Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 4332/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 519/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.04.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Altersrente des Klägers.
Der 1941 geborene Kläger ist Inhaber des Vertriebenenausweises C; er hält sich seit 08.12.1961 im Bundesgebiet auf.
Nach seinen Angaben hat er in der Zeit von September 1956 bis August 1959 eine Ausbildung zum Landmaschinenschlosser erfolgreich absolviert. In der Zeit von Oktober 1964 bis März 1966 war er als Flugzeugbauer versicherungspflichtig beschäftigt mit Beitragsleistung zur Schweizerischen Alters- und Hinterbliebenenversicherung. Nach einer Ausbildung zum Ingenieur für Flugzeugbau (Prüfung am 23.06.1970) hat er in diesem Beruf bei der Firma S. bis zum 31.08.1996 versicherungspflichtig gearbeitet.
Am 18.07.2001 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte entsprach dem Antrag mit Bescheid vom 11.09.2001 und bewilligte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 01.09.2001 (in Höhe von monatlich 2.511,06 DM). Der Rentenzugangsfaktor 1,0 war vermindert auf 0,832, entsprechend 16,8 %, lt. Anlage 6 zum Bescheid. Dagegen legte der Kläger am 05.10.2001 Widerspruch ein. Die Verminderung der Entgeltpunkte um 16,8 % sei willkürlich und nicht mit Art 3 Grundgesetz (GG) vereinbar. Außerdem liege ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot gesetzlicher Maßnahmen vor. Mit dem Rentenreformgesetz von 1992 sei erstmals die Anhe- bung der Altersgrenzen in das Rentenrecht mit einer Übergangsregelung, die die Lebensplanung älterer Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt habe, aufgenommen worden. Die schwerwiegenden Eingriffe in das Rentenrecht durch das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand vom 23.07.1996 und durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.09.1996 hätten entwertende Eingriffe in Bezug auf seinen Rentenanspruch vorgenommen, mit denen er in einem Rechtsstaat nicht hätte rechnen müssen. Schließlich sei er im Oktober im Anschluss an sein Studium wie der in ein Beschäftigungsverhältnis in der freien Wirtschaft eingetreten. Dieses Verhältnis sei kraft Gesetzes versicherungspflichtig gewesen, was bedeute, dass zwischen ihm und der Beklagten gleichsam ein Vertrag abgeschlossen worden sei. Die Rechte und Pflichten dieses Vertrages seien im damaligen Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) festgelegt gewesen. Er verlange deshalb, die Berechnung seiner Rente unter Berücksichtigung der bereits 1970 nach Recht und Gesetz ohne Vorbehalte zugesagten Ausfallzeiten entsprechend dem AVG idF von 1970 neu vorzunehmen sowie die Verminderung der persönlichen Entgeltpunkte zurückzunehmen. Auf Anfrage der Beklagten hat der Kläger mitgeteilt, dass er mit einem Ruhen des Verfahrens (und Abwarten einer endgültigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts) nicht einverstanden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 14.06.2002 zurück. Die Vorschriften des AVG seien zum 31.12.1991 außer Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt seien ausschließlich die Vorschriften des SGB VI anzuwenden. Für die Feststellung der Rentenleistung des Klägers sei das Recht des SGB VI idF des Rentenreformgesetzes 1999 maßgebend (§ 300 SGB VI). Soweit der Kläger daran zweifele, dass die Rechtsänderungen zum 01.01.1992 verfassungskonform seien, werde auf die Entscheidung des BSG vom 23.05.1995, Az: 13/4 RA 13/94, verwiesen. Nach § 77 Abs 2 SGB VI sei der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente gewesen seien, bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen würden, für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0. Nach § 237 Abs 3 SGB VI bestimme sich die Anhebung der Altersgrenzen und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach der Anlage 19 zum SGB VI. Danach werde die Altersgrenze für Versicherte, die im August 1941 geboren seien, um 56 Monate angehoben. Da der Kläger die Altersrente ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt in Anspruch nehme, sei der Zugangsfaktor um 0,168 zu vermindern. Die Beklagte habe als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung die Verfassungskonformität der gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich weder zu prüfen noch zu kommentieren.