L 2 B 113/08 AS ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 368/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 113/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ist aufgrund der geltend gemachten Beschwer nur eine ganz geringfügige Unterdeckung (hier 4,89 €) der zur Bedarfdeckung zur Verfügung stehenden Leistungen zu befürchten, können die antragstellenden Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung der ersten Instanz.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für die Herstellung einer Kleinkläranlage.

Die am. Januar 19xx geborene Antragstellerin zu 1) lebt seit 1993 mit dem am. November 1953 geborenen Antragsteller zu 2) in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Zusammen mit dem am. Dezember 1992 geborenen Sohn der Antragstellerin zu 1) bewohnen sie ein 96 qm großes Haus, das im Eigentum des Antragstellers zu 2) steht. Die Antragsteller beziehen seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Das 2400 qm große Grundstück ist nicht an die öffentliche Kanalisation angeschlossen. Das Abwasser wurde in einer Kleinkläranlage behandelt und ins Grundwasser geleitet. Mit Schreiben vom 10. August 2006 teilte der B. -landkreis dem Antragsteller zu 2) mit, dass diese Kleinkläranlage nicht mehr den Regeln der Technik entspreche. Da nach Auskunft des Abwasserzweckverbandes (AZV) O. nicht beabsichtigt sei, das Grundstück an eine öffentliche Kanalisation anzuschließen, sei die Kleinkläranlage deshalb entsprechend anzupassen. Weiter heißt es in dem Schreiben: " Jedoch besteht auch die Möglichkeit, das Abwasser in einer mediendichten, abflusslosen Sammelgrube zu speichern und dem AZV O. zur Entsorgung anzudienen. Sollten Sie das Abwasser in ein Gewässer bzw. das Grundwasser einleiten, ist das Abwasser entsprechend, dem Stand der Technik (vollbiologische Reinigung gemäß DIN 4261 Teil II) zu behandeln. Für alte Kläranlagen, die nicht dem Stand der Technik entsprechen, darf keine wasserrechtliche Erlaubnis erteilt werden. "

Im März 2008 ließen die Antragsteller auf dem Grundstück von der M. eine neue Kleinkläranlage errichten. Es entstanden ihnen Kosten i.H.v. 2.428,79 EUR. Zuvor schlossen sie mit der M. eine Ratenzahlungsvereinbarung, wonach die Antragsteller ab Januar 2008 monatliche Raten i.H.v. 60,00 EUR an die M. zu zahlen haben. Die Abzahlung der Kosten endet im November 2011 mit einer Schlussrate von 20,00 EUR.

Am 13. Dezember 2007 stellten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin den Antrag, die Kosten i.H.v. 60,00 EUR monatlich als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen.

Am 4. Februar 2008 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Halle (SG) einen Antrag auf Durchführung eines Eilverfahrens gestellt mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen ab 1. Februar 2008 bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i.H.v. mindestens 1.050,97 EUR monatlich zu gewähren. Die monatliche Ratenzahlung an die M. i.H.v. 60,00 EUR sei von der Antragsgegnerin als Kosten der Unterkunft zu übernehmen.

Im Laufe des Verfahrens hat sich die Antragsgegnerin bereit erklärt, die entsprechend der Ratenzahlungsvereinbarung anfallenden Zinsen als Kosten der Unterkunft zu übernehmen und einen Betrag i.H.v. 7,21 EUR monatlich anerkannt. Die Kosten der Tilgung könnten nicht übernommen werden. Der Bau der Kleinkläranlage stelle insoweit eine wertsteigernde Maßnahme dar. Mit Änderungsbescheid vom 21. Februar 2008 hat die Antragsgegnerin den Antragstellern für den Zeitraum Februar bis April 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes i.H.v. monatlich 998,18 EUR bewilligt, wovon 202,18 EUR monatlich auf die Leistung für die Kosten der Unterkunft und Heizung entfallen.

Mit Beschluss vom 18. März 2008 hat das SG den Antrag der Antragsteller im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen: Die Antragsteller hätten keinen über das Anerkenntnis der Antragsgegnerin hinausgehenden Anspruch auf Übernahme der monatlichen Ratenzahlung an die M ... Die Kosten für den Bau einer Kleinkläranlage seien solche für eine wertsteigernde Maßnahme. Sie seien daher nicht als Aufwendungen im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen. Zudem sei ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Dieser fehle in der Regel dann, wenn Geldleistungen im Streit stehen, deren Höhe weniger als 10% der monatlichen Regelleistungen zum Lebensunterhalt ausmachten. Im vorliegenden Fall seien Leistungen streitig, die 5,6% bzw. 6,3% der monatlichen Regelleistung ausmachten.

