L 8 AL 268/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 628/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 268/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit vom 17.2.2005 bis zum 31.3.2005, für die die Beklagte das Ruhen der Leistung angeordnet hat.

Die 1984 geborene Klägerin war ab 1.9.2003 als Auszubildende zur Bürokauffrau bei der Firma B. GmbH, B-Stadt, beschäftigt. Das Ausbildungsverhältnis wurde vom Arbeitgeber mit Schreiben vom 14.2.2005 aufgrund des wiederholten Verstoßes gegen die Pflicht, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sofort mitzuteilen, fristlos gekündigt. Mit Schreiben vom 15.2.2005 wurden der Klägerin weitere Pflichtverletzungen zur Last gelegt (Vortäuschung einer Krankheit, Berufsschulbesuch während Zeiten der Arbeitsunfähigkeit). Der anschließende Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht C-Stadt endete mit einem Vergleich, in dem sich die Beteiligten darüber einig waren, dass das zwischen ihnen bestehende Ausbildungsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung des Arbeitgebers am 15.2.2005 beendet worden ist. Der Arbeitgeber verpflichtete sich, an die Klägerin eine Abfindung für die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses in Höhe von 1.500 Euro zu bezahlen. Es wurde auch Einigkeit erzielt, dass aufgrund der vorliegenden ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von einer vorgetäuschten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht ausgegangen werden könne. Der Arbeitgeber verpflichtete sich, zwei Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Die Klägerin meldete sich am 17.2.2005 arbeitslos und beantragte zugleich die Gewährung von Alg.

Mit angefochtenem Bescheid vom 8.4.2005 stellte die Beklagte fest, dass der Anspruch der Klägerin auf Alg bis 31.3.2005 ruht. Die Klägerin habe wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung in Höhe von 1.500 Euro erhalten bzw. zu beanspruchen. Da das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei, ruhe der Leistungsanspruch gemäß § 143a SGB III.

Ab 1.4.2005 bezog die Klägerin Alg aufgrund eines weiteren Bescheids vom 8.4.2005.

Gegen den Bescheid vom 8.4.2005 , mit dem das Ruhen festgestellt worden ist, legte die Klägerin mit Schreiben vom 26.4.2005 Widerspruch mit der Begründung ein, § 143a
SGB III setze voraus, dass der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten habe. Hier handele es sich jedoch um ein Berufsausbildungsverhältnis. Auch sei die Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses für die Klägerin nicht zumutbar gewesen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2005 zurückgewiesen.

Aufgrund der hiergegen erhobenen Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) ist die Beklagte mit Urteil vom 18.7.2007 unter Aufhebung des Bescheids vom 8.4.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2005 verurteilt worden, der Klägerin Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 17.2.2005 bis zum 31.3.2005 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Anspruch der Klägerin auf Alg habe nicht in der Zeit vom 17.2.2005 bis 31.3.2005 gemäß § 143a SGB III geruht. § 143a SGB III beziehe sich nach seinem eindeutigen Wortlaut nur auf Arbeitsverhältnisse, nicht jedoch auf Berufsausbildungsverhältnisse. Diese unterschieden sich aufgrund ihrer Zielbestimmung wesentlich von einem Arbeitsverhältnis. Auch sei eine ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit durch den Ausbilder nicht möglich. Der Zweck des § 143a SGB III rechtfertige nicht die Anwendung der Vorschrift auch auf Berufsausbildungsverhältnisse. Aus der Rechtsprechung zu Sperrzeiten wegen Arbeitsaufgabe lasse sich keine analoge Anwendung des § 143a SGB III auf Berufsausbildungsverhältnisse ableiten.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, die Abfindung sei wegen der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gewährt worden. § 143a SGB III bezwecke die Vermeidung des Doppelbezuges von Alg und Entlassungsentschädigung, wenn - wie hier - das Ausbildungsverhältnis vorzeitig beendet worden sei. Dieser Zweck sei auch bei Ausbildungsverhältnissen zu beachten. Eine Unterscheidung zwischen Arbeits- und Berufsausbildungsverhältnis sei bei der Anwendung des § 143 a
SGB III auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Bundestagsdrucksache 14/394 zum Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetz, nach denen ein Ruhen im Falle der Gewährung einer Entlassungsentschädigung für alle Arbeitnehmer vorgesehen ist, nicht angezeigt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG vom 18.07.2007 aufzuheben sowie die Klage gegen den Bescheid vom 08.04.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2005 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung wurde vom SG gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. An die Zulassung ist das Berufungsgericht gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG den Bescheid vom 8.4.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Alg auch für den Zeitraum 17.2.2005 bis 31.3.2005 zu gewähren.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 8.4.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2005, mit dem das Ruhen des Anspruchs auf Alg bis 31.3.2005 festgestellt worden ist. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 8.4.2005 geworden, mit dem der Klägerin Alg ab 1.4.2005 gewährt worden ist. Durch diesen Bescheid wurde der angefochtene Bescheid vom 8.4.2005 nicht während des Vorverfahrens geändert (vgl. § 86 SGG). Der das Vorverfahren eröffnende Widerspruch wurde erst mit Schreiben vom 26.4.2005 eingelegt. Im Übrigen ist die Klägerin durch den Bescheid vom 8.4.2005, mit der ihr Alg ab 1.4.2005 gewährt wurde, nicht beschwert. Denn im Falle des Ruhens gemäß § 143a SGB III tritt keine Minderung der Anspruchsdauer ein (Umkehrschluss aus § 128 Abs. 1 SGB III). Schließlich ist Regelungsgegenstand des Bescheids vom 8.4.2005, mit dem die Zahlung von Alg aufgenommen worden ist, erst der Zeitraum ab 1.4.2005. Diesen Bescheid hat die Klägerin auch nicht angefochten, die die Leistung ab 17.2.2005 bis zu diesem Zeitpunkt (31.3.2005) verlangt.

