Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
51
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 AY 46/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Unter Aufhebung des Bescheids vom 20. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2006 wird der Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Kosten der Passbeschaffung in Höhe von 199,00 Euro zu erstatten und die Klägerin hinsichtlich der Art der Leistungsgewährung als Beihilfe oder Darlehen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu zwei Drittel. Im Übrigen haben die Beteiligten einander Kosten nicht zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1984 geborene Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für die Passerteilung.
Sie ist nach eigenen Angaben serbische Staatsangehörige und verfügt, nachdem ihr in der Vergangenheit Duldungen erteilt wurden, über eine Niederlassungserlaubnis. Nach Mitteilung des Beklagten (Schreiben vom 16. März 2006) erhält die Klägerin Sozialhilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII –. Ein Ende der Leistungsgewährung sei nicht absehbar. In einem handschriftlichen Vermerk vom 7. März 2006 hielt der Beklagte fest, die Klägerin habe am 20. Februar 2006 wegen Erstattung von Passgebühren vorgesprochen. Dies sei abgelehnt worden.
Gegen die Ablehnung erhob die Klägerin Widerspruch und verwies auf ihre ausländerrechtliche Verpflichtung zur Passbeschaffung. Regelmäßig werde sie von der Ausländerbehörde aufgefordert, sich einen Pass ausstellen zu lassen.
Der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 21. März 2006 zurückgewiesen. Bei den Kosten der Passbeschaffung handele es sich um einen einmaligen Bedarf. Für die sozialhilferechtlich anzuerkennenden einmaligen Bedarfe enthalte § 31 SGB XII einen abschließenden Katalog. Passerteilungskosten gehörten nicht hierzu. Mittel hierfür seien durch Ansparung aus dem Regelsatz zu finanzieren. § 6 Asylbewerberleistungsgesetz – AsylbLG – komme nicht zur An-wendung, da die Klägerin anders als Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG höhere Leistungen mit einem Ansparvolumen erhalte.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt vor, bei ihrer Einreise ins Bundesgebiet sei sie minderjährig und im Reisepass ihrer Eltern eingetragen gewesen. Ihre Duldungen hätten die Nebenbestimmung "Identität nicht nachgewiesen, zur Passbeschaffung aufgefordert" enthalten. Bei der serbischen Botschaft habe sie mit der Geburtsurkunde und dem Staatsangehörigkeitsnachweis die notwendigen Unterlagen zur Ausstellung eines Reise-passes vorgelegt. Für die Bearbeitung des Passantrags und die Passausstellung verlange die Botschaft 188,00 Euro. Hinzukämen 11,00 Euro, die für die Einholung einer eidesstattlichen Versicherung über ihre Identität angefallen seien. Sie sei mittellos und könne die Kosten nicht tragen. Weiter verweist sie auf ein Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 13. Juli 2007, dem zufolge die Passgebühren für Deutsche von den Passämtern erlassen werden könnten. Hieraus sei zu schließen, dass Aufwendungen für Passgebühren im Regelatz nicht enthal-ten seien. 2006 habe sie sich einen Pass ausstellen lassen. Mit Geld, das sie sich von einer Freundin geliehen habe, habe sie die Kosten für die Passausstellung und die eidesstattliche Versicherung bestritten. Zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung mit deutschen Staatsange-hörigen, die bei Bedürftigkeit keine Passgebühren zu entrichten bräuchten, seien ihr die bei der Erteilung ihres Passes angefallenen Kosten beihilfeweise zu erstatten.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 20. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2006 zu verurtei-len, ihr die Kosten der Passbeschaffung in Höhe von 199,00 Euro zu er-statten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und macht darauf aufmerksam, dass sich die Klägerin in der Zeit des Bezugs von Leistungen nach dem AsylblG einen Pass mit der Möglichkeit der Kostenübernahme nach § 6 AsylbLG hätte ausstellen lassen können. Dies versäumt zu haben stehe der Leistungspflicht des Beklagten entgegen.
