Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
48
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 48 KR 1093/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung festgestellt, dass die Antragsgegnerin dem Grunde nach verpflichtet ist, dem Antragsteller nach Haftentlassung Leistungen für eine stationäre Entwöhnungsbehandlung zu gewähren. Diese Feststellung gilt längstens bis zur Bestandskraft des Bescheides der Antragsgegnerin vom 17. Juli 2008. 2. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen einer stationären Entwöhnungsmaßnahme.
Der 1979 geborene, alkoholabhängige Kläger, der zuletzt bei der Antragsgegnerin krankenversichert war, befindet sich seit August 2005 in Strafhaft in der JVA F ... Er ist dort für einen Gebäudereinigungsbetrieb tätig; sein Konto in der JVA wies zum 16.09.2008 einen vom Arbeitslohn angesparten Betrag (sog. Überbrückungsgeld) iHv EUR 1.388,00 auf. Von Februar 2006 bis März 2007 absolvierte der Antragsteller im Klinikum O. eine Sozialtherapie. Seit Februar 2008 nimmt er an Treffen der Gruppe für Alkoholabhängige in der JVA teil und besuchte von Juni bis September 2008 die in der JVA angebotene Rückfallprophylaxe. Nachdem sein im Jahre 2006 gestellter Antrag auf Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) abgelehnt worden war, da der Antragsteller seine Taten unter Alkoholeinfluss begangen habe, wurde im Juli 2008 vom Landgericht Hamburg (Az.: 605 StVK 77/07) eine Haftentlassung zum Zweidrittelzeitpunkt (26.08.2008) nach § 57 Strafgesetzbuch (StGB) in Aussicht gestellt, sofern der Antragsteller unter Nachweis eines Therapieplatzes und einer Kostenzusage nahtlos aus der Haft eine stationäre Alkoholentwöhnung anträte.
Der Antragsteller beantragte daraufhin mit Schreiben vom 26.06.2008 unter Beifügung eines von der Beratungsstelle M. erstellten Sozialberichts und eines Befundberichts der im Sanitätsdienst der JVA tätigen Ärztin Frau Dr. S. vom 23.06.2008 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (im Weiteren Beigeladene zu 1) stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke. Die Beigeladene zu 1 übersandte den am 03.07.2008 bei ihr eingegangenen Antrag daraufhin an die Antragsgegnerin, wo dieser am 14.07.2008 einging.
Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Schreiben vom 17.07.2008, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, ab und verwies den Antragsteller darauf, einen Antrag beim zuständigen Sozialhilfeträger (im Weiteren: Beigeladene zu 2) zu stellen, um Krankenversicherungsschutz "nach Haftentlassung" zu erhalten. Ein Anspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestehe nicht.
Hiergegen legte der Antragsteller am 29.07.2008 Widerspruch ein und beantragte die "Wiederversicherung" bei der Antragsgegnerin für die Zeit nach der Haftentlassung. Die Antragsgegnerin sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V verpflichtet, ihn nach Haftentlassung wieder als Mitglied aufzunehmen und zudem als zweitangegangener Träger nach § 14 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zuständig.
Am 09.09.2008 hat der Antragsteller das Sozialgericht wegen der ablehnenden Entscheidung der Antragsgegnerin um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Da alle in Betracht kommenden Träger die Kostenzusage für die Therapie verweigerten, drohe sein bereits zugesagter Platz in der Klinik S1 verloren zu gehen.
Die Antragsgegnerin trägt nunmehr vor, der Antragsteller könne seinen Anspruch auch nach Haftentlassung gegenüber der Strafvollzugsbehörde geltend machen. Die insofern in Betracht kommenden Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes gingen als spezielleres Gesetz insbesondere dem SGB IX vor. Es gebe im Hamburger Strafvollzug auch freie Kapazitäten für Drogentherapien. § 14 SGB IX könne schon deshalb nicht anwendbar sein, da andernfalls ein Strafgefangener über diese Vorschrift eine Haftentlassung sofort nach Haftantritt erreichen könnte, um seine Ansprüche auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach § 1 SGB IX durchzusetzen. Die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V oder § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V lägen nicht vor. Darüber hinaus sei ein Anspruch nach § 40 SGB V nicht gegeben. Die Voraussetzungen für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme müssten durch die Krankenkasse geprüft werden, was nicht möglich sei, wenn die Antragsgegnerin jede Therapie, für die das Landgericht Hamburg eine vorzeitige Entlassung anordne, zu zahlen hätte. Auch würden dadurch die Strafgefangenen gegenüber GKV-Versicherten bessergestellt. Im Übrigen sei nicht zu erkennen, dass der Antragsteller überhaupt hinreichend motiviert sei. Die jetzigen Erklärungen könnten lediglich abgegeben worden sein, um aus der Haft vorzeitig entlassen zu werden. Letztlich sei auch kein Anordnungsgrund gegeben. Es sei nicht zu erkennen, weshalb nunmehr eine Drogenentwöhnung eilig sei. Zudem sei das Entlassungsdatum verstrichen.
