L 19 B 177/08 R

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 R 28/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 B 177/08 R
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.01.2008 wird zurückgewiesen.



Gründe:


I.

Mit Bescheid vom 22.07.2002 / Widerspruchsbescheid vom 18.12.2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erwerbsminderungsrente ab. Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG). Das SG zog die Akten der Bau-Berufsgenossenschaft sowie die Klageakten Az. S 2 U 209/03 mit darin enthaltenen ärztlichen Unterlagen/ Gutachten bei und ließ den Kläger vor der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2004 durch den Chirurgen Dr.S. untersuchen und begutachten. Dieser Sachverständige hielt den Kläger trotz der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet noch für fähig, leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden / Tag zu verrichten. Wegen psychischer Störungen mit Verdacht auf ein Anfallsleiden empfahl er jedoch eine zusätzliche nervenärztliche Begutachtung. Das SG holte von Amts wegen von Dr.B.B. (A-Stadt) ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 18.10.2005 ein. Der Sachverständige diagnostizierte seitens seines Fachgebietes eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Schwindel, Z.n. nach Brüchen des 1.HWK und ein HWS- und LWS-Syndrom. Das Schwergewicht liege auf orthopädischem (Verschleißerscheinungen vieler Gelenke) und auf psychiatrischem Gebiet. Weitere Begutachtungen seien nicht erforderlich. Die orthopädischen Gesichtspunkte seien im Gutachten des Dr.S. beschrieben und bewertet.

Trotzdem beantragte der Kläger weitere Begutachtungen nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Orthopäden Prof. Dr.K.L. (E.) und den Neurologen und Psychiater Dr.S. (A-Stadt). Prof. Dr.L. bestätigte im Gutachten vom 02.05.2006 die bereits durch Dr.S. festgestellten Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderungen in den Schultergelenken, Bewegungseinschränkung im rechten Kleinfinger und Retropatellararthrose rechts. Auch er hielt den Kläger unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch für fähig, leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden zu verrichten. Ebenfalls zu dieser Leistungseinschätzung gelangte Dr.S. im Gutachten vom 12.01.2007, wobei er das therapieresistente Schmerzsyndrom als im Vordergrund stehend bezeichnete.

Am 07.03.2007 erklärte der Kläger die Rücknahme der Klage. Er beantragte am 22.03.2007 sinngemäß, die Kosten der gemäß § 109 SGG erfolgten Begutachtungen durch Prof. Dr.L. und Dr.S. auf die Staatskasse zu übernehmen.

Mit Beschluss vom 24.01.2008 lehnte das SG diesen Antrag ab. Die Gutachten hätten die Aufklärung des Sachverhalts objektiv nicht gefördert, denn beide hätten die Leistungseinschätzung der Vorgutachter bestätigt. Insbesondere Prof. Dr.L. habe ausdrücklich ausgeführt, dass eine nahezu vollständige Übereinstimmung mit der Beurteilung durch Dr.S. und Prof. Dr.L. bestehe.

Gegen diesen Beschluss legte der Kläger beim SG Beschwerde ein. Beide Gutachten hätten erheblich zur Sachaufklärung beigetragen. Der gerichtliche Sachverständige Dr.S. - Chirurg - sei lediglich im Rahmen eines kurzen Termingutachtens tätig geworden. Er habe daher auf sein komplexes Beschwerdebild nicht umfassend eingehen können. Eine Begutachtung durch einen Orthopäden sei wegen der im Vordergrund stehenden orthopädischen Beschwerden angezeigt gewesen. Auch durch den Sachverständigen Dr.B. sei der Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt worden.

Das SG half der Beschwerde nicht ab (Beschluss vom 25.02.2008) und legte diese dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG).

Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag des Klägers, die für die Gutachten des Prof. Dr.L. und des Dr.S. entstandenen Kosten auf die Staatskasse zu übernehmen, abgelehnt.

Die Übernahme der für ein Gutachten nach § 109 SGG verauslagten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer "anderen Entscheidung" i.S. des § 109 Abs 1 Satz 2 2.Halbs SGG ist id.R. dann gerechtfertigt, wenn das Gutachten in beträchtlichem Umfang beweiserheblich gewesen ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es durch Aufzeigen bis dahin nicht berücksichtigter medizinischer Gesichtspunkte zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich beigetragen oder die Erledigung des Rechtsstreits in sonstiger Weise wesentlich gefördert hat oder wenn es die Leistungsbeurteilung auf eine wesentlich breitere, für das Gericht überschaubarere und daher überzeugendere Grundlage gestellt hat.

Diese Voraussetzungen liegen für die im erstinstanzlichen Verfahren gemäß § 109 SGG von Prof. Dr.L. und Dr.S. eingeholten Gutachten nicht vor.

Mit der Beauftragung des Dr.B.B. zur Erstattung eines neurologisch-psychia- trischen Gutachtens hat das SG auf diesem Fachgebiet ausreichende Ermittlungen von Amts wegen vorgenommen. Die weitere Begutachtung auf diesem Fachgebiet durch Dr.S., die auf Wunsch des Klägers erfolgte, war daher zur Aufklärung des Sachverhalts nicht notwendig. Dr.S. teilte unter Würdigung der vorhandenen Gesundheitsstörungen seines Fachgebiets die Leistungseinschätzung des Dr.B ... Damit hat Dr.S. die bisherigen Ergebnisse zur Einsatzfähigkeit des Klägers lediglich bestätigt. Diese Bekräftigung ist nach den o.a. Grundsätzen nicht ausreichend, die Kosten der gemäß § 109 SGG erfolgten Begutachtung der Staatskasse aufzubürden.

Die orthopädischen Gesundheitsstörungen des Klägers wurden durch das Gutachten des Chirurgen Dr.S., dem die umfangreichen ärztlichen Unterlagen aus dem Klageverfahren gegen die Bau-Berufsgenossenschaft vorlagen, ebenfalls ausreichend aufgeklärt. Dies bestätigt Prof. Dr.L. mit dem Hinweis, dass nahezu vollständige Übereinstimmung mit der Beurteilung in den vorangegangenen Gutachten, insbesondere mit dem des Dr.S. und dem des Prof. Dr.L. (Gutachten vom 16.06.2004, eingeholt im Klageverfahren gegen die Unfallversicherung), besteht. Damit kommt die Übernahme der für die Begutachtung des Klägers durch Prof. Dr.L. angefallenen Kosten auf die Staatskasse ebenfalls nicht in Betracht.

Selbst wenn die Bestätigung der bisherigen Ergebnisse durch die gemäß § 109 SGG gehörten Sachverständigen Anlass für die Klagerücknahme durch den Kläger gewesen sein sollte, scheidet die Kostenübernahme aus. Denn die Kostenübernahme nach § 109 SGG ist kein Instrument zur Steuerung klägerischen Verhaltens (BayLSG, Beschluss vom 21.08.2006 - L 19 B 197/05 R -; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.06.2006 - L 5 B 3/05 SB SF -;
Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4.Aufl, III. Kap, Rdnr 101; derselbe in NZS 1992, 55).

Der Kläger hat daher die mit der Erstattung der Gutachten verbundenen Kosten endgültig zu tragen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei; er ist nicht anfechtbar (§§ 183, 177 SGG).

-
Rechtskraft
Aus
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