Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
40
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 266/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Im Streit ist ein Erstattungsanspruch nach § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGBX).
Die Klägerin ist der zuständige Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für das Unternehmen, in dem Herr L. C. (Versicherter) beschäftigt ist. Der Versicherte stürzte am 08.07.1999 bei einer betrieblichen Tätigkeit von der Ladefläche eines LKWs und zog sich dabei Rippenbrüche mit einem Hämatothorax (Blutansammlung) zu. Es folgten Rehabilitationsmaßnahmen zu Lasten der Klägerin. In einem Hals-, Nasen-, Ohren-(HNO) Arztbericht von Dr. K. vom 14.09.1999 wurde erstmals eine Schwindelsymptomatik im Zusammenhang mit dem Unfall genannt.
Nach Durchführung eines weiteren stationären Heilverfahrens in der Unfallklinik T. wurde im Entlassungsbericht vom 24.01.2000 diese Schwindelsymptomatik als unfallunabhängig bezeichnet. In einem weiteren Bericht der Unfallklinik T. vom 19.04.2000 wurde mitgeteilt, dass die Behandlung aus unfallchirurgischer Sicht abgeschlossen sei. Für die Beurteilung, inwieweit die Schwindelprobleme des Versicherten unfallbedingt seien, wurde eine Zusammenhangsbegutachtung empfohlen.
Ein daraufhin von der Klägerin eingeholtes unfallchirurgisches Gutachten vom 18.07.2000 ergab, dass eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 30.03.2000 vorgelegen habe. In einem pneumologischen Gutachten vom 25.09.2000 wurde festgestellt, dass keine Funktionsminderung der Lunge vorliegen würde. Weiter wurde in einem neurologischen Gutachten vom 15.11.2000 ausgeführt, dass auf neurologischem Gebiet keine Unfallfolgen vorlägen.
Mit Bescheid vom 19.12.2000 stellte die Klägerin beim Versicherten unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit vom 08.07.1999 bis zum 30.03.2000 fest. Parallel forderte die Klägerin die Beklagte - als zuständigen Träger der Krankenversicherung des Versicherten - auf, über den 22.12.2000 hinaus kein Verletztengeld mehr zu zahlen.
Ein im Widerspruchsverfahren eingeholtes weiteres HNO-Gutachten vom 16.01.2001 kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass keine weiteren Unfallfolgen vorlägen und zwischen dem Unfall und den Schwindelbeschwerden kein Zusammenhang bestehen würde.
Unter Berufung auf die eingeholten Gutachten wies die Klägerin den Widerspruch des Versicherten gegen den Bescheid vom 19.12.2000 mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 zurück. Das daraufhin durchgeführte Klageverfahren vor dem Sozialgericht Konstanz (Az.: S 4 U 1788/02) endete am 05.05.2003 durch eine Klagrücknahme des Versicherten.
Mit Schreiben vom 28.05.2003 bezifferte die Klägerin ihren durch die Schreiben vom 08.12.1999 und 04.08.2000 bei der Beklagten dem Grunde nach angemeldeten Erstattungsanspruch auf EUR 22.001,08 (Verletztengeldzahlung vom 31.03.2000 – 22.12.2000). Die Klägerin hatte ihren Erstattungsanspruch ebenfalls durch die Schreiben vom 02.02.2001 und 19.10.2002 geltend gemacht. Diese Schreiben enthielten jeweils den wörtlichen Zusatz am Ende:
"Bitte verzichten Sie bis zur Beendigung des Verfahrens auf die Einrede der Verjährung."
Ohne auf die Einrede der Verjährung verzichtet zu haben, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 20.06.2003 die Erfüllung des Erstattungsanspruchs mit der Begründung ab, die über den 30.03.2000 hinaus bestehende Arbeitsunfähigkeit sei unfallbedingt. Daraufhin folgte zwischen den Beteiligten ein regelmäßiger Schriftwechsel bezüglich des Erstattungsanspruchs, in deren Verlauf im Wesentlichen über die Frage gestritten wurde, ob überhaupt Arbeitsunfähigkeit nach dem 30.03.2000 vorlag und diese unfallbedingt war.
Mit Schreiben vom 06.12.2004, eingegangen bei der Klägerin am 08.12.2004, bekräftigte die Beklagte zuletzt ihre Ansicht, dass ein Erstattungsanspruch der Klägerin nicht bestehe, weil die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten nach dem 30.03.2000 durch den Zustand nach Thoraxtrauma und rezidivierenden Schwindelattacken begründet gewesen sei. Hierbei handele es sich um Unfallfolgen. Wörtlich heißt es am Ende des Schreibens:
"Wir schließen den Vorgang ab."
Die Klägerin reagierte auf das Schreiben der Beklagten vom 06.12.2004 mit Schreiben vom 04.09.2006 und führte erneut aus, die eingeholten Gutachten würden bestätigen, dass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit über den 30.03.2000 hinaus nicht vorliege, so dass der Erstattungsanspruch berechtigt sei. Da die Beklagte auf dieses Schreiben nicht antwortete, schrieb die Klägerin die Beklagte unter dem 30.10.2006 mit Hinweis auf das vorangegangene Schreiben erneut an. Daraufhin teilte die Beklagte unter dem 06.11.2006 (Eingang 07.11.2006) mit, dass sie an ihrer Rechtsauffassung festhalte und berief sich zugleich auf die Ausschlussfrist des § 111 SGB X und machte die Einrede der Verjährung geltend.