Die Beigeladene zu 1 erklärt, dass der Antrag weitergeleitet worden sei, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen der medizinischen Rehabilitation nicht vorlägen. Die Beigeladene zu 2 ist der Auffassung, es bestehe weder ein Anspruch nach den Vorschriften des Strafvollzugs, noch könne der Antragsteller Krankenversicherungsschutz über § 264 Abs. 2 SGB V erlangen. Denn mit dem Überbrückungsgeld habe er mangels Hilfebedarf keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen, der bei der Entscheidung vorgelegen hat. Das Gericht hat telefonische Auskünfte der Vorsitzenden der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg, der Diplom-Sozialpädagogin Frau B., tätig für das M., des Herrn H., tätig für die ARGE in der JVA sowie der Klinik S1 eingeholt.
II.
1. Der wörtliche Antrag "auf Krankenversicherungsschutz als Pflichtversicherter" zielt nach verständiger Würdigung des Vortrags (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG) darauf, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass die Antragsgegnerin bei Haftentlassung zur Gewährung einer stationären Entwöhnungsbehandlung verpflichtet ist. Es geht dem Antragsteller nicht darum, bereits jetzt Krankenversicherungsschutz durch die Antragsgegnerin zu erlangen. Denn seine Krankenbehandlung ist während der noch andauernden Strafhaft nach §§ 60 ff. des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung (Hamburgisches Strafvollzugsgesetz – HmbStVollzG) vom 14.12.2007 (HmbGVBl. 2007, S. 471) sichergestellt.
2. Der so verstandene Antrag ist zulässig und begründet.
Statthaft ist ein Antrag nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. In der Hauptsache würde es sich um eine Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 SGG handeln. Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht eine etwaige Bestandskraft des ablehnenden Bescheides vom 17.07.2008 entgegen. Zwar ist der Widerspruch des Antragstellers erst am 29.08.2008 bei der Antragsgegnerin eingegangen. Zum einen ist aber schon weder Absende- noch Bekanntgabezeitpunkt zu erkennen, zum anderen fehlt es an der erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung, so dass nach § 84 Abs. 2 Satz 3 iVm § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG die Jahresfrist lief. Das erforderliche Feststellungsinteresse des Antragstellers folgt aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin die für die vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft erforderliche Kostenzusage für die stationäre Alkoholentwöhnung verweigert und die fehlende Kostenzusage daher durch die gerichtliche Feststellung ersetzt werden muss. Hingegen kommt eine vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungsgewährung während der noch andauernden Haft aus o. g. Gründen nicht in Betracht. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Eilantrag entfällt auch nicht etwa deshalb, weil die Klinik S1 nach telefonischer Auskunft dem Antragsteller bislang keine Platzzusage erteilt hat. Denn die Klinik wird dem Antragsteller erst dann einen Therapieplatz zusagen, wenn die Übernahme der Kosten durch einen Reha-Träger erklärt worden ist. Der Antragsteller benötigt also zuerst die Kostenzusage bzw. die gerichtliche Feststellung, dass die Antragsgegnerin die stationäre Rehabilitation erbringen muss. Auch der Hinweis der Antragsgegnerin auf vermeintlich vorhandene Kapazitäten für eine Entwöhnungsbehandlung in der Haftanstalt steht dem Rechtsschutzbedürfnis nicht entgegen. Denn zum einen obliegt die Entscheidung, den Antragsteller zum Zwecke einer stationären Entwöhnung zum Zweidrittelzeitpunkt aus der Haft zu entlassen, allein der zuständigen Strafvollstreckungskammer. Zum anderen kann der Antragsteller vernünftigerweise nicht darauf verwiesen werden, er möge in Haft bleiben. Darüber hinaus ist der Vortrag der Antragsgegnerin unsubstantiiert geblieben, während die zuständige Sozialpädagogin, die die Verhältnisse vor Ort kennt, überzeugend dargelegt hat, dass entsprechende Therapieangebote im Hamburger Strafvollzug nicht vorhanden seien. Wenn die Antragsgegnerin den Antragsteller zudem darauf verweist, nach Haftentlassung einen Antrag auf laufende Sozialhilfeleistungen bei der Beigeladenen zu 2 zu stellen, um somit Krankenhilfe über § 264 Abs. 2 SGB V zu erlangen, verkennt sie die Interessenlage des Antragstellers.
