Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 2993/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3084/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht der Beginn der Zahlung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. August 1997.
Der im Dezember 1966 geborene Kläger erlitt am 28. August 1997 bei seiner Tätigkeit als Maurer einen Arbeitsunfall, als ihn ein Stein, der von einer Geröllhalde herunterfiel, am Kopf und an der rechten Schulter traf. Er erlitt neben Schürfwunden und einer Prellung am Schädel rechts eine Scapulafraktur rechts, leicht dislociert (Durchgangsarztbericht Dr. H. vom 29. August 1997).
Wegen geklagter Schmerzhaftigkeit mit Bewegungseinschränkung und verminderter Kraft im rechten Arm befand sich der Kläger regelmäßig in ärztlicher Behandlung (Berichte des Kreiskrankenhauses in B. vom 2. Dezember 1997, 9. Januar 1998, 11. März 1998).
Vom 21. April bis 12. Mai 1998 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., Prof. Dr. W./ Dr. P ... Diese stellten Arbeitsfähigkeit ab 18. Mai 1998 fest und gaben an, dass eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach ihrer Einschätzung nicht verbleibe. Der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit wurde später allerdings wegen fortbestehender Schmerzklagen revidiert und der Kläger am 10. Juni 1998 erneut untersucht. Im unfallchirurgischen Gutachten vom 15. Juni 1998 teilten Prof. Dr. W./Dr. P. mit, aufgrund der Diskrepanz zwischen starken Beschwerden und knöchern konsolidierter Fraktur bei nachweisbarer guter Funktion des rechten Schultergelenks werde ein erneutes stationäres Heilverfahren für erforderlich erachtet. Beigefügt war der neurologische Befundbericht vom 19. Juni 1998, Dr. K. (keine Einschränkungen; kein objektivierbarer Befund). Das weitere Heilverfahren fand vom 12. Juni bis 1. Juli 1998 statt, bei dem subjektiv persistierende Schmerzen bei objektiv nicht nennenswerten Funktionseinschränkungen festgestellt worden sind und von einem Verharrungszustand ausgegangen worden ist. Nach Einschaltung des Beratungsarztes Dr. S. teilte die Beklagte jedoch gegenüber den behandelnden Ärzten mit, dass eine Weiterbehandlung nicht auf ihre Kosten erfolgen solle. Die Übernahme der Kosten für eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme (Umschulung) wurde von der Beklagten ebenfalls abgelehnt (Bescheid vom 25. August 1998), wogegen der Kläger Widerspruch erhob. Weitere Untersuchungen folgten (neurologisches Gutachten Dr. K. vom 2. November 1998 ohne Befund, MdE 0 v.H.; Bericht Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. vom 6. November 1998 - Zustand unverändert). Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 1999 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. In dem dagegen vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) geführten Klageverfahren (Az.: S 6 U 1225/99) zog das SG ärztliche Unterlagen bei und beauftragte Dr. W. (Neurochirurgie und Neurologie) mit der Erstellung eines Gutachtens (Gutachten vom 4. September 1999, ohne krankhaften unfallbedingten Befund) sowie OA Dr. L. (Chirurgie) (Gutachten vom 14. Juni 2000, posttraumatische Omarthrose Grad II rechte Schulter, chronischer Schmerzustand der rechten Schulter mit schmerzbedingter Funktionseinschränkung rechte Schulter; der Kläger sei nicht mehr in der Lage, selbständig sich hygienisch komplett zu versorgen, Gegenstände zu heben oder zu tragen bzw. sich handschriftlich zu äußern; auch die Ernährung sei durch die Beschwerden im Bereich der rechten Schulter deutlich eingeschränkt; unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe über den 27. August 1998 hinaus bestanden; die MdE wurde mit 30 v.H. vorgeschlagen). Die Beklagte anerkannte daraufhin einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 28. August 1997 auch über den 29. Juli 1998 hinaus, insbesondere auf berufliche Rehabilitationsmaßnahmen. Der Rechtsstreit wurde daraufhin von den Beteiligten für erledigt erklärt.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2001 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls ab, da die Erwerbsfähigkeit über das Ende der Verletztengeldzahlung am 7. Januar 2001 hinaus nicht in rentenberechtigendem Maß gemindert sei. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2001 zurückgewiesen. In dem dagegen geführten Klageverfahren (Az: S 1 U 4040/01) vor dem SG holte dieses ein orthopädisches Gutachten bei Dr. H., L., ein, der in seinem Gutachten vom 15. Juli 2004 zum Schluss kam, wegen der posttraumatischen Arthrose an der rechten Schulter nach Kontusionsverletzung und Schulterblattmehrfragmentbruch aus dem Jahr 1997 betrage die MdE 10 v.H. Mit Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2005 wies das SG die Klage ab. In dem dagegen geführten Berufungsverfahren (Az.: L 10 U 1090/05) einigten sich die Beteiligten am 9. März 2006 vergleichsweise, dass die Beklagte sich bereit erklärte, nach der nun vorgesehenen Heilbehandlung (eventuell Implantat einer Schulterprothese) erneut darüber zu entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe dem Kläger ein Anspruch auf Verletztenrente zustehe. Weiter wurde unter Ziff. 3 ausgeführt, dass Einigkeit darüber bestehe, dass über die Gewährung einer Verletztenrente ab 8. Januar 2001 zu entscheiden sein werde.
