Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 996/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4965/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. September 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Grad der Behinderung (GdB) beim Kläger wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse statt mit 90 nunmehr mit 100 festzustellen ist.
Bei dem 1954 geborenen Kläger stellte das frühere Versorgungsamt (VA) auf dessen Erstantrag den GdB mit Bescheid vom 15. Mai 2003 ab 4. Februar 2003 mit 40 fest. Dabei berücksichtigte es die nachfolgenden Funktionsbeeinträchtigungen:
&61485; Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelgleiten, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Polyarthrose Teil-GdB 30 &61485; Koronare Herzkrankheit Teil-GdB 20.
Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. September 2003), ebenso die hiergegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage (S 3 SB 3562/03), die mit Urteil vom 8. Juni 2004 abgewiesen wurde.
Am 27. Januar 2006 beantragte der Kläger bei dem zwischenzeitlich zuständig gewordenen Landratsamt (LRA) die Erhöhung des GdB und begründete diesen Antrag mit Wirbelsäulenleiden und Bluthochdruck. Das LRA zog von dem behandelnden Allgemeinarzt Dr. L. Arztbriefe der behandelnden Orthopäden Dres. R. u.a. vom 23. Dezember 2005 sowie 13. und 20. Januar 2006 bei und veranlasste die versorgungsärztliche (v.ä.) Stellungnahme des Dr. K. vom 27. Februar 2006, der beim Kläger als weitere Funktionsbeeinträchtigung eine Spinalkanalstenose berücksichtigen wollte, wodurch sich der Teil-GdB von 30 für die orthopädischen Beeinträchtigungen und der Gesamt-GdB jedoch nicht erhöhten. Der im Übrigen geltend gemachte Bluthochdruck bedinge keinen Teil-GdB von zumindest 10. Gestützt hierauf lehnte das LRA den Erhöhungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 8. März 2006 ab.
Am 10. April 2006 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB unter Berücksichtigung seiner Schwerhörigkeit. Hierzu legte er die Verordnung einer Hörhilfe des HNO-Arztes Dr. Sch. vom 3. April 2006 vor, der die Diagnose einer hochgradigen Schwerhörigkeit beidseits gestellt hatte, ferner Ton- bzw. Sprachaudiogramme. Das LRA zog den Anpassbericht des Hörgeräteakustikers vom 7. Juni 2006 bei und veranlasste die weitere v.ä. Stellungnahme des Dr. K. vom 4. Juli 2006, der vorschlug als weitere Funktionsbeeinträchtigung eine Schwerhörigkeit beidseitig mit einem Teil-GdB von 70 zu berücksichtigen und den Gesamt-GdB mit 80 zu bewerten. Mit Bescheid vom 6. Juli 2006 hob das LRA den Bescheid vom 15. Mai 2003 gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) auf und setzte den GdB ab 10. April 2006 mit 80 fest. Gleichzeitig stellte es das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen RF fest. Mit seinem Widerspruch, mit dem er die Feststellung eines GdB von 100 begehrte, machte der Kläger geltend, ein Taubheitsgefühl am rechten Arm und an der rechten Hand sei unberücksichtigt geblieben. Im Übrigen sei er durch die koronare Herzerkrankung, die bereits nach kurzen Wegstrecken zu Atembeschwerden führe, und durch die Wirbelsäulenerkrankung, deretwegen er teilweise auf Gehhilfen angewiesen sei, in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, sodass ihm das Merkzeichen G zuzuerkennen sei. Das LRA zog von Dr. L. weitere Arztbriefe bei, insbesondere die des Internisten/Kardiologie Dr. B. vom 19. Oktober 2006, des der Dres. R. u.a. vom 20. Oktober 2006 und des Prof. Dr. V., Ärztlicher Leiter des Zentrums für Neurologie und Frührehabilitation im Klinikum K.-L., vom 7. November 2006. In der sodann eingeholten v.ä. Stellungnahme vom 19. Dezember 2006 berücksichtigte Dr. B.-von F. im Rahmen der orthopädischen Beeinträchtigungen zusätzlich eine Läsion des rechten Wadenbeinnervs und der Nervenwurzel L5 rechts und hob den diesbezüglichen Teil-GdB auf 40 an und bewertete den Gesamt-GdB mit 90. Mit Teil-Abhilfebescheid vom 27. Dezember 2006 stellte das LRA den GdB beim Kläger ab 10. April 2006 mit 90 fest. Gleichzeitig wies es darauf hin, dass hinsichtlich des beantragten Merkzeichens G eine gesonderte Entscheidung ergehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2007 wurde der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Kläger am 27. Februar 2007 beim SG Klage und machte geltend, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechtfertigten einen Gesamt-GdB von 