L 2 B 278/08 AS ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 7 AS 1312/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 278/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Grundsicherungsleistungen-Vermögensberücksichtigung
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 21. Mai 2008 wird abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 13. Mai 2008 bis 31. März 2009 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i.H.v. 330,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller ¾ der ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab 1. Mai 2008.

Der am 1980 geborene Antragsteller bewohnt zusammen mit seiner Mutter eine 70 qm große Mietwohnung. Er beantragte erstmals am 23. April 2007 bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Diese bewilligte ihm die Antragsgegnerin ab 1. Mai 2007. Zuletzt bewilligte ihm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23. Oktober 2007 Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 30. April 2008 i.H.v. 549,47 EUR monatlich. Sie berücksichtigte (anteilig zu ½) Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 202,47 EUR (statt 288,86 EUR), nachdem sie den Antragsteller im Mai 2007 erfolglos zur Senkung der zu hohen Kosten der Unterkunft und Heizung aufgefordert hatte.

Am 28. November 2007 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass ihr durch einen Datenabgleich mit dem Bundeszentralamt für Steuern bekannt geworden sei, dass er Kapitalerträge aus vorhandenem Vermögen erzielt habe. (Der Abgleich betraf ein Konto bei der Augsburger Aktienbank AG). Sie forderte den Antragsteller auf, auf dem Zusatzblatt zur Feststellung der Vermögensverhältnisse Angaben zum Vermögen und den Zinseinkünften zu machen. Sie wies auf die Rechtsfolgen mangelnder Mitwirkung hin. Dieses Zusatzblatt sandte der Antragsteller nicht an die Antragsgegnerin zurück. Er teilte im Januar der Antragstellerin mit, dass das Konto bereits seit Mai 2007 aufgelöst sei.

Mit Schreiben vom 18. März 2008 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass die Leistungen nach dem SGB II ab 1. April 2008 ganz entzogen werden, da er nach §§ 60, 66 Erstes Buch des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil des Sozialgesetzbuches (SGB I) seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Der Antragsteller informierte daraufhin die Antragstellerin, dass die Auflösung des Kontos zum 3. Mai 2007 und eine Überweisung i.H.v. 23.831,87 EUR auf das Konto seiner Mutter erfolgt sei.

Der Antragsteller stellte am 17. April 2008 einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II.

Am 13. Mai 2008 hat er vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) den Antrag gestellt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen. Er verfüge weder über Vermögen noch habe er Zinseinkünfte gehabt. Er habe jedoch monatliche Kosten für die Miete i.H.v. 200,00 EUR, für die Fahrkarte i.H.v. 30,00 EUR und i.H.v. 300,00 EUR für Hygieneartikel und Lebensmittel.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2008 lehnte die Antragstellerin den Leistungsantrag des Antragstellers vom 30. April 2007 und vom 17. April 2008 ab: Der Antragsteller sei nicht hilfebedürftig. Er verfüge über ein Vermögen i.H.v. 23.831,87 EUR.

Mit Beschluss vom 21. Mai 2008 hat das SG den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen: Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er hilfebedürftig sei. Er habe über ein Vermögen i.H.v. 23.831,87 EUR verfügt, welches auf das Konto seiner Mutter überwiesen worden sei. Von dieser könne er es jederzeit zurückverlangen.

Gegen den ihm am 23. Mai 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 11. Juni 2008 Beschwerde eingelegt.

Am 12. Juni 2008 hat der Antragsteller gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Mai 2008 Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.