Da sich der Kläger aber nicht zum Einsatz eines Kappenimplantats entschließen konnte, wurde das Gutachten auf seine Bitte hin schon vorher veranlasst. Im ersten Rentengutachten vom 9. Oktober 2006 von Prof. Dr. C. und Oberarzt O. wurde ausgeführt, aufgrund der Bewegungseinschränkung bei ausgeprägter Omarthrose bestehe eine MdE um 20 v.H. Die Objektivierung der Beschwerden sei allerdings durch massive Schmerzangaben des Klägers erschwert. Nach Einholung beratungsärztlicher Stellungnahmen des Dr. T. vom 21. November 2006 und 15. Januar 2007 bewilligte die Beklagte mit vorläufigem Bescheid über Rente auf unbestimmte Zeit vom 20. Februar 2007 Rente nach einer MdE um 20 v.H. ab 29. August 2006. Weiter wurde ausgeführt, dass die MdE vom 8. Januar 2001 bis zum Rentenbeginn 10 v.H. betrage. Als gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden aufgeführt fortgeschrittene umformende arthrotische Veränderungen des rechten Schultergelenks, leichte Reizerscheinungen im Gelenk mit diskreter Ergussbildung, konzentrische Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, die MdE sei schon vor dem 29. August 2006 höher zu bewerten. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung u.a. auf die von Dr. H. noch am 30. Juni 2004 dokumentierten Bewegungsausmaße, die eine MdE um 20 v.H. nicht rechtfertigen würden.
Dagegen hat der Kläger am 17. April 2007 Klage zum SG erhoben. Das SG hat Prof. Dr. C. die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. T. vom 21. November 2006 und 15. Januar 2007 übersandt und um Stellungnahme gebeten, ob auch unter Berücksichtigung dieser die MdE erst ab 28. August 2006 mit 20 v.H. eingeschätzt werde. Prof. Dr. C. hat dazu unter dem 28. Juni 2007 Stellung genommen und ausgeführt, er sehe unter Berücksichtigung der Bewegungsausmaße von Dr. H. ebenfalls bis zum Zeitpunkt seiner Untersuchung eine MdE um 10 v.H. für gegeben.
Durch Urteil vom 14. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, eine MdE um 20 v.H. vor dem 28. August 2006 komme aufgrund der von Dr. H. im Gutachten vom 15. Juli 2004 mitgeteilten Bewegungsmaße, aber auch aufgrund der Befunde des Prof. Dr. H./Oberarzt Dr. L. vom 2. Mai 2000 nicht in Betracht. Die MdE bemesse sich nach den festgestellten Funktionseinschränkungen, die sich bei der Schulter in der Armbeweglichkeit zeige. Die mitgeteilten Bewegungsausmaße würden eine MdE um höchstens 10 v.H. rechtfertigen; soweit Dr. Lichtenberg von einer höheren MdE ausgegangen sei, entspreche dies nicht den allgemeinen, in der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannten Kriterien. Darauf habe auch Dr. H. in seinem Gutachten hingewiesen. Erst Prof. Dr. C. habe in seiner Untersuchung am 28. August 2006 deutlich schlechtere Bewegungswerte festgestellt. Die von ihm retrospektiv angenommene MdE um 20 v.H. habe er in seiner ergänzenden Stellungnahme korrigiert.