Auf Anfrage des Gerichts hat die serbische Botschaft mit Schreiben vom 3. März 2008 mitge-teilt, dass die Ausstellungsgebühr für ein Reisedokument für einen Erwachsenen 188,00 Euro betrage und die Freistellung von den Gebühren nicht vorgesehen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und zum Vorbringen der Beteilig-ten wird auf Band II der Sozialhilfeakten der Klägerin sowie deren Ausländerakte und die Gerichtsakte verwiesen. Die Akten haben im Termin vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Enthalten sind in der Ausländerakte die Abschlusszeugnisse der Klägerin über den erweiterten Hauptschulabschluss und den Besuch des Oberstu-fenzentrums "Bekleidung und Mode" sowie eine Bescheinigung über den Beginn einer Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Sie waren deswegen aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der Passbeschaffungskosten und auf Neubescheidung hinsichtlich der Art der Leistungsgewährung als Beihilfe oder Darlehen. Einen weitergehenden Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur beihilfeweisen Gewährung der Kostenerstattung hat die Klägerin nicht. Insoweit ist die Klage unbegründet.
Der Leistungsanspruch ergibt sich aus § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit § 73 SGB XII. Nach Aktenlage gehört die Klägerin dem Personenkreis nach § 2 Abs. 1 AsylbLG an. Hiervon geht auch der Beklagte aus. Nach § 73 Satz 1 SGB XII können sozialhilferechtliche Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Eine "sonstige Lebenslage" ist gegeben, wenn die bedarfsauslösende Situation weder im SGB XII noch in anderen Bereichen des Sozialrechts geregelt und bewältigt wird (Berlit, in: Münder u.a., Sozialgesetzbuch XII, 8. Aufl., Baden-Baden 2008, § 73 Rz. 4). Die bedarfsauslösende Situation hinsichtlich der Notwendigkeit der Passausstellung ergibt sich für die Klägerin als Ausländerin aus ihrer Passpflicht (§§ 3 Abs. 1, 48 Aufenthaltsgesetz) verbunden mit der Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren für die Passerteilung (vgl. SG Halle, Urteil vom 30. Januar 2008 – S 13 AY 76/06 –; SG Duisburg, Urteil vom 9. Oktober 2008 – S 16 (31) AY 12/06 –), die nach Auskunft der serbischen Botschaft bei 188,00 Euro liegen und nicht erlassen werden können, sowie den Kosten für die Einholung der eidesstattlichen Versicherung, die die Klägerin nach eigenen Angaben zur Bestätigung ihrer Identität für die Passausstellung benötigte.
Die Bedarfslage wird auch nicht von anderen Vorschriften erfasst und geregelt.
Gegenüber der Klägerin kommt § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, wonach Kosten für die Passbeschaffung übernommen werden können (SG Duisburg, a.a.O., m.w.N.), aufgrund des Bezugs von Leistungen entsprechend dem SGB XII nicht zur Anwendung, da sich ihre Leistungsansprüche abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG bestimmen (§ 2 Abs. 1 AsylbLG).
Mittel für die Kosten der Passausstellung sind auch nicht in den Regelsätzen (§ 28 SGB XII) enthalten (SG Duisburg, a.a.O.). Ausgehend vom Schreiben des Bundesministeriums des In-nern vom 13. Juli 2007 bestand keine Notwendigkeit zur Aufnahme von Pass- und Personalausweisgebühren in die Regelsatzleistung, da bei Bedürftigkeit von der Gebührenerhebung für die Ausstellung – deutscher – Personalausweise und Reisepässe abgesehen werden könne. Ge-tragen wird dies von den gebührenrechtlichen Regelungen zum Passrecht. Nach § 3 der Gebührenverordnung zum Passgesetz (abgedruckt bei Süßmuth/Koch, Pass- und Personalausweis-recht, 4. Aufl., Stand: Mai 2006, Ziff. 5 I A) können die Gebühren für die Passausstellung bei Bedürftigkeit des Gebührenschuldners ermäßigt oder erlassen werden. Als bedürftig ist ein Passbewerber gemäß Ziffer 20.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Passgesetzes (abgedruckt bei Süßmuth/Koch, a.a.O., Ziff. 6 I A) insbesondere dann anzu-sehen, wenn er Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt oder Anspruch auf Sozialhilfe hat, die den Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beinhaltet, oder entsprechende, das Existenzminimum sichernde Leistungen der Kriegsopferfürsorge erhält oder höchstens entsprechende Einkünfte hat. Wegen dieser gebührenrechtlichen Möglichkeiten, bei Beziehern von Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) die Gebühren zu ermäßigen oder von ihrer Erhebung abzusehen, ist insoweit von keiner Bedarfslage auszugehen, die sozialhilferechtlich im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt bei der Regelsatzbemessung hätte aufgefangen werden müssen. Gestützt wird dies durch die Zusammensetzung der Regelsatzinhalte. Aufgeführt werden Pass- und Personalausweisgebühren insbesondere nicht in der Abteilung 12 ("an-dere Waren und Dienstleistungen") der der Regelsatzbemessung zugrunde liegenden Einkommens- und Verbrauchsstatistik (vgl. Schwabe, Die Zusammensetzung des Regelsatzes , ZfF 2008, S. 145, 151; Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Ausschussdruck-sache 16(11)286 vom 15. Juni 2006, S. 16 f., 23). Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin auch nicht auf ein Ansparen im Regelsatz enthaltener Mittel verwiesen werden. Aus dem glei-chen Grund scheidet die Inanspruchnahme von Darlehen nach § 37 Abs. 1 SGB XII aus.