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 04.07.2002 Klage beim Sozialgericht Nürnberg erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und sei ne Rechtsauffassung in den Schriftsätzen vom 03.07.2002, 16.09.2002 und 16.10.2002 dargelegt. Insgesamt sei er der Überzeugung, dass die Gesetzgebung zur gesetzlichen Rentenversicherung seit langem mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht mehr vereinbar und damit verfassungswidrig sei. Zur Begründung hat er sich auf verschiedene Entscheidungen sowohl des Bundesverfassungsgerichts wie auch des BSG, des BGH und des BAG berufen. Durch die Regelung des Rentenreformgesetzes von 1992 sei ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Das Vertrauen in den Fortbestand der durch dieses Gesetz erworbenen Rechtspositionen sei in besonderem Maße schutzwürdig, weil es auf einer gesetzlichen Regelung beruhe, die erkennbar den Belangen der von der Anhebung der Altersgrenze betroffenen Versicherten Rechnung trage. Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, die Rente ohne Abschläge in Höhe von 16,8 % zu gewähren und die Ausbildungszeiten bezüglich des Zeitraums vom 12.03.1966 bis 23.06.1970 entsprechend dem Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) zu berücksichtigen, hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat dem Vorbringen des Klägers entgegengehalten: § 237 Abs 4 SGB VI stelle hinsichtlich der in Abs 3 dieser Vorschrift iVm der Anlage 19 zum SGB VI geregelten Anhebung der Altersgrenze von 60 Jahren für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit eine Vertrauensschutzregelung dar. Die Altersrente mit 60 Jahren werde für die Geburtsjahrgänge 1937 bis 1940 nicht angehoben; für die in der Zeit von Januar 1941 bis Februar 1944 geborenen Versicherten erfolge die Anhebung der Altersgrenze in dem durch das Rentenreformgesetz 1992 ursprünglich vorgesehenen Umfang. Der Kläger sei im August 1941 geboren. Alternativ finde die Vertrauensschutzregelung auch Anwendung, wenn der Versicherte vor dem 01.01.1942 geboren sei und 45 Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit habe. Das Erfordernis von 520 (gemeint wohl 540) Monaten Pflichtbeitragszeiten werde vom Kläger nicht erfüllt.
Mit Urteil vom 28.04.2005 hat das SG die Klage - mit den vorgenannten Anträgen - abgewiesen. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte weder ein Anspruch auf Gewährung der Rente ohne Abschläge noch auf Berücksichtigung der Ausbildungszeiten bezüglich des Zeitraums vom 12.03.1966 bis 23.06.1970 entsprechend den Bestimmungen des AVG zu. Auch halte das Gericht § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 und Satz 2 SGB VI idF des Art 1 Nr 11a des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes - WFG - vom 25.09.1996 sowie die Regelung des § 237 SGB VI nicht für verfassungswidrig, sodass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht komme. Das SG hat die Vorschriften des § 237 SGB VI, des § 77 Abs 2 SGB VI betreffend den Zugangsfaktor und auch des § 58 SGB VI betreffend die Anrechnungszeiten tatbestandsmäßig geprüft und diese im Hinblick auf die Bestimmungen des Grundgesetzes Art 14 GG, Art 3 GG und auch Art 2 Abs 1 GG für verfassungsmäßig erachtet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 28.07.2005 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers. Das Urteil des SG gehe nur teilweise auf seine Argumente ein und übernehme im Wesentlichen einseitig die Sichtweise der Beklagten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 28.04.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.09.2001 idF des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2002 zu verpflichten, 1. den in Anwendung gebrachten Rentenabschlag in Höhe von 16,8 % zurückzunehmen und die Rente entsprechend neu festzustellen, 2. die beruflichen Ausbildungszeiten (Pflichtbeitragszeiten der ersten 5 Kalenderjahre) im Rentenbescheid entsprechend dem Angestelltenversicherungsgesetz von 1961 rentenerhöhend zu berücksichtigen, 3. die schulischen Ausbildungszeiten (Schule, Studium) im Rentenbescheid entsprechend dem AVG von 1970 rentenerhöhend zu berücksichtigen. Hilfsweise beantragt er, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob durch die rückwirkende Änderung der Rentengesetzgebung (Rückwirkung von gesetzlichen Maßnahmen, Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben) rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden und damit Verstöße insbesondere gegen Art 3 und 20 des GG vorliegen. Durch die von der Beklagten in Anwendung gebrachten Rentenabschläge sehe er seine Grundrechte verletzt. Die bisherigen Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des BSG zu Ausbildungszeiten betrachteten die Rechtsänderungen ausschließlich im Zusammenhang mit Art 14 GG, nicht aber im Zusammenhang mit Art 3 und Art 20 GG. Die bisherigen Urteile dieser Gerichte zu Ausbildungszeiten bewerteten jeweils nur eine Rechtsänderung; er, der Kläger sei jedoch von jeweils vier Rechtsänderungen seit 1963 bzw. seit 1970 betroffen. Der Kläger stellte die Rechtsänderungen seit 1961 betreffend die beruflichen Ausbildungszeiten und die Rechtsänderungen seit 1970 betreffend die schulischen Ausbildungszeiten heraus und vertritt die Auffassung, die Summe dieser Rechtsänderungen verstoße gegen Verfassungsrecht und auch gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 01.07.1981 (1 BVR 874/77). Mit diesem Urteil habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, unter welchen Bedingungen bereits erworbene Rechtspositionen rückwirkend zu Lasten der Versicherten unter Berücksichtigung von Art 14 GG gekürzt werden dürften. Es sei kein Fall bekannt, in dem die Sozialgerichtsbarkeit diese Bedingungen hinterfragt hätte.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte des SG Nürnberg vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Es ist insgesamt die Höhe der Altersrente streitig.
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Hinsichtlich der zentralen Punkte des Klagebegehrens, die Anwendung der Abschlagsregelung und der Umfang und die Bewertung der Ausbildungszeiten, hat das Sozialgericht in ausführlicher Weise auch die verfassungsrechtliche Problematik anhand der einschlägigen Verfassungsnormen der Art 3 und des Art 14 GG abgehandelt. Soweit der Kläger in der Berufungsschrift (vom 27.07.2005) erstmalig die Rechtsstaatsgarantie des Art 20 Abs 1 GG zur Sprache bringt, sieht der Senat durch die angefochtenen Entscheidungen die Rechtsstaatlichkeit nicht bedroht. Mit dem SG ist vielmehr davon auszugehen, dass sich die Rentengesetzgebung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewegt hat.
Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Minderung der rentenrechtlichen Bewertung der ersten 5 Berufsjahre durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz von 1996 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Beschluss vom 27.02.2007, Az: 1 BvL 10/00 Stellung genommen. Es hat ausgeführt, dass der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG nicht entnommen werden kann, dass rentenrechtliche Anwartschaften allein aufgrund eines bestimmten Lebensalters eines Versicherten (z.B. Vollendung des 55. Lebensjahres) einen gesteigerten verfassungsrechtlichen Bestandsschutz gegenüber wertmindernden Eingriffen durch den Gesetzgeber aufweisen. Der Gesetzgeber ist mit der zur Prüfung gestellten Vorschrift vielmehr im Rahmen seiner Befugnis geblieben, Inhalt und Schranken des Eigentums auszugestalten. Der in der gesetzlichen Regelung liegende Eingriff in die Anwartschaft ist durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (mit Hinweis auf bisherige Rechtsprechung des BVerfG). Dem Verfassungsgericht waren die vom Kläger im Schriftsatz vom 27.07.2005 aufgelisteten Rechtsänderungen seit 1961 (für berufliche Ausbildungszeiten) und seit 1970 (für schulische Ausbildungszeiten) bekannt. Es hat gleichwohl keinen Anlass gesehen, deren Verfassungsmäßigkeit - im Einzelnen oder im Gesamten - in Frage zu stellen. Der Senat hat keine weitergehenden verfassungsmäßigen Bedenken über diejenigen hinaus, die im vorgenannten Beschluss, a.a.O., abgehandelt und verneint worden sind. Einer - weiteren - Vorlage an das BVerfG bedurfte es deshalb nicht.
Im Übrigen weist der Senat die Berufung des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.
Die Berufung des Klägers war demnach zurückzuweisen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Altersrente des Klägers.