Zulässige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54
Abs. 4 SGG.

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Alg gemäß § 117 Abs. 1 SGB III sind ab 17.2.2005 erfüllt. Ab diesem Zeitpunkt war nach den Feststellungen des Senats die Anwartschaftszeit erfüllt, die Klägerin war arbeitslos und bei der Beklagten arbeitslos gemeldet. Damit ist nach den Feststellungen des Senats ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 17. Februar 2005 über 270 Tage entstanden (vgl. §§ 31, 40 SGB I). Insbesondere hat die Klägerin schon zum 17.2.2005 die Leistung gleichzeitig mit der Meldung beantragt.

Eine Erfüllung dieses Anspruchs - zum Beispiel mit der Folge eines Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses - ist nicht durch eine Leistung über zwar auch 240 Tage aber im Zeitraum vom 1.4.2005 bis zum 26.11.2005 eingetreten. Denn die Klägerin hat, wie oben ausgeführt, ihren Antrag bereits ab 17.2.2005 gestellt und somit die Fälligkeit des Anspruchs bewirkt. Ob gegebenenfalls eine weitere Leistung der Beklagten ab 14.10.2005 rechtswidrig geleistet worden ist, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Anspruch nicht gemäß § 143a SGB III bis zum 31.3.2005 geruht.

Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg gemäß § 143a Abs. 1 S. 1 SGB III von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte.

Nach dem Wortlaut der Bestimmung unterfallen Berufsausbildungsverhältnisse nicht
§ 143a Abs. 1 SGB III, da Berufsausbildungsverhältnisse keine Arbeitsverhältnisse sind. Bei Arbeitsverhältnissen ist die Erbringung der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung gegen Lohn Vertragsgegenstand. Im Rahmen von Berufsausbildungsverhältnissen ist hingegen der Auszubildende verpflichtet, sich ausbilden zu lassen, während die Hauptpflicht des Ausbilders nach § 6 Berufsbildungsgesetz darin besteht, dem Auszubildenden die für das Erreichen des Ausbildungsziels erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 12. Auflage, § 147 Rn. 4; BAG, NZA 2004, 269). Auch aus dem Regelungszusammenhang von §§ 7 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2, 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber Berufsausbildungsverhältnisse nicht als Arbeitsverhältnisse ansieht. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV definiert Beschäftigung als nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gem. § 7 Abs. 2 SGB IV gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung als Beschäftigung. Letztere Regelung wäre entbehrlich, würde der Gesetzgeber Berufsausbildungsverhältnisse unter den Begriff des Arbeitsverhältnisse subsumieren. Bei Berufsausbildungsverhältnissen handelt es sich nach allem also nicht um Arbeitsverhältnisse, sondern um dem Arbeitsverhältnis angenäherte oder nahestehende Rechtsverhältnisse eigener Art.

Einer analogen Anwendung des § 143a Abs. 1 SGB III über den Wortlaut hinaus auch auf Berufsausbildungsverhältnisse steht entgegen, dass Sanktionsregelungen einer deutlichen Konkretisierung im Gesetz bedürfen (vgl. BSG, SozR 3-4100, § 119 Nr. 2 zum Fall der Verhängung einer Sperrzeit gemäß § 119 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz
- AFG -).