Aus dem Vorstehenden folgt auch, dass dem Beklagten ein Entschließungsermessen hinsichtlich der Kostenerstattung nicht mehr zusteht. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die Leistungsgewährung sprechen. Zwar mag es entsprechend dem Einwand des Beklagten zutreffen, dass die Klägerin, als sie Leistungen nach dem AsylbLG erhielt, sich keinen Pass ausstellen ließ, obwohl die Kostenübernahme nach § 6 AsylblG in Betracht gekommen wäre. Entscheidend ist aber das Fortbestehen der durch die gesetzliche Passpflicht begründeten Bedarfslage, die bei der Klägerin bis in die Zeit des Bezugs von SGB-XII-Leistungen hineinreichte. Das Sozialhilferecht stellt hinsichtlich der Leistungsansprüche auf das Vorhandensein der Bedarfslage ab, nicht auf deren Ursache. Entgegengehalten werden kann dem Leistungsanspruch auch nicht, dass die Klägerin zwischenzeitlich die Passgebühr und die Kosten für die eidesstattliche Versicherung beglich. Hierfür lieh sie sich ihren Angaben zufolge Geld von einer Freundin, wovon auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 4. Dezember 2006 – L 15 B 24/06 AY PKH – ausging. Aufgrund der Rückzahlungspflicht ge-genüber der Darlehensgeberin besteht in einem solchen Fall die Bedarfslage fort und wandelt sich in einen Erstattungsanspruch (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2007 – L 23 B 58/07 SO PKH –).
Das Auswahlermessen in Bezug auf die Art der Leistungserbringung als Beihilfe oder Darlehen nach § 73 Satz 2 SGB XII ist hingegen nicht auf die begehrte Zuschussgewährung redu-ziert. Aufgrund ihres Alters, ihrer Schulabschlüsse und der begonnenen Ausbildung ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin in absehbarer Zeit eine Erwerbstätigkeit finden wird und das Darlehen zumindest ratenweise wird tilgen können. Dies hat der Beklagte bei seiner Ermes-sensbetätigung zu beachten.
Das Auswahlermessen ist entgegen dem Dafürhalten der Klägerin auch nicht deswegen auf die beihilfeweise Bewilligung der Kostenerstattung reduziert, weil deutsche Staatsangehörige, die Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, wegen der Vorschriften zur Gebührenbefreiung regelmäßig keine Kosten für die Passerteilung zu tragen haben, während sie, die Klägerin, bei darlehensweiser Leistungsgewährung der Rückzahlungspflicht unterliegt und deswegen nach ihrer Auffassung aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit anders behandelt wird als Bedürftige deutscher Staatsangehörigkeit. Die von der Klägerin angeführte etwaige Ungleichbehandlung knüpft daran an, dass der Staat ihrer Staatsangehörigkeit nach Mitteilung der Botschaft vom 3. März 2008 eine Freistellung von den Gebühren nicht vorsieht. Hierfür haben deutsche Behörden auch im Lichte des Gleichheitssatzes nicht einzustehen. Entscheidend ist, dass die mit der Passpflicht verbundene Kostenlast der Klägerin durch die Leistungsgewährung nach § 73 SGB XII sozialstaatlich bewältigt wird.
Verletzt ist die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide in ihrem Leistungsanspruch aus § 73 Satz 1 SGB XII und im Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung nach § 73 Satz 2 SGB XII in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG – und beruht darauf, dass die Klägerin aufgrund der Verpflichtung des Beklagten zur Leistungserbringung zum größeren Teil erfolgreich ist. Hinter der tenorierten Leistungsverpflichtung bleibt ihr Klagebegehren lediglich insoweit zurück, als der Beklagte nicht zur Zuschussgewährung, sondern zur erneuten Bescheidung über die Art der Leistungserbringung als Beihilfe oder Darlehen verpflichtet wird.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Zulassungsgründe vorliegt.