Mit Schreiben vom 07.06.2007, Eingang bei der Beklagten am 08.06.2006, trat die Klägerin erneut an die Beklagte heran und stellte ihre Sicht der Sach- und Rechtslage abermals dar. Nachdem die Beklagte daraufhin durch Schreiben vom 23.07.2007 mitteilte, dass die Verjährungstatbestände vorlägen und sie weiterhin den Erstattungsanspruch ablehne, hat die Klägerin am 28.09.2007 Klage erhoben.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren weiter und führt aus, dass die eingeholten Gutachten übereinstimmend bestätigten, dass die Schwindelbeschwerden des Versicherten nicht unfallbedingt seien und somit eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit über den 30.03.2000 hinaus nicht vorliegen. Sie ist der Ansicht, sie habe mit den Schreiben vom 08.12.1999, 04.08.2000, 02.02.2001 und 29.10.2002 den Erstattungsanspruch bereits angemeldet und damit die Ausschlussfrist des § 111 SGB X gewahrt, weil es für deren Einhaltung nicht notwendig sei, den Anspruch konkret zu beziffern. Auch sei der Anspruch nicht gem. § 113 Abs. 1 SGB X verjährt, weil bereits die Voraussetzungen nicht vorlägen. Die Klägerin meint, die Verjährungsfrist beginne frühestens mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt habe und verweist auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 28.08.2007 (Az.: 1 L 59/05), wonach die Verjährung erst in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem sie (die Klägerin) von allen den Erstattungsanspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt habe. Dies sei erst im Zeitpunkt der Klagrücknahme des Versicherten am 05.05.2003 der Fall gewesen, weil die Klägerin erst damit Kenntnis davon erlangt habe, dass tatsächlich ein Erstattungsanspruch bestehe.
Im Übrigen sei nach § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 203 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch die Verhandlungen über den Anspruch die Verjährung gehemmt gewesen. Eine Hemmung der Verjährung ende auch bei der Vereinbarung einer Verhandlungspause nicht. Auch wenn eine Partei die Verhandlungen als abgeschlossen betrachte, ende die Hemmung erst nach einer Zeit, in der nach Treu und Glauben mit einer Stellungnahme der Gegenseite zu rechnen gewesen sei. So sei ein Erstattungsverfahren erst als abgeschlossen zu betrachten, wenn sich eine Partei innerhalb von 12 Monaten nicht zum Schreiben der Gegenseite äußere, wie es sich aus der Kommentierung zur gesetzlichen Unfallversicherung (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung – Handkommentar - zu § 120 SGB X, Rz. 1) ergebe.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die ihr anlässlich des Unfalls des Versicherten vom 08.07.1999 im Zeitraum vom 31.03.2000 bis 22.12.2000 entstandenen Aufwendungen in Höhe von EUR 22.001,08 nach Maßgabe der für die Beklagte geltenden Vorschriften zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich auf die Verjährung des Anspruchs. Sie ist der Ansicht, dass zwischen ihr und der Klägerin keine dauerhaften Verhandlungen stattgefunden hätten, so dass die Verjährung nicht durchgängig gehemmt gewesen sei. Auch sei der Anspruch bereits verwirkt. Im Übrigen sei keine unfallunabhängige Arbeitsunfähigkeit durch eine der gestellten Diagnosen begründet gewesen.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Klägerin beigezogen und am 30.05.2008 das Sach- und Streitverhältnis mit einer Vertreterin der Klägerin ausführlich erörtert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG-).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr anlässlich des Arbeitsunfalls des Versicherten vom 08.07.1999 entstandenen Aufwendungen im Zeitraum vom 31.03.2000 bis 22.12.2000.
Als Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch kommt allein § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht. Danach gilt: Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, so ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.
Es kann vorliegend nach Auffassung der Kammer dahin gestellt bleiben, ob die materiellen Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruches vorliegen, das heißt, ob es sich bei den Schwindelsymptomen beim Versicherten um Unfallfolgen gehandelt hat. Dem geltend gemachten Erstattungsanspruch steht die rechtshemmende Einrede der Verjährung entgegen.
Zwar ist die von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist nach § 111 SGB X gewahrt. Die Klägerin hat durch ihre Schreiben vom 08.12.1999, 04.08.2000 und 02.02.2001 die Ansprüche jeweils innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistungen erbracht worden sind, wirksam geltend gemacht. Die Klägerin hat hierbei die erforderlichen Angaben im Sinne des § 111 SGB X gemacht. Einer genauen Bezifferung des Anspruchs bedurfte es dafür nicht (vgl. BSG SozR 3 1300 § 111 Nr. 9).
Der Anspruch ist jedoch verjährt. Erstattungsansprüche verjähren nach § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Die Vorschrift findet in der aktuellen Fassung Anwendung (vgl. § 120 Abs. 2 SGB X).
Die Beklagte hat als erstattungspflichtiger Leistungsträger zwar keine "Entscheidung" im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X getroffen. Dies war auch nicht erforderlich, um die Verjährung in Gang zu setzen. Eine "Entscheidung" durch die Beklagte war weder möglich, noch tatsächlich vom Gesetz verlangt. Auch die konkrete Ablehnung der Befriedigung des Erstattungsanspruchs durch die Beklagte (Schreiben vom 20.06.2003) stellt keine "Entscheidung" im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X dar.
