L 6 U 6268/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1043/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 6268/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts St. vom 12. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Verletztenrente unter Anerkennung ihrer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenver-ordnung (BKV - im Folgenden nur nach den Nummern zitiert).

Die 1949 geborene Klägerin arbeitete von 1974 bis 1979 in der Hautklinik Bad C. als Küchenhilfe. Bis 1986 war sie dann in der Städtischen Frauenklinik B., St., ebenfalls in der Küche beschäftigt. In der Folge bekam sie zwischen 1986 und 1999 eine Anstellung als Haushaltsgehilfin im Spül- und Reinigungsdienst des O.hospitals St ... Im Februar 1999 trat Arbeitsunfähigkeit ein. Ab August 2000 wurde ihr vom Rentenversicherungsträger eine Erwerbsminderungsrente bewilligt.

Unter dem 17. April 2000 zeigte die A. den Verdacht einer BK bei Erkrankung im Wirbelsäulenbereich an. Sie reichte hierzu einen von der Klägerin am 15. Februar 2000 ausgefüllten Fragebogen ein, in dem diese ausgeführt hatte, als Küchenhilfe über 15 Jahre schwere Töpfe und Kisten getragen zu haben. Im daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren befragte die Beklagte die Klägerin, die u. a. mit Schreiben vom 10. Juni 2000 mitteilte, Schmerzen am ganzen Körper zu haben. Dann zog die Beklagte die Aufstellung der A. vom 17. Juli 2000 über Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Wirbelsäulenerkrankungen im Zeitraum von März 1979 bis April 2000, den Arztbrief des Orthopäden Dr. S. vom 4. Februar 1988, die Arztbriefe des Orthopäden Dr. K. vom 8. November und 15. Dezember 1988 sowie vom 3. November 1993 sowie weitere Arztbriefe von behandelnden Ärzten des neurologisch/psychiatrischen und internistischen Fachgebiets bei. Von Seiten der Personalabteilung des Klinikums St., O.hospital, wurden am 25. April 2001 nähere Angaben zur Tätigkeit der Klägerin seit Oktober 1986 gemacht. Die Klägerin habe schwere körperliche Arbeiten in der Küche, verschiedene Reinigungsarbeiten im Haus und Tätigkeiten in der Bettenzentrale verrichtet.

Der beratende Facharzt der Beklagten, Chirurg Dr. G. teilte nach Auswertung der Unterlagen mit, es liege u. a. auch eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) vor. Dr. St. führte am 3. August 2004 aus, während ihrer Tätigkeit als Beiköchin habe die Klägerin teilweise auch schwere Lasten zu tragen gehabt. Allerdings habe die Frequenz der Lastenhandhabung nicht mehr als zwei pro Arbeitsstunde betragen. Sie habe damit zwar regelmäßig, nicht jedoch häufig schwere Lasten gehandhabt. Die Tätigkeit im Reinigungsdienst sei nicht mit dem regelmäßigen Heben und Tragen schwerer Lasten verbunden gewesen.

Mit Bescheid vom 14. September 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK Nr. 2108 ab. Art und Umfang der beruflich belastenden Tätigkeiten hätten nicht in ausreichendem Maße vorgelegen. Zur Beurteilung der Wirbelsäulenbelastung werde das sogenannte "Mainz-Dortmunder-Dosismodell" (MDD) herangezogen. Die danach notwendigen Mindestbelastungen lägen nicht vor.