Tatbestand:
Die 1984 geborene Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für die Passerteilung.
Sie ist nach eigenen Angaben serbische Staatsangehörige und verfügt, nachdem ihr in der Vergangenheit Duldungen erteilt wurden, über eine Niederlassungserlaubnis. Nach Mitteilung des Beklagten (Schreiben vom 16. März 2006) erhält die Klägerin Sozialhilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII –. Ein Ende der Leistungsgewährung sei nicht absehbar. In einem handschriftlichen Vermerk vom 7. März 2006 hielt der Beklagte fest, die Klägerin habe am 20. Februar 2006 wegen Erstattung von Passgebühren vorgesprochen. Dies sei abgelehnt worden.
Gegen die Ablehnung erhob die Klägerin Widerspruch und verwies auf ihre ausländerrechtliche Verpflichtung zur Passbeschaffung. Regelmäßig werde sie von der Ausländerbehörde aufgefordert, sich einen Pass ausstellen zu lassen.
Der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 21. März 2006 zurückgewiesen. Bei den Kosten der Passbeschaffung handele es sich um einen einmaligen Bedarf. Für die sozialhilferechtlich anzuerkennenden einmaligen Bedarfe enthalte § 31 SGB XII einen abschließenden Katalog. Passerteilungskosten gehörten nicht hierzu. Mittel hierfür seien durch Ansparung aus dem Regelsatz zu finanzieren. § 6 Asylbewerberleistungsgesetz – AsylbLG – komme nicht zur An-wendung, da die Klägerin anders als Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG höhere Leistungen mit einem Ansparvolumen erhalte.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt vor, bei ihrer Einreise ins Bundesgebiet sei sie minderjährig und im Reisepass ihrer Eltern eingetragen gewesen. Ihre Duldungen hätten die Nebenbestimmung "Identität nicht nachgewiesen, zur Passbeschaffung aufgefordert" enthalten. Bei der serbischen Botschaft habe sie mit der Geburtsurkunde und dem Staatsangehörigkeitsnachweis die notwendigen Unterlagen zur Ausstellung eines Reise-passes vorgelegt. Für die Bearbeitung des Passantrags und die Passausstellung verlange die Botschaft 188,00 Euro. Hinzukämen 11,00 Euro, die für die Einholung einer eidesstattlichen Versicherung über ihre Identität angefallen seien. Sie sei mittellos und könne die Kosten nicht tragen. Weiter verweist sie auf ein Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 13. Juli 2007, dem zufolge die Passgebühren für Deutsche von den Passämtern erlassen werden könnten. Hieraus sei zu schließen, dass Aufwendungen für Passgebühren im Regelatz nicht enthal-ten seien. 2006 habe sie sich einen Pass ausstellen lassen. Mit Geld, das sie sich von einer Freundin geliehen habe, habe sie die Kosten für die Passausstellung und die eidesstattliche Versicherung bestritten. Zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung mit deutschen Staatsange-hörigen, die bei Bedürftigkeit keine Passgebühren zu entrichten bräuchten, seien ihr die bei der Erteilung ihres Passes angefallenen Kosten beihilfeweise zu erstatten.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 20. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2006 zu verurtei-len, ihr die Kosten der Passbeschaffung in Höhe von 199,00 Euro zu er-statten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und macht darauf aufmerksam, dass sich die Klägerin in der Zeit des Bezugs von Leistungen nach dem AsylblG einen Pass mit der Möglichkeit der Kostenübernahme nach § 6 AsylbLG hätte ausstellen lassen können. Dies versäumt zu haben stehe der Leistungspflicht des Beklagten entgegen.
Auf Anfrage des Gerichts hat die serbische Botschaft mit Schreiben vom 3. März 2008 mitge-teilt, dass die Ausstellungsgebühr für ein Reisedokument für einen Erwachsenen 188,00 Euro betrage und die Freistellung von den Gebühren nicht vorgesehen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und zum Vorbringen der Beteilig-ten wird auf Band II der Sozialhilfeakten der Klägerin sowie deren Ausländerakte und die Gerichtsakte verwiesen. Die Akten haben im Termin vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Enthalten sind in der Ausländerakte die Abschlusszeugnisse der Klägerin über den erweiterten Hauptschulabschluss und den Besuch des Oberstu-fenzentrums "Bekleidung und Mode" sowie eine Bescheinigung über den Beginn einer Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Sie waren deswegen aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der Passbeschaffungskosten und auf Neubescheidung hinsichtlich der Art der Leistungsgewährung als Beihilfe oder Darlehen. Einen weitergehenden Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur beihilfeweisen Gewährung der Kostenerstattung hat die Klägerin nicht. Insoweit ist die Klage unbegründet.