Gegen den ihnen am 26. März 2008 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 27. März 2008 Beschwerde eingelegt: Die Installation der Kleinkläranlage führe nicht zu einem Vermögenszuwachs bei den Antragstellern. Zum einen dürfte der Bau der Kleinkläranlage auf den Verkehrswert des Grundstücks schon rechnerisch kaum einen Einfluss haben. Zum anderen diene die Errichtung der Kleinkläranlage dazu, die Bewohnbarkeit des Hausgrundstücks zu erhalten. Weiterhin sei es dem Gesetzgeber nicht fremd, durch steuerfinanzierte Leistungen das Vermögen zu mehren. So führe letztlich bei Mietverhältnissen die Übernahme der Kosten der Kaltmiete durch den Leistungsträger dazu, das Vermögen der Vermieter zu mehren. Diese würden von der eingenommenen Kaltmiete auch Kredite tilgen und Reparaturkosten tragen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 18. März 2008 aufzuheben und den Antragstellern weitere 52,79 EUR monatlich als Kosten der Unterkunft zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und die Gerichtsakte verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.

II.

Die Beschwerde ist statthaft § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zulässig.

Sie ist jedoch unbegründet.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis setzen nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGG einen Anordnungsanspruch, also einen materiellen Anspruch, den die Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend zu machen hätten, und einen Anordnungsgrund voraus, d.h. es muss eine besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen.

Die Antragsteller haben, wie das SG im Ergebnis zu Recht festgestellt hat, bereits keinen Anordnungsgrund.

Die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kann danach nur bejaht werden, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen. Dies bedeutet zugleich, dass es an einem Anordnungsgrund fehlt, wenn die Zeitdimension des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und Rechtsdurchsetzung bietet, wenn also dem Antragsteller auch mit der späteren Realisierung seines Rechts gedient ist.

Zwar sollen grundsätzlich die Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum der Antragsteller sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf des Hilfebedürftigen nicht gedeckt, so hat dies zur Folge, dass die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt ist. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes.

Wenn die Antragsteller die Kosten monatlich i.H.v. 52,89 EUR (monatliche Ratenzahlung i.H.v. 60,00 EUR abzüglich der seitens der Antragsgegnerin übernommenen 7,21 EUR) aufbringen, ohne dass diese von der Antragsgegnerin erstattet werden, führt dies nicht zu einer die Existenz gefährdenden Unterdeckung des Bedarfs der Bedarfsgemeinschaft. So erhält der Antragsteller zu 1) einen befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II i.H.v. 48,00 EUR monatlich. Dieser Zuschlag dient nicht der Deckung des die Existenz sichernden Bedarfs, sondern wird zusätzlich zum Regelsatz und den Kosten der Unterkunft und Heizung gewährt, um den Übergang vom Arbeitslosengeld als einer auf dem Entgelt der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeiten beruhenden Sozialleistung auf das vom Bedarf der Bedarfsgemeinschaft abhängenden Arbeitslosengeld II finanziell abzufedern (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 33/06 R, juris).

Letztlich führt die Nichtübernahme der zusätzlichen Kosten für die Raten an die M. bei den Antragsteller zu einer Unterdeckung i.H.v. insgesamt 4,89 EUR. Diese Unterdeckung aber ist – bezogen auf die drei Antragsteller – nicht als Existenz gefährdend anzusehen. Zwar handelt es sich bei den nach dem SGB II geltend zu machenden Ansprüchen um Einzelansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Der Gesetzgeber aber ging davon aus, dass sich Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft gegenseitig unterstützen (vgl. § 9 Abs. 2 SGB II). Insoweit erscheint es gerechtfertigt, hier auf den Bedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft und die gewährten Leistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft abzustellen. Angesichts der Geringfügigkeit des von den Antragstellern aus den Mitteln der Grundsicherung zu tragenden Beträge ist es ihnen zumutbar, eine Klärung in einem Hauptsacheverfahren abzuwarten.

Da bereits ein Anordnungsgrund nicht vorliegt, konnte es dahinstehen, ob den Antragstellern ein Anordnungsanspruch zur Seite steht.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der analogen Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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