Hiergegen richtete sich der am 21. September 2004 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch der Klägerin. Sie schilderte die Belastungen durch ihre Tätigkeit als Küchenhilfe in der Zeit von 1974 bis 1988.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach dem amtlichen Merkblatt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr. 2108 sei ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS anzunehmen, wenn eine langjährige beruflich belastende Tätigkeit gegeben sei und die Lastgewichte von 10 bis 15 kg bei Frauen mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit gehoben oder getragen wurden. Langjährig bedeute, dass zehn Berufsjahre als die untere Grenze der Dauer der belastenden Tätigkeit zu fordern seien. Nach epidemiologischen Studien in mehreren Berufsgruppen sei ein Anstieg in der Häufigkeit von degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen nach mehr als 10-jähriger Expositionsdauer zu beobachten gewesen. Hinsichtlich der Häufigkeit seien mehr als 40 Hebevorgänge bzw. mindestens eine Belastungsdauer von einer halben Stunde je Arbeitsschicht vorauszusetzen. Die Überprüfung der Arbeitsplatzverhältnisse habe ergeben, dass die kritischen Lastgewichte mit der oben beschriebenen Häufigkeit nicht in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten gehoben oder getragen worden seien. Ebenso seien keine Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeführt worden. Ungeachtet dessen bestünden im Bereich der gesamten Wirbelsäule, also auch in den belastungsfernen Abschnitten der Hals- und Brustwirbelsäule (HWS und BWS) erhebliche degenerative Veränderungen, was gegen eine berufliche Verursachung der LWS-Erkrankung spreche.

Deswegen erhob die Klägerin am 25. Februar 2005 beim Sozialgericht St. (SG) Klage. Die Klägerin trug vor, außer ihrer beruflichen Belastung kämen keine anderen Ursachen für ihre Erkrankung in Betracht. Ihre Erwerbsfähigkeit sei um mindestens 20 vom Hundert (v. H.) gemindert. Das SG holte das fachorthopädische Gutachten von Prof. Dr. W. vom 24. Februar 2006 ein. Dieser diagnostizierte u. a. eine Funktionsstörung der HWS mit Facettengelenksarthrose und Cervicobrachialgien beider Arme, eine Tendinitis calcarea rechts, ein Carpaltunnelsyndrom beidseits, eine schwere Osteochondrose mit Funktionsstörung der BWS und spondylophytären Randzacken, eine Osteochondrose L4/L5, eine retropatellare Gelenksarthrose beider Kniegelenke sowie einen Zustand nach einer Arthrodese des Endgelenks der dritten Zehe links. Zwar liege bei der Klägerin eine adäquate berufliche Wirbelsäulenbelastung vor. Der Erkrankungsverlauf sei ebenfalls typisch und anlagebedingte außerberufliche Belastungen träten in den Hintergrund. Dennoch unterscheide sich die Lokalisation der degenerativen Erkrankung der BWS und LWS nicht von dem Erkrankungsmuster bei Patienten ohne die berufliche Belastung. Eine kontinuierliche Degeneration der LWS sei nicht gegeben, sodass eine BK nach Nr. 2108 nicht vorliege. Die berufliche Belastung habe allerdings zu einer Degeneration der gesamten Wirbelsäule vor allen Dingen der BWS und zu einem Impingement-Syndrom beider Schultern geführt. Gleichzeitig liege eine retropatellare Arthrose beider Kniegelenke vor. Diese Erkrankungen seien durch die berufliche Belastung verschlimmert worden. Hinsichtlich der Wirbelsäulenbeschwerden sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. gegeben. Letzterem hielt die Beklagte entgegen, die Erkrankungen der BWS sowie der Schultern würden von der BKV nicht erfasst. Eine Ausnahme stelle die retropatellare Arthrose beider Kniegelenke dar, die zwischenzeitlich die Anerkennungsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) erfülle, wobei die einzelnen Voraussetzungen noch nicht endgültig festgelegt worden seien. Nach momentanen Stand komme die Gonarthorse als BK nur in Betracht, wenn Tätigkeiten im Knien, Hocken, im Fersensitz oder im Kriechen bei einer Mindesteinwirkungsdauer von einer Stunde pro Schicht ausgeübt worden seien. Diese Voraussetzungen träfen auf das Berufsbild einer Küchenhilfe nicht zu. Im Übrigen sei die Kniegelenkserkrankung nicht Bestandteil des Verfahrens. Die Klägerin entgegnete, die Lokalisation der bandscheibenbedingten Erkrankung schließe eine BK nicht aus. Das Schadensbild müsse nicht belastungstypisch, sondern nur belastungskonform sein. Die Beklagte erwiderte, die Bandscheibenschäden im beruflich belasteten Abschnitt müssten sich vom Degenerationszustand belastungsferner Abschnitte deutlich abheben. In der Regel sei ein von oben nach unten in der Ausprägung zunehmender Befund erforderlich. Selbst wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt wären, läge kein belastungsadaptives Schadensbild vor.

