit er die Feststellung einer Bewegungseinschränkung des rechten Armes geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass im Bescheid vom 13. Juli 2004 neben einer Muskelminderung im Bereich der rechten Schulter auch eine Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk bereits als Unfallfolge anerkannt ist. Soweit der Kläger eine Kraftlosigkeit sowie ein zeitweises Taubheitsgefühl des rechten Armes und ein zeitweises Taubheitsgefühl der rechten Hand als Unfallfolgen begehrt, ist sein Begehren unbegründet. Dies ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar aus dem im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten des Prof. Dr. Q: vom 19. Mai 2004, dem Gutachten von Dr. P. und insbesondere aus dem Gutachten von Dr. E ... Letzterer konnte die vorbeschriebene Teilläsion des Nervus suprascapularis nicht mehr nachweisen und damit auch eine neurogene Schädigung des Muskulus infraspinatus nicht mehr bestätigen. Zu Recht hat er darauf hingewiesen, dass die von dem Orthopäden L. beschriebene Nervenschädigung bereits durch Dr. B. im Gutachten vom 29. Mai 2003 ausgeschlossen worden war, nachdem dieser eine muskuläre Direktschädigung des Muskulus infraspinatus durch den Unfall festgestellt hatte, die nach den Darlegungen von Dr. E. auch weiterhin als Ursache einer geringfügigen Außenrotationseinschränkung des rechten Oberarms gelten muss. Selbst wenn eine Verletzung des Nervus suprascapularis angenommen würde, könnte sie nicht mit den vom Kläger angegebenen, den ganzen rechten Arm und die rechte Hand betreffenden Gefühlsstörungen in Verbindung gebracht werden, wie auch Dr. P. dargelegt hat. Auch hat Dr. E. nachvollziehbar ausgeführt, dass die von Dr. Said diagnostizierte Oberarmplexusparese nicht durch entsprechende neurologische Befunde belegt wurde. Letztlich hat auch Dr. S. die von ihm angenommene Störung nicht als neurologische Störung sondern als mechanische Störung angesehen.

Auch hinsichtlich der Verletztenrente ist die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Für die Zeit ab 23. Oktober 2002 bis zum Zeitpunkt der Entziehung der vorläufigen Verletztenrente, dem Ablauf des 31. Juli 2004, bestand kein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 20 v.H. Dies ergibt sich schlüssig und überzeugend aus den vorliegenden Gutachten des Nervenarztes Dr. B. vom 09. Mai 2003, wonach eine MdE auf nervenärztlichem Gebiet schon damals nicht feststellbar war und dem Gutachten des Prof. Dr. Q: vom 31. März 2003 sowie dessen abschließender Stellungnahme vom 16. Juni 2003. Auch Dr. P. hat in dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten - jedenfalls bis zum 19. Juli 2004 - eine höhere MdE als um 20 v.H. nicht angenommen. Eine unfallbedingte MdE von mehr als 20 v.H. hat auch der Orthopäde L. bei seiner Aussage als sachverständiger Zeuge gegenüber dem SG vom 6. Juli 2004 nicht bestätigt. Der sachverständige Zeuge Dr. M. hat am 8. Juli 2004 die MdE auf 15 v.H. geschätzt. Im Übrigen ergeben insbesondere die in den Messblättern zum Gutachten von Prof. Dr. Q: vom 31. März 2003 sowie bei seiner Untersuchung vom 05. Mai 2004 zur Erstattung des Gutachtens vom 19. Mai 2004 dokumentierten Bewegungsmaße, die in den jeweiligen Messblättern zu dem Gutachten niedergelegt sind, keine funktionellen Einschränkungen des Schultergelenks, die unter Berücksichtigung der Literatur zur Gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Siebte Auflage, Seiten 514 und 604 f) vor der Entziehung der vorläufigen Rente und der Ablehnung einer Dauerrente eine höhere unfallbedingte MdE als eine solche um 20 v.H. rechtfertigen könnten. Eine solche wäre nur anzunehmen, wenn z.B. die Vorhebung des Arms nur bis 90 Grad gelänge. Der Kläger war aber bei Dr. P. in der Lage, den Arm bis 170 Grad anzuheben. Eine Einschränkung um jeweils nur 10 Grad gegenüber links bestand bei der Auswärtsdrehung des rechten Oberarms. Eine MdE um mehr als 20 vH ergibt sich auch nicht unter Einbeziehung der schlüssigen und nachvollziehbaren Einschätzung der vom Senat gehörten Sachverständigen Dr. E. und Dr. H ... Danach lagen und liegen schon keine relevanten neurologischen oder gar psychiatrischen Unfallfolgen vor, was auch der Neurologe und Psychiater Dr. Brosi in seinem Gutachten bereits so gesehen hat.

