L 8 AL 100/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 40 AL 1060/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 100/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgericht München vom 12.01.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 10.10.2001 bis zum 13.02.2002. Das SG hat die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Bescheide mit Urteil vom 12.01.2007 bestätigt.

Der 1940 geborene Kläger war Langzeitarbeitsloser. So wurde ihm Arbeitslosengeld bereits ab dem 08.11.1999 bewilligt. Er erhielt schließlich ab dem 01.05.2001 Arbeitslosengeld über 295 Tage (Bewilligungsverfügung vom 15.05.2001 bis 19.02.2002) von der Beklagten. Bereits früher erfolgten Aufhebungen, so mit einem Bescheid vom 08.04.1998 mit dem Grund einer Arbeitsaufnahme ab 01.04.1998 sowie einem weiteren vom 19.05.2000 wegen einer Arbeitsaufnahme ab 09.05.2000.

Ab dem 01.06.2001 nahm der Kläger an einer Maßnahme beim Berufsförderungswerk A-Stadt GmbH (BFW) teil.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.02.2002 hob die Beklagte unter gleichzeitiger Zahlungseinstellung die bewilligte Leistung auf Arbeitslosengeld ab dem 10.10.2001 auf. Ab dem 14.02.2002 wurde nach erneuter Meldung des Klägers als arbeitslos der restliche Arbeitslosengeldanspruch von der Beklagten in Höhe von 133 Tagen erfüllt (Verfügung vom 06.03.2002, Änderungsverfügung vom 12.04.2002). Der verbliebene Leistungsanspruch war mit Ablauf des 13.06.2002 erschöpft.

Die Aufhebung beruhte auf einer Beschäftigungsaufnahme am 10.10.2001 bei der Firma K. GmbH & Co KG Security. Am 07.02.2002 erhielt die Beklagte eine Überschneidungsmitteilung der Sozialversicherungsträger, wonach der Kläger ab 10.10.2001 ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet habe. Dazu gab der Kläger an, lediglich an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme vom 10.10. bis 16.11.2001 teilgenommen zu haben. Die Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III bestätigte eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im genannten Zeitraum.

Mit seinem Widerspruch behauptete der Kläger erneut, in der fraglichen Zeit an einer Ausbildungs- und Umschulungsmaßnahme bzw. einem innerbetrieblichen Umschulungs- und Ausbildungsprogramm inklusive einer Einweisungszeit teilgenommen zu haben. Die Ausbildungskosten hätten sich mit der Vergütung für die Einweisung in diesem Zeitraum gedeckt.

Am 12.04.2002 forderte die Beklagte Erstattung der bis zum 31.01.2002 bezahlten Leistungen in Höhe von 3759, 81 Euro.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2002 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Aufhebung und Erstattungsforderung zurück.

Mit am 03.09.2002 beim Sozialgericht München (SG) eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben. Das SG hat einen Abschlussbericht des BFW A-Stadt beigezogen, wonach der Kläger in eigener Initiative ohne Absprache mit dem Arbeitsamt eine Ausbildung zur geprüften Wirtschaftskraft gemacht und dabei einen Arbeitsvertrag unterzeichnet habe. Ein weiteres Rechtsverhältnis habe er gekündigt, da ihm die Tätigkeit zu anstrengend gewesen sei, was er der Beklagten am 10. 04.2001 mitgeteilt habe. Weiter befragte das SG am 25.07.2006 die Firma K. schriftlich. Danach habe es sich nicht um eine Ausbildungs- und Umschulungsmaßnahme gehandelt. Der Kläger äußerte sich nochmals dazu, dass die Firma K. ihm eine Anfangs- Ausbildungsvergütung gezahlt habe, die sich mit seinen Aufwendungen gegenseitig aufgehoben habe. Er habe im übrigen eine lediglich auf zwei Monate angelegte Ausbildung absolviert, wie es Studenten zum Beispiel auch machten.