Für die Fälle, in denen keine Entscheidung durch den erstattungspflichtigen Leistungsträger getroffen werden kann, hat der Gesetzgeber mit § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X eine nicht ausreichend deutliche Regelung formuliert. Dies zeigt sich auch daran, dass in § 111 S. 1 SGB X eine vom Wortlaut her klarere Regelung für derartige Fälle getroffen wurde. Der Wortlaut des § 113 Abs. 1 S.1 SGB X ist durch eine gebotene Auslegung nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung klarzustellen, damit er nicht missverstanden wird, wie dies die Klägerin nach ihren Ausführungen macht. Die Beklagte als zuständiger Träger der gesetzlichen Krankenversicherung des Versicherten hat bei gewährten Leistungen zur Behandlung einer Krankheit nicht (mehr) die rechtliche Möglichkeit eine (eigene) "Entscheidung" über ihre Leistungspflicht zu treffen, sobald die Klägerin ihre – vorrangige – Leistungspflicht aus einem Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt hat. Bereits aus § 11 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) folgt, dass ein Versicherter kraft Gesetzes Anspruch auf Leistungen gegen seinen Krankenversicherungsträger hat, soweit es sich nicht um Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit handelt. Die Feststellung von Unfallfolgen eines Arbeitsunfalls obliegt originär dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Wird durch diesen Träger die Leistungspflicht abgelehnt, hat regelmäßig eine Leistungserbringung durch die zuständige Krankenkasse zu erfolgen, ohne dass ein entsprechender Leistungsbescheid erteilt wird, d.h., ohne dass tatsächlich oder rechtlich notwendig eine "Entscheidung" im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X ergeht. Die Zuständigkeit folgt kraft Gesetzes aus § 11 Abs. 5 SGB V. Hält sich der Kranken-versicherungsträger für unzuständig, weil er der Auffassung ist, die Leistungspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung liege weiterhin vor, hat er eine Feststellungs- bzw. Leistungsklage - nach erbrachter Leistung - in einem eigenständigen Verfahren nach § 105 SGB X zu erheben.
Statt einer "Entscheidung" reicht vorliegend die positive Kenntnis der Klägerin über wesentliche Umstände des Erstattungsanspruchs aus, insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Zuständigkeit der Beklagten. Die Klägerin hatte als "erstattungsberechtigter Leistungsträger" im Jahre 2000 positive Kenntnis von der Leistungspflicht der Beklagten als erstattungspflichtiger Leistungsträger. Spätestens mit ihrer eigenen Entscheidung (Ablehnungsbescheid vom 19.12.2000) lag diese erforderliche Kenntnis im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X vor, dass von der Klägerin selbst keine Leistungen mehr über den 30.03.2000 hinaus an den Versicherten zu erbringen sind.
Die Verjährungsfrist des Erstattungsanspruchs beginnt ab dem 01.01.2001 zu laufen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin beginnt die Verjährungsfrist nicht deshalb später – ab 01.01.2004 – zu laufen, weil sie selbst erst mit der Klagrücknahme des Versicherten vor dem SG Konstanz im Mai 2003 "Kenntnis" im Sinne des § 113 Abs. 1 S.1 SGB X über das Bestehen ihres Erstattungsanspruchs erlangt hätte. Eine Klagrücknahme oder eine andere rechtskräftige Entscheidung im Verhältnis zum Versicherten kann zwar regelmäßig Indizwirkung für das Bestehen eines Anspruchs nach § 105 SGB X entfalten, dies ist jedoch nicht zwingend. Ein Erstattungsanspruch nach den §§ 102ff SGB X ist nach ständiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung ein eigenständiger und einklagbarer Rechtsanspruch, der von den materiell-rechtlichen Ansprüchen eines Versicherten zu unterscheiden ist (vgl. nur BSGE 24, 155). Daher entfaltet die Entscheidung im Rechtsstreit des Versicherten und der Klägerin keine Bindungswirkung für den Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten.
Das erkennende Gericht, das sich mit einem Erstattungsanspruch zu befassen hat, ist nicht an die andere (vorhergehende) rechtskräftige Entscheidung gebunden und muss regelmäßig eigenständig ermitteln und entscheiden.
Die Kenntnis über das konkrete Bestehen (die Höhe bzw. den exakten Zeitraum) eines Erstattungsanspruchs ist kein geeignetes Kriterium, um die Verjährungsfrist in Gang zu setzen. Ob und in welcher Höhe der Erstattungsanspruch tatsächlich besteht, ist kein einen Erstattungsanspruch nach den §§ 102ff SGB X begründender Umstand. Dies wird erst während der Verhandlungen zwischen den Beteiligten bzw. in einem gerichtlichen Verfahren festgestellt.
Auch nach der von der Klägerin zitierten Entscheidung des OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 28.08.2007 (Az.:1 L 59/05, Rz. 65) ergibt sich nichts anderes. Das OVG stellt in seiner Entscheidung fest, dass die Vorschrift (§ 113 Abs. 1 S. 1 SGB X) die Entscheidung des Leistungsträgers im Verhältnis zur sozialhilferechtlich bedürftigen Person meint und damit in anderen Fällen eine Auslegung der Vorschrift erforderlich ist, weil der Wortlaut nicht auf alle Erstattungsfälle "passt". Auch das OVG kommt zu dem Ergebnis, dass der erstattungsberechtigte Träger von allen Umständen Kenntnis erlangt haben müsse, damit die Verjährung zu laufen beginne (Rz. 66). In dieser Entscheidung ging es hauptsächlich darum, welcher Leistungsträger für die Erstattung zuständig ist. Da mehrere Leistungsträger in Betracht kamen, stand erst mit der gerichtlichen Entscheidung über die Zuständigkeit fest, welcher Träger der "erstattungspflichtige" ist. Erst damit konnte die Verjährung zu laufen beginnen, denn der erstattungsberechtigte Träger hatte erst mit der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung Kenntnis über den richtigen erstattungspflichtigen Leistungsträger. Das OVG hat die Vorschrift des § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X daher im Sinne der erkennenden Kammer ausgelegt. Auch nach der Rechtsprechung des OVG hätte somit die Klägerin vorliegend bereits im Jahre 2000 positive Kenntnis davon, dass die Beklagte der zuständige Träger ist, so dass die Verjährung ab 01.01.2001 zu laufen begann. Andere Schlussfolgerungen aus dem Urteil des OVG sind für die Kammer nicht ersichtlich.