Darüber hinaus hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente über den 31. Juli 2004 hinaus, da jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. Q: am 05. Mai 2004 eine rentenberechtigende MdE nicht mehr vorgelegen hat und auch insofern die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 13. Juli 2004 die Verletztenrente mit Ablauf des 31. Juli 2004 entzogen und die Gewährung einer Dauerrente abgelehnt hat. Nach der mit den genannten Kriterien von Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO übereinstimmenden und daher den Senat überzeugenden Einschätzung des Prof. Dr. Q: vom 19. Mai 2004 hat angesichts der nach dem Ergebnis seiner Untersuchung vom 05. Mai 2004 nur geringfügigen Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk noch eine MdE um 10 v.H. vorgelegen. Diese Einschätzung hat auch der Sachverständige Dr. P. geteilt (Seite 21 seines Gutachtens, wonach im Mai 2004 eine deutlich gebesserte Funktion vorgelegen hat). Ausdrücklich führt Dr. P. aus, die "nun niedrigere Einschätzung der MdE im Mai 2004" sei "ebenso nachvollziehbar wie zutreffend". Soweit Dr. P. dann - hiervon abweichend - die MdE nach Zeitabschnitten gestaffelt auch nach der Untersuchung des Prof. Dr. Q: am 5. Mai 2004 bis zur Metallentfernung am 21. Juli 2004 mit 20 v.H. bewertet, fehlt es an Befunden und funktionellen Einschränkungen sowie einer Begründung, die dies rechtfertigen könnte. Die Einschätzung des Prof. Dr. Q: ist für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, insbesondere unter Berücksichtigung der im Messblatt niedergelegten Funktionswerte zur Schulterbeweglichkeit (Arm rückwärts/vorwärts 40/0/170, Arm seitwärts/körperwärts 150/0/30) die im Hinblick auf die obengenannte Literatur zur gesetzlichen Unfallversicherung die Annahme einer MdE um 20 v.H. nicht mehr zu rechtfertigen vermögen. Die Schultergelenksbeweglichkeit ist danach bereits im Mai 2004 nur noch diskret eingeschränkt gewesen und hat - wie den Messungen des Dr. P. bei Erstellung seines Gutachtens zu entnehmen - in der Folge eine weitere Verbesserung erfahren, wo auch eine erhebliche Verschwielung der Hohlhände, rechts mehr als links, festzustellen war.

Soweit auf Grund der Plattenentfernung am 21. Juli 2004 eine kurzzeitige Verschlimmerung eingetreten ist, handelt es sich um einen vorübergehenden Zustand, der spätestens nach sechs Wochen wieder abgeklungen war. Insbesondere steht der Umstand, dass die MdE im Zeitpunkt des Wegfalls der Rente (31. Juli 2004) wegen des operativen Eingriffs vom 21. Juli 2004 kurzzeitig und vorübergehend vom 21. Juli 2004 bis 31. August 2004 von Dr. P. mit 100 v.H. bewertet wurde, der Rechtmäßigkeit der Rentenentziehung nicht entgegen. Unabhängig davon dass der Orthopäde L. nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit am 6. August 2004 wegen einer eher noch schlechteren Bewegungsfähigkeit der rechten Schulter bei 14 Tage zurückliegender Operation die MdE lediglich auf 20 vH einschätzte, wurde die Entziehung der vorläufigen Rente bereits am 19. Juli 2004 mit Bekanntgabe (Zustellung) des Entziehungsbescheides vom 13. Juli 2004 wirksam (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, § 73 SGB VII, Rdnr. 7). Dass die Rente auf Grund der Bestimmung des § 73 Abs. 2 Satz 1 SGB VII bis zum Monatsende zu leisten war, ändert daran nichts. Die nach Wirksamwerden der Rentenentziehung durch die Metallentfernung am 21. Juli 2004 eingetretene kurzzeitige Verschlimmerung begründet auch keinen (neuen) Anspruch auf die abgelehnte (Dauer)Rente wegen einer wesentlichen Änderung i. S. von § 48 SGB X, weil die Verschlimmerung nicht länger als drei Monate andauerte (§ 73 Abs. 3 SGB VII). Im Übrigen bestand, nachdem die Entziehung der vorläufigen Verletztenrente und die Ablehnung der Dauerrente am 19. Juli 2004 wirksam wurde und zu Recht erfolgte, ab 20. Juli 2004 (stationäre Aufnahme für die Operation am 21. Juli 2004) ein Anspruch auf Verletztengeld bis Ende der durch den Eingriff bedingten Arbeitsunfähigkeit am 6. August 2004.

Ein Anspruch auf (Wieder-)Gewährung von Verletztenrente könnte entsprechend § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erst nach Ende der Arbeitsunfähigkeit bestehen (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar § 73 SGB VII, Rdnr 29). Zu diesem Zeitpunkt hat aber eine MdE um mehr als 10 v.H. nicht vorgelegen. Dr. P. hat die MdE nach Ende der durch die Metallentfernung eingetretenen Arbeitsunfähigkeit mit 10 v. H. bewertet. Soweit der Kläger eine weitergehende Einschränkung und eine MdE um wenigstens 20 v.H. über den Zeitpunkt der Entziehung der vorläufigen und der Ablehnung der Dauerrente hinaus geltend macht, fehlt es hierfür an objektiven Nachweisen. Insbesondere ergeben sich solche auch nicht aus den vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. E. und des Dr. H ... Danach liegen wesentliche Unfallfolgen weder auf neurologischem, noch auf psychiatrischem Fachgebiet vor.

Anhaltspunkte für eine MdE auf Grund eines weiteren Versicherungsfalles (Stütztatbestand) bestehen nicht, weswegen der Kläger über den 31. Juli 2004 hinaus keinen Anspruch auf Verletztenrente hat.

Da das SG im Ergebnis somit zu Recht die Klage abgewiesen hat und die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden sind, weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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