Durch Urteil vom 12.01.2007 hat das Sozialgericht München (SG) die vom Kläger - entgegen der Ansicht der Beklagten fristgemäß - erhobene Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass in den der Leistungsbewilligung zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten und die Leistungsbewilligung von der Beklagten zu Recht aufgehoben worden sei. Der Kläger habe durch seine Beschäftigung Einkommen erzielt, das zum Wegfall des Anspruchs geführt habe. Dabei hätte er wissen müssen, dass mit der Arbeitsaufnahme der Anspruch kraft Gesetzes weggefallen sei (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Durch die Aufnahme der Beschäftigung sei im übrigen die Wirkung der Arbeitslosmeldung des Klägers (§ 122 Abs. 1, § 117 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) erloschen, weil sie dem Arbeitsamt nicht unverzüglich mitgeteilt worden sei
(§ 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III). Die Behauptung des Klägers, sich beim Arbeitsamt an- und abgemeldet zu haben, sei nicht nachgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben und zur Begründung angeführt, dass er sich mit Wissen der Schwerbehindertenvertretung des Arbeitsamtes A-Stadt und des Berufsförderungswerkes um eine Ausbildung bei der Sicherheitsfirma beworben habe. Die Ausbildung sei für eine spätere Tätigkeit unabdingbar gewesen. Bei der Firma K. habe es leider statt eines Formulars für einen Ausbildungsvertrag nur ein solches für einen Arbeitsvertrag gegeben bzw. diese Firma habe versehentlich statt eines Formulars für ein Ausbildungsverhältnis eines für einen Beschäftigungsvertrag verwendet. Fälschlicherweise sei der Aufwendungsersatz für die erbrachten Aufwendungen als Arbeitslohn bezeichnet worden.

Die Beklagte hat auf Nachfrage des Senats ausgeführt, ihren Widerspruchsbescheid am 31.07.2002 zur Post gegeben zu haben, womit dieser am 03.08.2002 als zugestellt gelte. Die am 04.09.2002 eingegangene Klage (Schriftsatz datiert vom 02.09.2002) sei damit verfristet. Ferner hat die Beklagte ein sogenanntes Merkblatt vom Stand April 2001 überreicht. Dort befänden sich eindeutige, klare und unmissverständliche Hinweise über Pflichten während des Arbeitslosengeldbezuges, insbesondere die zur Mitteilung einer Arbeitsaufnahme. Aus dem Vermerk vom 27.11.2001 in der Kundenhistorie der Beklagtenakte sei zu entnehmen, dass es sich um keine persönliche Vorsprache gehandelt habe. Es fehle der ansonsten erforderliche Zusatz p.V. Hinsichtlich des Vermerks vom 28.11.2001 handele sich um einen internen Vermerk des Vermittlers über die Meldung von Anrechnungszeiten gegenüber dem Rentenversicherungsträger (§ 58 SGB VI).

Zur Einhaltung der Klagefrist hat der Kläger noch vorgebracht, der 03.08.2002 sei ein Samstag gewesen und der Kläger könne sich daran erinnern, den Widerspruchsbescheid nicht an einem Wochenende erhalten zu haben. Daher sei der Zugang erst am Montag, dem 05.08.2002 erfolgt. Ferner sei nicht aufgeklärt, ob der Kläger bereits am 25. bzw. 28.11.2001 bei der Beklagten vorgesprochen und sich erneut arbeitslos gemeldet habe. Schließlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt, die Mitarbeiterin der Bundesagentur namens B. darüber als Zeugin einzuvernehmen, dass er sich nach Aufnahme einer Tätigkeit bei der Firma K. beim Arbeitsamt gemeldet habe.

Der Kläger stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Januar 2007 sowie die Bescheide vom 8. Februar 2002 und 12. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2002 aufzuheben.

Die Beklagte stellt den Antrag,
die Berufung zurückzuweisen



Entscheidungsgründe:


Die ohne Zulassung (§ 144 Abs.1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung hat keinen Erfolg, da das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

Die Berufung ist aber nicht schon deswegen unbegründet, weil die Klage unzulässig (verfristet) gewesen wäre, mit der Rechtsfolge, dass die angefochtenen Bescheide bindend geworden wären. Denn die Beklagte konnte nicht entkräften, dass der Widerspruchsbescheid dem Kläger nicht innerhalb einer Frist von drei Tagen zugegangen ist, wie es § 37 Abs. 2 SGB X in der Fiktion eines Zugangs regelt. Der Vortrag des Klägers über einen Zugang des Widerspruchsbescheides erst am 5. statt am 3. August ist wegen des dazwischen liegenden Wochenendes nicht unwahrscheinlich. Die Beklagte konnte sich damit trotz des Nachweises einer Aufgabe zur Post am 31. Juli nicht auf die Fiktion eines Zugangs am 3. August berufen. Die am 5. September eingegangene Klage war damit rechtzeitig erhoben.