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Einstweilige Anordnungen sind zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Der durch den beantragten vorläufigen Rechtsschutz zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit seiner vorläufigen Sicherung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung).
Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf die begehrte Feststellung zu haben. Denn die Antragsgegnerin ist nach allen derzeit vorliegenden Erkenntnissen verpflichtet, dem Antragsteller nach Haftentlassung die begehrten Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB IX, §§ 11 Abs. 2, 40 Abs. 2 SGB V zu gewähren. Dies folgt – unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 3 iVm Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX – daraus, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab dem Zeitpunkt der Entlassung aus der Haft Krankenversicherungsschutz zu gewähren hat und der Antragsteller nach überwiegender Wahrscheinlichkeit Leistungen der stationären Rehabilitation gem. § 40 Abs. 2 SGB V beanspruchen kann.
Der Antragsteller wird mit der Haftentlassung entweder nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V oder § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V krankenversicherungspflichtig und durch Ausübung seines Wahlrechts nach § 173 Abs. 1 iVm § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB V Mitglied der Antragsgegnerin oder aber die Antragsgegnerin ist als nach § 264 Abs. 3 SGB V gewählte Krankenkasse gemäß § 264 Abs. 2 SGB V zur Übernahme der Krankenbehandlungskosten verpflichtet.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 1. Halbsatz SGB V sind Personen versicherungspflichtig in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind. Der nicht familienversicherte Antragsteller hat bereits in der JVA einen Antrag auf laufende Leistungen nach dem SGB II iSv § 37 Abs. 1 SGB II gestellt. Nach telefonischer Auskunft des nach eigenen Angaben u. a. für die ARGE in der JVA tätigen Mitarbeiters liegt der unterschriebene Antrag einschließlich der Angabe, die Antragsgegnerin als Krankenkasse zu wählen, vor. Dass über den Antrag – wie mitgeteilt – offenbar sogar bis zum Abschluss der anvisierten Reha-Maßnahme nicht entschieden werden soll, steht der Erfüllung des Antragserfordernisses nicht entgegen. Einem Anspruch des Antragstellers auf Arbeitslosengeld II dem Grunde nach könnte zwar der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II wegen Aufenthaltes in einer stationären Einrichtung entgegenstehen. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Antragsteller voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (iSv § 107 SGB V) untergebracht ist (§ 7 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 SGB II). Durch den Verweis auf den gesamten § 107 SGB V wird klargestellt, dass auch ein Aufenthalt in einer Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung iSv § 107 Abs. 2 SGB V von dieser Ausnahmevorschrift erfasst ist (Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rn. 66; BT-Drs. 16/1410, S. 20).
Es kann und muss zum jetzigen Zeitpunkt nicht prognostiziert werden, ob die voraussichtliche Dauer der stationären Reha-Maßnahme sechs Monate übersteigen wird. Ebenso wenig muss in diesem Eilverfahren entschieden werden, ob einem tatsächlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld II die Auszahlung des Übergangsgeldes vom Anstaltskonto sowie die Tatsache der Vollverpflegung durch die Klinik entgegenstehen könnte. Denn wenn aus diesen Gründen mangels Hilfebedürftigkeit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II und deshalb auch – bei voraussichtlich sechs Monate oder länger dauernder Unterbringung in der stationären Alkoholentwöhnung – ein Anspruch auf laufende Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gegen die Beigeladene zu 2 ausschiede, wäre der Antragsteller jedenfalls über § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei der Antragsgegnerin pflichtversichert.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren (lit. a)). Dies träfe auf den Antragsteller bei fehlendem Anspruch auf Arbeitslosengeld II zu. Ein Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem HmbStVollzG, der einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall darstellt (vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 94; SG Hamburg, Beschluss vom 31.05.2007 – S 8 KR 304/07 ER), besteht nach Haftentlassung nicht mehr. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Antragsgegnerin herangezogenen § 18 Abs. 1 HmbStVollzG. Danach kann die Anstalt Gefangenen auf Antrag auch nach der Entlassung Hilfestellung in besonders begründeten Einzelfällen gewähren, soweit diese nicht anderweitig zur Verfügung steht und der Erfolg der Behandlung oder Erziehung gefährdet erscheint. Die Kostenübernahme für eine stationäre Alkoholentwöhnung dürfte schon keine bloße "Hilfestellung" iSd Vorschrift sein. Darüber hinaus ist die Unterstützung durch die Haftanstalt dem Wortlaut nach subsidiär. Vorliegend steht aber mit der Antragsgegnerin ein Leistungsträger zur Verfügung. Des Weiteren kann im Eilverfahren offen bleiben, ob die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gem. § 5 Abs. 8a Satz 1 und 2 SGB V möglicherweise deshalb entfällt, weil der Antragsteller nach Haftentlassung laufende Leistungen nach dem SGB XII beziehen würde. Abgesehen davon, dass die zur Beantwortung dieser Frage notwendige Abgrenzung zum Arbeitslosengeld II aus den o. g. Erwägungen derzeit nicht getroffen werden kann, ist dieser Gesichtspunkt für das Begehren des Antragstellers irrelevant und muss durch das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden. Im dem einen wie dem anderen Fall wäre die Antragsgegnerin verpflichtet, die Krankenbehandlung des Antragstellers zu übernehmen. An dieser Verpflichtung vermag auch der im Falle des § 264 Abs. 2 SGB V bestehende Erstattungsanspruch gegen die Beigeladene zu 2 nach § 264 Abs. 7 SGB V nichts zu ändern (vgl. SG Hamburg, Beschluss vom 17.07.2007 – S 48 KR 438/07 ER).
