L 4 R 6463/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2105/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 6463/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit beanspruchen kann.

Die am 1957 geborene Klägerin, die verheiratet und Mutter zweier Kinder ist, hat ihren Angaben zufolge vom 14. August 1972 bis 31. Mai 1974 eine Lehre als Näherin durchlaufen und war anschließend in diesem Beruf zwölf Jahre bis 1984 tätig. Der Versicherungsverlauf vom 22. Januar 2007 weist insoweit Pflichtbeiträge wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung bis zum 12. Juli 1978, vom 01. Januar 1979 bis 15. Dezember 1984 sowie vom 01. April 1989 bis 30. Juni 1993 aus. Während einer Zeit der Kindererziehung nach der Geburt des zweiten Kindes war die Klägerin ihren Angaben zufolge selbstständig als Verpackerin und Subunternehmerin für die Zubehörindustrie, auch für die Firma D.-B., tätig. Dann arbeitete sie ab 01. März 2000 in der Kosmetikproduktion und anschließend ein Jahr als Kommissioniererin in einer Spedition und dann vom 01. August 2003 bis 31. Dezember 2004 in der Kartonagenverarbeitung in einer Druckerei, und zwar zuletzt in geringfügigem Umfang neben dem Bezug von Leistungen der Agentur für Arbeit ab 14. August 2004. Der Versicherungsverlauf vom 22. Januar 2007 weist vom 01. Oktober 2005 bis 29. Juli 2006 (Tod der Mutter) Pflichtbeiträge für Pflegetätigkeit aus.

Vom 25. bis 28. Februar 2003 wurde die Klägerin stationär im Kreiskrankenhaus F. (Abteilung für Chirurgie) behandelt wegen eines Schilddrüsenkarzinoms des rechten Schilddrüsenseitenlappens und eines Adenoms des linken Seitenlappens der Schilddrüse; insoweit wurde eine erweiterte Enukleationsresektion durchgeführt (Arztbrief des Chefarztes Dr. M. vom 07. März 2003). Während des weiteren stationären Aufenthalts vom 11. bis 20. März 2003 in den S. V.-Kliniken K. (Chirurgische Abteilung) wurde eine Nachoperation durchgeführt (Arztbrief des Prof. Dr. K., Direktor der Chirurgischen Klinik, vom 24. April 2003). Vom 15. Mai bis 05. Juni 2003 erfolgte eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in den Kliniken für Rehabilitation W.-D.-B. H. (Waldklinik D.). Im Entlassungsbericht des Dr. B., Chefarzt der Inneren Abteilung, vom 14. Juni 2003, wurden als Diagnosen großzelliges papilläres Schilddrüsenkarzinom rechts mit Zustand nach Operation vom 12. März 2003 und hochdosierter Radiojodtherapie am 22. April 2003 sowie ein Diabetes mellitus Typ II genannt. Die Klägerin war dort als arbeitsunfähig entlassen worden; es sei zu erwarten, dass nach einer weiteren Rekonvaleszenz von etwa drei Monaten die Leistungsfähigkeit für eine vollschichtige Tätigkeit im bisherigen Beruf erreicht sein könne. Es wurde ein Arbeitsversuch mit stufenweiser Wiedereingliederung ins Berufsleben empfohlen. Nachdem die Klägerin ab 28. Juni 2004 arbeitsunfähig war, wurde eine weitere stationäre Rehabilitationsbehandlung vom 22. September bis 13. Oktober 2004 in der Reha-Klinik A. K. (Haus Kr.) in B. K. durchgeführt. Im Entlassungsbericht der Prof. Dr. R.-B. vom 28. Oktober 2004 wurden neben dem Zustand nach der Schilddrüsenoperation mit Radiojodtherapie ein postoperativer Hypoparathyreoidismus, ein Diabetes mellitus Typ II, ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom, eine Iliosakralarthritis sowie ein psychisches Erschöpfungssyndrom benannt. Die Klägerin wurde als arbeitsfähig entlassen und für fähig angesehen, die Tätigkeit als Druckereimitarbeiterin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie ohne häufiges Bücken sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Bei der Klägerin war seit 30. Mai 2003 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt (Bescheid vom 20. Oktober 2003), der ab 08. Mai 2007 auf 80 erhöht wurde (Bescheid vom 04. September 2007).

