L 3 AL 68/08

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 19 AL 87/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 68/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auszubildende haben keinen Anspruch auf Fahrkostenbeihilfe nach § 53 Abs. 2 Nr. 3 b SGB III.

Der Ausschluss von Ausbildungssuchenden / Auszubildenden von der Gewährung von Fahrkostenbeihilfe nach § 53 Abs. 2 Nr. 3 b SGB III verstößt nicht gegen Art 3 Abs. 1 Grundgesetz ( GG ). Denn für diese kommen Mobilitätshilfen nach § 53 SGB III nur ergänzend in Betracht. Die Förderung von Auszubildenden erfolgt grundsätzlich durch die Leistung der Berufsausbildungsbeihilfe nach §§ 59 ff. SGB III. Im Rahmen dieser Leistung werden Fahrtkosten als Bedarf berücksichtigt (vgl. § 67 Abs. 1 Nr.1 SGB III ).
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. März 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten –auch der Berufungsinstanz – sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Fahrtkostenbeihilfe für den Zeitraum vom 04.09.2007 bis zum 28.02.2008.

Die am 1987 geborene Klägerin schloss im Jahr 2003 nach zehn Schuljahren die Mittelschule ab. Vom 01.09.2003 bis 31.08.2007 absolvierte sie an einer Berufsfachschule eine schulische Ausbildung zur Diätassistentin.

Am 01.09.2007 begann die Klägerin eine betriebliche Ausbildung zur Restaurantfachfrau. Ihr Arbeitgeber ist das hotel L. (Inhaberin: X ) in .../Sachsen.

Die Klägerin wohnt weiterhin bei ihren Eltern in S ... Im Rahmen ihrer Lehrausbildung zur Restaurantfachfrau ist sie an verschiedenen Orten eingesetzt: dem.hotel L. , der Waldgaststätte " ", der Felsengaststätte L. sowie der Wirtschaftsschule P ... Die Fahrtstrecke zwischen S. und den genannten Einsatzorten beträgt – hin und zurück – ca. 60 km. Die Klägerin fährt mit einem privaten PKW, da die einzelnen Fahrziele mit öffentlichen Verkehrsmitteln gelegentlich schwierig zu erreichen sind.

Bereits am 03.08.2007 hatte die Klägerin – vor Beginn dieser Ausbildung – die Gewährung von Ausrüstungsbeihilfe beantragt. Hierfür bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 08.11.2007 einen Betrag von 96,85 EUR.

Am 04.09.2007 beantragte die Klägerin die Gewährung von Fahrkostenbeihilfe für die oben genannte Fahrstrecke.

Diesen Antrag wies die Beklagte mit Bescheid vom 28.11.2007 zurück. Mobilitätshilfen müssten vor Eintritt des Ereignisses – also hier der Arbeitsaufnahme – beantragt werden. Der Antrag der Klägerin vom 04.09.2007 sei verspätet gestellt worden. Die Entscheidung beruhe auf § 53 SGB III i. V. m. § 324 Abs. 1 SGB III.

Hiergegen legte die Klägerin am 04.12.2007 Widerspruch ein. Ihre Fahrtziele seien ohne Fahrzeug nur schwer zu erreichen. Auf Grund ihres Berufes arbeite sie verstärkt auch an Wochenenden. Bei den derzeitigen Benzinpreisen und ihres geringen Lehrlingsgehaltes bliebe ihr nichts für den Lebensunterhalt.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2008 als unbegründet zurück. Der Antrag sei erst nach Aufnahme der Tätigkeit – also verspätet – gestellt worden. Eine besondere Härte im Sinne von § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III sei nicht ersichtlich. Unabhängig davon lägen bereits die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Gewährung dieser Leistung nicht vor.