Ebenso wenig ist der Klage ein Rechtschutzbedürfnis abzusprechen. So hat die Beklagte schon im Zusammenhang mit ihrer Aufhebungsentscheidung den Anspruch nicht mehr bis zu seinem voraussichtlichen Ende zum 19.02.2002 erfüllt und im Übrigen auch später ab 10.10.2001 zurückgefordert. So hat die Beklagte zwar für den aufgehobenen Zeitraum und auch in einem späteren Zeitraum ab 14.02. bis zum Juni 2002 Arbeitslosengeld gezahlt, so dass dem Kläger zur Zeit gut 100 Tage Arbeitslosengeld doppelt gezahlt worden sind. Dennoch aber ist der Kläger durch den Rückforderungsanspruch beschwert und hat plausibel vorgetragen, dass er ansonsten aufgrund seiner Bedürftigkeit ab 20.02.2002 bis zum Juni 2002 Arbeitslosenhilfe bezogen hätte.

Die Berufung ist aber unbegründet, weil die Klage unbegründet war. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt.

Zu Recht hat die Beklagte in die dem Kläger mit Bewilligungsverfügung vom 15.05.2001 eingeräumte Rechtsposition eingegriffen, in welcher ihm ein Anspruch auf Arbeitslosengeld über 295 Tage bis zum 19.02.2002 zuerkannt wurde. Die Fortdauer dieses Anspruchs erwies sich im Nachhinein als rechtswidrig, da durch eine Beschäftigungsaufnahme vom 10.10.2001 und die fehlende Rückmeldung ab 14.11.2001 als arbeitslos nach Beendigung dieser Beschäftigung wesentliche Änderungen in den maßgeblichen Verhältnisse eingetreten sind. Die Eingriffsbefugnis der Beklagten beruht auf § 48 SGB X.

Gemäß § 48 SGB X (Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse) ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Die Aufnahme der Tätigkeit des Klägers bei der Firma K. (unabhängig davon, ob es sich nun um ein Ausbildungs- oder ein Beschäftigungsverhältnis handelte) stellt in den Tatbestandsvoraussetzungen des Arbeitslosengeldanspruches eine wesentliche Änderung dar. Dies gilt zunächst bis zum 16.11.2001 wegen eines Wegfalls der Arbeitslosigkeit und Entfalls der Leistung durch Anrechnung von Arbeitentgelt. Gemäß der damaligen Fassung des Anspruchstatbestandes auf Arbeitslosengeld (§ 117 SGB III idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24.03.1997 - BGBl I 594) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die 1. arbeitslos sind, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer ( § 118 idF, die die Norm durch das 1. SGB III-Änderungsgesetz vom 16.12.1997 - BGBl I 2970 - erhalten hat) der
1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und
2. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Be
schäftigung sucht (Beschäftigungssuche).