Am 29. November 2004 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (in Folgendem Beklagte) Rente wegen Erwerbsminderung, den sie mit der Schilddrüsenoperation im Februar 2003 begründete. Sie reichte auch ein Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin W.-A. vom 22. November 2004 ein, in dem bestätigt wurde, dass die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustands im Augenblick nicht in der Lage sei, mehr als 15 Stunden pro Woche zu arbeiten. Die Beklagte veranlasste die Erstattung des Gutachtens des Medizinaldirektors L., Internist/Sozialmedizin, vom 22. Februar 2005 mit chirurgisch-orthopädischem Zusatzgutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Sc. vom 02. Februar 2005 und nervenärztlichen Zusatzutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. vom 31. Januar 2005. Bei den Begutachtungen lagen Arztbriefe und Klinikberichte vor. Dr. Br. stellte für sein Fachgebiet die Diagnosen eines rückläufigen postoperativen Hornersyndroms rechts ohne Begleitsymptomatik sowie eine klinisch vollständig remittierte linksseitige Rekurrensparese. Psychisch ergebe sich keine eigenständige krankheitswertige Störung. Auch die Angaben der Klägerin zur Alltags- und Freizeitgestaltung ließen nicht auf eine Leistungseinschränkung schließen. Dr. Sc. stellte als Diagnosen eine Arthrose der Kreuzdarmbeingelenke sowie leichte Senk-Spreiz-Füße. Die Klägerin könne schwere körperliche Arbeiten mit Stauchungen und in längeren Zwangshaltungen der Rumpfwirbelsäule, mit Heben und Tragen von Lasten, die etwa 15 kg überschritten, nicht mehr ausführen. Es ergäben sich jedoch keine gesundheitlichen Bedenken gegen leichte und mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts, die überwiegend im Sitzen, auch mit überwiegenden, jedoch nicht ausschließlichen Steh- und Gehbelastungen, sowie in wechselnder Körperhaltung ausgeführt werden könnten. Insoweit sei die tägliche Arbeitszeit nicht auf weniger als sechs Stunden eingeschränkt. Medizinaldirektor L. fasste die Diagnosen wie folgt zusammen: lokale Restbeschwerden nach zweiseitiger vollständiger Entfernung der Schilddrüse und Lymphknotenausräumung am Hals und Jodtherapie wegen Schilddrüsenkarzinom rechts, Belastungsbeschwerden und Rückenschmerzen bei Arthrose und rechtsseitiger Entzündung im Bereich der Kreuz-Darm-Bein-Gelenke, medikamentös behandelte postoperative Störung der Nebenschilddrüsenfunktion und zurückgebildete Schädigung des Rekurrensnervens, mit Tabletten gut eingestellter Diabettes mellitus Typ II b (ohne Hinweis für Sekundärschäden). Unter Würdigung des Gesamtzustands sei die Klägerin in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten sechsstündig zu verrichten, ohne ständiges Vorbeugen des Kopfes in erheblicher Art und auch ohne ständige Überkopfarbeiten oder länger dauernde Zwangshaltungen des Rumpfes, ohne erhöhte Verletzungsgefahr (wegen der Zuckerkrankheit), in normal temperierten geschlossenen Räumen entweder überwiegend im Sitzen oder in häufigerem Wechsel mit Stehen oder Gehen. Mit Bescheid vom 24. Februar 2005 lehnte die Beklagte die Rentengewährung ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch verwies die Klägerin auf die vorgelegte "Medizinische Begründung" der Ärztin W.-A. vom 29. März 2005, in der ausgeführt wurde, die allgemeine Belastbarkeit der Klägerin vermindere sich seit ca. einem Jahr kontinuierlich; die orthopädischen Beschwerden nähmen zu; durch die stationäre Rehabilitationsbehandlung zuletzt im September/Oktober 2004 habe kein Stabilisierung erreicht werden können. Aus hausärztlicher Sicht sei die Klägerin auf absehbare Zeit nicht in der Lage, auch leichtere Tätigkeiten kontinuierlich für sechs Stunden pro Tag durchzuführen. Dazu gab Medizinaldirektor L. am 07. April 2005 eine Stellungnahme ab, in der er seine gutachterliche Beurteilung bestätigte und darauf hinwies, auch in der Schlussbeurteilung anlässlich der letzten medizinischen Rehabilitation in B. K. sei eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten angegeben worden. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsauschusses vom 13. Mai 2005). Die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.

