L 4 KA 67/06

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 261/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 67/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. August 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits auch im zweiten Rechtszug zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 1.181,92 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre nachträgliche Heranziehung zur Finanzierung von Defiziten in einer Notdienstzentrale nach ihrem Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung.

Die zunächst zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassene Klägerin schied zum 31. Dezember 2002 aus der vertragsärztlichen Versorgung aus Altersgründen aus. Die Mitgliederversammlung der Notdienstzentrale W./A-Stadt vom 12. November 2003 fasste laut Protokoll unter Tagesordnungspunkt 3 folgenden Beschluss:

"Einstimmig beschlossen die Mitglieder der Notdienstzentrale, dass die bisherigen Defizite aus den Jahren 2000 - 2003 in monatlichen Abschlägen über das Jahr 2004 von allen Mitgliedern zu gleichen Teilen vollständig getilgt werden sollen. Zur Deckung der voraussichtlich zu erwartenden Defizite soll ab Januar 2004 zusätzlich eine Umlage von 150 EUR pro Monat von jedem Mitglied durch die KV einbehalten werden. Die Mitglieder der Notdienstgemeinschaft bitten darum, die Höhe der zu erwartenden monatlichen Belastung bei der Tilgung der bisher aufgelaufenen Defizite durch die KV zu berechnen und der Notdienstgemeinschaft vor Einbehaltung dieser Beträge mitzuteilen".

Mit Schreiben vom 16. Juli 2004 forderte die Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf die im Jahr 2002 erwirtschaftete Unterdeckung auf, den für sie errechneten Umlageanteil in Höhe von 1.181,92 EUR durch Überweisung zu begleichen. "Gemäß den Jahresabschlussarbeiten in der Buchhaltung für das Jahr 2002" würden "die entstandenen Defizite auch auf die ausgeschiedenen Ärzte der jeweiligen Notdienstzentrale umgelegt". Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem am 29. Juli 2004 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 26. Juli 2004, das die Beklagte als Antrag auf Befreiung von der Umlage der Notdienstzentrale deutete. Nach Anhörung der Mitgliederversammlung der Notdienstzentrale vom 14. Oktober 2004, die den Befreiungsantrag der Klägerin einstimmig ablehnte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Januar 2005 den Antrag der Klägerin ebenfalls ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch mit dem der Klägerin am 1. Juni 2005 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2005 zurück.

Auf die hiergegen am 30. Juni 2005 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) PK. die Bescheide der Beklagten vom 16. Juli 2004 und vom 17. Januar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2005 aufgehoben und festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, weitere Beiträge zur Notdienstzentrale W./A-Stadt von der Klägerin für die Jahre 2000 bis 2002 zu erheben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich auch bei dem Schreiben der Beklagten vom 16. Juli 2004 um einen Verwaltungsakt handle, mit dem die Beklagte eine (hoheitliche) Regelung in einem Einzelfall, nämlich die Zahlungsverpflichtung der Klägerin, getroffen habe. Die Klägerin habe darüber hinaus auch ein Feststellungsinteresse, weil nach Erörterung der Angelegenheit mit der Beklagten nicht auszuschließen sei, dass diese weitere Forderungen aus den Jahren 2000 und 2001 gegen die Klägerin erheben werde.

Die Beklagte sei jedoch nicht berechtigt, von der Klägerin nach ihrem Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung noch weitere Beiträge zur Notdienstzentrale zu erheben. Nach der insoweit maßgeblichen ab 1. Oktober 2002 geltenden Notdienstordnung (NDO), der Satzungsqualität zukomme, sei hierfür keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Zur Finanzierung der Organisationsstruktur des organisierten Notdienstes erfolgten Zahlungen durch die Beklagte gemäß § 8 Abs. 1 NDO. Soweit die bei Betrieb von Notdienstzentralen und Notdienstleitstellen zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend seien, seien für die Finanzierung des organisierten Notdienstes des Weiteren zu erheben:

a) ein Abzug eines angemessenen Betriebskostenanteils von mindestens 15 %, höchstens 35 %, bezogen auf die im Rahmen des Notdienstes von den Notdienstärzten erarbeiteten Honorare und im Falle einer weiteren Unterdeckung
b) eine Umlage von allen der Notdienstgemeinschaft angeschlossenen niedergelassenen Vertragsärzten.