100. Der Beklagte hat sich im Klageverfahren nicht geäußert. Das SG hörte Dr. L. unter dem 3. Mai 2007, Dr. B. unter dem 11. Juni 2007, Dr. Sch. unter dem 12. Juni 2007, den Arzt für Innere Medizin Dr. W. unter dem 25. Juni 2007, den Orthopäden Dr. S. (Praxis Dres. R. u.a.) unter dem 28. Juni 2007 und den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. unter dem 11. Juli 2007. Dr. L. schloss sich der Bewertung des Beklagten in vollem Umfang an, ebenso Dr. Sch. und Dr. W., Dr. B. darüber hinaus für das kardiologische Fachgebiet. Der Neurologe und Psychiater M. sah sich ebenso wie Dr. S. zu einer Bewertung des GdB nicht in der Lage. Mit Gerichtsbescheid vom 6. September 2007 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Beklagte habe die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers zutreffend mit Einzel-GdB-Werten von 70, 40 und 20 bewertet und hieraus in nicht zu beanstandender Weise einen Gesamt-GdB von 90 gebildet. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 17. September 2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.
Mit seiner dagegen am 16. Oktober 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Feststellung eines GdB von 100 weiter. Zwar seien die Schwerhörigkeit und die kardiologischen Beeinträchtigungen mit einem Teil-GdB von 70 bzw. 20 zutreffend bewertet, jedoch trage der von orthopädischer Seite zu Grunde gelegte Teil-GdB-Wert von 40 seinen Beschwerden nicht hinreichend Rechnung. Er leide unter einem LWS- und HWS-Syndrom, wobei das LWS-Syndrom zwischenzeitlich zu erheblichen Schäden an den Nerven der unteren Gliedmaßen geführt habe. Zutreffend sei das LWS-Syndrom vom SG daher als schwer eingestuft worden. Gleichermaßen sei allerdings auch das HWS-Syndrom als schwer einzustufen und nicht lediglich als mittelgradig. Insoweit bestünden erhebliche Schmerzen, die zu erheblichen Bewegungseinschränkungen führten. Hinzu komme ein schmerzhafter Bogen im Bereich des Schultergelenks mit Schmerzausstrahlung in den rechten Arm bis in die Finger und ein Taubheitsgefühl. Insgesamt bedingten die Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet einen GdB von wenigstens 50. Obwohl bereits die vom Beklagten berücksichtigten Teil-GdB-Werte von 70, 40 und 20 zu einem Gesamt-GdB von 100 führten, werde dieser GdB-Wert jedenfalls bei zutreffender Bewertung der orthopädischen Beeinträchtigungen mit 50 erreicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. September 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 6. Juli 2006 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 27. Dezember 2006, diese im Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Februar 2007 zu verurteilen, den GdB ab 10. April 2006 mit 100 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist insbesondere darauf, dass die in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen und erfahrungsgemäß auch besonders schmerzhaften Zustände bereits mitberücksichtigten. Im Übrigen sei bei dem Teil-GdB-Wert von 40 bereits von mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ausgegangen worden. Der vom Kläger geforderte Teil-GdB-Wert von 50 komme nur bei besonders schweren Auswirkungen in Betracht, die beim ihm nicht vorlägen. Darüber hinaus bedinge das beginnende Karpaltunnelsyndrom keinen GdB von wenigstens 10 und sei damit nicht zu berücksichtigen. Unter Beachtung der Vorgaben der AHP sei letztlich auch der Gesamt-GdB korrekt gebildet worden.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 27. Dezember 2006, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2007 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse ist der GdB beim Kläger zwar zu erhöhen, jedoch rechtfertigt die Gesamtheit der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen keinen höheren GdB als den vom Beklagten festgestellten von 90.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentlich in diesem Sinne ist eine Änderung dann anzusehen, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich des Zustandes zu ermitteln, wie er bei der bindenden Feststellung einerseits und im Zeitpunkt der begehrten Neufeststellung andererseits zugrunde gelegen hat. Demnach ist vorliegend zu prüfen, ob sich im Gesundheitszustand des Klägers, wie er dem Bescheid vom 15. Mai 2003 zugrunde gelegen hat, eine wesentliche Verschlimmerung feststellen lässt, die es rechtfertigt, anstelle des bisherigen GdB von 40 nunmehr einen solchen von 100 festzustellen.
Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 (AHP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AHP haben zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AHP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AHP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AHP, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP, 19 Abs. 4, S. 26).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger nach Eintritt der wesentlichen Verschlimmerung keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 90. Der Beklagte hat die Gesamtheit der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen vielmehr zutreffend mit einem GdB von 90 bewertet.
Im Vordergrund der Beeinträchtigungen des Klägers stehen eine beidseitige Schwerhörigkeit sowie Funktionsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet im Bereich der LWS und HWS. Darüber hinaus liegt beim Kläger von kardiologischer Seite eine koronare Herzkrankheit vor, die bereits Stentimplantationen erforderlich gemacht hat. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass sowohl die Schwerhörigkeit als auch die kardiologischen Gesundheitsstörungen zutreffend mit Teil-GdB-Werten von 70 bzw. 20 zu bewerten sind. Demgegenüber ist der Kläger der Auffassung, dass ein Teil-GdB von 40 seinen orthopädischen Leiden nicht hinreichend Rechnung trägt, diese vielmehr eine Bewertung mit einem Teil-GdB von 50 rechtfertigten. Dieser Einschätzung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr teilt der Senat die Auffassung des Beklagten, der zutreffend darauf hingewiesen hat, dass mittelschwere bis schwere Funktionsbeeinträchtigungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, wie sie beim Kläger vorliegen nach den AHP, die auch der Senat im Interesse einer Gleichbehandlung in ständiger Rechtssprechung seiner Beurteilung zu Grunde legt, lediglich mit Teil-GdB-Werten von 30 bis 40 bewertet werden und der insoweit eröffnete Rahmen beim Kläger bereits voll ausgeschöpft ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist bei ihm im Rahmen einer Gesamtschau insbesondere nicht von Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen auszugehen, die nach den AHP einen Bewertungsrahmen von 50 bis 70 eröffnen würden. Denn die beim Kläger von der Wirbelsäule ausgehenden Beeinträchtigungen erreichen ein derartiges Ausmaß, wie es bspw. bei einer Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, einer anhaltenden Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst oder bei einer schweren Skoliose ab ca. 70 Grad nach Cobb der Fall ist. nicht. Hiervon ist das SG in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten zutreffend ausgegangen. Die Beeinträchtigungen von orthopädischer Seite sind daher mit einem Teil-GdB von 40 angemessen bewertet.
Auf der Grundlage der somit zu Grunde zu legenden Teil-GdB-Werte von 70, 40 und 20 ist auch der vom Beklagten ermittelte Gesamt-GdB von 90 nicht zu beanstanden. Wie bereits ausgeführt, ist bei der Bemessung des Gesamt-GdB von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt; sodann ist im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Danach ist ausgehend von einem GdB von 70 für die Schwerhörigkeit zu prüfen, inwieweit sich die Gesamtbeeinträchtigung des Klägers unter Einbeziehung der orthopädischen Leiden einerseits und der kardiologischen Erkrankung andererseits weiter erhöht. Auf dieser Grundlage hält es der Senat für angemessen, den höchsten Teil-GdB von 70 unter Einbeziehung der orthopädischen Leiden auf 90 zu erhöhen. Ausgehend hiervon wirken sich die Funktionsbeeinträchtigungen von kardialer Seite allerdings nicht mehr weiter erhöhend aus. Denn angesichts der erheblichen Beeinträchtigung von orthopädischer Seite, die die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft bereits deutlich limitiert, wirkt sich die eingeschränkte Belastbarkeit des Herzens nicht noch zusätzlich nachteilig aus. Damit ist es nicht gerechtfertigt, den Gesamt-GdB im Hinblick auf die verhältnismäßig leichte kardiologische Beeinträchtigung nochmals um 10 Prozentpunkte anzuheben.
Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Grad der Behinderung (GdB) beim Kläger wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse statt mit 90 nunmehr mit 100 festzustellen ist.
Bei dem 1954 geborenen Kläger stellte das frühere Versorgungsamt (VA) auf dessen Erstantrag den GdB mit Bescheid vom 15. Mai 2003 ab 4. Februar 2003 mit 40 fest. Dabei berücksichtigte es die nachfolgenden Funktionsbeeinträchtigungen:
&61485; Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelgleiten, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Polyarthrose Teil-GdB 30 &61485; Koronare Herzkrankheit Teil-GdB 20.
Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. September 2003), ebenso die hiergegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage (S 3 SB 3562/03), die mit Urteil vom 8. Juni 2004 abgewiesen wurde.
Am 27. Januar 2006 beantragte der Kläger bei dem zwischenzeitlich zuständig gewordenen Landratsamt (LRA) die Erhöhung des GdB und begründete diesen Antrag mit Wirbelsäulenleiden und Bluthochdruck. Das LRA zog von dem behandelnden Allgemeinarzt Dr. L. Arztbriefe der behandelnden Orthopäden Dres. R. u.a. vom 23. Dezember 2005 sowie 13. und 20. Januar 2006 bei und veranlasste die versorgungsärztliche (v.ä.) Stellungnahme des Dr. K. vom 27. Februar 2006, der beim Kläger als weitere Funktionsbeeinträchtigung eine Spinalkanalstenose berücksichtigen wollte, wodurch sich der Teil-GdB von 30 für die orthopädischen Beeinträchtigungen und der Gesamt-GdB jedoch nicht erhöhten. Der im Übrigen geltend gemachte Bluthochdruck bedinge keinen Teil-GdB von zumindest 10. Gestützt hierauf lehnte das LRA den Erhöhungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 8. März 2006 ab.
Am 10. April 2006 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB unter Berücksichtigung seiner Schwerhörigkeit. Hierzu legte er die Verordnung einer Hörhilfe des HNO-Arztes Dr. Sch. vom 3. April 2006 vor, der die Diagnose einer hochgradigen Schwerhörigkeit beidseits gestellt hatte, ferner Ton- bzw. Sprachaudiogramme. Das LRA zog den Anpassbericht des Hörgeräteakustikers vom 7. Juni 2006 bei und veranlasste die weitere v.ä. Stellungnahme des Dr. K. vom 4. Juli 2006, der vorschlug als weitere Funktionsbeeinträchtigung eine Schwerhörigkeit beidseitig mit einem Teil-GdB von 70 zu berücksichtigen und den Gesamt-GdB mit 80 zu bewerten. Mit Bescheid vom 6. Juli 2006 hob das LRA den Bescheid vom 15. Mai 2003 gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) auf und setzte den GdB ab 10. April 2006 mit 80 fest. Gleichzeitig stellte es das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen RF fest. Mit seinem Widerspruch, mit dem er die Feststellung eines GdB von 100 begehrte, machte der Kläger geltend, ein Taubheitsgefühl am rechten Arm und an der rechten Hand sei unberücksichtigt geblieben. Im Übrigen sei er durch die koronare Herzerkrankung, die bereits nach kurzen Wegstrecken zu Atembeschwerden führe, und durch die Wirbelsäulenerkrankung, deretwegen er teilweise auf Gehhilfen angewiesen sei, in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, sodass ihm das Merkzeichen G zuzuerkennen sei. Das LRA zog von Dr. L. weitere Arztbriefe bei, insbesondere die des Internisten/Kardiologie Dr. B. vom 19. Oktober 2006, des der Dres. R. u.a. vom 20. Oktober 2006 und des Prof. Dr. V., Ärztlicher Leiter des Zentrums für Neurologie und Frührehabilitation im Klinikum K.-L., vom 7. November 2006. In der sodann eingeholten v.ä. Stellungnahme vom 19. Dezember 2006 berücksichtigte Dr. B.-von F. im Rahmen der orthopädischen Beeinträchtigungen zusätzlich eine Läsion des rechten Wadenbeinnervs und der Nervenwurzel L5 rechts und hob den diesbezüglichen Teil-GdB auf 40 an und bewertete den Gesamt-GdB mit 90. Mit Teil-Abhilfebescheid vom 27. Dezember 2006 stellte das LRA den GdB beim Kläger ab 10. April 2006 mit 90 fest. Gleichzeitig wies es darauf hin, dass hinsichtlich des beantragten Merkzeichens G eine gesonderte Entscheidung ergehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2007 wurde der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen.