Der 1941 geborene Kläger ist Inhaber des Vertriebenenausweises C; er hält sich seit 08.12.1961 im Bundesgebiet auf.
Nach seinen Angaben hat er in der Zeit von September 1956 bis August 1959 eine Ausbildung zum Landmaschinenschlosser erfolgreich absolviert. In der Zeit von Oktober 1964 bis März 1966 war er als Flugzeugbauer versicherungspflichtig beschäftigt mit Beitragsleistung zur Schweizerischen Alters- und Hinterbliebenenversicherung. Nach einer Ausbildung zum Ingenieur für Flugzeugbau (Prüfung am 23.06.1970) hat er in diesem Beruf bei der Firma S. bis zum 31.08.1996 versicherungspflichtig gearbeitet.
Am 18.07.2001 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte entsprach dem Antrag mit Bescheid vom 11.09.2001 und bewilligte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 01.09.2001 (in Höhe von monatlich 2.511,06 DM). Der Rentenzugangsfaktor 1,0 war vermindert auf 0,832, entsprechend 16,8 %, lt. Anlage 6 zum Bescheid. Dagegen legte der Kläger am 05.10.2001 Widerspruch ein. Die Verminderung der Entgeltpunkte um 16,8 % sei willkürlich und nicht mit Art 3 Grundgesetz (GG) vereinbar. Außerdem liege ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot gesetzlicher Maßnahmen vor. Mit dem Rentenreformgesetz von 1992 sei erstmals die Anhe- bung der Altersgrenzen in das Rentenrecht mit einer Übergangsregelung, die die Lebensplanung älterer Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt habe, aufgenommen worden. Die schwerwiegenden Eingriffe in das Rentenrecht durch das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand vom 23.07.1996 und durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.09.1996 hätten entwertende Eingriffe in Bezug auf seinen Rentenanspruch vorgenommen, mit denen er in einem Rechtsstaat nicht hätte rechnen müssen. Schließlich sei er im Oktober im Anschluss an sein Studium wie der in ein Beschäftigungsverhältnis in der freien Wirtschaft eingetreten. Dieses Verhältnis sei kraft Gesetzes versicherungspflichtig gewesen, was bedeute, dass zwischen ihm und der Beklagten gleichsam ein Vertrag abgeschlossen worden sei. Die Rechte und Pflichten dieses Vertrages seien im damaligen Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) festgelegt gewesen. Er verlange deshalb, die Berechnung seiner Rente unter Berücksichtigung der bereits 1970 nach Recht und Gesetz ohne Vorbehalte zugesagten Ausfallzeiten entsprechend dem AVG idF von 1970 neu vorzunehmen sowie die Verminderung der persönlichen Entgeltpunkte zurückzunehmen. Auf Anfrage der Beklagten hat der Kläger mitgeteilt, dass er mit einem Ruhen des Verfahrens (und Abwarten einer endgültigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts) nicht einverstanden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 14.06.2002 zurück. Die Vorschriften des AVG seien zum 31.12.1991 außer Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt seien ausschließlich die Vorschriften des SGB VI anzuwenden. Für die Feststellung der Rentenleistung des Klägers sei das Recht des SGB VI idF des Rentenreformgesetzes 1999 maßgebend (§ 300 SGB VI). Soweit der Kläger daran zweifele, dass die Rechtsänderungen zum 01.01.1992 verfassungskonform seien, werde auf die Entscheidung des BSG vom 23.05.1995, Az: 13/4 RA 13/94, verwiesen. Nach § 77 Abs 2 SGB VI sei der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente gewesen seien, bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen würden, für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0. Nach § 237 Abs 3 SGB VI bestimme sich die Anhebung der Altersgrenzen und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach der Anlage 19 zum SGB VI. Danach werde die Altersgrenze für Versicherte, die im August 1941 geboren seien, um 56 Monate angehoben. Da der Kläger die Altersrente ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt in Anspruch nehme, sei der Zugangsfaktor um 0,168 zu vermindern. Die Beklagte habe als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung die Verfassungskonformität der gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich weder zu prüfen noch zu kommentieren.