Der Kläger war ab dem 10.10.2001 nicht mehr arbeitslos, es fehlte ihm an der Beschäftigungslosigkeit. Dazu stellt der Senat fest, dass der Kläger vom 10.10.2001 bis
16.11.2001 in einem nicht geringfügigen Beschäftigungsverhältnis gestanden ist. Beweismittel hierfür sind die besagte Arbeitsbescheinigung und die Auskunft der Firma K. im Sozialgerichtsverfahren vom 27.06.2006, in der ausdrücklich das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses bestätigt worden ist. Die Überzeugung des Senats besteht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Denn der Kläger selbst hat die - wenn auch als Einweisung bezeichnete - Tätigkeit immer als vollschichtig/ganztägig dargestellt und die Ermittlungen der Beklagten des SG haben ausweislich der Bekundungen der Firma K. einen zeitlichen Umfang von 72 Stunden pro Woche ergeben. Die Überzeugung des Senats wird nicht durch die Einlassungen des Klägers durch maßgebliche Zweifel erschüttert. So widerspricht die Auskunft der Firma K. den Erklärungsversuchen des Klägers, dass versehentlich ein falsches Formular verwendet worden sei und dass er lediglich ein Ausbildungsverhältnis eingegangen sei. Es mag zwar sein, dass der Kläger vom 23.10. bis 25.10. und 26. bis 27.10.2001 Kurse besucht hat, die er selbst auch hat bezahlen müssen. Dies widerlegt aber nicht die Tatsache eines Beschäftigungsverhältnisses. Ebenso wenig wird dies erschüttert durch die Behauptung, dass ihm diese Stelle von einem Integrationsfachdienst vermittelt worden sei. Gerade dieser hatte in seiner Auskunft gegenüber dem Sozialgericht mitgeteilt, dass der Kläger sich diese Beschäftigung ohne Absprache selbst gesucht habe. Der Kläger selbst hat mehrmals ausgeführt, dass er die Schichtarbeit, nicht etwa eine Ausbildung, nicht verrichten könne.

Gemäß § 118 Abs. 2 SGB III ist Beschäftigungslosigkeit nur dann nicht ausgeschlossen, wenn die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung vorgelegen hätte. Dies konnte der Senat - wie oben ausgeführt - nicht feststellen. Ebenso wenig kann sich der Kläger auf eine Fortdauer der Beschäftigungslosigkeit wegen einer privilegierten Ausbildung berufen. Der Sonderfall der Verfügbarkeit eines Arbeitslosen, der an einer Trainingsmaßnahme oder an einer Berufsfindung oder Arbeitserprobung im Sinne des Rechts der beruflichen Rehabilitation teilnimmt (§ 120 SGB III) liegt tatbestandlich nicht vor. Der Kläger hat tatsächlich ein Arbeitsverhältnis begründet und ist damit eine Rechtsbeziehung privatrechtlicher Art mit der Firma K. eingegangen. Seine Tätigkeit hat ihren Rechtsgrund nicht in einer öffentlich-rechtlichen Beziehung im Rahmen einer von der Beklagten bewilligten Maßnahme im Sinne von § 120 SGB III gefunden. Schon gar nicht kann sich der Kläger auf den Status eines Schülers oder Studenten an einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte berufen, bei welchem ohnehin vermutet wird, dass sie nicht beschäftigungslos sind (nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben kann, vgl. § 118 Abs. 2 SGB III). Vollends fehlt es daher auch an der Möglichkeit einer Entkräftung diese Vermutung.

Die Rücknahmebefugnis für die Vergangenheit ergibt sich daraus, dass dem Kläger ohne weiteres erkennbar war, dass er neben seinem vollen Arbeitslosengeldbezug nicht auch ein Gehalt aus einem Beschäftigungsverhältnis beziehen konnte. Es war grob fahrlässig, dass er diesen Widerspruch hingenommen bzw. nicht aufgeklärt hat. Gemäß § 48 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Nr. 4. SGB X).

Der Wegfall der Tatbestandsvoraussetzungen für Arbeitslosengeld (§ 48 Abs. 1 Nr. 4. letzte Alternative SGB X) war für den Kläger leicht erkennbar. Er erzielte ein Entgelt von 326,70 Euro in den Monaten November und von 1106,76 Euro für den Monat Oktober 2001. Beim Umfang der Beschäftigung handelt es sich auch nicht um Nebeneinkommen im Sinne von § 141 SGB III, für welches lediglich eine Anrechnung im Rahmen bestimmter Freibeträge stattfindet. Ein derartiges Wissen ist auch in der Laiensphäre vorhanden. Insbesondere konnte der Kläger angesichts eines wöchentlichen Leistungssatzes von
230 Euro, was in etwa einer monatlichen Leistung von 995 Euro entspricht, die bislang seinen Lebenszuschnitt bestimmte, nicht davon ausgehen, dass er zusätzlich ein Gehalt von 1106,76 Euro für den Monat Oktober 2001 beziehen könnte. Insoweit muss er sich die durch das Merkblatt für Arbeitslose vermittelte Wissen zurechnen lassen. Denn er hat am 30.04.2001 unterschriftlich versichert, vom Inhalt des Merkblatts 1 Kenntnis genommen zu haben. In diesem Merkblatt ist unter dem Kapitel 6 (Anrechnung von Nebeneinkommen) genau beschrieben, dass bei einem Überschreiten der eigenen Arbeitszeit von 15 Stunden kein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht. Weiter ist dort unter Kapitel 9 beschrieben, dass eine Erstattungspflicht besteht, wenn Einkommen erzielt worden ist, dass zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hätte. Schließlich ist auch unter Kapitel 2 ausgeführt, dass die Leistungen bei Arbeitgeberleistungen ruhen.