Mit Urteil vom 12. Oktober 2006 wies das SG die Klage ab. Die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK seien nicht erfüllt. Die Lokalisation der degenerativen Erkrankung der BWS und LWS unterscheide sich nicht von dem Erkrankungsmuster bei Patienten ohne berufliche Belastung. Eine kontinuierliche Degeneration der LWS sei nicht gegeben. Auch nach der medizinischen Fachliteratur sei ein so genanntes belastungskonformes Schadensbild für die Anerkennung der BK Nr. 2108 Voraussetzung. Dies bedeute, dass der mit der Einwirkung korrespondierende Wirbelsäulenabschnitt besonders betroffen sein müsse. Die Bandscheibenschäden im beruflich belasteten Abschnitt müssten sich vom Degenerationszustand belastungsferner Abschnitte deutlich abheben. Es sei daher ein von oben nach unten in der Ausprägung zunehmender Befund erforderlich. Bei der Klägerin seien jedoch vor allem die Verschleißerscheinungen der BWS sowie die beginnende Osteochondrose der HWS führend. Im Bereich der LWS bestehe eine Osteochondrose im Bereich L4/L5 ohne weitere degenerative Veränderungen der angrenzenden Wirbelkörper. Der Schwerpunkt der Erkrankung liege somit im Bereich der BWS und HWS. Es könne dahingestellt bleiben, ob die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 15. November 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Dezember 2006 Berufung eingelegt. Zuletzt hat sie vorgetragen, täglich drei bis vier Kartoffelsäcke mit einem Gewicht von jeweils 25 kg, 13 Töpfe und 3 Gusspfannen mit einem Gewicht von 15 bis 20 kg bewegt zu haben. Beim Reinigen des Fußbodens seien 50 Beugevorgänge nötig gewesen, außerdem hätten 20 auf Bodenhöhe gelegene Auffangbecken mit jeweils 15 kg aus der Halterung herausgezogen und nach Säuberung zurückgeschoben werden müssen. Im verschwitzten Zustand hätte noch das Kühlhaus geputzt werden müssen. Einmal wöchentlich habe sie einen "kilometerlangen" Gang im Keller gewischt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts St. vom 12. Oktober 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 14. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24. Januar 2005 aufzuheben und bei ihr eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Vorliegen der BK Nr. 2108 kann nicht festgestellt werden.

Soweit die Klägerin die Gewährung einer Verletztenrente beantragt, hätte das SG die Klage freilich als unzulässig zurückweisen müssen. Vorliegend hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 14. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24. Januar 2005 eindeutig nur über die Anerkennung der BK Nr. 2108 entschieden und mit keinem Wort ein die Gewährung von Verletztengeld oder Verletztenrente aufgrund einer solchen BK erwähnt. Im Ausgangsbescheid findet sich allein die pauschale Formulierung "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung sind deshalb (Anm.: wegen dem Nichterfüllen der Voraussetzung einer BK) nicht zu gewähren". Eine konkrete Leistung wurde damit nicht erwähnt. Es wurde ersichtlich auch nicht über die Frage einer Leistungsgewährung konkret entschieden. Zwischen der Anerkennung einer BK und der Gewährung der verschiedenen auf einer anerkannten BK beruhenden Leistungen ist jedoch zu unterscheiden. Dies ergibt sich aus der Systematik des SGB VII mit der Definition der Versicherungsfälle in §§ 7 ff. SGB VII und den darauf aufbauenden Regelungen über die Leistungen nach Eintritt des Versicherungsfalls in den §§ 26 ff. SGB VII. Für diese Unterscheidungen sprechen außerdem die je nach Leistungsfall ggf. unterschiedlichen Zeitpunkte für die Berechnung der Leistungen, die Vielfalt des Leistungsrechts des SGB VII und die zum Teil sehr differenzierten Anforderungen an die einzelnen Leistungen, zumal den Unfallversicherungsträgern bei einigen Leistungen ein Ermessen eingeräumt ist (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007, B 2 U 4/06 R, zitiert nach Juris Rn. 13). Da nur über die BK Nr. 2108 entschieden wurde, kann auch nur die Frage, ob diese BK festzustellen ist, Streitgegenstand sein. Deshalb ist auf die Auffassung von Prof. Dr. Wirth zum Vorliegen einer von ihm nicht näher benannten BK, die so nicht existiert, nicht einzugehen.