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 04.07.2002 Klage beim Sozialgericht Nürnberg erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und sei ne Rechtsauffassung in den Schriftsätzen vom 03.07.2002, 16.09.2002 und 16.10.2002 dargelegt. Insgesamt sei er der Überzeugung, dass die Gesetzgebung zur gesetzlichen Rentenversicherung seit langem mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht mehr vereinbar und damit verfassungswidrig sei. Zur Begründung hat er sich auf verschiedene Entscheidungen sowohl des Bundesverfassungsgerichts wie auch des BSG, des BGH und des BAG berufen. Durch die Regelung des Rentenreformgesetzes von 1992 sei ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Das Vertrauen in den Fortbestand der durch dieses Gesetz erworbenen Rechtspositionen sei in besonderem Maße schutzwürdig, weil es auf einer gesetzlichen Regelung beruhe, die erkennbar den Belangen der von der Anhebung der Altersgrenze betroffenen Versicherten Rechnung trage. Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, die Rente ohne Abschläge in Höhe von 16,8 % zu gewähren und die Ausbildungszeiten bezüglich des Zeitraums vom 12.03.1966 bis 23.06.1970 entsprechend dem Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) zu berücksichtigen, hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat dem Vorbringen des Klägers entgegengehalten: § 237 Abs 4 SGB VI stelle hinsichtlich der in Abs 3 dieser Vorschrift iVm der Anlage 19 zum SGB VI geregelten Anhebung der Altersgrenze von 60 Jahren für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit eine Vertrauensschutzregelung dar. Die Altersrente mit 60 Jahren werde für die Geburtsjahrgänge 1937 bis 1940 nicht angehoben; für die in der Zeit von Januar 1941 bis Februar 1944 geborenen Versicherten erfolge die Anhebung der Altersgrenze in dem durch das Rentenreformgesetz 1992 ursprünglich vorgesehenen Umfang. Der Kläger sei im August 1941 geboren. Alternativ finde die Vertrauensschutzregelung auch Anwendung, wenn der Versicherte vor dem 01.01.1942 geboren sei und 45 Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit habe. Das Erfordernis von 520 (gemeint wohl 540) Monaten Pflichtbeitragszeiten werde vom Kläger nicht erfüllt.
Mit Urteil vom 28.04.2005 hat das SG die Klage - mit den vorgenannten Anträgen - abgewiesen. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte weder ein Anspruch auf Gewährung der Rente ohne Abschläge noch auf Berücksichtigung der Ausbildungszeiten bezüglich des Zeitraums vom 12.03.1966 bis 23.06.1970 entsprechend den Bestimmungen des AVG zu. Auch halte das Gericht § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 und Satz 2 SGB VI idF des Art 1 Nr 11a des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes - WFG - vom 25.09.1996 sowie die Regelung des § 237 SGB VI nicht für verfassungswidrig, sodass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht komme. Das SG hat die Vorschriften des § 237 SGB VI, des § 77 Abs 2 SGB VI betreffend den Zugangsfaktor und auch des § 58 SGB VI betreffend die Anrechnungszeiten tatbestandsmäßig geprüft und diese im Hinblick auf die Bestimmungen des Grundgesetzes Art 14 GG, Art 3 GG und auch Art 2 Abs 1 GG für verfassungsmäßig erachtet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 28.07.2005 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers. Das Urteil des SG gehe nur teilweise auf seine Argumente ein und übernehme im Wesentlichen einseitig die Sichtweise der Beklagten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 28.04.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.09.2001 idF des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2002 zu verpflichten, 1. den in Anwendung gebrachten Rentenabschlag in Höhe von 16,8 % zurückzunehmen und die Rente entsprechend neu festzustellen, 2. die beruflichen Ausbildungszeiten (Pflichtbeitragszeiten der ersten 5 Kalenderjahre) im Rentenbescheid entsprechend dem Angestelltenversicherungsgesetz von 1961 rentenerhöhend zu berücksichtigen, 3. die schulischen Ausbildungszeiten (Schule, Studium) im Rentenbescheid entsprechend dem AVG von 1970 rentenerhöhend zu berücksichtigen. Hilfsweise beantragt er, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob durch die rückwirkende Änderung der Rentengesetzgebung (Rückwirkung von gesetzlichen