Gegen das am 3. Juni 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. Juni 2008 Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, für die Bewertung der MdE hätten nicht nur die Bewegungsausmaße berücksichtigt werden müssen, sondern der Umstand, dass die demonstrierten Bewegungen nur unter Schmerzen möglich gewesen seien.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Mai 2008 aufzuheben und den Bescheid vom 20. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. August 1997 Verletztenrente ab 8. Januar 2001 nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Vor dem 28. August 2006 steht dem Kläger keine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich im Wesentlichen darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung auf den Seiten 7 und 8 zutreffend und umfassend dargelegt, weshalb die beim Kläger vor dem 28. August 2006 dokumentierten Bewegungsausmaße eine rentenberechtigende MdE nicht rechtfertigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach eigener Prüfung insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen und von einer eigenen Begründung abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren vermag eine andere Bewertung nicht zu rechtfertigen. Denn - anders als vorgetragen - konnte das SG (wie auch Dr. H. und Prof. Dr. H./OA Dr. L.) nur vom Ausmaß der schmerzhaften Funktionseinschränkung ausgehen (vgl. z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 514). Denn der Kläger hat bei allen Untersuchungen starke Schmerzen bei Bewegungen im Bereich der rechten Schulter demonstriert. Dem entsprechend haben Dr. H. in seinem Gutachten auf S. 20 bis 22 und auch Prof. Dr. H./OA Dr. L. zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit differenziert und dies entsprechend in ihre Beurteilung einfließen lassen. Dem trägt auch das Messblatt nach der Neutral-Null-Methode Rechnung, da die in dem Messblatt angegebenen passiven Bewegungsausmaße das Bewegungsende dadurch definieren, dass eine weitere Bewegung schmerzbedingt ab diesem Winkelgrad nicht mehr möglich ist (vgl. insoweit S. 10 des Gutachtens von Prof. Dr. C.). Die mit der Unfallverletzung typischerweise einhergehenden Schmerzen sind darüber hinaus bereits in die in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur dokumentierten Tabellenwerte eingeflossen. Da auch keine Anhaltspunkte für eine darüber hinausgehende eigenständige Schmerzerkrankung vorliegen, ist für die Zeit vor dem 28. August 2006 der Nachweis funktioneller Einschränkungen, die eine MdE um mehr als 10 v.H. bedingen, nicht erbracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht der Beginn der Zahlung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. August 1997.
Der im Dezember 1966 geborene Kläger erlitt am 28. August 1997 bei seiner Tätigkeit als Maurer einen Arbeitsunfall, als ihn ein Stein, der von einer Geröllhalde herunterfiel, am Kopf und an der rechten Schulter traf. Er erlitt neben Schürfwunden und einer Prellung am Schädel rechts eine Scapulafraktur rechts, leicht dislociert (Durchgangsarztbericht Dr. H. vom 29. August 1997).
Wegen geklagter Schmerzhaftigkeit mit Bewegungseinschränkung und verminderter Kraft im rechten Arm befand sich der Kläger regelmäßig in ärztlicher Behandlung (Berichte des Kreiskrankenhauses in B. vom 2. Dezember 1997, 9. Januar 1998, 11. März 1998).
Vom 21. April bis 12. Mai 1998 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., Prof. Dr. W./ Dr. P ... Diese stellten Arbeitsfähigkeit ab 18. Mai 1998 fest und gaben an, dass eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach ihrer Einschätzung nicht verbleibe. Der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit wurde später allerdings wegen fortbestehender Schmerzklagen revidiert und der Kläger am 10. Juni 1998 erneut untersucht. Im unfallchirurgischen Gutachten vom 15. Juni 1998 teilten Prof. Dr. W./Dr. P. mit, aufgrund der Diskrepanz zwischen starken Beschwerden und knöchern konsolidierter Fraktur bei nachweisbarer guter Funktion des rechten Schultergelenks werde ein erneutes stationäres Heilverfahren für erforderlich erachtet. Beigefügt war der neurologische Befundbericht vom 19. Juni 1998, Dr. K. (keine Einschränkungen; kein objektivierbarer Befund). Das weitere Heilverfahren fand vom 12. Juni bis 1. Juli 1998 statt, bei dem subjektiv persistierende Schmerzen bei objektiv nicht nennenswerten Funktionseinschränkungen festgestellt worden sind und von einem Verharrungszustand ausgegangen worden ist. Nach Einschaltung des Beratungsarztes Dr. S. teilte die Beklagte jedoch gegenüber den behandelnden Ärzten mit, dass eine Weiterbehandlung nicht auf ihre Kosten erfolgen solle. Die Übernahme der Kosten für eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme (Umschulung) wurde von der Beklagten ebenfalls abgelehnt (Bescheid vom 25. August 1998), wogegen der Kläger Widerspruch erhob. Weitere Untersuchungen folgten (neurologisches Gutachten Dr. K. vom 2. November 1998 ohne Befund, MdE 0 v.H.; Bericht Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. vom 6. November 1998 - Zustand unverändert). Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 1999 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. In dem dagegen vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) geführten Klageverfahren (Az.: S 6 U 1225/99) zog das SG ärztliche Unterlagen bei und beauftragte Dr. W. (Neurochirurgie und Neurologie) mit der Erstellung eines Gutachtens (Gutachten vom 4. September 1999, ohne krankhaften unfallbedingten Befund) sowie OA Dr. L. (Chirurgie) (Gutachten vom 14. Juni 2000, posttraumatische Omarthrose Grad II rechte Schulter, chronischer Schmerzustand der rechten Schulter mit schmerzbedingter Funktionseinschränkung rechte Schulter; der Kläger sei nicht mehr in der Lage, selbständig sich hygienisch komplett zu versorgen, Gegenstände zu heben oder zu tragen bzw. sich handschriftlich zu äußern; auch die Ernährung sei durch die Beschwerden im Bereich der rechten Schulter deutlich eingeschränkt; unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe über den 27. August 1998 hinaus bestanden; die MdE wurde mit 30 v.H. vorgeschlagen). Die Beklagte anerkannte daraufhin einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 28. August 1997 auch über den 29. Juli 1998 hinaus, insbesondere auf berufliche Rehabilitationsmaßnahmen. Der Rechtsstreit wurde daraufhin von den Beteiligten für erledigt erklärt.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2001 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls ab, da die Erwerbsfähigkeit über das Ende der Verletztengeldzahlung am 7. Januar 2001 hinaus nicht in rentenberechtigendem Maß gemindert sei. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2001 zurückgewiesen. In dem dagegen geführten Klageverfahren (Az: S 1 U 4040/01) vor dem SG holte dieses ein orthopädisches Gutachten bei Dr. H., L., ein, der in seinem Gutachten vom 15. Juli 2004 zum Schluss kam, wegen der posttraumatischen Arthrose an der rechten Schulter nach Kontusionsverletzung und Schulterblattmehrfragmentbruch aus dem Jahr 1997 betrage die MdE 10 v.H. Mit Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2005 wies das SG die Klage ab. In dem dagegen geführten Berufungsverfahren (Az.: L 10 U 1090/05) einigten sich die Beteiligten am 9. März 2006 vergleichsweise, dass die Beklagte sich bereit erklärte, nach der nun vorgesehenen Heilbehandlung (eventuell Implantat einer Schulterprothese) erneut darüber zu entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe dem Kläger ein Anspruch auf Verletztenrente zustehe. Weiter wurde unter Ziff. 3 ausgeführt, dass Einigkeit darüber bestehe, dass über die Gewährung einer Verletztenrente ab 8. Januar 2001 zu entscheiden sein werde.
Da sich der Kläger aber nicht zum Einsatz eines Kappenimplantats entschließen konnte, wurde das Gutachten auf seine Bitte hin schon vorher veranlasst. Im ersten Rentengutachten vom 9. Oktober 2006 von Prof. Dr. C. und Oberarzt O. wurde ausgeführt, aufgrund der Bewegungseinschränkung bei ausgeprägter Omarthrose bestehe eine MdE um 20 v.H. Die Objektivierung der Beschwerden sei allerdings durch massive Schmerzangaben des Klägers erschwert. Nach Einholung beratungsärztlicher Stellungnahmen des Dr. T. vom 21. November 2006 und 15. Januar 2007 bewilligte die Beklagte mit vorläufigem Bescheid über Rente auf unbestimmte Zeit vom 20. Februar 2007 Rente nach einer MdE um 20 v.H. ab 29. August 2006. Weiter wurde ausgeführt, dass die MdE vom 8. Januar 2001 bis zum Rentenbeginn 10 v.H. betrage. Als gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden aufgeführt fortgeschrittene umformende arthrotische Veränderungen des rechten Schultergelenks, leichte Reizerscheinungen im Gelenk mit diskreter Ergussbildung, konzentrische Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, die MdE sei schon vor dem 29. August 2006 höher zu bewerten. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung u.a. auf die von Dr. H. noch am 30. Juni 2004 dokumentierten Bewegungsausmaße, die eine MdE um 20 v.H. nicht rechtfertigen würden.