Rechtsgrundlage für die Anerkennung der von der Krankenkasse der Klägerin angezeigten BK ist § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Die BK Nr. 2108 lautet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rupfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".

Für die Anerkennung einer BK ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität - so genannte arbeitstechnische Voraussetzungen) und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität - medizinische Voraussetzungen) erforderlich sowie ggf. wie hier ein Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten. Für die hier strittige BK Nr. 2108 bedeutet dies, dass die Klägerin aufgrund ihrer versicherten Tätigkeiten als Küchenhilfe und Reinigungskraft von dem Jahr 1974 bis Januar 1999 langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben muss, dass ihre Osteochondrose im Bereich L4/L5 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS sein muss, dass diese Erkrankung durch die geschilderte versicherte Arbeit verursacht worden sein muss und sie deshalb ihre Tätigkeit aufgeben musste sowie alle gefährdenden Tätigkeiten unterlassen muss. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die BK nicht anzuerkennen.

Der Senat teilt die Überzeugung des SG, dass bei der Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für die Feststellung der BK Nr. 2108 nicht erfüllt sind. Zu Recht hat das SG seine Entscheidung auf das insoweit schlüssige und überzeugende Gutachten von Prof. Dr. W. vom 24. Februar 2006 gestützt. Demnach unterscheidet sich bei der Klägerin die Lokalisation der degenerativen Erkrankung der BWS und LWS nicht von dem Erkrankungsmuster bei Patienten ohne berufliche Belastung. Eine kontinuierliche Degeneration der LWS ist nicht gegeben. Auch der Senat geht davon aus, dass bei der Klägerin eine Funktionsstörung der HWS mit Facettengelenksarthrose und mit Cervicobrachialgien beider Arme, eine Tendinitis calcarea rechts sowie eine Ansatztendinose des Musculus supraspinatus links, ein Carpaltunnelsyndrom beidseits, eine schwere Osteochondrose mit Funktionsstörung der BWS und spondylophytären Randzacken, eine Osteochondrose L4/L5, eine retropatellare Gelenksarthrose beider Kniegelenke, ein Zustand nach Arthrodese des Endgelenks des dritten Zehen links, eine chronisch-venöse Insuffizienz, ein Bluthochdruck sowie eine Depression vorliegen. Das Schadensbild ist jedoch für die Anerkennung der BK Nr. 2108 nicht belastungskonform. Denn dazu wäre, wie das SG zutreffend ausführte, zu erwarten, dass der mit der Einwirkung korrespondierende Wirbelsäulenabschnitt besonders betroffen ist. Die Bandscheibenschäden im beruflich belasteten Abschnitt, hier der LWS, müssen sich vom Degenerationszustand belastungsferner Abschnitte deutlich abheben. Der Schwerpunkt der Bandscheibenerkrankung muss im Bereich der unteren LWS liegen. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall. Ihre Wirbelsäulenerkrankung wird vor allem durch Verschleißerscheinungen der BWS sowie eine beginnende Osteochondrose der HWS geprägt. Im Bereich der LWS besteht eine demgegenüber untergeordnete Osteochondrose im Bereich L4/L5 ohne weitere degenerative Veränderungen der angrenzenden Wirbelkörper. Prof. Dr. W. kommt daher in Übereinstimmung mit der vom SG herangezogenen unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 577 ff.) zu dem Ergebnis, dass eine BK nach Nr. 2108 wegen der Nichterfüllung der medizinischen Voraussetzung abzulehnen ist.