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Kläger damit die erforderliche Sorgfalt im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X in besonders schwerem Maße verletzt hat. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35). Angesichts der oben aufgezeichneten wirtschaftlichen Umstände hätte der Kläger zumindest um Klärung des sich aufdrängenden Widerspruches bemüht sein müssen. Stattdessen hat er sich mit der nicht zutreffenden Erklärung zufrieden gegeben, dass er Ausbildungskosten quasi als Werbungskosten aufrechnen könne, die aber objektiv bei weitem nicht die bezahlte Vergütung erreicht haben. Der eigentliche Lehrgang dauerte lediglich vom 23.10. bis 25.10. und 26. bis 27.10.2001. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 135,49 Euro. Demgegenüber erzielte der Kläger ein Entgelt von 326,70 Euro in den Monaten November und von 1106,76 Euro für den Monat Oktober 2001.

Richtig ist zwar, dass das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen ist (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273, zuletzt Urteil vom 05.02.2006, Az.: B 70 AL 58/05 R). Ein Kennenmüssen ist aber dann zu bejahen, wenn der Versicherte die Rechtswidrigkeit ohne Mühe erkennen konnte (BVerwGE 40, 212). Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist im Wesentlichen eine Frage der Würdigung des Einzelfalles, die dem Tatsachengericht obliegt (BSGE SozR 2200 § 1301 Nr. 7). Entscheidend für die Beurteilung der groben Fahrlässigkeit sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und im Übrigen auch sein Verhalten.

In der Sache des Klägers ist hierzu festzustellen, dass dieser angesichts seiner Einlassungen im gerichtlichen Verfahren sehr genau differenziert und auf viele Einzelheiten eingeht. So argumentiert er beispielsweise mit einer Theorie, wonach das Wissen des Berufsförderungswerks der Beklagten zuzurechnen sei. Dies alles zeugt von einem intensiven Bemühen, rechtliche Zusammenhänge zu erkennen. Schließlich hat der Kläger aber auch konkret im Umgang mit Aufhebungsentscheidungen Erfahrung. So hat er bereits im erstinstanzlichen Verfahren zwei weitere Aufhebungsbescheide aus den Jahren 1998 und 2000 vorgelegt, aus denen er ersehen konnte, dass eine Tätigkeitsaufnahme rechtliche Konsequenzen mit sich bringt. Angesichts seines bisherigen Verhaltens im Prozess, auch dem Eindruck, den der Senat in der mündlichen Verhandlung von ihm erlangt hat und besonders unter Berücksichtigung früherer Aufhebungsbescheide musste dem Kläger in einer laienhaften Wertung die Unrechtmäßigkeit des Weiterbezugs von Arbeitslosengeld bekannt gewesen sein. Es ist ihm grob fahrlässig vorwerfbar, dass er die Dinge insoweit hat treiben lassen und nichts zur Klärung unternommen hat.
Mit der Bejahung der Voraussetzungen des § 48 SGB X ist unmittelbar der Anwendungsbereich des § 330 Abs 3 SGB III eröffnet. Damit ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit - also hier für den Zeitraum ab 10.10.2001 - zurückzunehmen, ohne dass die Beklagte Ermessen auszuüben hätte.