Dagegen hat der Kläger am 17. April 2007 Klage zum SG erhoben. Das SG hat Prof. Dr. C. die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. T. vom 21. November 2006 und 15. Januar 2007 übersandt und um Stellungnahme gebeten, ob auch unter Berücksichtigung dieser die MdE erst ab 28. August 2006 mit 20 v.H. eingeschätzt werde. Prof. Dr. C. hat dazu unter dem 28. Juni 2007 Stellung genommen und ausgeführt, er sehe unter Berücksichtigung der Bewegungsausmaße von Dr. H. ebenfalls bis zum Zeitpunkt seiner Untersuchung eine MdE um 10 v.H. für gegeben.
Durch Urteil vom 14. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, eine MdE um 20 v.H. vor dem 28. August 2006 komme aufgrund der von Dr. H. im Gutachten vom 15. Juli 2004 mitgeteilten Bewegungsmaße, aber auch aufgrund der Befunde des Prof. Dr. H./Oberarzt Dr. L. vom 2. Mai 2000 nicht in Betracht. Die MdE bemesse sich nach den festgestellten Funktionseinschränkungen, die sich bei der Schulter in der Armbeweglichkeit zeige. Die mitgeteilten Bewegungsausmaße würden eine MdE um höchstens 10 v.H. rechtfertigen; soweit Dr. Lichtenberg von einer höheren MdE ausgegangen sei, entspreche dies nicht den allgemeinen, in der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannten Kriterien. Darauf habe auch Dr. H. in seinem Gutachten hingewiesen. Erst Prof. Dr. C. habe in seiner Untersuchung am 28. August 2006 deutlich schlechtere Bewegungswerte festgestellt. Die von ihm retrospektiv angenommene MdE um 20 v.H. habe er in seiner ergänzenden Stellungnahme korrigiert.
Gegen das am 3. Juni 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. Juni 2008 Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, für die Bewertung der MdE hätten nicht nur die Bewegungsausmaße berücksichtigt werden müssen, sondern der Umstand, dass die demonstrierten Bewegungen nur unter Schmerzen möglich gewesen seien.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Mai 2008 aufzuheben und den Bescheid vom 20. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. August 1997 Verletztenrente ab 8. Januar 2001 nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Vor dem 28. August 2006 steht dem Kläger keine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich im Wesentlichen darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung auf den Seiten 7 und 8 zutreffend und umfassend dargelegt, weshalb die beim Kläger vor dem 28. August 2006 dokumentierten Bewegungsausmaße eine rentenberechtigende MdE nicht rechtfertigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach eigener Prüfung insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen und von einer eigenen Begründung abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren vermag eine andere Bewertung nicht zu rechtfertigen. Denn - anders als vorgetragen - konnte das SG (wie auch Dr. H. und Prof. Dr. H./OA Dr. L.) nur vom Ausmaß der schmerzhaften Funktionseinschränkung ausgehen (vgl. z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 514). Denn der Kläger hat bei allen Untersuchungen starke Schmerzen bei Bewegungen im Bereich der rechten Schulter demonstriert. Dem entsprechend haben Dr. H. in seinem Gutachten auf S. 20 bis 22 und auch Prof. Dr. H./OA Dr. L. zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit differenziert und dies entsprechend in ihre Beurteilung einfließen lassen. Dem trägt auch das Messblatt nach der Neutral-Null-Methode Rechnung, da die in dem Messblatt angegebenen passiven Bewegungsausmaße das Bewegungsende dadurch definieren, dass eine weitere Bewegung schmerzbedingt ab diesem Winkelgrad nicht mehr möglich ist (vgl. insoweit S. 10 des Gutachtens von Prof. Dr. C.). Die mit der Unfallverletzung typischerweise einhergehenden Schmerzen sind darüber hinaus bereits in die in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur dokumentierten Tabellenwerte eingeflossen. Da auch keine Anhaltspunkte für eine darüber hinausgehende eigenständige Schmerzerkrankung vorliegen, ist für die Zeit vor dem 28. August 2006 der Nachweis funktioneller Einschränkungen, die eine MdE um mehr als 10 v.H. bedingen, nicht erbracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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