L 7 AS 167/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 15/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 167/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 23. April 2007 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II ab 01.01.2007 streitig.

Die Beklagte bewilligte der 1968 geborenen Klägerin ab 28.06.2005 Alg II. Mit Bescheid vom 03.07.2006 wurde ihr die Leistung für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2006 bewilligt.

Eine Weiterbewilligung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.11.2006 mit der Begründung ab, die Klägerin halte sich nicht mehr an dem von ihr angegebenen Wohnsitz auf. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2006 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin zum Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben und unter anderem angegeben, sie befinde sich zurzeit in Untersuchungshaft. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 23.04.2007 die Klage abgewiesen. Zwar sei die Klägerin unter der von ihr angegebenen Adresse gemeldet, eine polizeiliche Durchsuchung habe jedoch keinerlei Hinweise ergeben, dass sie sich in einer der Wohnungen in dem angegebenen Haus aufhalte.

Laut Rückschein ist der Gerichtsbescheid am 30.04.2007 einer Angestellten der Justizvollzugsanstalt A. übergeben worden.

Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid per Fax Berufung eingelegt. Das Fax ist beim Landessozialgericht am 31.05.2007 um 0.57 Uhr eingegangen. Die Klägerin hat angegeben, am 30.04.2007 aus der U-Haft entlassen worden zu sein; der Gerichtsbescheid sei ihr nicht wirksam zugestellt worden. Sie lege "rein vorsorglich als Entschuldigung für den verspäteten Eingang bei Gericht beiliegende Bestätigung vom Internetcafé I." vor. In der von ihr vorgelegten Bestätigung einer dritten Person heißt es, ihr sei beiliegendes Schreiben vom 30.05.2007 plus Anlagen von 17 Seiten am 30.05.2007 um ca. 23.30 Uhr zum sofortigen Faxauftrag übergeben worden. Das Empfangsgerät sei jedoch aus irgendwelchem Grunde blockiert gewesen. Deshalb seien die vom Sendegerät gespeicherten Seiten unverschuldet erst am 31.05.2007 nach dem Freizeichen automatisch gesendet worden.

Die Angestellte B. von der Poststelle der JVA A. hat auf Anfrage des Gerichts mit Schreiben vom 28.06.2007 erklärt, der Gerichtsbescheid sei der Klägerin am 30.04.2007 ausgehändigt worden.

Das Gericht hat der Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2008 mitgeteilt, dass nach Rücksprache mit der Registratur, die das Empfangsgerät bei Gericht betreue, keine Anhaltspunkte für eine Blockade am 30.05.2007 vorlägen. Außerdem müsste ein Fehlerprotokoll existieren, wenn tatsächlich am 30.05.2007 ein Fax nicht möglich gewesen sein sollte.

Die Klägerin hat sich hierzu nicht geäußert. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 28.03.2008 hin hat sie mit einem am 27.03.2008 um 23.33 Uhr eingegangenen Fax ein Schreiben vom 20.03.2008 übersandt, in dem es heißt, ihr sei ein Einschreiben des Gerichts über die Postagentur A-Stadt zugegangen. Nach Empfang habe sie den ungeöffneten Brief in ihre Jackentasche verbracht. Es hätten extrem starke Windverhältnisse (Schneesturm) geherrscht; der Brief sei ihr aus der Jackentasche im wahrsten Sinne des Wortes vom Winde verweht worden. Trotz intensiver Suche habe sie ihn nicht auffinden können. Sie bitte, ihr noch einmal eine Ausfertigung zukommen zu lassen. Sie hat die Erklärung einer dritten Person beigelegt, wonach diese die Angaben der Klägerin bestätige.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Augsburg vom 23.04.2007 sowie den Bescheid vom 09.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.01.2007 Alg II zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 23.04.2007 als unzulässig zu verwerfen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:
:

Die Berufung ist nicht zulässig, da die Monatsfrist des § 151 Abs.1 SGG nicht eingehalten wurde. Der Gerichtsbescheid ist am 30.04.2007 der Klägerin ordnungsgemäß zugestellt worden. Dies beweisen der Rückschein und die Auskunft der Angestellten der Poststelle der JVA A., wonach der Gerichtsbescheid noch am 30.04.2007 der Klägerin übergeben wurde. Diese hat, obwohl vom Senat hierzu zur Stellung aufgefordert, dies nicht bestritten, jedenfalls sich dazu nicht gegenteilig geäußert.

Die am 31.05.2007 eingegangene Berufung ist verspätet. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs.1 SGG liegen nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin ohne ihr Verschulden verhindert war, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der von ihr vorgebrachte Umstand, das Empfangsgerät des Gerichts sei bei dem Versuch, gegen 23.30 Uhr am 30.05.2007 das Berufungsschreiben per Fax zu übermitteln, blockiert gewesen, ist nicht glaubhaft gemacht. Nach Aussage des Angestellten des Gerichts, der das Empfangsgerät betreut, war am Folgetag kein Hinweis für eine solche Blockade, insbesondere kein Papierstau, festzustellen. Außerdem wäre in einem solchen Fall ein Fehlerprotokoll erstellt worden. Hierauf ist die Klägerin ebenfalls hingewiesen worden, auch hierzu hat sie sich nicht geäußert.

Für die Berufung galt die Monatsfrist des § 151 Abs.1 SGG, da der Gerichtsbescheid des SG mit der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen war, dass er mit der Berufung angefochten werden kann, und diese innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Landessozialgericht oder beim Sozialgericht Augsburg schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen ist.

Der Senat konnte in der Sache nach mündlicher Verhandlung entscheiden. Die Klägerin ist zu dem Termin ordnungsgemäß geladen worden. Dies beweist der Rückschein, wonach ihr die Ladung am 20.03.2008 ausgehändigt wurde. Dies ergibt sich auch aus ihrem Schreiben vom 20.03.2008, das am 27.03.2008 per Fax um 23.23 Uhr eingegangen ist. Der Inhalt dieses Schreibens bot keine Veranlassung für eine Vertagung des Rechtsstreits und eine erneute Ladung. Zum einen ist der Vortrag in diesem Schreiben unglaubwürdig; vielmehr spricht der Umstand, dass die Klägerin das angeblich am 20.03.2008 verfasste Schreiben per Fax am 27.03.2008 um 23.30 Uhr übermittelte, dafür, dass es ihr darum ging, ihr Nichterscheinen zu rechtfertigen. Der Übermittlungszeitpunkt dieses Schreibens spricht dafür, dass sie sehr wohl Kenntnis davon hatte, dass der Termin am 28.03.2008 stattfand.

Unabhängig davon wäre die Ordnungsgemäßheit der Ladung durch die von ihr angeführten Umstände nicht berührt, weil es sich die Klägerin zurechnen lassen müsste, falls sie keine Kenntnis von dem Termin erlangt hätte. Denn sollte ihr die Ladung tatsächlich am 20.03.2008 auf die geschilderte Weise abhanden gekommen sein, wäre sie verpflichtet gewesen, dies dem Gericht umgehend mitzuteilen, woraufhin sie erneut von dem Termin hätte benachrichtigt werden können. Eine Sorgfaltspflichtverletzung dieser Art, die dazu führt, dass trotz ordnungsgemäßer Ladung keine Kenntnis von einem Gerichtstermin erlangt wird, geht zu Lasten des Ladungsempfängers und verwehrt es dem Gericht nicht, nach mündlicher Verhandlung in der Sache zu entscheiden (vgl. BSG SozR 3-1500
§ 160a Nr.4).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.1 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.



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Rechtskraft
Aus
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