Der Erstattungsanspruch ist ab dem 13.07.2006 verjährt. Mit Ablauf des 31.12.2004, nach 4 Jahren, trat die Verjährung noch nicht ein. In die Verjährungsfrist wird der Zeitraum nicht eingerechnet, in dem die Verjährung gehemmt ist, § 209 BGB. Die Hemmungsregelungen des BGB gelten nach § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. §§ 203ff BGB auch für Erstattungsansprüche. Im Zeitraum vom 28.05.2003 bis zum 08.12.2004 war die Verjährung durch Verhandlungen zwischen den Beteiligten gehemmt. Die Verjährung wird noch nicht durch die bloße Geltendmachung des Erstattungs-anspruchs im Sinne des § 111 SGB X gehemmt (Bereiter-Hahn/Mehrtens aaO. § 113 SGB X Rn 4; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl. 2008, § 203 Rn 2). Denn dann bliebe kein Anwendungsbereich für die Verjährungsvorschriften neben dem § 111 SGB X bestehen. Vielmehr wird die Verjährung erst durch die Aufnahme von Verhandlungen über den Anspruch im Sinne des § 203 BGB gehemmt. Derartige Verhandlungen hat die Klägerin durch das konkrete Erstattungsbegehren mit Schreiben vom 28.05.2003 aufgenommen, auf das die Beklagte mit Schreiben vom 20.06.2003 reagierte. Diese Verhandlungen endeten am 08.12.2004. Die Beklagte lehnte den Anspruch und damit weitere Verhandlungen mit Schreiben vom 06.12.2004, Eingang bei der Klägerin am 08.12.2004, ab. Hierbei wies sie ausdrücklich daraufhin, dass für sie die Verhandlungen beendet sind ("Wir schließen den Vorgang ab."). Der Zeitraum vom 28.05.2003 bis zum 08.12.2004 ist bei der Berechnung der Verjährung nicht zu berücksichtigen, diese also um 18 Monate, 1 Woche und 5 Tage zu verlängern. Die Verjährung trat nicht mit Ablauf des 31.12.2004 ein, sondern erst mit Ablauf des 12.07.2006.
Die erneute Verhandlungsaufnahme der Klägerin mit Schreiben vom 04.09.2006 kam zu spät. Die Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Beklagten waren nicht "eingeschlafen", wie die Klägerin meint, sondern ausdrücklich von der Beklagten beendet worden. Verhandlungen sind, wenn der Gläubiger die Verhandlung einschlafen lässt, in dem Zeitpunkt beendet, in dem der nächste Schritt nach Treu und Glaube zu erwarten gewesen wäre (Palandt/Heinrichs aaO., BGB, § 203 Rn 4). Bis zum Schreiben der Beklagten am 06.12.2004 kann davon ausgegangen werden, dass sich die Beteiligten ununterbrochen in Verhandlung befunden haben. Danach hat die Klägerin mehr als 18 Monate auf das Schreiben der Beklagten vom 06.12.2004 nicht reagiert, so dass von einem "Einschlafen lassen" nicht mehr ausgegangen werden kann. Der Grund hierfür ist bei der Berechnung der Verjährung ohne Bedeutung. Mit dem nächsten Schritt der Klägerin hätte die Beklagte nach Treu und Glauben allerspätestens drei Monate nach ihrem Schreiben rechnen dürfen. Die von der Klägerin angeführte "Jahresfrist" aus § 120 SGB X bzw. ihr Hinweis auf die Kommentierung in Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung – Hand-kommentar - zu § 120 SGB X, Rz. 1, ist vorliegend ohne Bedeutung und findet keine Anwendung.
Soweit die Klägerin weiter darauf abstellt, dass bei einer Verhandlungspause die Hemmung nicht endet, weist die Kammer darauf hin, dass die Beteiligten keine derartige Verhandlungspause vereinbart haben. Die Klägerin hat schlichtweg nicht mehr reagiert.
Das Berufen der Beklagten auf die Einrede der Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn damit eine unzulässige Rechtsausübung oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB verbunden wäre. Die Klägerin hat zweimalig mit ihren Formschreiben vom 02.02.2001 und 19.10.2002 die Beklagte darum gebeten, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten ("Bitte verzichten Sie bis zur Beendigung des Verfahrens auf die Einrede der Verjährung."). Die Beklagte ist dieser "Bitte" weder nachgekommen, noch hat sie diese explizit abgelehnt. Es oblag mithin der Klägerin, auf die Beklagte entsprechend einzuwirken und ihr Begehren mit Nachdruck weiter zu verfolgen. Nach dem zweiten Schreiben hat die Klägerin nicht wieder den Verzicht auf die Einrede geltend gemacht, so dass es zu ihren Lasten geht und der Beklagten kein Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu machen ist. Außerdem handelte es sich bei den Schreiben der Klägerin um bloße standardisierte Formschreiben ohne selbständigen Erklärungsinhalt. Die Klägerin hätte insoweit ihren Erstattungsanspruch rechtshängig machen müssen (§ 204 BGB), um die Verjährung zu hemmen.
Auch aus § 86 SGB X folgt keine Missbräuchlichkeit. Der Beklagten steht das Recht zu, die Einrede der Verjährung zu erheben.
Da der Erstattungsanspruch bereits verjährt ist, kommt die von der Beklagten behauptete Verwirkung bzw. ein Berufen auf das "Nicht-Bestehen" des materiellen Anspruchs nicht mehr zum Tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Tatbestand:
Im Streit ist ein Erstattungsanspruch nach § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGBX).