Deswegen erhob die Klägerin am 02. Juni 2005 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) und begehrte allein Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie benannte die behandelnden Ärzte und trug vor, bei ihr bestehe kein Leistungsvermögen mehr, welches für leichte körperliche Tätigkeiten von wenigstens sechs Stunden pro Tag ausreichen würde. Ursächlich dafür sei das bei ihr bestehende chronische Erschöpfungssyndrom. Insoweit müsse ein nervenärztliches Gutachten erhoben werden. Der von ihr nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) benannte Sachverständige Dr. Dr. H.-R. Be., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, habe im Gutachten vom 13. Februar 2006 ihren Standpunkt bestätigt. Dieses Sachverständigengutachten enthalte ausführliche Hinweise zum psychischen Befund, insbesondere zu den maßgebenden Bereichen der Merkfähigkeit, der Gedächtnisleistung, der Belastbarkeit sowie der vorzeitigen Erschöpfbarkeit. Das von der Beklagten eingeholte Gutachten des Dr. &61506;r. enthalte insoweit keine ausreichenden Feststellungen, weshalb die Einwendungen der Beklagten gegen das Gutachten des Dr. Dr. Be. nicht gerechtfertigt seien. Dr. Dr. Be. solle Gelegenheit gegeben werden, sich zu den von der Beklagten vorgebrachten Einwendungen zu äußern. Das SG erhob schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen bei Arzt für Orthopädie Dr. Bu. und bei der Ärztin W.-A ... Dr. &61506;u. (Auskunft vom 18. Juli 2005) führte aus, von Seiten der Halswirbelsäule und der Schultergelenke sei der Klägerin eine leichte berufliche Tätigkeit möglich. Ärztin W.-A. (Auskunft vom 25. August 2005), die weitere Arztbriefe vorlegte, beschrieb die festgestellten Beschwerden und vertrat die Ansicht, der Klägerin sei aufgrund der Verschlechterung des orthopädischen Leidens (PHS rechts, Lendenwirbelsyndrom) derzeit eine sechsstündige Tätigkeit nicht möglich. Das SG erhob auf Antrag der Klägerin das Sachverständigengutachten des Dr. Dr. H.-R. Be. vom 13. Februar 2006. Der Sachverständige listete die Diagnosen auf, darunter auch ein depressives Syndrom mit phobischen Zügen, Sinnentleerung des Daseins, Antriebsstörungen und Interesseneinengung. Insoweit liege eine phobisch gefärbte Depression vor, und zwar schon seit Jahren, wobei die erbliche Belastung (seit 20 Jahren bestehendes schweres depressives Syndrom der Mutter) zu berücksichtigen sei. Die Klägerin sei nur noch in der Lage, leichte Tätigkeiten ohne Heben von Lasten über zwei kg, ohne Tätigkeiten in gebückter Position sowie ohne Verrichtungen auf Leitern oder Gerüsten durchzuführen, und zwar nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich. Dieser Gesundheitszustand dürfte schon seit Oktober 2004 bestehen. Die Beklagte trat der Klage entgegen und reichte die beratungsärztlichen Stellungnahmen der Dr. P., Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin, Rettungsmedizin, vom 03. November 2005 und des Dr. G., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Spezielle Schmerztherapie, Rehabilitationswesen-Sozialmedizin, vom 09. August 2006 ein (Bl. 48 und 91 der SG-Akte). Dr. Dr. Be. setze sich nicht kritisch mit den vorgebrachten Beschwerden auseinander und begründe auch seine abweichende Leistungsbeurteilung nicht.

Mit Urteil vom 26. September 2006 wies das SG die Klage ab. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lägen zwar gesundheitliche Beeinträchtigungen auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet vor, jedoch sei eine leichte berufliche Tätigkeit uneingeschränkt möglich. Eine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit ergebe sich auch nicht auf nervenärztlichem Fachgebiet. Die Annahme einer solchen quantitativen Leistungseinschränkung durch Dr. Dr. Be. überzeuge nicht, da diese nicht hinreichend durch die erhobenen Befunde gestützt werde. Die von ihm dargelegten qualitativen Einschränkungen bezögen sich allein auf orthopädische Beschwerden. Der von der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen geschilderte Tagesablauf zeige keine Einschränkungen, die Rückschlüsse auf eine die Leistungsfähigkeit zeitlich einschränkende Erwerbsminderung zuließen. Der Tagesablauf sei ausreichend strukturiert. Auch Ärztin W.-A. begründe ihre Einschätzung zur verminderten quantitativen Leistungsfähigkeit der Klägerin ausschließlich mit den bei ihr bestehenden orthopädischen Leiden. Im Übrigen befinde sich die Klägerin auch nicht in nervenfachärztlicher Behandlung. Mithin bestehe kein Anlass, von der Dr. Br. vorgenommenen Einschätzungen auf nervenärztlichem Fachgebiet abzuweichen.