In der Beschwerdebegründung hat der Antragsteller ausgeführt: Er habe eine Lehre als Koch erfolgreich abgeschlossen. Da er jedoch im Anschluss an diese Ausbildung keine Beschäftigung gefunden habe, habe er sich entschlossen, eine Zweitausbildung zum staatlich anerkannten Hotel- und Gastronomiefachmann zu absolvieren. Dazu habe er vom 3. November 2003 bis 30. April 2007 eine Privatschule besucht und die Ausbildung abgeschlossen. Für den Besuch der Schule habe er ein monatliches Schulgeld i.H.v. 330,00 EUR zahlen müssen. Da er in diesem Zeitraum über keinerlei Einkünfte verfügt habe, habe sich seine Mutter bereit erklärt, das Schulgeld, die Fahrtkosten von M. nach P. und die Krankenversicherungsbeiträge darlehensweise zu zahlen. Er sei mit seiner Mutter übereingekommen, dass er nach der Ausbildung das Darlehen an sie zurückzahlen sollte. Diese Vereinbarung habe es dem Antragsteller ermöglicht, das Geld auf dem Konto bei der Augsburger Aktienbank nicht sofort aufzulösen, sondern erst nach Beendigung der Ausbildung. So habe die Möglichkeit bestanden, aus der Geldanlage noch Erlöse zu erzielen. Für die entstandenen Kosten im Rahmen der Ausbildung i.H.v. insgesamt 19.192,80 EUR hat der Antragsteller entsprechende Belege in Kopie eingereicht.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 21.Mai 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie geht auch weiterhin davon aus, dass der Antragsteller nicht hilfebedürftig ist. Der Antragsteller habe am 23. April 2007 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gestellt. Angaben zum Vermögen habe er nicht gemacht. Erst nach Antragstellung habe er das Vermögen an seine Mutter überwiesen. Erst im Beschwerdeverfahren, nicht aber bereits im Verwaltungsverfahren habe er den Grund der Überweisung vorgetragen. Dieses erwecke den Eindruck, dass der nunmehrige Vortrag konstruiert sei.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und die Gerichtsakte verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.

II.

Die Beschwerde ist statthaft, § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist auch zum Teil begründet.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis setzen nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG einen Anordnungsanspruch, also einen materiellen Anspruch, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend zu machen hätte, und einen Anordnungsgrund voraus, d.h. es muss eine besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen.

Der Antragsteller macht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab Mai 2008 geltend. Diese setzen sich nach § 19 Satz 1 SGB II aus der Regelleistung und den angemessenen Kosten für die Unterkunft und Heizung (KdU) zusammen. Es handelt sich dabei um abtrennbare selbstständige Ansprüche, da die Zuständigkeit für die Regelleistung und die KdU nach § 6 SGB II unterschiedlich und die Leistung inhaltlich von anderen Leistungen abgrenzbar ist. (Vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 1).

Hinsichtlich der vom Antragsteller begehrten KdU hat er bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kann danach nur bejaht werden, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen. Dies bedeutet zugleich, dass es an einem Anordnungsgrund fehlt, wenn die Zeitdimension des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und Rechtsdurchsetzung bietet, wenn also dem Antragsteller auch mit der späteren Realisierung seines Rechts gedient ist. So liegt es hier. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er – wenn ihm die Antragsgegnerin keine KdU gewährt – in eine Notlage gerät bzw. diese bereits durch die Nichtgewährung von Leistungen für die Unterkunft und Heizung vorliegt. Der Antragsteller wohnt bei seiner Mutter. Er bildet mit ihr eine Wohngemeinschaft. Nutzen Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, so sind die Kosten im Regelfall anteilig pro Kopf aufzuteilen. Der Antragsteller hätte danach die Hälfte der Mietkosten der Wohnung zu tragen. Ob er diesen Anteil auch tatsächlich zahlen muss, hat er nicht glaubhaft gemacht. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass er bereits im Rahmen der Ausbildung zum Hotel- und Gastronomiefachmann bei seiner Mutter wohnte. Zu den Kosten, die seine Mutter von ihm nach eigenen Angaben zurückfordert, gehören lediglich die der Ausbildung, wie Fahrtkosten, Schulgeld und Prüfungsgebühren und Beiträge zur Krankenversicherung; nicht dagegen Kosten der Unterkunft. Die Unterkunft hat sie dem Antragsteller offensichtlich kostenlos zur Verfügung gestellt, wie dieses in Familien in derartigen Situationen üblich sein dürfte. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass sich daran etwas geändert hätte. Es ist folglich nicht erkennbar, dass er die Gewährung von Leistungen für die Unterkunft und Heizung von der Antragsgegnerin benötigt, um nicht wohnungslos zu werden.