Die Klägerin ist der zuständige Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für das Unternehmen, in dem Herr L. C. (Versicherter) beschäftigt ist. Der Versicherte stürzte am 08.07.1999 bei einer betrieblichen Tätigkeit von der Ladefläche eines LKWs und zog sich dabei Rippenbrüche mit einem Hämatothorax (Blutansammlung) zu. Es folgten Rehabilitationsmaßnahmen zu Lasten der Klägerin. In einem Hals-, Nasen-, Ohren-(HNO) Arztbericht von Dr. K. vom 14.09.1999 wurde erstmals eine Schwindelsymptomatik im Zusammenhang mit dem Unfall genannt.
Nach Durchführung eines weiteren stationären Heilverfahrens in der Unfallklinik T. wurde im Entlassungsbericht vom 24.01.2000 diese Schwindelsymptomatik als unfallunabhängig bezeichnet. In einem weiteren Bericht der Unfallklinik T. vom 19.04.2000 wurde mitgeteilt, dass die Behandlung aus unfallchirurgischer Sicht abgeschlossen sei. Für die Beurteilung, inwieweit die Schwindelprobleme des Versicherten unfallbedingt seien, wurde eine Zusammenhangsbegutachtung empfohlen.
Ein daraufhin von der Klägerin eingeholtes unfallchirurgisches Gutachten vom 18.07.2000 ergab, dass eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 30.03.2000 vorgelegen habe. In einem pneumologischen Gutachten vom 25.09.2000 wurde festgestellt, dass keine Funktionsminderung der Lunge vorliegen würde. Weiter wurde in einem neurologischen Gutachten vom 15.11.2000 ausgeführt, dass auf neurologischem Gebiet keine Unfallfolgen vorlägen.
Mit Bescheid vom 19.12.2000 stellte die Klägerin beim Versicherten unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit vom 08.07.1999 bis zum 30.03.2000 fest. Parallel forderte die Klägerin die Beklagte - als zuständigen Träger der Krankenversicherung des Versicherten - auf, über den 22.12.2000 hinaus kein Verletztengeld mehr zu zahlen.
Ein im Widerspruchsverfahren eingeholtes weiteres HNO-Gutachten vom 16.01.2001 kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass keine weiteren Unfallfolgen vorlägen und zwischen dem Unfall und den Schwindelbeschwerden kein Zusammenhang bestehen würde.
Unter Berufung auf die eingeholten Gutachten wies die Klägerin den Widerspruch des Versicherten gegen den Bescheid vom 19.12.2000 mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 zurück. Das daraufhin durchgeführte Klageverfahren vor dem Sozialgericht Konstanz (Az.: S 4 U 1788/02) endete am 05.05.2003 durch eine Klagrücknahme des Versicherten.
Mit Schreiben vom 28.05.2003 bezifferte die Klägerin ihren durch die Schreiben vom 08.12.1999 und 04.08.2000 bei der Beklagten dem Grunde nach angemeldeten Erstattungsanspruch auf EUR 22.001,08 (Verletztengeldzahlung vom 31.03.2000 – 22.12.2000). Die Klägerin hatte ihren Erstattungsanspruch ebenfalls durch die Schreiben vom 02.02.2001 und 19.10.2002 geltend gemacht. Diese Schreiben enthielten jeweils den wörtlichen Zusatz am Ende:
"Bitte verzichten Sie bis zur Beendigung des Verfahrens auf die Einrede der Verjährung."
Ohne auf die Einrede der Verjährung verzichtet zu haben, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 20.06.2003 die Erfüllung des Erstattungsanspruchs mit der Begründung ab, die über den 30.03.2000 hinaus bestehende Arbeitsunfähigkeit sei unfallbedingt. Daraufhin folgte zwischen den Beteiligten ein regelmäßiger Schriftwechsel bezüglich des Erstattungsanspruchs, in deren Verlauf im Wesentlichen über die Frage gestritten wurde, ob überhaupt Arbeitsunfähigkeit nach dem 30.03.2000 vorlag und diese unfallbedingt war.
Mit Schreiben vom 06.12.2004, eingegangen bei der Klägerin am 08.12.2004, bekräftigte die Beklagte zuletzt ihre Ansicht, dass ein Erstattungsanspruch der Klägerin nicht bestehe, weil die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten nach dem 30.03.2000 durch den Zustand nach Thoraxtrauma und rezidivierenden Schwindelattacken begründet gewesen sei. Hierbei handele es sich um Unfallfolgen. Wörtlich heißt es am Ende des Schreibens:
"Wir schließen den Vorgang ab."
Die Klägerin reagierte auf das Schreiben der Beklagten vom 06.12.2004 mit Schreiben vom 04.09.2006 und führte erneut aus, die eingeholten Gutachten würden bestätigen, dass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit über den 30.03.2000 hinaus nicht vorliege, so dass der Erstattungsanspruch berechtigt sei. Da die Beklagte auf dieses Schreiben nicht antwortete, schrieb die Klägerin die Beklagte unter dem 30.10.2006 mit Hinweis auf das vorangegangene Schreiben erneut an. Daraufhin teilte die Beklagte unter dem 06.11.2006 (Eingang 07.11.2006) mit, dass sie an ihrer Rechtsauffassung festhalte und berief sich zugleich auf die Ausschlussfrist des § 111 SGB X und machte die Einrede der Verjährung geltend.