Die Klägerin hat gegen das ihren früheren Prozessbevollmächtigten am 30. November 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil am 22. Dezember 2006 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie trägt vor, die vom SG vorgenommene Beweiswürdigung sei nicht nachvollziehbar. Sie stütze ich auf das Gutachten des Dr. Dr. Be., der das quantitative Restleistungsvermögen mit drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich eingeschätzt habe. Seit Januar 2007 befinde sie sich in fachärztlicher Behandlung bei Arzt für Psychiatrie Sch ... Das weiter erhobene Sachverständigengutachten des Direktors der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin K. Prof. Dr. E. vom 20. November 2007 bestätige ebenfalls die bei ihr vorliegende zeitlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Die Pflege ihrer Mutter habe sie mit deren Tod beendet. Die geringfügige Beschäftigung habe sie zuletzt in der Kartonagenherstellung (Fa. Vögele) ausgeübt. Es habe sich um einen gescheiterten Arbeitsversuch gehandelt, den sie wegen Verdacht auf Herzinfarkt und Nierenversagen habe beenden müssen. Die Klägerin hat den Bescheid des Landratsamt R. (Versorgungsamt) vom 04. September 2007 über die Feststellung des GdB von 80 ab 08. Mai 2007 eingereicht.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. September 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2005 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten; dem psychiatrischem Gutachten des Prof. Dr. E. vom 20. November 2007 könne sie sich nicht anschließen. Dazu hat sie die weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 02. Juni 2008 eingereicht (Bl. 63/64 der LSG-Akte). Er hat ausgeführt, das Gutachten könne nicht überzeugen, da es sich nach Art der Darstellung nicht ausreichend distanziert mit den vorgebrachten Beschwerden auseinandergesetzt und auch erkennbare Inkonsistenzen zu Vorbefunden nicht diskutiert habe. Die Beklagte hat auch den Versicherungsverlauf vom 22. Januar 2007 vorgelegt.

Der Berichterstatter des Senats hat schriftliche Auskünfte als sachverständiger Zeuge des Arztes Sch. vom 31. Juli 2007 und 24. Juli 2008 eingeholt. Diagnostisch liege eine schwere depressive Vitalstörung bei ängstlicher Persönlichkeit mit Derealisationssymptomatik vor. Die depressiven und ängstlicher Wahrnehmungen seien abgeschwächt oder gewichen. Ferner hat der Berichterstatter die Akte des Landratsamt Rastatt (Versorgungsamt) beigezogen und Prof. Dr. E. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat im Gutachten vom 20. November 2007 ausgeführt, er gehe vom Vorliegen einer mittelgradigen depressiven Episode bei der Klägerin aus. Diese Diagnose ergebe sich auch aus den beschriebenen psychischen Befund und aus dem Ergebnis der Hamilton-Depressionsskala. Es liege ein Verlust an Interessen vor; die Klägerin sei deutlich verstimmt, habe körperliche Symptome (Ein- und Durchschlafstörungen) und ein deutliches Antriebsdefizit. Die Selbstschilderung in der Symptomcheckliste von Derogatis bestätige die außerordentliche Belastung auch auf der subjektiven Seite. Ferner wären die bekannten körperlichen Diagnosen aufzulisten. Angesichts des gesundheitlichen Zustands der Klägerin könne er (der Sachverständige) sich nicht vorstellen, dass die Klägerin noch einer Berufstätigkeit nachgehen könne. Nicht nur die fehlende Funktionalität im Alltagsleben in den letzten Monaten sei gegenbeweislich, sondern auch die Vielfalt der Befunde in somatischen und auch in psychiatrischem Bereich sprächen eine deutliche Sprache. Die Klägerin sei schwunglos, habe kaum mehr Initiative und lebe sozial zurückgezogen. Ihre arbeitstägliche Belastung betrage weniger als drei Stunden. Eine Arbeitstätigkeit sei mit der depressiven Verstimmung der Klägerin, insbesondere dem Antriebsmangel, unter keinen Umständen vereinbar. Diese Leistungseinschränkung bestehe spätestens seit Juli 2006; nachdem die Mutter der Klägerin verstorben sei, habe sich ihre Stimmung nochmals deutlich und jetzt entscheidend verschlechtert. Seine Beobachtung decke sich mit vielen Punkten mit denen des Dr. Dr. Be ...