Der Anspruch der Klägerin auf Alg ist durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Grundgesetz (GG) geschützt (vgl. BVerfG, SozR 4100 § 104 Nr. 13 S. 12; BVerfG, SozR 3-4100
§ 116 Nr. 3 S. 124). Durch die Anordnung des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wird in dieses eigentumsgleiche Recht der Klägerin eingegriffen. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gewährt dem Gesetzgeber das Recht, Eigentum und damit auch den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu beschränken, sofern die Beschränkung einem Zweck des Gemeinwohls dient, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht und sich im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen befindet (vgl. BVerfGE 74, 203). Für einen gesetzlichen Eingriff muss damit auch dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Bestimmtheitsgebot Genüge getan werden. Der Vorbehalt des Gesetzes für Eingriffe in Eigentumsrechte verlangt, dass alle wesentlichen Fragen vom Parlament selbst entschieden werden (vgl. z.B. BVerfGE 95, 267/307). Das förmliche Gesetz muss damit ausreichend bestimmt bzw. genau sein (BVerfG, a.a.O.). Hierbei gilt nach der sog. Wesentlichkeitstheorie, dass die Vorgaben des Gesetzgebers umso genauer sein müssen, je schwerwiegender die Auswirkungen einer Regelung sind (BVerfGE 49, 168/181; 59, 104/114; 86, 288/311). Insbesondere muss die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar sein, damit er sein Verhalten darauf einrichten kann ( BVerfGE 52 1/41; 62, 169/182; 64, 261/286).

Die Anordnung des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bewirkt, dass dem Inhaber des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für einen nicht unerheblich kurzen Zeitraum Leistungen vorenthalten werden, die seiner Existenzsicherung dienen. Aufgrund dieser schwerwiegenden Auswirkungen sind hohe Ansprüche an die nötige Bestimmtheit einer Norm zu stellen, die eine derartige Rechtsfolge vorsieht. Im Falle des Ruhens von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld muss sichergestellt sein, dass sich ein Betroffener nach Gesetzeslektüre auf die mögliche Sanktion einstellen kann. Subsumiert man den Begriff des Berufsausbildungsverhältnis im Wege einer analogen Anwendung unter den des Arbeitsverhältnisses, würde der Wortlaut des § 143 a SGB III derart überdehnt, dass dies nicht mehr gewährleistet ist. Bei einer derartigen Interpretation würde § 143 a SGB III dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr Genüge tun. Damit reicht es zur Rechtfertigung der Anwendung des § 143a Abs. 1 SGB III auf Berufsausbildungsverhältnisse nicht aus, "dass vom Zweck der Bestimmung her möglicherweise eine solche Auslegung wünschenswert wäre, das SGB III bei der Verwendung des Begriffs Arbeitsverhältnis ev. unscharf ist und keine Gründe vorliegen, die gegen die Einbeziehung der Ausbildungsverhältnisse sprechen" (vgl. BSG in SozR 3-4100, § 119 Nr. 2). Das BSG ist damit erkennbar von seiner früheren Rechtsprechung abgerückt, wonach aus diesen Gründen eine Einbeziehung der Berufsausbildungsverhältnisse in die Sperrzeitregelung des § 119 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AFG, in der ursprünglich auch der Terminus Arbeitsverhältnis verwendet wurde, bejaht wurde (BSG, SozR 4100, § 119 Nr. 35).

Zwar ist das BSG in der erstgenannten Entscheidung letztlich zu dem Ergebnis gekommen, dass Berufsausbildungsverhältnisse der Sperrzeitregelung des § 119 Abs.1 S.1
Nr. 1 AFG in der durch das Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20.12.1988 ab 1.1.1989 in Kraft getretenen Fassung unterfallen. Wie das BSG betont hat, beruht dies jedoch auf dem Umstand, dass der Gesetzgeber zum Zwecke der Herbeiführung einer Klarstellung den Begriff "Arbeitsverhältnis" durch den Begriff "Beschäftigungsverhältnis" ersetzt hat. Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses ist weiter als der des Arbeitsverhältnisses. Unter ihn kann zwanglos auch das Berufsausbildungsverhältnis subsumiert werden. Darüber hinaus stellt § 7 Abs. 2 SGB IV klar, dass als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung gilt.