Hiergegen hat die Klägerin am 01.02.2008 Klage zum Sozialgericht Dresden erhoben. In dem Merkblatt 1 werde nur darauf hingewiesen, dass Mobilitätshilfen zu beantragen seien, bevor die Kosten entstünden. Die Fahrtkosten der Klägerin entstünden jedoch bei jeder Fahrt neu. Damit sei es der Klägerin möglich gewesen, am 04.09.2007 die Kosten für die zukünftigen Fahrten zu beantragen. Im Übrigen hätte die Beklagte gemäß §§ 13, 14 SGB I die Pflicht gehabt, die Klägerin auf die Möglichkeit der Beantragung von Fahrtkostenbeihilfe hinzuweisen. Die Übergabe von Merkblättern sei insoweit nicht ausreichend zur Erfüllung der Pflicht zur Beratung und Aufklärung.

Demgegenüber hat die Beklagte geltend gemacht, dass Gesetz sehe für Auszubildende Mobilitätshilfen nach § 53 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 Buchstabe a und d SGB III vor. Eine Gewährung der begehrten Fahrkostenbeihilfe sei daher ebenso wie Trennungskostenbeihilfe für eine Auszubildende bereits nach dem gesetzlichen Rahmen nicht möglich.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. März 2008 hat das Sozialgericht Dresden (SG) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid verwiesen und zudem nochmals ausgeführt, dass die Leistung der Fahrkostenbeihilfe nach § 53 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe c SGB III nicht an Auszubildende erbracht werden könne.

Gegen diesen am 27.03.2008 zugegangenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24.04.2008 Berufung eingelegt. Die Versagung von Fahrkostenbeihilfe an Auszubildende stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb ein Auszubildender schlechter gestellt werden solle als ein Arbeitsloser oder von Arbeitslosigkeit Bedrohter.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. März 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Fahrtkostenbeihilfe für die Zeit vom 4. September 2007 bis 28. Februar 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berücksichtigung von Fahrtkosten für die so genannten "Pendelfahrten" sei bei Auszubildenden nur im Rahmen der Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe gemäß §§ 59 ff. SGB III möglich. Diese würden gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III hierbei ausschließlich als Bedarf für die Ermittlung der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) berücksichtigt. Der Antrag der Klägerin auf BAB sei abgelehnt worden, weil die Klägerin im Haushalt der Eltern wohne und damit eine Förderung durch BAB gemäß § 59 Nr. 2 i. V. m. § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III ausgeschlossen sei.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch den Einzelrichter zugestimmt. Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte durch die Einzelrichterin getroffen werden, da die Beteiligten hierzu ihre Zustimmung erklärt haben (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG). Angesichts einer Veranschlagung von ca. 0,3 Cent pro Kilometer übersteigt das Begehren den Betrag von 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig gemäß § 151 Abs. 1 SGG; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

§ 53 Abs. 4 SGB III sieht die Leistung der Fahrkostenbeihilfe an Ausbildungssuchende nicht vor. Nach § 53 Abs. 4 SGB III können Mobilitätshilfen nur nach Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 Buchstaben a und d an Ausbildungssuchende gewährt werden. Die begehrte Leistung der Fahrkostenbeihilfe ist jedoch unter § 53 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b SGB III geregelt, also im Rahmen dieser Norm für Ausbildungssuchende durch das Gesetz nicht vorgesehen.

Dieser Ausschluss der Fahrkostenbeihilfe für Ausbildungssuchende stellt keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dar. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die rechtliche Unterscheidung in sachlichen Gründen eine ausreichende Stütze findet. Dabei ist es Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche Merkmale er als maßgebend für eine gleiche oder ungleiche Behandlung ansehen will (BVerfGE 83, 395, 401). Wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, dann ist zu prüfen, ob zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfGE 55, 72, 88; 71, 146, 154 f.).