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Akte des Versorgungsamts R. sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet. Wie das SG zu Recht entschieden hat, ist der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2005, mit dem die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin hat im November 2004 Rente wegen Erwerbsminderung beantragt und begehrt (im Berufungsverfahren) insoweit noch Rente auf Zeit, und zwar nach dem in der mündlichen Verhandlung beim SG gestellten Antrag allein wegen voller Erwerbsminderung. Der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung ist bisher nicht eingetreten, weshalb der Klägerin nach § 101 Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) ab dem siebten Kalendermonat nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu gewährende Zeitrente (vgl. § 102 SGB VI) nicht zusteht. Der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung ist weder im Oktober 2004 (so Dr. Dr. H.-R. Be.) noch im Juli 2006 (so Prof. Dr. E.) oder im Mai 2007 (Erhöhung des GdB auf 80 gemäß Bescheid vom 04. September 2007) eingetreten.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin, wie das SG schon im Ergebnis schon zutreffend entschieden hat, auch im Hinblick auf die Amtsermittlungen während des Berufungsverfahrens nicht voll erwerbsgemindert, weil sie noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts, auf den sie verweisbar ist, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, mit qualitativen Einschränkungen, nämlich beschränkt auf leichte Tätigkeiten ohne Heben von Lasten über zwei kg, ohne Tätigkeiten in gebückter Position und ohne Verrichtungen auf Leitern oder Gerüsten.

Dies gilt sowohl aufgrund von Gesundheitsstörungen auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet, aber auch für das nervenärztliche Fachgebiet, wie das SG zutreffend dargelegt hat. Auf internistischem Gebiet leidet die Klägerin an den Folgen der operativen Behandlung des papillären Schilddrüsenkarzinoms und an einem Diabetes mellitus Typ II, der oral behandelt wird. Auf orthopädischem Gebiet bestehen Beschwerden der Lendenwirbelsäule sowie der Schulter. Leistungseinschränkungen ergeben sich hieraus nicht. Sie werden von der Klägerin auch nicht behauptet. Auf nervenärztlichem Gebiet lag eine depressive Episode vor, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. E. vom 20. November 2007 und den Auskünften des Arztes Sch. vom 31. Juli 2007 und 24. Juli 2008 ergibt. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass dies eine zeitliche Leistungseinschränkung auf unter sechs Stunden täglich bedingt.

Auch den Senat überzeugt die Leistungseinschätzung des Dr. Dr. H.-R. Be. nicht, der aufgrund seiner Untersuchung vom 09. Februar 2006 bereits seit Oktober 2004 ersichtlich vor allem aufgrund der von ihm genannten "phobisch gefärbten Depressionen" im Sinne eines Dauerzustands eine zeitliche Begrenzung auf die Ausübung selbst leichter Tätigkeiten bis unter sechs Stunden täglich annehmen will. Insbesondere hat der Sachverständige Dr. Dr. H.-R. Be. nicht berücksichtigt, dass die Klägerin im häuslichen Bereich durch die Pflege der Mutter bis zu deren Tod am 29. Juli 2006, wobei der Versicherungsverlauf vom 22. Januar 2007 Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeit vom 01. Oktober 2005 bis 29. Juli 2006 aufweist, stark belastet war. Dazu ist in der Anamnese des Arztbriefs von Prof. Dr. Si., Chefarzt der Abteilung I der Medizinischen Klinik der S. V.-Kliniken in K., vom 14. Juli 2006 festgehalten, dass sich die Klägerin aufgrund ihrer (damaligen) hohen Belastung im häuslichen Bereich (Pflege der Mutter) schlecht fühle. Soweit die Klägerin aufgrund der Pflegetätigkeit nicht in der Lage gewesen ist, noch einer leichten Tätigkeit von mindestens sechs Stunden pro Tag nachzugehen, begründet dies keine rentenberechtigende Erwerbsminderung. Abgesehen davon kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass bei der Klägerin nervenärztliche Behandlungen überhaupt erst seit 06. Februar 2007 durch Arzt Sch. durchgeführt wurden.