Art und Umfang der Umlage und des Betriebskostenabzuges sind von der Versammlung der Notdienstgemeinschaft festzulegen und von dem Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle zu genehmigen. Statt des Betriebskostenabzugs konnte die Versammlung der Notdienstgemeinschaft mit Zustimmung des Geschäftsausschusses der zuständigen Bezirksstelle zur Finanzierung des Notdienstes auch ausschließlich eine Umlage gemäß Buchstabe b) erheben (§ 8 Abs. 3 NDO).

Bei der Notdienstgemeinschaft handle es sich um eine verwaltungsorganisatorische Untergliederung der Beklagten, in deren Verwaltungsvermögen die erhobene Umlage eingehe. Die Umlage habe Beitragscharakter, denn mit ihr werde der allen Mitgliedern der Notdienstgemeinschaft zu gute kommende Betrieb des Notdienstes mitfinanziert. Das einzelne Mitglied der Notdienstgemeinschaft erwerbe keinerlei Ansprüche am Verwaltungsvermögen, auch soweit es ausschließlich dem Betrieb der Notdienstgemeinschaft diene, und habe daher auch keine Ansprüche hierauf bei seinem Ausscheiden. Die Heranziehung zu einer Umlage setze voraus, dass der Betroffene im Zeitpunkt der Heranziehung noch Mitglied der Beklagten und der Notdienstgemeinschaft sei. Da die Klägerin aber schon am 31. Dezember 2002 aus der vertragsärztlichen Versorgung und der Notdienstgemeinschaft ausgeschieden sei, habe sie von diesem Zeitpunkt an nicht mehr zur Umlage herangezogen werden können. Darüber hinaus betreffe auch der Beschluss der Mitgliederversammlung der Notdienstzentrale vom 12. November 2003 ausschließlich Mitglieder. Ein Geltungsanspruch auch für bereits ausgeschiedene Mitglieder sei dem Beschluss nicht zu entnehmen. Darüber hinaus sei der Beschluss aber auch hinsichtlich der Höhe der Umlage zu unbestimmt, um überhaupt Verbindlichkeit gegenüber einem Mitglied erlangen zu können. Auch sei zweifelhaft, ob das nach § 5 Abs. 5 S. 2 NDO zu beachtende Verfahren bei der Einladung zur Mitgliederversammlung beachtet und der Beschluss vom Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle gemäß § 5 Abs. 1 NDO genehmigt worden sei.

Gegen das ihr am 22. September 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 23. Oktober 2006 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt, die sie bisher trotz eingeräumter Fristverlängerung nicht begründet hat.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. August 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat sich in der Sache nicht geäußert.

Der Senat hat die Beteiligten zu seiner Absicht,
die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zurückzuweisen, angehört.

Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind hierzu zuvor angehört worden (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die zulässige Berufung ist sachlich unbegründet.

Das angegriffene Urteil des SG Marburg ist nicht zu beanstanden, denn die Beklagte war und ist nicht berechtigt, von der Klägerin nach ihrem Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung und dem organisierten Notdienst am 31. Dezember 2002 noch irgendwelche Beiträge, Umlagen oder andere Leistungen zum organisierten Notdienst zu erheben. Dies hat das SG bereits ausführlich und zutreffend unter Hinweis auf die eindeutigen Regelungen in der insoweit maßgeblichen NDO der Beklagten dargelegt. Hierbei ist das SG insbesondere auch zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 16. Juli 2004 um einen (belastenden) Verwaltungsakt handelt, den die Klägerin ebenso, wie den Bescheid vom 17. Januar 2005, im Wege der Anfechtungsklage angegriffen hat. Darüber hinaus hat das SG auch zutreffend das Feststellungsinteresse der Klägerin gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGG bejaht, denn die Beklagte hat im Erörterungstermin vom 23. August 2006 die Möglichkeit der Wiederholung ihres rechtwidrigen Vorgehens gegen die Klägerin wegen der in den Jahren 2000 und 2001 entstandenen Defizite eingeräumt. Da die Klägerin seit 1. Januar 2003 nicht mehr Mitglied der Notdienstgemeinschaft ist, ist sie insoweit auch nicht mehr gehalten, sich von ohnehin nicht mehr bestehenden Verpflichtungen befreien zu lassen, weshalb die Verpflichtungsklage, gegenüber der die Feststellungsklage subsidiär ist, als statthafte Klageart hier ausscheidet.

Im Übrigen nimmt der Senat auf die zutreffenden Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 47, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
Saved