Der Antragsteller hat darüber hinaus auch glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme gegenüber der Antragsgegnerin zu haben.
Nach § 40 Abs. 2 SGB V kann die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung erbringen, sofern eine Leistung nach Abs. 1 nicht ausreicht. Wie sich aus diesem Verweis auf § 40 Abs. 1 SGB V sowie der dortigen Bezugnahme auf § 11 Abs. 2 SGB V ergibt, setzt der geltend gemacht Anspruch tatbestandlich u. a. voraus, dass die begehrte Maßnahme aus medizinischen Gründen erforderlich ist, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Ferner ist notwendig, dass die vorgenannten Ziele nicht bereits durch eine ambulante Rehabilitation erreicht werden können, die ihrerseits nur dann erbracht werden darf, wenn eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht.
Diese tatbestandlichen Voraussetzungen liegen im Falle des suchtkranken und damit iSv § 2 Abs. 1 SGB IX seelisch behinderten Antragstellers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor. Ambulante Krankenbehandlung – also Einzelleistungen nach den §§ 27 ff. SGB V –, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, kommt im Falle des Antragstellers nicht in Betracht. Die Sozialpädagogin Frau B. hat überzeugend dargelegt, dass eine ambulante Therapie mangels eigenen Wohnraums, des persönlichen Umfeldes in Hamburg und der Gefahr, wieder rückfällig in Bezug auf übermäßigen Alkoholkonsum zu werden, keinen Erfolg verspricht – unabhängig davon, dass die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung an die Bedingung der nahtlosen stationären Therapie geknüpft ist. Der Antragsteller erfüllt damit in dieser Situation sogar mehrere der in Ziff. 2 der zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger sowie dem Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen getroffenen "Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen" vom 04.05.2001 aufgeführten Kriterien für eine stationäre Entwöhnung.
Die Leistung ist nach summarischer Prüfung auch aus medizinischen Gründen erforderlich. Dies ist der Fall, wenn die bestehenden Funktionseinschränkungen oder Beeinträchtigungen der Beeinflussung durch die Mittel der medizinischen Rehabilitation zugänglich sind und die in Betracht kommende Leistung eine gewisse Aussicht auf Erfolg verspricht. Nach dem vorliegenden Befundbericht der behandelnden Ärztin Dr. S. vom 23.06.2008 ist davon auszugehen, dass durch eine Suchtentwöhnungstherapie eine erfolgreiche Rehabilitation iSd § 10 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch möglich ist. Dies genügt, um vorliegend auch im Rahmen der Leistungen und Ziele des § 40 Abs. 2 SGB V von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der stationären Rehabilitationsmaßnahme auszugehen. Soweit die Antragsgegnerin die Motivation des Antragstellers zur Entwöhnungsbehandlung bezweifelt, handelt es sich um bloße Vermutungen, die durch nichts belegt sind und i. Ü. im Widerspruch zu den ärztlichen Angaben und den Berichten der den Antragsteller betreuenden Sozialpädagogin stehen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass einem Abbruch der Therapie der Widerruf der Strafaussetzung nach § 57 Abs. 5 Satz 1 iVm § 56f Abs. 1 StGB folgen dürfte. Nicht nachvollziehbar ist letztlich der Vortrag der Antragsgegnerin, ihr sei eine eigene Prüfung der Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 SGB V im Falle einer durch die Strafvollstreckungskammer in Aussicht gestellten vorzeitigen Entlassung der betreffenden Person nicht möglich.
Der Anordnungsgrund folgt aus dem Umstand, dass dem Antragsteller nur durch eine schnelle gerichtliche Entscheidung die vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft ermöglicht werden kann. Eine Entscheidung in einem möglichen Hauptsacheverfahren käme zu spät. Das Verstreichen des Zweidrittelzeitpunkts (26.08.2008) ist für die Eilbedürftigkeit ohne Bedeutung. Denn die Entlassung des Antragstellers aus der Haft wird – wie telefonisch durch die Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer bestätigt – umgehend veranlasst werden, wenn Kosten- und Platzzusage vorliegen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen einer stationären Entwöhnungsmaßnahme.