Ob dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch auf die Regelleistung zur Seite steht, ist d.h. ein Anspruch auf eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Abs. 2 SGB II, ist zweifelhaft.

Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Der Antragsteller begehrt Leistungen ab Mai 2008. Ob ab diesem Zeitpunkt eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers vorliegt, oder ob ihm zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes Vermögen zur Verfügung stand, ist offen und ohne nähere Ermittlung des Sachverhaltes nicht zu klären.

Nach § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen, mithin auch Barvermögen.

Der Antragsteller hatte bereits im Mai 2007 das Geld, das er auf seinem Konto angelegt hatte, auf das Konto seiner Mutter überwiesen. Ob es ihm im Mai 2008 als bereites Mittel zur Deckung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung stand, ist abhängig von der Frage, ob er einen Anspruch gegen seine Mutter hat, ihm das Geld auszuzahlen.

Dieses ist nur dann der Fall, wenn entweder die Mutter das Geld - entgegen der Behauptung des Antragstellers – treuhänderisch verwaltet oder der Antragsteller ihr das Geld geschenkt haben. Im Fall der Schenkung besteht zu Gunsten des Antragstellers ein Rückübertragungsanspruch nach § 528 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach der Schenker vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen kann, soweit der Schenker, wie hier der Antragsteller, nach der Vollziehung der Schenkung außer Stande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Ob dieser auch zeitnah zu realisieren wäre, bedürfte ebenfalls der Aufklärung.

Haben der Antragsteller und seine Mutter jedoch - entsprechend seines Vortages - einen Darlehensvertrag mit dem Inhalt geschlossen, dass die Mutter die Kosten der Ausbildung übernimmt und sich der Antragsteller verpflichtet, diese Summe nach Abschluss der Ausbildung an die Mutter zurückzuzahlen, stünde dem Antragsteller das Geld nicht als bereites Mittel zur Verfügung, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Nach § 488 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird der Darlehensgeber verpflichtet, den Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen. Mit der Überweisung der Summe von 23.8831,87 EUR hätte der Antragsteller danach in Höhe von 19.192,80 EUR die fällige Rückzahlungsforderung seiner Mutter erfüllt. Es bedarf jedoch noch weiterer Ermittlungen im Verwaltungs- bzw. im sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren zur Aufklärung des Sachverhaltes. Es wird gegebenenfalls im Rahmen einer Beweisaufnahme zu klären sein, ob ein solcher Darlehensvertrag tatsächlich vereinbart wurde. Nach dem derzeitigen Vortrag des Antragstellers, dass seine Mutter bereit war, die Ausbildung zum Hotel- und Gastronomiefachmann zu tragen, sie allerdings die aufgewendeten Kosten vom Antragsteller nach Abschluss der Ausbildung zurückgezahlt bekommen wollte, spricht viel für die Annahme eines Darlehensvertrages. In diesem Zusammenhang ist jedoch auch insbesondere die von der Antragsgegnerin eingewandte mangelnde Ernsthaftigkeit einer solchen Abrede zu überprüfen.

Der Differenzbetrag i.H.v. 4.639,07 EUR (23.831,87 EUR - 19.192,80 EUR), verbliebe dem Antragsteller als Vermögen, da diese Summe vom Darlehensvertrag nicht umfasst wäre. Er unterfiele allerdings dem Schonvermögen nach § 12 SGB II. Der Betrag liegt unter dem Freibetrag des Antragstellers für Vermögen i.H.v. 4.050 EUR (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II) und für Anschaffungen i.H.v. 750,00 EUR (§ 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II), die vom Vermögen abzusetzen sind. Er wäre somit gesetzlich nicht verpflichtet, diesen Betrag dazu einzusetzen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Da der Sachverhalt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht genügend aufgeklärt werden kann, ist daher im Rahmen der Folgenabwägung davon auszugehen, dass dem Antragsteller das Geld, das sich nunmehr auf dem Konto seiner Mutter befindet, nicht als Vermögen zur Verfügung steht und der Antragsteller somit hilfebedürftig ist.

Ist dem Gericht, wie hier, eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern.