Mit Schreiben vom 07.06.2007, Eingang bei der Beklagten am 08.06.2006, trat die Klägerin erneut an die Beklagte heran und stellte ihre Sicht der Sach- und Rechtslage abermals dar. Nachdem die Beklagte daraufhin durch Schreiben vom 23.07.2007 mitteilte, dass die Verjährungstatbestände vorlägen und sie weiterhin den Erstattungsanspruch ablehne, hat die Klägerin am 28.09.2007 Klage erhoben.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren weiter und führt aus, dass die eingeholten Gutachten übereinstimmend bestätigten, dass die Schwindelbeschwerden des Versicherten nicht unfallbedingt seien und somit eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit über den 30.03.2000 hinaus nicht vorliegen. Sie ist der Ansicht, sie habe mit den Schreiben vom 08.12.1999, 04.08.2000, 02.02.2001 und 29.10.2002 den Erstattungsanspruch bereits angemeldet und damit die Ausschlussfrist des § 111 SGB X gewahrt, weil es für deren Einhaltung nicht notwendig sei, den Anspruch konkret zu beziffern. Auch sei der Anspruch nicht gem. § 113 Abs. 1 SGB X verjährt, weil bereits die Voraussetzungen nicht vorlägen. Die Klägerin meint, die Verjährungsfrist beginne frühestens mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt habe und verweist auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 28.08.2007 (Az.: 1 L 59/05), wonach die Verjährung erst in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem sie (die Klägerin) von allen den Erstattungsanspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt habe. Dies sei erst im Zeitpunkt der Klagrücknahme des Versicherten am 05.05.2003 der Fall gewesen, weil die Klägerin erst damit Kenntnis davon erlangt habe, dass tatsächlich ein Erstattungsanspruch bestehe.
Im Übrigen sei nach § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 203 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch die Verhandlungen über den Anspruch die Verjährung gehemmt gewesen. Eine Hemmung der Verjährung ende auch bei der Vereinbarung einer Verhandlungspause nicht. Auch wenn eine Partei die Verhandlungen als abgeschlossen betrachte, ende die Hemmung erst nach einer Zeit, in der nach Treu und Glauben mit einer Stellungnahme der Gegenseite zu rechnen gewesen sei. So sei ein Erstattungsverfahren erst als abgeschlossen zu betrachten, wenn sich eine Partei innerhalb von 12 Monaten nicht zum Schreiben der Gegenseite äußere, wie es sich aus der Kommentierung zur gesetzlichen Unfallversicherung (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung – Handkommentar - zu § 120 SGB X, Rz. 1) ergebe.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die ihr anlässlich des Unfalls des Versicherten vom 08.07.1999 im Zeitraum vom 31.03.2000 bis 22.12.2000 entstandenen Aufwendungen in Höhe von EUR 22.001,08 nach Maßgabe der für die Beklagte geltenden Vorschriften zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich auf die Verjährung des Anspruchs. Sie ist der Ansicht, dass zwischen ihr und der Klägerin keine dauerhaften Verhandlungen stattgefunden hätten, so dass die Verjährung nicht durchgängig gehemmt gewesen sei. Auch sei der Anspruch bereits verwirkt. Im Übrigen sei keine unfallunabhängige Arbeitsunfähigkeit durch eine der gestellten Diagnosen begründet gewesen.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Klägerin beigezogen und am 30.05.2008 das Sach- und Streitverhältnis mit einer Vertreterin der Klägerin ausführlich erörtert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG-).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr anlässlich des Arbeitsunfalls des Versicherten vom 08.07.1999 entstandenen Aufwendungen im Zeitraum vom 31.03.2000 bis 22.12.2000.
Als Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch kommt allein § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht. Danach gilt: Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, so ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.
Es kann vorliegend nach Auffassung der Kammer dahin gestellt bleiben, ob die materiellen Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruches vorliegen, das heißt, ob es sich bei den Schwindelsymptomen beim Versicherten um Unfallfolgen gehandelt hat. Dem geltend gemachten Erstattungsanspruch steht die rechtshemmende Einrede der Verjährung entgegen.
Zwar ist die von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist nach § 111 SGB X gewahrt. Die Klägerin hat durch ihre Schreiben vom 08.12.1999, 04.08.2000 und 02.02.2001 die Ansprüche jeweils innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistungen erbracht worden sind, wirksam geltend gemacht. Die Klägerin hat hierbei die erforderlichen Angaben im Sinne des § 111 SGB X gemacht. Einer genauen Bezifferung des Anspruchs bedurfte es dafür nicht (vgl. BSG SozR 3 1300 § 111 Nr. 9).
Der Anspruch ist jedoch verjährt. Erstattungsansprüche verjähren nach § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Die Vorschrift findet in der aktuellen Fassung Anwendung (vgl. § 120 Abs. 2 SGB X).
Die Beklagte hat als erstattungspflichtiger Leistungsträger zwar keine "Entscheidung" im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X getroffen. Dies war auch nicht erforderlich, um die Verjährung in Gang zu setzen. Eine "Entscheidung" durch die Beklagte war weder möglich, noch tatsächlich vom Gesetz verlangt. Auch die konkrete Ablehnung der Befriedigung des Erstattungsanspruchs durch die Beklagte (Schreiben vom 20.06.2003) stellt keine "Entscheidung" im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X dar.