Der 1979 geborene, alkoholabhängige Kläger, der zuletzt bei der Antragsgegnerin krankenversichert war, befindet sich seit August 2005 in Strafhaft in der JVA F ... Er ist dort für einen Gebäudereinigungsbetrieb tätig; sein Konto in der JVA wies zum 16.09.2008 einen vom Arbeitslohn angesparten Betrag (sog. Überbrückungsgeld) iHv EUR 1.388,00 auf. Von Februar 2006 bis März 2007 absolvierte der Antragsteller im Klinikum O. eine Sozialtherapie. Seit Februar 2008 nimmt er an Treffen der Gruppe für Alkoholabhängige in der JVA teil und besuchte von Juni bis September 2008 die in der JVA angebotene Rückfallprophylaxe. Nachdem sein im Jahre 2006 gestellter Antrag auf Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) abgelehnt worden war, da der Antragsteller seine Taten unter Alkoholeinfluss begangen habe, wurde im Juli 2008 vom Landgericht Hamburg (Az.: 605 StVK 77/07) eine Haftentlassung zum Zweidrittelzeitpunkt (26.08.2008) nach § 57 Strafgesetzbuch (StGB) in Aussicht gestellt, sofern der Antragsteller unter Nachweis eines Therapieplatzes und einer Kostenzusage nahtlos aus der Haft eine stationäre Alkoholentwöhnung anträte.
Der Antragsteller beantragte daraufhin mit Schreiben vom 26.06.2008 unter Beifügung eines von der Beratungsstelle M. erstellten Sozialberichts und eines Befundberichts der im Sanitätsdienst der JVA tätigen Ärztin Frau Dr. S. vom 23.06.2008 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (im Weiteren Beigeladene zu 1) stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke. Die Beigeladene zu 1 übersandte den am 03.07.2008 bei ihr eingegangenen Antrag daraufhin an die Antragsgegnerin, wo dieser am 14.07.2008 einging.
Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Schreiben vom 17.07.2008, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, ab und verwies den Antragsteller darauf, einen Antrag beim zuständigen Sozialhilfeträger (im Weiteren: Beigeladene zu 2) zu stellen, um Krankenversicherungsschutz "nach Haftentlassung" zu erhalten. Ein Anspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestehe nicht.
Hiergegen legte der Antragsteller am 29.07.2008 Widerspruch ein und beantragte die "Wiederversicherung" bei der Antragsgegnerin für die Zeit nach der Haftentlassung. Die Antragsgegnerin sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V verpflichtet, ihn nach Haftentlassung wieder als Mitglied aufzunehmen und zudem als zweitangegangener Träger nach § 14 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zuständig.
Am 09.09.2008 hat der Antragsteller das Sozialgericht wegen der ablehnenden Entscheidung der Antragsgegnerin um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Da alle in Betracht kommenden Träger die Kostenzusage für die Therapie verweigerten, drohe sein bereits zugesagter Platz in der Klinik S1 verloren zu gehen.
Die Antragsgegnerin trägt nunmehr vor, der Antragsteller könne seinen Anspruch auch nach Haftentlassung gegenüber der Strafvollzugsbehörde geltend machen. Die insofern in Betracht kommenden Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes gingen als spezielleres Gesetz insbesondere dem SGB IX vor. Es gebe im Hamburger Strafvollzug auch freie Kapazitäten für Drogentherapien. § 14 SGB IX könne schon deshalb nicht anwendbar sein, da andernfalls ein Strafgefangener über diese Vorschrift eine Haftentlassung sofort nach Haftantritt erreichen könnte, um seine Ansprüche auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach § 1 SGB IX durchzusetzen. Die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V oder § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V lägen nicht vor. Darüber hinaus sei ein Anspruch nach § 40 SGB V nicht gegeben. Die Voraussetzungen für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme müssten durch die Krankenkasse geprüft werden, was nicht möglich sei, wenn die Antragsgegnerin jede Therapie, für die das Landgericht Hamburg eine vorzeitige Entlassung anordne, zu zahlen hätte. Auch würden dadurch die Strafgefangenen gegenüber GKV-Versicherten bessergestellt. Im Übrigen sei nicht zu erkennen, dass der Antragsteller überhaupt hinreichend motiviert sei. Die jetzigen Erklärungen könnten lediglich abgegeben worden sein, um aus der Haft vorzeitig entlassen zu werden. Letztlich sei auch kein Anordnungsgrund gegeben. Es sei nicht zu erkennen, weshalb nunmehr eine Drogenentwöhnung eilig sei. Zudem sei das Entlassungsdatum verstrichen.