Solche hinreichenden Unterschiede liegen hier für die unterschiedliche Behandlung von Arbeitslosen und Arbeitsuchenden auf der einen Seite sowie auf der anderen Seite den Ausbildungssuchenden vor. Nach dem gesetzlichen Förderungssystem sollen Mobilitätshilfen an Ausbildungssuchende bzw. Auszubildende nur ergänzend gewährt werden. Zur Begründung des § 53 Abs. 3 (a. F.; nunmehr befindet sich die entsprechende Regelung in Abs. 4) ist im ersten AFRG-Entwurf Folgendes ausgeführt (BT-Drucks. 13/4941 S. 163):

"Abs. 3 entspricht im Wesentlichen dem geltenden § 53 Abs. 2 AFG, wobei die Leistungsarten ausdrücklich genannt werden, die für die Berufsanwärter ergänzend zur Berufsausbildungsförderung und zu den Leistungen zur Unterstützung der Beratung und Vermittlung in Betracht kommen."

Hieraus wird deutlich, dass die Förderung von Auszubildenden grundsätzlich durch den Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 59 ff. SGB III bestimmt ist. Im Rahmen dieser Leistung werden als Bedarf u. a. die Kosten des Auszubildenden für Fahrten zwischen Unterkunft, Ausbildungsstätte und Berufsschule (Pendelfahrten) berücksichtigt (§ 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Anders als die Fahrkostenbeihilfe nach § 53 SGB III, die gemäß § 54 Abs. 4 SGB III nur für maximal sechs Monate gewährt werden kann, würden die Fahrkosten auf der Grundlage von § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III – sofern grundsätzlich die Anspruchsvoraussetzungen nach den §§ 59 ff. SGB III erfüllt wären – für die gesamte Ausbildungszeit berücksichtigt (Winkler in: Gagel, SGB III, Rdnr. 18 zu § 53).

Hierzu ist der allgemeine Zweck der Mobilitätshilfen zu beachten. Diese Förderungsleistungen sollen finanzielle Hindernisse bei der Beendigung der Arbeitslosigkeit auf dem Weg zu einem Arbeitsplatz beseitigen. Insbesondere für Langzeitarbeitslose sollen die Möglichkeiten für die Aufnahme einer Beschäftigung verbessert und die Vermittlungstätigkeit der BA unterstützt werden. Die Mobilitätshilfen dienen damit dem Zweck des § 1 Abs. 1 SGB III a. F., nämlich der zügigen Besetzung von Arbeitsplätzen und dem Vorrang der Vermittlung vor den Lohnersatzleistungen (§ 4 Abs. 1 SGB III) (vgl. Winkler in: Gagel, SGB III, Rdnr. 2 zu § 53). Eine solche Situation ist für die Klägerin – als Auszubildende – nicht in gleicher Weise gegeben. Denn für sie käme eine (subsidiäre) Lohnersatzleistung – namentlich durch Arbeitslosengeld (I) – bereits nach den erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht in Betracht.

Zudem ist zu beachten, dass Ausbildungssuchende regelmäßig jüngere Menschen sind, die noch eine Schule besuchen oder diese gerade abgeschlossen haben. Sie werden in den meisten Fällen noch keine eigene Familie gegründet haben, sodass die Leistungen der Fahrkostenbeihilfe und der – ebenfalls nur vorübergehenden – Trennungskostenbeihilfe für diese nicht in gleicher Weise erforderlich seien wie bei (älteren) Arbeitnehmern, die bereits im Berufsleben standen und – bedingt durch die Arbeitslosigkeit – gezwungen sind, evtl. eine räumlich von der Familienwohnung weiter entfernt liegende Arbeit aufzunehmen (ähnlich Petzold in Hauck/Noftz, Stand August 2008, Rdnr. 24 zu § 53). Demgegenüber geht der Gesetzgeber im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe davon aus, dass u. a. der volljährige Auszubildende nicht notwendig mehr in der elterlichen Wohnung verbleibt (vgl. § 64 Abs. 1 Satz 2 SGB III).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die vorliegende Situation nicht nur als Einzelfall bewertet werden kann und hierzu bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.

I
Rechtskraft
Aus
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