Der Leistungsanspruch ergibt sich aus § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit § 73 SGB XII. Nach Aktenlage gehört die Klägerin dem Personenkreis nach § 2 Abs. 1 AsylbLG an. Hiervon geht auch der Beklagte aus. Nach § 73 Satz 1 SGB XII können sozialhilferechtliche Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Eine "sonstige Lebenslage" ist gegeben, wenn die bedarfsauslösende Situation weder im SGB XII noch in anderen Bereichen des Sozialrechts geregelt und bewältigt wird (Berlit, in: Münder u.a., Sozialgesetzbuch XII, 8. Aufl., Baden-Baden 2008, § 73 Rz. 4). Die bedarfsauslösende Situation hinsichtlich der Notwendigkeit der Passausstellung ergibt sich für die Klägerin als Ausländerin aus ihrer Passpflicht (§§ 3 Abs. 1, 48 Aufenthaltsgesetz) verbunden mit der Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren für die Passerteilung (vgl. SG Halle, Urteil vom 30. Januar 2008 – S 13 AY 76/06 –; SG Duisburg, Urteil vom 9. Oktober 2008 – S 16 (31) AY 12/06 –), die nach Auskunft der serbischen Botschaft bei 188,00 Euro liegen und nicht erlassen werden können, sowie den Kosten für die Einholung der eidesstattlichen Versicherung, die die Klägerin nach eigenen Angaben zur Bestätigung ihrer Identität für die Passausstellung benötigte.
Die Bedarfslage wird auch nicht von anderen Vorschriften erfasst und geregelt.
Gegenüber der Klägerin kommt § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, wonach Kosten für die Passbeschaffung übernommen werden können (SG Duisburg, a.a.O., m.w.N.), aufgrund des Bezugs von Leistungen entsprechend dem SGB XII nicht zur Anwendung, da sich ihre Leistungsansprüche abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG bestimmen (§ 2 Abs. 1 AsylbLG).
Mittel für die Kosten der Passausstellung sind auch nicht in den Regelsätzen (§ 28 SGB XII) enthalten (SG Duisburg, a.a.O.). Ausgehend vom Schreiben des Bundesministeriums des In-nern vom 13. Juli 2007 bestand keine Notwendigkeit zur Aufnahme von Pass- und Personalausweisgebühren in die Regelsatzleistung, da bei Bedürftigkeit von der Gebührenerhebung für die Ausstellung – deutscher – Personalausweise und Reisepässe abgesehen werden könne. Ge-tragen wird dies von den gebührenrechtlichen Regelungen zum Passrecht. Nach § 3 der Gebührenverordnung zum Passgesetz (abgedruckt bei Süßmuth/Koch, Pass- und Personalausweis-recht, 4. Aufl., Stand: Mai 2006, Ziff. 5 I A) können die Gebühren für die Passausstellung bei Bedürftigkeit des Gebührenschuldners ermäßigt oder erlassen werden. Als bedürftig ist ein Passbewerber gemäß Ziffer 20.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Passgesetzes (abgedruckt bei Süßmuth/Koch, a.a.O., Ziff. 6 I A) insbesondere dann anzu-sehen, wenn er Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt oder Anspruch auf Sozialhilfe hat, die den Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beinhaltet, oder entsprechende, das Existenzminimum sichernde Leistungen der Kriegsopferfürsorge erhält oder höchstens entsprechende Einkünfte hat. Wegen dieser gebührenrechtlichen Möglichkeiten, bei Beziehern von Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) die Gebühren zu ermäßigen oder von ihrer Erhebung abzusehen, ist insoweit von keiner Bedarfslage auszugehen, die sozialhilferechtlich im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt bei der Regelsatzbemessung hätte aufgefangen werden müssen. Gestützt wird dies durch die Zusammensetzung der Regelsatzinhalte. Aufgeführt werden Pass- und Personalausweisgebühren insbesondere nicht in der Abteilung 12 ("an-dere Waren und Dienstleistungen") der der Regelsatzbemessung zugrunde liegenden Einkommens- und Verbrauchsstatistik (vgl. Schwabe, Die Zusammensetzung des Regelsatzes , ZfF 2008, S. 145, 151; Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Ausschussdruck-sache 16(11)286 vom 15. Juni 2006, S. 16 f., 23). Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin auch nicht auf ein Ansparen im Regelsatz enthaltener Mittel verwiesen werden. Aus dem glei-chen Grund scheidet die Inanspruchnahme von Darlehen nach § 37 Abs. 1 SGB XII aus.