Für die Fälle, in denen keine Entscheidung durch den erstattungspflichtigen Leistungsträger getroffen werden kann, hat der Gesetzgeber mit § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X eine nicht ausreichend deutliche Regelung formuliert. Dies zeigt sich auch daran, dass in § 111 S. 1 SGB X eine vom Wortlaut her klarere Regelung für derartige Fälle getroffen wurde. Der Wortlaut des § 113 Abs. 1 S.1 SGB X ist durch eine gebotene Auslegung nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung klarzustellen, damit er nicht missverstanden wird, wie dies die Klägerin nach ihren Ausführungen macht. Die Beklagte als zuständiger Träger der gesetzlichen Krankenversicherung des Versicherten hat bei gewährten Leistungen zur Behandlung einer Krankheit nicht (mehr) die rechtliche Möglichkeit eine (eigene) "Entscheidung" über ihre Leistungspflicht zu treffen, sobald die Klägerin ihre – vorrangige – Leistungspflicht aus einem Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt hat. Bereits aus § 11 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) folgt, dass ein Versicherter kraft Gesetzes Anspruch auf Leistungen gegen seinen Krankenversicherungsträger hat, soweit es sich nicht um Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit handelt. Die Feststellung von Unfallfolgen eines Arbeitsunfalls obliegt originär dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Wird durch diesen Träger die Leistungspflicht abgelehnt, hat regelmäßig eine Leistungserbringung durch die zuständige Krankenkasse zu erfolgen, ohne dass ein entsprechender Leistungsbescheid erteilt wird, d.h., ohne dass tatsächlich oder rechtlich notwendig eine "Entscheidung" im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X ergeht. Die Zuständigkeit folgt kraft Gesetzes aus § 11 Abs. 5 SGB V. Hält sich der Kranken-versicherungsträger für unzuständig, weil er der Auffassung ist, die Leistungspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung liege weiterhin vor, hat er eine Feststellungs- bzw. Leistungsklage - nach erbrachter Leistung - in einem eigenständigen Verfahren nach § 105 SGB X zu erheben.
Statt einer "Entscheidung" reicht vorliegend die positive Kenntnis der Klägerin über wesentliche Umstände des Erstattungsanspruchs aus, insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Zuständigkeit der Beklagten. Die Klägerin hatte als "erstattungsberechtigter Leistungsträger" im Jahre 2000 positive Kenntnis von der Leistungspflicht der Beklagten als erstattungspflichtiger Leistungsträger. Spätestens mit ihrer eigenen Entscheidung (Ablehnungsbescheid vom 19.12.2000) lag diese erforderliche Kenntnis im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X vor, dass von der Klägerin selbst keine Leistungen mehr über den 30.03.2000 hinaus an den Versicherten zu erbringen sind.
Die Verjährungsfrist des Erstattungsanspruchs beginnt ab dem 01.01.2001 zu laufen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin beginnt die Verjährungsfrist nicht deshalb später – ab 01.01.2004 – zu laufen, weil sie selbst erst mit der Klagrücknahme des Versicherten vor dem SG Konstanz im Mai 2003 "Kenntnis" im Sinne des § 113 Abs. 1 S.1 SGB X über das Bestehen ihres Erstattungsanspruchs erlangt hätte. Eine Klagrücknahme oder eine andere rechtskräftige Entscheidung im Verhältnis zum Versicherten kann zwar regelmäßig Indizwirkung für das Bestehen eines Anspruchs nach § 105 SGB X entfalten, dies ist jedoch nicht zwingend. Ein Erstattungsanspruch nach den §§ 102ff SGB X ist nach ständiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung ein eigenständiger und einklagbarer Rechtsanspruch, der von den materiell-rechtlichen Ansprüchen eines Versicherten zu unterscheiden ist (vgl. nur BSGE 24, 155). Daher entfaltet die Entscheidung im Rechtsstreit des Versicherten und der Klägerin keine Bindungswirkung für den Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten.
Das erkennende Gericht, das sich mit einem Erstattungsanspruch zu befassen hat, ist nicht an die andere (vorhergehende) rechtskräftige Entscheidung gebunden und muss regelmäßig eigenständig ermitteln und entscheiden.
Die Kenntnis über das konkrete Bestehen (die Höhe bzw. den exakten Zeitraum) eines Erstattungsanspruchs ist kein geeignetes Kriterium, um die Verjährungsfrist in Gang zu setzen. Ob und in welcher Höhe der Erstattungsanspruch tatsächlich besteht, ist kein einen Erstattungsanspruch nach den §§ 102ff SGB X begründender Umstand. Dies wird erst während der Verhandlungen zwischen den Beteiligten bzw. in einem gerichtlichen Verfahren festgestellt.
Auch nach der von der Klägerin zitierten Entscheidung des OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 28.08.2007 (Az.:1 L 59/05, Rz. 65) ergibt sich nichts anderes. Das OVG stellt in seiner Entscheidung fest, dass die Vorschrift (§ 113 Abs. 1 S. 1 SGB X) die Entscheidung des Leistungsträgers im Verhältnis zur sozialhilferechtlich bedürftigen Person meint und damit in anderen Fällen eine Auslegung der Vorschrift erforderlich ist, weil der Wortlaut nicht auf alle Erstattungsfälle "passt". Auch das OVG kommt zu dem Ergebnis, dass der erstattungsberechtigte Träger von allen Umständen Kenntnis erlangt haben müsse, damit die Verjährung zu laufen beginne (Rz. 66). In dieser Entscheidung ging es hauptsächlich darum, welcher Leistungsträger für die Erstattung zuständig ist. Da mehrere Leistungsträger in Betracht kamen, stand erst mit der gerichtlichen Entscheidung über die Zuständigkeit fest, welcher Träger der "erstattungspflichtige" ist. Erst damit konnte die Verjährung zu laufen beginnen, denn der erstattungsberechtigte Träger hatte erst mit der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung Kenntnis über den richtigen erstattungspflichtigen Leistungsträger. Das OVG hat die Vorschrift des § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X daher im Sinne der erkennenden Kammer ausgelegt. Auch nach der Rechtsprechung des OVG hätte somit die Klägerin vorliegend bereits im Jahre 2000 positive Kenntnis davon, dass die Beklagte der zuständige Träger ist, so dass die Verjährung ab 01.01.2001 zu laufen begann. Andere Schlussfolgerungen aus dem Urteil des OVG sind für die Kammer nicht ersichtlich.