Wie das SG bereits zutreffend herausgearbeitet hat, spricht der Umstand, dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 119 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AFG (jetzt: § 144 Abs. 1 SGB III) den Begriff des Arbeitsverhältnisses durch den des Beschäftigungsverhältnisses ersetzt hat, nicht jedoch in dem durch Art. 1 Nr.3 Entlassungs-Änderungsgesetz vom 24.3.1999 mit Wirkung ab 1.4.1997 in Kraft getretenen § 143a SGB III, ebenfalls deutlich dafür, dass der Gesetzgeber Auszubildende nur in den Fällen des in § 144 niedergelegten versicherungswidrigen Verhaltens mit Arbeitnehmern in Arbeitsverhältnissen gleichstellen wollte. Denn ansonsten hätte es nahe gelegen, dass der Gesetzgeber auch in § 143a SGB III den Begriff des Arbeitsverhältnisses durch den des Beschäftigungsverhältnisses ersetzt.

Nachvollziehbar erklären lässt sich diese unterschiedliche Ausgestaltung durch den Gesetzgeber damit, dass es nur im Bereich des § 144 SGB III möglich ist, über eine entsprechende Auslegung des Tatbestandsmerkmals des wichtigen Grundes der besonderen Situation des Ausbildungsverhältnisses und jugendtypischem Verhalten Rechnung zu tragen. § 143a SGB III enthält hingegen eine starre Ruhensregelung, in dessen Rahmen eine flexible Reaktion ausgeschlossen ist.

Hinzu kommt, dass Arbeitgeberleistungen iSd § 143 a Abs. 1 SGB III wie Abfindungen etc., die auch auf den Zeitraum vor Kündbarkeit zu beziehen sind, nicht allein als Entschädigung für den sozialen Besitzstand anzusehen sind, sondern auch Arbeitsentgeltansprüche abdecken (vgl. Düe in Niesel, Kommentar zum SGB III, 4. Auflage, § 143 a
Rdn. 4 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 8/857 S. 9). Dies rechtfertigt es nach dem Willen des Gesetzgebers, derartigen Leistungen wie dem Arbeitsentgelt ruhensbegründende Wirkung beizumessen. Dieser rechtfertigende Grund trifft bei Entlassungsentschädigungen, die im Rahmen der Auflösung von Ausbildungsverhältnissen bezahlt werden, nur in wesentlich geringerem Maße zu wie bei Arbeitslohn, da die Ausbildungsvergütung anders als der Arbeitslohn nur zu einem Teil Entgelt für geleistete Dienste darstellt. Die Ausbildungsvergütung hat vielmehr regelmäßig drei Funktionen. Sie soll den Auszubildenden und seine unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Nachwuchskräften gewährleisten und die Leistungen des Auszubildenden in gewissem Umfang "entlohnen" (vgl. BAG, NZA 2008, 828 ff.). Auch unter Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Zwecke von Arbeitsentgelt und Ausbildungsvergütung und dem Umstand, dass eine Ausbildungsvergütung nur in untergeordnetem Maße Arbeitsentgeltcharakter hat, ist nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber Berufsausbildungsverhältnisse nicht der Ruhensregelung des § 143a SGB III unterworfen hat.

Die Ausführungen in der Begründung zum Entlassungs-Änderungsgesetz stehen dem nicht entgegen. In dieser wird nicht klargestellt, Berufsausbildungsverhältnisse seien nach dem Willen des Gesetzgebers auch von der Regelung des § 143 a SGB III erfasst. Die Gesetzesbegründung schweigt vielmehr zu diesem Problem. Aus der bloßen Verwendung der in diesem Regelungszusammenhang naheliegenden Begriffe Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Gesetzesbegründung lässt sich nicht ein entsprechender Wille des Gesetzgebers ableiten. Jedenfalls hätte aber ein entsprechender Wille des Gesetzgebers keinen ausreichenden Niederschlag in der von ihm getroffenen Regelung gefunden.

Schließlich folgt auch aus der Einbeziehung der Berufsausbildungsverhältnisse in die Versicherungspflicht (vgl. § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III) nicht, Berufsausbildungsverhältnisse unterfielen der Regelung des § 143 a SGB III. Aus einer versicherungssrechtlichen Gleichbehandlung von Arbeits- und Berufsausbildungsverhältnis ist nicht zwingend eine leistungsrechtliche Gleichbehandlung abzuleiten. Denn auch sonst differenziert das Recht des SGB III zwischen beitrags- und leistungsrechtlichen Begriffen (vgl. leistungsrechtlicher Begriff der Beschäftigung im Sinne von § 119 Absatz 3 SGB III).

Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG Bezug genommen und die Berufung aus den dort niedergelegten Gründen zurückgewiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Anwendung des § 143 a SGB III auf Berufsausbildungsverhältnisse ist eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art, die bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden ist.
Rechtskraft
Aus
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