Vorliegend träfe es den Antragsteller härter, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form der Regelleistung nicht zu erhalten, obwohl er gerechtfertigt ist, als umgekehrt. Der Antragsgegnerin dagegen ist es zumutbar, die Rückforderung einer zu Unrecht gewährten Leistung dem Antragsteller gegenüber geltend zu machen.

Die Antragsgegnerin war somit zu verpflichten, dem Antragsteller vom 13. Mai 2008 bis 31. März 2009 Leistungen i.H.v. 330,00 EUR monatlich vorläufig zu gewähren.

Hinsichtlich der Höhe der Leistungen, die der Antragsgegner aufgrund der einstweiligen Anordnung zu gewähren hat, ist der Senat der Ansicht, dass im vorliegenden Fall auf Grund der besonderen Umstände eine Begrenzung der Leistungen auf das Maß gerechtfertigt erscheint, das der Antragsteller als das Unerlässliche angesehen hat. Die besonderen Anforderungen an Eilverfahren im Bereich der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende schließen es grundsätzlich nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (so BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 unter Bezug auf einen Beschluss des SG Düsseldorf vom 16. Februar 2005, S 35 SO 28/05 ER, NJW 2005, S. 845 ff., das zur Vermeidung einer Vorwegnahme der Hauptsache die zu zahlenden Leistungen auf 80 % begrenzte).

Nach § 20 SGB II beträgt die Regelleistung monatlich für Personen, die wie der Antragsteller allein stehend sind, 347,00 EUR, ab 1. Juli 2008 351,00 EUR. Der Antragsteller jedoch hat selbst angegeben, dass er 300,00 EUR für Lebensmittel und Hygieneartikel und 30,00 EUR für Fahrtkosten benötigt. Mithin erscheint es gerechtfertigt die Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin auf 330,00 EUR monatlich zu begrenzen.

Hinsichtlich des Beginns des Zuspruchs der vorläufigen Leistungen geht der Senat von dem Grundsatz aus, dass regelmäßig ein Anordnungsgrund nicht für Leistungszeiträume vor Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG besteht, mithin sich ein Zuspruch erst auf den Tag der Antragstellung beim SG beziehen kann. Dem Wesen der einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG entsprechend werden nämlich im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur vorläufige Regelungen getroffen, um die Zeit bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu überbrücken. Die vorläufige Regelung durch das Gericht soll nur sicherstellen, dass ein Antragsteller während der Dauer eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens nicht ohne finanzielle Mittel für seinen Lebensunterhalt bleibt, obwohl ihm vielleicht in der Sache bei vorläufiger Prüfung ein Anspruch zur Seite steht. Dieser Gedanke kann aber nicht eingreifen, wenn es sich um Leistungszeiträume vor Stellung des Eilantrages beim SG handelt. Denn hinsichtlich dieser Zeiträume besteht kein dringend zu regelendes Bedürfnis mehr, weil sich insoweit die Antragsteller selbst haben helfen können.

Hinsichtlich der Dauer der vorläufigen Regelung hat sich der Senat an § 41 Abs. 1 SGB II orientiert und zudem die konkreten Umständen des Einzelfalles berücksichtigt. Nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II werden Leistungen für sechs Monate bewilligt. Nach Satz 5 dieser Vorschrift kann der Bewilligungszeitraum auf bis zu zwölf Monate bei berechtigten verlängert werden, bei denen eine Veränderung der Verhältnisse in diesem Zeitraum nicht zu erwarten ist. Es erscheint hier gerechtfertigt, die Dauer der vorläufigen Regelung bis zum 31. März 2009 zu begrenzen. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung vorläufiger Leistungen für einen längeren Zeitraum kommt gerade unter Berücksichtigung des Alters des Antragstellers nicht in Betracht. Er hat gute Aussichten mit nunmehr zwei abgeschlossenen Ausbildungen einen Arbeitsplatz zu finden, der ihn in die Lage versetzt, selbst für seinen Lebensunterhallt aufzukommen.

Nach alledem hatte die Beschwerde des Antragstellers teilweise Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Die Kosten waren entsprechend des Obsiegens bzw. Unterliegens der Beteiligten zu quoteln.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Exner
Rechtskraft
Aus
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