Dagegen erhob der Kläger am 27. Februar 2007 beim SG Klage und machte geltend, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechtfertigten einen Gesamt-GdB von 100. Der Beklagte hat sich im Klageverfahren nicht geäußert. Das SG hörte Dr. L. unter dem 3. Mai 2007, Dr. B. unter dem 11. Juni 2007, Dr. Sch. unter dem 12. Juni 2007, den Arzt für Innere Medizin Dr. W. unter dem 25. Juni 2007, den Orthopäden Dr. S. (Praxis Dres. R. u.a.) unter dem 28. Juni 2007 und den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. unter dem 11. Juli 2007. Dr. L. schloss sich der Bewertung des Beklagten in vollem Umfang an, ebenso Dr. Sch. und Dr. W., Dr. B. darüber hinaus für das kardiologische Fachgebiet. Der Neurologe und Psychiater M. sah sich ebenso wie Dr. S. zu einer Bewertung des GdB nicht in der Lage. Mit Gerichtsbescheid vom 6. September 2007 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Beklagte habe die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers zutreffend mit Einzel-GdB-Werten von 70, 40 und 20 bewertet und hieraus in nicht zu beanstandender Weise einen Gesamt-GdB von 90 gebildet. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 17. September 2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.
Mit seiner dagegen am 16. Oktober 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Feststellung eines GdB von 100 weiter. Zwar seien die Schwerhörigkeit und die kardiologischen Beeinträchtigungen mit einem Teil-GdB von 70 bzw. 20 zutreffend bewertet, jedoch trage der von orthopädischer Seite zu Grunde gelegte Teil-GdB-Wert von 40 seinen Beschwerden nicht hinreichend Rechnung. Er leide unter einem LWS- und HWS-Syndrom, wobei das LWS-Syndrom zwischenzeitlich zu erheblichen Schäden an den Nerven der unteren Gliedmaßen geführt habe. Zutreffend sei das LWS-Syndrom vom SG daher als schwer eingestuft worden. Gleichermaßen sei allerdings auch das HWS-Syndrom als schwer einzustufen und nicht lediglich als mittelgradig. Insoweit bestünden erhebliche Schmerzen, die zu erheblichen Bewegungseinschränkungen führten. Hinzu komme ein schmerzhafter Bogen im Bereich des Schultergelenks mit Schmerzausstrahlung in den rechten Arm bis in die Finger und ein Taubheitsgefühl. Insgesamt bedingten die Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet einen GdB von wenigstens 50. Obwohl bereits die vom Beklagten berücksichtigten Teil-GdB-Werte von 70, 40 und 20 zu einem Gesamt-GdB von 100 führten, werde dieser GdB-Wert jedenfalls bei zutreffender Bewertung der orthopädischen Beeinträchtigungen mit 50 erreicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. September 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 6. Juli 2006 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 27. Dezember 2006, diese im Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Februar 2007 zu verurteilen, den GdB ab 10. April 2006 mit 100 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist insbesondere darauf, dass die in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen und erfahrungsgemäß auch besonders schmerzhaften Zustände bereits mitberücksichtigten. Im Übrigen sei bei dem Teil-GdB-Wert von 40 bereits von mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ausgegangen worden. Der vom Kläger geforderte Teil-GdB-Wert von 50 komme nur bei besonders schweren Auswirkungen in Betracht, die beim ihm nicht vorlägen. Darüber hinaus bedinge das beginnende Karpaltunnelsyndrom keinen GdB von wenigstens 10 und sei damit nicht zu berücksichtigen. Unter Beachtung der Vorgaben der AHP sei letztlich auch der Gesamt-GdB korrekt gebildet worden.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 27. Dezember 2006, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2007 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse ist der GdB beim Kläger zwar zu erhöhen, jedoch rechtfertigt die Gesamtheit der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen keinen höheren GdB als den vom Beklagten festgestellten von 90.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachte Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentlich in diesem Sinne ist eine Änderung dann anzusehen, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich des Zustandes zu ermitteln, wie er bei der bindenden Feststellung einerseits und im Zeitpunkt der begehrten Neufeststellung andererseits zugrunde gelegen hat. Demnach ist vorliegend zu prüfen, ob sich im Gesundheitszustand des Klägers, wie er dem Bescheid vom 15. Mai 2003 zugrunde gelegen hat, eine wesentliche Verschlimmerung feststellen lässt, die es rechtfertigt, anstelle des bisherigen GdB von 40 nunmehr einen solchen von 100 festzustellen.
Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 (AHP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AHP haben zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AHP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AHP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AHP, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP, 19 Abs. 4, S. 26).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger nach Eintritt der wesentlichen Verschlimmerung keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 90. Der Beklagte hat die Gesamtheit der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen vielmehr zutreffend mit einem GdB von 90 bewertet.
Im Vordergrund der Beeinträchtigungen des Klägers stehen eine beidseitige Schwerhörigkeit sowie Funktionsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet im Bereich der LWS und HWS. Darüber hinaus liegt beim Kläger von kardiologischer Seite eine koronare Herzkrankheit vor, die bereits Stentimplantationen erforderlich gemacht hat. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass sowohl die Schwerhörigkeit als auch die kardiologischen Gesundheitsstörungen zutreffend mit Teil-GdB-Werten von 70 bzw. 20 zu bewerten sind. Demgegenüber ist der Kläger der Auffassung, dass ein Teil-GdB von 40 seinen orthopädischen Leiden nicht hinreichend Rechnung trägt, diese vielmehr eine Bewertung mit einem Teil-GdB von 50 rechtfertigten. Dieser Einschätzung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr teilt der Senat die Auffassung des Beklagten, der zutreffend darauf hingewiesen hat, dass mittelschwere bis schwere Funktionsbeeinträchtigungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, wie sie beim Kläger vorliegen nach den AHP, die auch der Senat im Interesse einer Gleichbehandlung in ständiger Rechtssprechung seiner Beurteilung zu Grunde legt, lediglich mit Teil-GdB-Werten von 30 bis 40 bewertet werden und der insoweit eröffnete Rahmen beim Kläger bereits voll ausgeschöpft ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist bei ihm im Rahmen einer Gesamtschau insbesondere nicht von Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen auszugehen, die nach den AHP einen Bewertungsrahmen von 50 bis 70 eröffnen würden. Denn die beim Kläger von der Wirbelsäule ausgehenden Beeinträchtigungen erreichen ein derartiges Ausmaß, wie es bspw. bei einer Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, einer anhaltenden Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst oder bei einer schweren Skoliose ab ca. 70 Grad nach Cobb der Fall ist. nicht. Hiervon ist das SG in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten zutreffend ausgegangen. Die Beeinträchtigungen von orthopädischer Seite sind daher mit einem Teil-GdB von 40 angemessen bewertet.
Auf der Grundlage der somit zu Grunde zu legenden Teil-GdB-Werte von 70, 40 und 20 ist auch der vom Beklagten ermittelte Gesamt-GdB von 90 nicht zu beanstanden. Wie bereits ausgeführt, ist bei der Bemessung des Gesamt-GdB von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt; sodann ist im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Danach ist ausgehend von einem GdB von 70 für die Schwerhörigkeit zu prüfen, inwieweit sich die Gesamtbeeinträchtigung des Klägers unter Einbeziehung der orthopädischen Leiden einerseits und der kardiologischen Erkrankung andererseits weiter erhöht. Auf dieser Grundlage hält es der Senat für angemessen, den höchsten Teil-GdB von 70 unter Einbeziehung der orthopädischen Leiden auf 90 zu erhöhen. Ausgehend hiervon wirken sich die Funktionsbeeinträchtigungen von kardialer Seite allerdings nicht mehr weiter erhöhend aus. Denn angesichts der erheblichen Beeinträchtigung von orthopädischer Seite, die die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft bereits deutlich limitiert, wirkt sich die eingeschränkte Belastbarkeit des Herzens nicht noch zusätzlich nachteilig aus. Damit ist es nicht gerechtfertigt, den Gesamt-GdB im Hinblick auf die verhältnismäßig leichte kardiologische Beeinträchtigung nochmals um 10 Prozentpunkte anzuheben.
Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
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