Dieses Ergebnis steht auch in Übereinstimmung mit den Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe zu den medizinischen Beurteilungskriterien bei bandscheibenbedingten BKen der LWS (Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff.). Darin wird noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass das Schadensbild der BK Nr. 2108 den Volkskrankheiten durch chronisch-degenerative Veränderung der Bandscheiben entspricht und es kein hiervon eindeutig abgrenzbares belastungstypisches Krankheitsbild, sondern nur ein belastungskonformes Wirbelsäulenschadenbild der BK gibt (S. 212). Gegen einen Zusammenhang sprechen danach die gleichmäßige Ausbreitung von Schmerzen über weite Bereiche des Rückens mehrere Segmente vom bildgebend dargestellten Bandscheibenschaden entfernt sowie die Schilderung von Schmerzen, die sich zugleich über die Gelenke ausbreiten (S. 216). Diese Indizien liegen bei der Klägerin vor, da die Rückenbeschwerden alle Wirbelsäulenabschnitte betreffen und ihren Schwerpunkt deutlich in der BWS haben. Zudem schilderte die Klägerin am 10. Juni 2000 Schmerzen am ganzen Körper so auch den Hüften, den Ellenbogen und den Schultergelenken. Zudem liegt (siehe oben) eine schmerzhafte Erkrankung der Kniegelenke und der Schultergelenke vor.

In den Konsensempfehlungen wird zudem eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung im Bezug auf die berufliche Belastung gefordert und bspw. eine ausreichende Exposition vor Eintritt der Erkrankung vorausgesetzt. Der Senat verkennt nicht, dass Prof. Dr. W. in seinem Gutachten den Erkrankungsverlauf im Hinblick auf die berufliche Belastung als typisch ansah. Ein gewichtiges Argument für das Vorliegen eines Zusammenhangs kann er darin jedoch nicht erkennen, da die Klägerin gegenüber der Beklagten im Juni 2000 angab, bereits 1976, also schon zwei Jahre nach erstmaliger Aufnahme einer Tätigkeit als Küchenhilfe, wegen einer Wirbelsäulenerkrankung in ärztlicher Behandlung gestanden zu sein.

In den Konsensempfehlungen werden verschiedene Fallkonstellationen erwähnt, wobei lediglich ein direkter Vergleich der Schäden der LWS und der HWS vorgenommen werden (S. 217 ff.). An anderer Stelle wird jedoch ausdrücklich ein Befall der HWS und/oder der BWS als je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechend angesehen (S. 216). Unter der Konstellation B5 wird davon ausgegangen, dass ein Bandscheibenschaden an der HWS, der mit einer klinischen Erkrankung einhergeht und stärker ausgeprägt ist als an der LWS, gegen einen Zusammenhang spricht. Im Anhang 1 der Konsensempfehlungen wird zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen u. a. bemerkt, dass ein Befall der HWS und/oder BWS gegen einen Ursachenzusammenhang spreche. Bandscheibenschäden an der HWS, welche gleich stark oder stärker ausgeprägt seien als an der LWS, seien daher bei der Abwägung ein deutliches Indiz gegen eine beruflich bedingte LWS-Erkrankung.

Nach den überzeugenden Darlegungen von Prof. Dr. W. ist die schwere Osteochondrose der BWS mit Funktionsstörungen, also mit einer klinischen Erkrankung verbunden. Vor dem Hintergrund der dargestellten Ausführungen in den Konsensempfehlungen hält der Senat - auch wenn darin die Frage der Beurteilung von BWS-Schäden in den einzelnen Fallkonstellation nicht ausdrücklich beantwortet wurde - die Bewertung durch Prof. Dr. W., dass das Schadensbild nicht belastungskonform sei, für überzeugend.

Auf die Frage, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es - wie bereits das SG ausführte - angesichts der fehlenden medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nicht an. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die zuletzt von der Klägerin präzisierten Angaben zu den Belastungen im Rahmen ihrer Tätigkeit als Küchenhilfe und Reinigungskraft zutreffend sind und ob diese Belastungen überhaupt in dem bei der BK-Nr. 2108 allein berücksichtigungsfähigen schweren Heben und Tragen bzw. in Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bestehen.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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