Auch für die Zeit nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 16. November ist ein Tatbestandsmerkmal des Anspruchs auf Arbeitslosengeld entfallen. Denn es fehlt an einer weiteren Arbeitslosigkeit ab dem 17.11.2001.

Der Kläger hat selbst vorgetragen, die Aufnahme der Beschäftigung am 10.10.2001 angezeigt zu haben, nicht aber eine Beendigung dieser Beschäftigung bereits wieder zum
16.11.2001. Angesichts dieses Umstandes kann nicht mehr von einer weiterbestehenden Arbeitslosigkeit ausgegangen werden.

Gemäß § 118 Abs. 1 SGB III in der Fassung des 1. SGB III-ÄndG ist ein Arbeitnehmer
nur dann arbeitslos, wenn er 1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und 2. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Die Beschäftigungssuche ist gemäß § 119 Abs. 1 SGB III folgendermaßen definiert: Eine Beschäftigung sucht, wer 1. alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und 2. den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Die erneute Arbeitslosigkeit ab dem 17.11.2001 hätte einer Mitteilung an die Beklagte bedurft, um eine weitere Beschäftigungslosigkeit als Tatbestandsmerkmal des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zu bewirken. Der Kläger hat die Beendigung seiner Beschäftigung bei der Firma K. nicht angezeigt. So steht fest, dass es sich bei dem im Vermerk am 27.11.2001 beschriebenen Vorgang nicht um eine persönliche Vorsprache gehandelt hat, ebenso wenig wie bei dem diejenigen vom 28.11.2001. Dies ergibt sich aus der Betrachtung der Eintragungen selbst sowie der Auskunft der Beklagten vom 02.08.2007. Es fehlte an einer entsprechenden Mitteilung. Insoweit ist es schon nicht bewiesen, dass der Kläger die Beendigung tatsächlich in irgendeiner Form angezeigt hat. All die Zwecke, die damit erfüllt werden sollten, waren damit nicht erfüllbar. Insbesondere hat aber eine derartige Meldung persönlich zu erfolgen, um die Situation des Arbeitslosen und seine Vermittlung nach Beendigung der Tätigkeit bei der Firma K. erneut zu überdenken und zu planen. Die Meldung hätte persönlich durch Anwesenheit beim Arbeitsamt (jetzt Agentur) erfolgen müssen. Es ist ganz unwahrscheinlich, dass ein derartiger gravierender Vorgang beim Amt nicht aufgezeichnet wird. Schließlich wird dabei ein Antrag ausgehändigt, in dem die Arbeitslosmeldung bereits auf der ersten Seite mit den Namenszeichen der Bearbeiter aufgezeichnet und quittiert wird. Schließlich weist auch die Kundenhistorie keinen entsprechenden Kontakt auf. So sind zwar Vorsprachen nicht unbekannt (zum Beispiel existiert ein Beratungsvermerk vom 11.09.2001, wonach eine persönliche Vorsprache bei Frau B. stattgefunden habe). Eine weitere persönliche Vorsprache ist aber erst unter dem 14.02.2002 verzeichnet. Derartige Umstände umfasste das Beweisangebot des Klägers nicht. Daher bedurfte es auch der Einvernahme der Mitarbeiterin B. der Beklagten nicht.

Diese fehlende Mitteilung hat aus Sicht des Klägers, welcher - wie oben festgestellt - die Aufnahme der Tätigkeit bei der Firma K. angezeigt hatte, ein Vorstellungsbild bei der Bundesagentur erzeugt und unterhalten, wonach der Kläger nicht mehr beschäftigungslos ist. Letztlich hat der Kläger mit einer Anzeige der Aufnahme eine Tätigkeit bei der Firma K. der Beklagten demonstriert, dass er keine Beschäftigung mehr sucht. Wer aber Tätigkeit anzeigt, stellt deutlich unter Beweis, dass er keine Beschäftigung mehr sucht. Es fehlt damit zumindest am subjektiven Element des "Nutzenwollens" aller Möglichkeiten, nämlich auch der Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur, selbst wenn der Arbeitslose für sich objektiv andere Möglichkeiten der Beschäftigung genutzt sieht. Der Kläger hat unter Beweis gestellt, dass er nicht ernstlich gewillt war, alle in Betracht kommenden Mittel zu ergreifen. Sonst hätte er die Beendigung seiner Tätigkeit bei der Firma K. mitgeteilt und weitere Eingliederungsbemühungen von der Beklagten zugelassen.