Aus dem Vorstehenden folgt auch, dass dem Beklagten ein Entschließungsermessen hinsichtlich der Kostenerstattung nicht mehr zusteht. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die Leistungsgewährung sprechen. Zwar mag es entsprechend dem Einwand des Beklagten zutreffen, dass die Klägerin, als sie Leistungen nach dem AsylbLG erhielt, sich keinen Pass ausstellen ließ, obwohl die Kostenübernahme nach § 6 AsylblG in Betracht gekommen wäre. Entscheidend ist aber das Fortbestehen der durch die gesetzliche Passpflicht begründeten Bedarfslage, die bei der Klägerin bis in die Zeit des Bezugs von SGB-XII-Leistungen hineinreichte. Das Sozialhilferecht stellt hinsichtlich der Leistungsansprüche auf das Vorhandensein der Bedarfslage ab, nicht auf deren Ursache. Entgegengehalten werden kann dem Leistungsanspruch auch nicht, dass die Klägerin zwischenzeitlich die Passgebühr und die Kosten für die eidesstattliche Versicherung beglich. Hierfür lieh sie sich ihren Angaben zufolge Geld von einer Freundin, wovon auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 4. Dezember 2006 – L 15 B 24/06 AY PKH – ausging. Aufgrund der Rückzahlungspflicht ge-genüber der Darlehensgeberin besteht in einem solchen Fall die Bedarfslage fort und wandelt sich in einen Erstattungsanspruch (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2007 – L 23 B 58/07 SO PKH –).
Das Auswahlermessen in Bezug auf die Art der Leistungserbringung als Beihilfe oder Darlehen nach § 73 Satz 2 SGB XII ist hingegen nicht auf die begehrte Zuschussgewährung redu-ziert. Aufgrund ihres Alters, ihrer Schulabschlüsse und der begonnenen Ausbildung ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin in absehbarer Zeit eine Erwerbstätigkeit finden wird und das Darlehen zumindest ratenweise wird tilgen können. Dies hat der Beklagte bei seiner Ermes-sensbetätigung zu beachten.
Das Auswahlermessen ist entgegen dem Dafürhalten der Klägerin auch nicht deswegen auf die beihilfeweise Bewilligung der Kostenerstattung reduziert, weil deutsche Staatsangehörige, die Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, wegen der Vorschriften zur Gebührenbefreiung regelmäßig keine Kosten für die Passerteilung zu tragen haben, während sie, die Klägerin, bei darlehensweiser Leistungsgewährung der Rückzahlungspflicht unterliegt und deswegen nach ihrer Auffassung aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit anders behandelt wird als Bedürftige deutscher Staatsangehörigkeit. Die von der Klägerin angeführte etwaige Ungleichbehandlung knüpft daran an, dass der Staat ihrer Staatsangehörigkeit nach Mitteilung der Botschaft vom 3. März 2008 eine Freistellung von den Gebühren nicht vorsieht. Hierfür haben deutsche Behörden auch im Lichte des Gleichheitssatzes nicht einzustehen. Entscheidend ist, dass die mit der Passpflicht verbundene Kostenlast der Klägerin durch die Leistungsgewährung nach § 73 SGB XII sozialstaatlich bewältigt wird.
Verletzt ist die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide in ihrem Leistungsanspruch aus § 73 Satz 1 SGB XII und im Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung nach § 73 Satz 2 SGB XII in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG – und beruht darauf, dass die Klägerin aufgrund der Verpflichtung des Beklagten zur Leistungserbringung zum größeren Teil erfolgreich ist. Hinter der tenorierten Leistungsverpflichtung bleibt ihr Klagebegehren lediglich insoweit zurück, als der Beklagte nicht zur Zuschussgewährung, sondern zur erneuten Bescheidung über die Art der Leistungserbringung als Beihilfe oder Darlehen verpflichtet wird.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Zulassungsgründe vorliegt.
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