Die Beigeladene zu 1 erklärt, dass der Antrag weitergeleitet worden sei, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen der medizinischen Rehabilitation nicht vorlägen. Die Beigeladene zu 2 ist der Auffassung, es bestehe weder ein Anspruch nach den Vorschriften des Strafvollzugs, noch könne der Antragsteller Krankenversicherungsschutz über § 264 Abs. 2 SGB V erlangen. Denn mit dem Überbrückungsgeld habe er mangels Hilfebedarf keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen, der bei der Entscheidung vorgelegen hat. Das Gericht hat telefonische Auskünfte der Vorsitzenden der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg, der Diplom-Sozialpädagogin Frau B., tätig für das M., des Herrn H., tätig für die ARGE in der JVA sowie der Klinik S1 eingeholt.
II.
1. Der wörtliche Antrag "auf Krankenversicherungsschutz als Pflichtversicherter" zielt nach verständiger Würdigung des Vortrags (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG) darauf, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass die Antragsgegnerin bei Haftentlassung zur Gewährung einer stationären Entwöhnungsbehandlung verpflichtet ist. Es geht dem Antragsteller nicht darum, bereits jetzt Krankenversicherungsschutz durch die Antragsgegnerin zu erlangen. Denn seine Krankenbehandlung ist während der noch andauernden Strafhaft nach §§ 60 ff. des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung (Hamburgisches Strafvollzugsgesetz – HmbStVollzG) vom 14.12.2007 (HmbGVBl. 2007, S. 471) sichergestellt.
2. Der so verstandene Antrag ist zulässig und begründet.
Statthaft ist ein Antrag nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. In der Hauptsache würde es sich um eine Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 SGG handeln. Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht eine etwaige Bestandskraft des ablehnenden Bescheides vom 17.07.2008 entgegen. Zwar ist der Widerspruch des Antragstellers erst am 29.08.2008 bei der Antragsgegnerin eingegangen. Zum einen ist aber schon weder Absende- noch Bekanntgabezeitpunkt zu erkennen, zum anderen fehlt es an der erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung, so dass nach § 84 Abs. 2 Satz 3 iVm § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG die Jahresfrist lief. Das erforderliche Feststellungsinteresse des Antragstellers folgt aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin die für die vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft erforderliche Kostenzusage für die stationäre Alkoholentwöhnung verweigert und die fehlende Kostenzusage daher durch die gerichtliche Feststellung ersetzt werden muss. Hingegen kommt eine vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungsgewährung während der noch andauernden Haft aus o. g. Gründen nicht in Betracht. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Eilantrag entfällt auch nicht etwa deshalb, weil die Klinik S1 nach telefonischer Auskunft dem Antragsteller bislang keine Platzzusage erteilt hat. Denn die Klinik wird dem Antragsteller erst dann einen Therapieplatz zusagen, wenn die Übernahme der Kosten durch einen Reha-Träger erklärt worden ist. Der Antragsteller benötigt also zuerst die Kostenzusage bzw. die gerichtliche Feststellung, dass die Antragsgegnerin die stationäre Rehabilitation erbringen muss. Auch der Hinweis der Antragsgegnerin auf vermeintlich vorhandene Kapazitäten für eine Entwöhnungsbehandlung in der Haftanstalt steht dem Rechtsschutzbedürfnis nicht entgegen. Denn zum einen obliegt die Entscheidung, den Antragsteller zum Zwecke einer stationären Entwöhnung zum Zweidrittelzeitpunkt aus der Haft zu entlassen, allein der zuständigen Strafvollstreckungskammer. Zum anderen kann der Antragsteller vernünftigerweise nicht darauf verwiesen werden, er möge in Haft bleiben. Darüber hinaus ist der Vortrag der Antragsgegnerin unsubstantiiert geblieben, während die zuständige Sozialpädagogin, die die Verhältnisse vor Ort kennt, überzeugend dargelegt hat, dass entsprechende Therapieangebote im Hamburger Strafvollzug nicht vorhanden seien. Wenn die Antragsgegnerin den Antragsteller zudem darauf verweist, nach Haftentlassung einen Antrag auf laufende Sozialhilfeleistungen bei der Beigeladenen zu 2 zu stellen, um somit Krankenhilfe über § 264 Abs. 2 SGB V zu erlangen, verkennt sie die Interessenlage des Antragstellers.
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Einstweilige Anordnungen sind zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Der durch den beantragten vorläufigen Rechtsschutz zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit seiner vorläufigen Sicherung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung).
Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf die begehrte Feststellung zu haben. Denn die Antragsgegnerin ist nach allen derzeit vorliegenden Erkenntnissen verpflichtet, dem Antragsteller nach Haftentlassung die begehrten Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB IX, §§ 11 Abs. 2, 40 Abs. 2 SGB V zu gewähren. Dies folgt – unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 3 iVm Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX – daraus, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab dem Zeitpunkt der Entlassung aus der Haft Krankenversicherungsschutz zu gewähren hat und der Antragsteller nach überwiegender Wahrscheinlichkeit Leistungen der stationären Rehabilitation gem. § 40 Abs. 2 SGB V beanspruchen kann.
Der Antragsteller wird mit der Haftentlassung entweder nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V oder § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V krankenversicherungspflichtig und durch Ausübung seines Wahlrechts nach § 173 Abs. 1 iVm § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB V Mitglied der Antragsgegnerin oder aber die Antragsgegnerin ist als nach § 264 Abs. 3 SGB V gewählte Krankenkasse gemäß § 264 Abs. 2 SGB V zur Übernahme der Krankenbehandlungskosten verpflichtet.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 1. Halbsatz SGB V sind Personen versicherungspflichtig in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind. Der nicht familienversicherte Antragsteller hat bereits in der JVA einen Antrag auf laufende Leistungen nach dem SGB II iSv § 37 Abs. 1 SGB II gestellt. Nach telefonischer Auskunft des nach eigenen Angaben u. a. für die ARGE in der JVA tätigen Mitarbeiters liegt der unterschriebene Antrag einschließlich der Angabe, die Antragsgegnerin als Krankenkasse zu wählen, vor. Dass über den Antrag – wie mitgeteilt – offenbar sogar bis zum Abschluss der anvisierten Reha-Maßnahme nicht entschieden werden soll, steht der Erfüllung des Antragserfordernisses nicht entgegen. Einem Anspruch des Antragstellers auf Arbeitslosengeld II dem Grunde nach könnte zwar der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II wegen Aufenthaltes in einer stationären Einrichtung entgegenstehen. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Antragsteller voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (iSv § 107 SGB V) untergebracht ist (§ 7 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 SGB II). Durch den Verweis auf den gesamten § 107 SGB V wird klargestellt, dass auch ein Aufenthalt in einer Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung iSv § 107 Abs. 2 SGB V von dieser Ausnahmevorschrift erfasst ist (Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rn. 66; BT-Drs. 16/1410, S. 20).
Es kann und muss zum jetzigen Zeitpunkt nicht prognostiziert werden, ob die voraussichtliche Dauer der stationären Reha-Maßnahme sechs Monate übersteigen wird. Ebenso wenig muss in diesem Eilverfahren entschieden werden, ob einem tatsächlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld II die Auszahlung des Übergangsgeldes vom Anstaltskonto sowie die Tatsache der Vollverpflegung durch die Klinik entgegenstehen könnte. Denn wenn aus diesen Gründen mangels Hilfebedürftigkeit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II und deshalb auch – bei voraussichtlich sechs Monate oder länger dauernder Unterbringung in der stationären Alkoholentwöhnung – ein Anspruch auf laufende Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gegen die Beigeladene zu 2 ausschiede, wäre der Antragsteller jedenfalls über § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei der Antragsgegnerin pflichtversichert.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren (lit. a)). Dies träfe auf den Antragsteller bei fehlendem Anspruch auf Arbeitslosengeld II zu. Ein Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem HmbStVollzG, der einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall darstellt (vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 94; SG Hamburg, Beschluss vom 31.05.2007 – S 8 KR 304/07 ER), besteht nach Haftentlassung nicht mehr. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Antragsgegnerin herangezogenen § 18 Abs. 1 HmbStVollzG. Danach kann die Anstalt Gefangenen auf Antrag auch nach der Entlassung Hilfestellung in besonders begründeten Einzelfällen gewähren, soweit diese nicht anderweitig zur Verfügung steht und der Erfolg der Behandlung oder Erziehung gefährdet erscheint. Die Kostenübernahme für eine stationäre Alkoholentwöhnung dürfte schon keine bloße "Hilfestellung" iSd Vorschrift sein. Darüber hinaus ist die Unterstützung durch die Haftanstalt dem Wortlaut nach subsidiär. Vorliegend steht aber mit der Antragsgegnerin ein Leistungsträger zur Verfügung. Des Weiteren kann im Eilverfahren offen bleiben, ob die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gem. § 5 Abs. 8a Satz 1 und 2 SGB V möglicherweise deshalb entfällt, weil der Antragsteller nach Haftentlassung laufende Leistungen nach dem SGB XII beziehen würde. Abgesehen davon, dass die zur Beantwortung dieser Frage notwendige Abgrenzung zum Arbeitslosengeld II aus den o. g. Erwägungen derzeit nicht getroffen werden kann, ist dieser Gesichtspunkt für das Begehren des Antragstellers irrelevant und muss durch das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden. Im dem einen wie dem anderen Fall wäre die Antragsgegnerin verpflichtet, die Krankenbehandlung des Antragstellers zu übernehmen. An dieser Verpflichtung vermag auch der im Falle des § 264 Abs. 2 SGB V bestehende Erstattungsanspruch gegen die Beigeladene zu 2 nach § 264 Abs. 7 SGB V nichts zu ändern (vgl. SG Hamburg, Beschluss vom 17.07.2007 – S 48 KR 438/07 ER).