Eine Beschränkung der Rückforderung auf lediglich drei Monate entsprach nicht der Rechtslage nach dem SGB III. Eine Beschränkung der in § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III angeordneten Erlöschenswirkung war weder vom Gesetzgeber gewollt noch liegt eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes vor, auch nicht im Zusammenhang mit der Streichung der bis zum 31.07.1999 geltenden Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 3 SGB III (vgl. Urteil des BSG vom 01.06.2006, Az: B 7a AL 76/05 R). Im Übrigen beruhte die Aufhebung nicht auf eine Erlöschenswirkung (s.o.).

Auch ab 17.11.2001 liegen die Voraussetzungen einer Rücknahme für die Vergangenheit durch den Bescheid vom 08.02.2002 in subjektiver Hinsicht vor, da der Kläger den maßgeblichen Umstand des erneuten Tätigkeitsverlusts ab 17.11.2001 nicht angezeigt hat
(§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Auch der subjektive Tatbestand lag insoweit vor, als der Kläger durch früher ausgehändigte Merkblätter über seine Verpflichtung zu Eigenbemühungen kundig gemacht wurde z.b. schon in den einleitenden 10 Punkten auf Seite 5. Sein Werdegang, seine Verwaltungserfahrung und sein sonstiges Verhalten lassen keine Hinweise auf ein reduziertes kognitives und intellektuelles Leistungsvermögen zu. Schließlich hat auch durch Abgabe einer Veränderungsmitteilung im April 2002 unter Beweis gestellt, dass er durchaus mit neuen Situationen der Arbeitsaufnahme umgehen kann.

Des weiteren hätte es für den Kläger erkennbar sein müssen, dass er nicht weiterhin die Leistungen bei Arbeitslosigkeit beziehen kann, obwohl er die Beklagte zunächst von der Aufnahme einer Tätigkeit in Kenntnis gesetzt hatte. Nach seinen eigenen Einlassungen hat er dies lediglich für die Zeit bis 16.11.2001 mit dem Umstand vereinbaren können, dass ein aus seiner Sicht vorliegendes Ausbildungsverhältnis unschädlich für die Zahlung von Arbeitslosengeld ist. Nach Beendigung dieser Tätigkeit hätte er sich ernstlich um Aufklärung der weitergehenden Zahlung bemühen müssen.

Ebenso liegen die sonstigen Voraussetzungen des § 48 SGB X vor. Die Handlungsfrist - ein Jahr ab Kenntnis der Tatsachen, die eine Rücknahme für den vergangenen Zeitraum rechtfertigen (§ 48 Abs. 4 S. 1, § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X) wurde eingehalten. Die absolute Sperrfrist von 10 Jahren (§ 48 Abs. 4 S. 1, § 45 Abs. 3 S. 3 SGB X) ist nicht überschritten. Die Beklagte hat die Rücknahme auch innerhalb von zwei Jahren bewirkt (§ 48 Abs. 4
S. 1, § 45 Abs. 4 S. 1 SGB X) obwohl diese angesichts der Umstände die Rücknahme auch innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren hätte vornehmen dürfen (§ 48 Abs. 4,
S. 1, § 45 Abs. 4 S. 3 SGB X).

Die Verpflichtung zur Erstattung der bereits erbrachten Leistungen folgt aus § 50 Abs.1
S. 1 SGB X, wobei die Höhe der Leistung nicht in Zweifel steht. Der Senat hat aufgrund der Zahlungsnachweise in den von der Beklagten übersandten Akten sowie aufgrund der Verfügungen keine Zweifel an einer entsprechenden Zahlung. Die gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind nach § 335 Abs. 1 Abs. 5 SGB X zu erstatten.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG A-Stadt vom 12.01.2007 zurückzuweisen.

Aufgrund des Unterliegens des Klägers sind ihm keine Kosten zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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