Maßnahmen, Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben) rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden und damit Verstöße insbesondere gegen Art 3 und 20 des GG vorliegen. Durch die von der Beklagten in Anwendung gebrachten Rentenabschläge sehe er seine Grundrechte verletzt. Die bisherigen Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des BSG zu Ausbildungszeiten betrachteten die Rechtsänderungen ausschließlich im Zusammenhang mit Art 14 GG, nicht aber im Zusammenhang mit Art 3 und Art 20 GG. Die bisherigen Urteile dieser Gerichte zu Ausbildungszeiten bewerteten jeweils nur eine Rechtsänderung; er, der Kläger sei jedoch von jeweils vier Rechtsänderungen seit 1963 bzw. seit 1970 betroffen. Der Kläger stellte die Rechtsänderungen seit 1961 betreffend die beruflichen Ausbildungszeiten und die Rechtsänderungen seit 1970 betreffend die schulischen Ausbildungszeiten heraus und vertritt die Auffassung, die Summe dieser Rechtsänderungen verstoße gegen Verfassungsrecht und auch gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 01.07.1981 (1 BVR 874/77). Mit diesem Urteil habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, unter welchen Bedingungen bereits erworbene Rechtspositionen rückwirkend zu Lasten der Versicherten unter Berücksichtigung von Art 14 GG gekürzt werden dürften. Es sei kein Fall bekannt, in dem die Sozialgerichtsbarkeit diese Bedingungen hinterfragt hätte.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte des SG Nürnberg vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Es ist insgesamt die Höhe der Altersrente streitig.
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Hinsichtlich der zentralen Punkte des Klagebegehrens, die Anwendung der Abschlagsregelung und der Umfang und die Bewertung der Ausbildungszeiten, hat das Sozialgericht in ausführlicher Weise auch die verfassungsrechtliche Problematik anhand der einschlägigen Verfassungsnormen der Art 3 und des Art 14 GG abgehandelt. Soweit der Kläger in der Berufungsschrift (vom 27.07.2005) erstmalig die Rechtsstaatsgarantie des Art 20 Abs 1 GG zur Sprache bringt, sieht der Senat durch die angefochtenen Entscheidungen die Rechtsstaatlichkeit nicht bedroht. Mit dem SG ist vielmehr davon auszugehen, dass sich die Rentengesetzgebung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewegt hat.
Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Minderung der rentenrechtlichen Bewertung der ersten 5 Berufsjahre durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz von 1996 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Beschluss vom 27.02.2007, Az: 1 BvL 10/00 Stellung genommen. Es hat ausgeführt, dass der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG nicht entnommen werden kann, dass rentenrechtliche Anwartschaften allein aufgrund eines bestimmten Lebensalters eines Versicherten (z.B. Vollendung des 55. Lebensjahres) einen gesteigerten verfassungsrechtlichen Bestandsschutz gegenüber wertmindernden Eingriffen durch den Gesetzgeber aufweisen. Der Gesetzgeber ist mit der zur Prüfung gestellten Vorschrift vielmehr im Rahmen seiner Befugnis geblieben, Inhalt und Schranken des Eigentums auszugestalten. Der in der gesetzlichen Regelung liegende Eingriff in die Anwartschaft ist durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (mit Hinweis auf bisherige Rechtsprechung des BVerfG). Dem Verfassungsgericht waren die vom Kläger im Schriftsatz vom 27.07.2005 aufgelisteten Rechtsänderungen seit 1961 (für berufliche Ausbildungszeiten) und seit 1970 (für schulische Ausbildungszeiten) bekannt. Es hat gleichwohl keinen Anlass gesehen, deren Verfassungsmäßigkeit - im Einzelnen oder im Gesamten - in Frage zu stellen. Der Senat hat keine weitergehenden verfassungsmäßigen Bedenken über diejenigen hinaus, die im vorgenannten Beschluss, a.a.O., abgehandelt und verneint worden sind. Einer - weiteren - Vorlage an das BVerfG bedurfte es deshalb nicht.
Im Übrigen weist der Senat die Berufung des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.
Die Berufung des Klägers war demnach zurückzuweisen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 SGG sind nicht ersichtlich.
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