Der Erstattungsanspruch ist ab dem 13.07.2006 verjährt. Mit Ablauf des 31.12.2004, nach 4 Jahren, trat die Verjährung noch nicht ein. In die Verjährungsfrist wird der Zeitraum nicht eingerechnet, in dem die Verjährung gehemmt ist, § 209 BGB. Die Hemmungsregelungen des BGB gelten nach § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. §§ 203ff BGB auch für Erstattungsansprüche. Im Zeitraum vom 28.05.2003 bis zum 08.12.2004 war die Verjährung durch Verhandlungen zwischen den Beteiligten gehemmt. Die Verjährung wird noch nicht durch die bloße Geltendmachung des Erstattungs-anspruchs im Sinne des § 111 SGB X gehemmt (Bereiter-Hahn/Mehrtens aaO. § 113 SGB X Rn 4; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl. 2008, § 203 Rn 2). Denn dann bliebe kein Anwendungsbereich für die Verjährungsvorschriften neben dem § 111 SGB X bestehen. Vielmehr wird die Verjährung erst durch die Aufnahme von Verhandlungen über den Anspruch im Sinne des § 203 BGB gehemmt. Derartige Verhandlungen hat die Klägerin durch das konkrete Erstattungsbegehren mit Schreiben vom 28.05.2003 aufgenommen, auf das die Beklagte mit Schreiben vom 20.06.2003 reagierte. Diese Verhandlungen endeten am 08.12.2004. Die Beklagte lehnte den Anspruch und damit weitere Verhandlungen mit Schreiben vom 06.12.2004, Eingang bei der Klägerin am 08.12.2004, ab. Hierbei wies sie ausdrücklich daraufhin, dass für sie die Verhandlungen beendet sind ("Wir schließen den Vorgang ab."). Der Zeitraum vom 28.05.2003 bis zum 08.12.2004 ist bei der Berechnung der Verjährung nicht zu berücksichtigen, diese also um 18 Monate, 1 Woche und 5 Tage zu verlängern. Die Verjährung trat nicht mit Ablauf des 31.12.2004 ein, sondern erst mit Ablauf des 12.07.2006.
Die erneute Verhandlungsaufnahme der Klägerin mit Schreiben vom 04.09.2006 kam zu spät. Die Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Beklagten waren nicht "eingeschlafen", wie die Klägerin meint, sondern ausdrücklich von der Beklagten beendet worden. Verhandlungen sind, wenn der Gläubiger die Verhandlung einschlafen lässt, in dem Zeitpunkt beendet, in dem der nächste Schritt nach Treu und Glaube zu erwarten gewesen wäre (Palandt/Heinrichs aaO., BGB, § 203 Rn 4). Bis zum Schreiben der Beklagten am 06.12.2004 kann davon ausgegangen werden, dass sich die Beteiligten ununterbrochen in Verhandlung befunden haben. Danach hat die Klägerin mehr als 18 Monate auf das Schreiben der Beklagten vom 06.12.2004 nicht reagiert, so dass von einem "Einschlafen lassen" nicht mehr ausgegangen werden kann. Der Grund hierfür ist bei der Berechnung der Verjährung ohne Bedeutung. Mit dem nächsten Schritt der Klägerin hätte die Beklagte nach Treu und Glauben allerspätestens drei Monate nach ihrem Schreiben rechnen dürfen. Die von der Klägerin angeführte "Jahresfrist" aus § 120 SGB X bzw. ihr Hinweis auf die Kommentierung in Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung – Hand-kommentar - zu § 120 SGB X, Rz. 1, ist vorliegend ohne Bedeutung und findet keine Anwendung.
Soweit die Klägerin weiter darauf abstellt, dass bei einer Verhandlungspause die Hemmung nicht endet, weist die Kammer darauf hin, dass die Beteiligten keine derartige Verhandlungspause vereinbart haben. Die Klägerin hat schlichtweg nicht mehr reagiert.
Das Berufen der Beklagten auf die Einrede der Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn damit eine unzulässige Rechtsausübung oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB verbunden wäre. Die Klägerin hat zweimalig mit ihren Formschreiben vom 02.02.2001 und 19.10.2002 die Beklagte darum gebeten, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten ("Bitte verzichten Sie bis zur Beendigung des Verfahrens auf die Einrede der Verjährung."). Die Beklagte ist dieser "Bitte" weder nachgekommen, noch hat sie diese explizit abgelehnt. Es oblag mithin der Klägerin, auf die Beklagte entsprechend einzuwirken und ihr Begehren mit Nachdruck weiter zu verfolgen. Nach dem zweiten Schreiben hat die Klägerin nicht wieder den Verzicht auf die Einrede geltend gemacht, so dass es zu ihren Lasten geht und der Beklagten kein Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu machen ist. Außerdem handelte es sich bei den Schreiben der Klägerin um bloße standardisierte Formschreiben ohne selbständigen Erklärungsinhalt. Die Klägerin hätte insoweit ihren Erstattungsanspruch rechtshängig machen müssen (§ 204 BGB), um die Verjährung zu hemmen.
Auch aus § 86 SGB X folgt keine Missbräuchlichkeit. Der Beklagten steht das Recht zu, die Einrede der Verjährung zu erheben.
Da der Erstattungsanspruch bereits verjährt ist, kommt die von der Beklagten behauptete Verwirkung bzw. ein Berufen auf das "Nicht-Bestehen" des materiellen Anspruchs nicht mehr zum Tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
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