L 14 B 1868/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 33 AS 2694/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 1868/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 2. September 2008 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, ab dem 1. September 2008 bis zum 28. Februar 2009, längstens jedoch bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Juli 2008 über die in dem genannten Bescheid bewilligten Leistungen hinaus monatlich weitere 300,47 EUR an Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 des Sozialgesetzbuches, Zweites Buch - SGB II - zu gewähren. Gemäß § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – kann das Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustandes eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einstreitiges Rechtsverhältnis nur erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Voraussetzungen sind indessen nicht gegeben, der Senat vermag einen entsprechenden Anordnungsanspruch nicht zu erkennen.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles entsprechenden Umfang, sind sie als Bedarf solange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich ist, die Aufwendungen durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Art und Weise zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Die Höhe der für die vom Antragsteller gegenwärtig innegehabte Wohnung anfallenden Aufwendungen ist unangemessen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts –BSG - entscheidet über die Angemessenheit das sich in der Höhe der Wohnungsmiete niederschlagende Produkt aus angemessener Wohnungsgröße, die unter Zugrundelegung der landesrechtlichen Wohnraumförderungsbestimmungen zu ermitteln ist, und angemessenem Wohnungsstandard, der nur einfachen und grundlegenden Bedürfnissen zu genügen hat (BSG, Urt. v. 7. November 2006 – B 7 b AS 18/06 R - = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3; v. 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R - ). Der Senat hält die vom Antragsteller bewohnte Wohnung hinsichtlich ihrer Größe (drei Zimmer mit einer Wohnfläche von 66,68m²) und ihres Mietpreises (676,80 EUR warm) für unangemessen; er hat keine Bedenken, sich – jedenfalls im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes – der Auffassung der Antragsgegnerin anzuschließen, wonach als abstrakt angemessen für einen allein stehenden Hilfeempfänger eine Wohnungsgröße bis zu zwei Räumen mit insgesamt 50 m² und ein Mietpreis bis zu 370,- Euro anzusehen ist, was einer Warmmiete von 7,40 EUR pro m² entspricht.

Die Angemessenheit der gegenwärtigen Wohnung ergibt sich auch nicht daraus, dass konkret keine Ausweichmöglichkeit zur Verfügung steht (konkrete Angemessenheit, vgl. BSG, Urt. v. 7. November 2006 – B 7 b AS 18/06 R - = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3). Es ist nicht glaubhaft geworden, dass der Antragsteller keine Möglichkeit hat, in Potsdam eine andere Wohnung zu einem angemessenen Preis zu finden. Er bestreitet nicht, dass ihm im Oktober 2007 ein konkretes Wohnungsangebot unterbreitet worden ist, das innerhalb der von der Antragsgegnerin benannten Grenzen der Angemessenheit lag. Unwidersprochen ist auch der Vortrag der Antragsgegnerin geblieben, dass am 15. September 2008 zwei angemessene Wohnungen in Potsdam auf dem sozialen Wohnungsmarkt verfügbar gewesen seien. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Antragsteller für eine Anmietung einer dieser Wohnungen nicht in Frage kommen sollte, zumal er über den notwendigen Wohnberechtigungsschein nach seinem eigenen Vorbringen bereits verfügt. Dass er tatsächlich keine andere Wohnung hat, widerlegt diese Einschätzung nicht, weil er bisher noch nicht einmal den Versuch unternommen hat, eine Sozialwohnung anzumieten. Der Antragsteller verkennt offensichtlich, dass es nicht der Antragsgegnerin, sondern ihm obliegt, eine angemessene Wohnung zu suchen. Danach gibt es keine Grundlage dafür, es überwiegend für wahrscheinlich zu halten, dass der Antragsteller bis August 2008 nicht in der Lage war, eine andere Wohnung in Potsdam zu einem angemessenen Mietpreis zu finden. Ebenso wenig gibt es Hinweise dafür, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt seitdem verschlechtert haben könnte. Auf die Frage, ob eine Senkung der Kosten auch durch Untervermietung möglich wäre, kommt es somit nicht an.

Ist die gegenwärtige Wohnung eines Hilfebedürftigen unangemessen, können höhere Kosten nach dem Gesetz in der Regel längstens für sechs Monate übernommen werden. Diese Frist war für den Antragsteller im September 2008 bereits abgelaufen. Seit Oktober 2007 hatte er fortlaufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalten, für die Monate Oktober 2007 bis Februar 2008 und für die Zeit vom 15. Juli bis 10. August 2008 unter Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die unangemessen teure Wohnung. Auch die vom Antragsteller noch weiter angeführten Gründe, jedenfalls zunächst von einem Auszug aus seiner bisherigen Wohnung Abstand zu nehmen, nämlich Bewerbungen bei Arbeitgebern an anderen Orten, welche zur Notwendigkeit eines Umzugs aus beruflichen Gründen führen können, und die Überlegung, in die Nähe seiner Kinder zu ziehen, rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Der Gesetzgeber hat für die Übernahme von das Maß des Angemessenen übersteigenden Mietaufwendungen eine regelmäßige Frist von sechs Monaten vorgesehen, woraus sich ergibt, dass er diesen Zeitrum grundsätzlich für ausreichend und angemessen ansieht, um den erstmalig in den Bezug von Arbeitslosengeld II geratenen Hilfebedürftigen Gelegenheit zu geben, ihre Angelegenheiten zu ordnen. Wenn in dieser Zeit keine Änderung in den beruflichen oder persönlichen Verhältnissen eingetreten ist, gewinnt das Interesse der Allgemeinheit den Vorrang, die steuerfinanzierten Leistungen der Grundsicherung auf das Maß des Angemessenen zu reduzieren. Ab September 2008 waren danach die Kosten für Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe des Angemessenen zu übernehmen. Im Übrigen gibt es auch seitdem keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass nunmehr Veränderungen in der Lebenssituation des Antragstellers unmittelbar bevorstehen, welche einen Umzug entbehrlich erscheinen lassen würden.

Der Antragsteller ist schließlich bereits im März 2007 von der Antragsgegnerin darauf hingewiesen worden, dass seine gegenwärtige Wohnung zu teuer sei und lediglich ein Mietpreis von bis zu 370,- EUR als angemessen angesehen werde. Dieser Hinweis erledigte sich nicht dadurch, dass der Antragsteller in einem Verfahren vor dem Landgericht Potsdam am 14. September 2007 noch die Weiterzahlung von Arbeitslohn bis zum 30. Juni 2007 und die Gewährung einer Abfindung erstritten hatte. Zwar fiel damit seine Bedürftigkeit ab März 2007 zunächst wieder weg, allerdings war absehbar, dass erneut Leistungen nach dem SGB II in Anspruch genommen werden würden, was für Zeiträume ab Oktober 2007 dann auch eingetreten ist. Weiterer Hinweise auf die sich nach § 22 Abs. 1 SGB II ergebende Rechtslage bedurfte es nicht. Insbesondere war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, fortlaufend konkrete Möglichkeiten zur Anmietung einer kostengünstigeren Wohnung aufzuzeigen (BSG, Urt. v. 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R -). Auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin sich vergleichsweise bereit erklärt hatte, die höhere Miete für die Monate bis Februar 2008 zu übernehmen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Obliegenheit, eine günstigere Wohnung zu finden, entfiel dadurch nicht; es sollte nur der Übergang erleichtert werden.

Nach alledem war auf die Beschwerde der Antragsgegnerin der Beschluss des Sozialgerichts aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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