Der Antragsteller hat darüber hinaus auch glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme gegenüber der Antragsgegnerin zu haben.
Nach § 40 Abs. 2 SGB V kann die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung erbringen, sofern eine Leistung nach Abs. 1 nicht ausreicht. Wie sich aus diesem Verweis auf § 40 Abs. 1 SGB V sowie der dortigen Bezugnahme auf § 11 Abs. 2 SGB V ergibt, setzt der geltend gemacht Anspruch tatbestandlich u. a. voraus, dass die begehrte Maßnahme aus medizinischen Gründen erforderlich ist, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Ferner ist notwendig, dass die vorgenannten Ziele nicht bereits durch eine ambulante Rehabilitation erreicht werden können, die ihrerseits nur dann erbracht werden darf, wenn eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht.
Diese tatbestandlichen Voraussetzungen liegen im Falle des suchtkranken und damit iSv § 2 Abs. 1 SGB IX seelisch behinderten Antragstellers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor. Ambulante Krankenbehandlung – also Einzelleistungen nach den §§ 27 ff. SGB V –, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, kommt im Falle des Antragstellers nicht in Betracht. Die Sozialpädagogin Frau B. hat überzeugend dargelegt, dass eine ambulante Therapie mangels eigenen Wohnraums, des persönlichen Umfeldes in Hamburg und der Gefahr, wieder rückfällig in Bezug auf übermäßigen Alkoholkonsum zu werden, keinen Erfolg verspricht – unabhängig davon, dass die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung an die Bedingung der nahtlosen stationären Therapie geknüpft ist. Der Antragsteller erfüllt damit in dieser Situation sogar mehrere der in Ziff. 2 der zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger sowie dem Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen getroffenen "Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen" vom 04.05.2001 aufgeführten Kriterien für eine stationäre Entwöhnung.
Die Leistung ist nach summarischer Prüfung auch aus medizinischen Gründen erforderlich. Dies ist der Fall, wenn die bestehenden Funktionseinschränkungen oder Beeinträchtigungen der Beeinflussung durch die Mittel der medizinischen Rehabilitation zugänglich sind und die in Betracht kommende Leistung eine gewisse Aussicht auf Erfolg verspricht. Nach dem vorliegenden Befundbericht der behandelnden Ärztin Dr. S. vom 23.06.2008 ist davon auszugehen, dass durch eine Suchtentwöhnungstherapie eine erfolgreiche Rehabilitation iSd § 10 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch möglich ist. Dies genügt, um vorliegend auch im Rahmen der Leistungen und Ziele des § 40 Abs. 2 SGB V von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der stationären Rehabilitationsmaßnahme auszugehen. Soweit die Antragsgegnerin die Motivation des Antragstellers zur Entwöhnungsbehandlung bezweifelt, handelt es sich um bloße Vermutungen, die durch nichts belegt sind und i. Ü. im Widerspruch zu den ärztlichen Angaben und den Berichten der den Antragsteller betreuenden Sozialpädagogin stehen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass einem Abbruch der Therapie der Widerruf der Strafaussetzung nach § 57 Abs. 5 Satz 1 iVm § 56f Abs. 1 StGB folgen dürfte. Nicht nachvollziehbar ist letztlich der Vortrag der Antragsgegnerin, ihr sei eine eigene Prüfung der Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 SGB V im Falle einer durch die Strafvollstreckungskammer in Aussicht gestellten vorzeitigen Entlassung der betreffenden Person nicht möglich.
Der Anordnungsgrund folgt aus dem Umstand, dass dem Antragsteller nur durch eine schnelle gerichtliche Entscheidung die vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft ermöglicht werden kann. Eine Entscheidung in einem möglichen Hauptsacheverfahren käme zu spät. Das Verstreichen des Zweidrittelzeitpunkts (26.08.2008) ist für die Eilbedürftigkeit ohne Bedeutung. Denn die Entlassung des Antragstellers aus der Haft wird – wie telefonisch durch die Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer bestätigt – umgehend veranlasst werden, wenn Kosten- und Platzzusage vorliegen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
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