Auch die vom Sachverständigen Prof. Dr. E. im Gutachten vom 20. November 2007 vorgenommene Einschätzung, dass bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode vorliege und sie spätestens seit Juli 2006 (Tod der gepflegten Mutter) im Hinblick auf eine Schwunglosigkeit, weitgehende Initiativlosigkeit und sozialen Rückzug nicht mehr einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne, weil die arbeitstägliche Belastbarkeit auf weniger als drei Stunden herabgesunken sei, überzeugt den Senat nicht, zumal der Sachverständige bei der Untersuchung einer Einschränkung der Konzentration nicht gefunden hat. Auch arbeitete das Gedächtnis hinreichend und genau. Die Psychodynamik war nur leicht zurückgenommen. Zahlreiche körperliche Beschwerden wurden unterstellt, jedoch ein allgemein körperlicher Untersuchungsbefund nicht durchgeführt. Der Sachverständige stützt sich insoweit im Wesentlichen auf die Angaben der Klägerin und dann auch auf die Symptomcheckliste von Derogatis, in der ebenfalls lediglich die subjektiv empfunden Beeinträchtigung ihren Niederschlag findet. Der Sachverständige geht auch davon aus, dass sich bei der Klägerin seit Juli 2006, nach dem die Mutter gestorben sei, die Stimmung nochmals deutlich und jetzt entscheidend verschlechtert habe, weshalb der Leistungsfall der unter dreistündigen Leistungsfähigkeit spätestens im Juli 2006 eingetreten sei. Gegenüber dem Sachverständige Prof. Dr. E. hat die Klägerin zwar angegeben, dass sie nach dem Tod der Tag und Nacht gepflegten Mutter regelrecht zusammengebrochen sei und noch nicht einmal den Haushalt machen könne. Auch ist in der Anamnese des Arztbriefs des Prof. Dr. Si. vom 09. Februar 2006 erwähnt, dass sich die Klägerin psychisch sehr schlecht fühle, wobei die Mutter seit einem halben Jahr gestorben sei. Auch Prof. Dr. E. berücksichtigt jedoch nicht, dass die Klägerin, wie der Auskunft des Arztes Sch. vom 31. Juli 2007 und auch dessen Arztbrief vom 11. Juni 2007 entnommen werden kann, am 06. Februar 2007 ambulante fachärztliche Behandlungen begonnen hat. Es wurden seitdem intensive therapeutische Gespräche sowie psychopharmakologische Behandlungen durchgeführt. Der Senat entnimmt dem Arztbrief des Arztes Sch. vom 11. Juni 2007, dass sich bei der Klägerin aufgrund der Behandlungen die Vitalitätsgefühle gebessert haben, sodass sie auch Alltagsaktivitäten im Rahmen der Haushaltserledigungen wieder habe aufnehmen können. Auch hat der Arzt Sch. in der Auskunft vom 24. Juli 2008 eine Verringerung der Symptome und eine Stabilisierung erwähnt. Die depressiven und ängstlichen Wahrnehmungen sind danach abgeschwächt oder gewichen. Arzt Sch. berichtet über eine kontinuierliche Besserung, d.h. Anhebung der Lebensgefühle. Seit Anfang 2008 sei der soziale Lebensraum familiär und außerfamiliär mit Rückgewinn von Aktivitäten und gewohnten Interessen versehen. Er hat nochmals betont, dass die Fähigkeit, beispielsweise den Haushalt zu führen, wieder erreicht sei. Er hat ferner eine stationäre psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme für hilfreich angesehen, die die Klägerin aber nicht akzeptieren wollte (vgl. Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29. Juli 2008). Dr. G. hat in der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 02. Juni 2008 zu Recht darauf hingewiesen, dass sich Prof. Dr. E. in seinem Gutachten nicht ausreichend distanziert mit den von der Klägerin vorgebrachten Beschwerde auseinandergesetzt und anhand der von ihm genannten Befunde das angenommene aufgehobene Leistungsvermögen sowie auch die Prognose im Hinblick auf die Behandlungen seit Februar 2007 nicht ausreichend begründet habe. Auch könne danach die vom Sachverständigen aufgeführten testpsychometrischen Verfahren lediglich im Zusammenhang mit dem klinischen Gesamtbefund interpretiert werden. Danach vermag der Senat volle Erwerbsminderung auch nicht ab Juli 2006 mit Rentenbeginn auf Zeit ab Februar 2007, sei es dann auch nur für einen begrenzten Zeitraum, zu bejahen. Dies könnte auch nicht damit begründet werden, dass im Bescheid des Landratsamts R. (Versorgungsamt) zuletzt mit Bescheid vom 04. September 2007 neben schon festgestellten "psychovegetativen Störungen" als weitere Funktionsbeeinträchtigung "Depression" anerkannt und der GdB seit 08. Mai 2007 auf 80 angehoben worden ist.

Die Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens war nicht geboten.

Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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