Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 40 AL 112/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 233/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rückforderung der Beklagten gegen die Erben des A. A. (im folgenden A.S.) wegen nachträglicher Bewilligung einer italienischen Altersrente.
Die Kläger sind Rechtsnachfolger des 1932 geborenen und am 07.05.2003 verstorbenen, aus Italien stammenden Leistungsempfängers A.S. Dieser war vom 01.07.1985 bis 31.03.1994 bei der B. AG als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Er meldete sich am 30.01.1996 arbeitslos. Hierbei bestätigte er unterschriftlich, dass er das Merkblatt für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe.
Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 06.05.1996 Arbeitslosengeld vom 30.01.1996 bis zum 27.02.1997. Durch eine Anfrage der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erhielt sie am 02.02.2000 Kenntnis davon, dass A.S. rückwirkend ab dem 01.04.1992 eine italienische Altersrente bewilligt worden war, die er am 03.03.1997 beantragt hatte. Daraufhin forderte die Beklagte am 07.02.2000 eine Kopie des Rentenbescheides bei der BfA an, die am 21.02.2000 einging. Der BfA war weiter nicht bekannt, ob die Rentenzahlung bereits an A.S. erfolgt war. Am 23.03.2000 teilte die BfA mit, dass die Nachzahlung vom italienischen Versicherungsträger direkt an den Versicherten ausgezahlt worden sei. Die Zahlung erfolgte in zwei Raten am 27.10.1999 und am 13.12.1999.
Mit Schreiben vom 16.11.2000 hörte die Beklagte A.S. dazu an, dass er in der Zeit vom 30.01.1996 bis 27.02.1997 zu Unrecht Arbeitslosengeld in Höhe von 27.501,64 DM (entspricht 14.061,37 EUR) bezogen habe. Da die Nachzahlung der italienischen Rentenversicherung bereits an A.S. ausbezahlt worden sei, sei keine Verrechnung mit Arbeitslosengeld möglich. A.S. habe die Überzahlung verursacht, da er eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in seinen Verhältnissen nicht angezeigt habe.
Der Bevollmächtigte wandte hiergegen ein, dass A.S. vom zuständigen Rentenberater der BfA im Frühjahr 1997 die Empfehlung erhalten habe, vorsorglich auch bei der italienischen Rentenversicherung einen Antrag auf Rente zu stellen, da er jahrzehntelang in Italien gearbeitet hatte. Dies habe A.S. am 03.03.1997 getan, also zu einem Zeitpunkt, als der Bezug von Arbeitslosengeld bereits ausgelaufen war. Mehr als zwei Jahre nach Antragstellung habe er völlig überraschend im Juni 1999 den Rentenbescheid erhalten, in dem ihm eine Rente rückwirkend ab dem 60. Lebensjahr bewilligt wurde. Es könne also gar keine Rede davon sein, dass A.S. während des Bezugs von Arbeitslosengeld eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in seinen Verhältnissen "nicht angezeigt" habe. Die von der Beklagten bezogenen Leistungen habe er für seinen und seiner Familie laufenden Lebensunterhalt benötigt. Es sei deshalb nicht ersichtlich, inwieweit A.S. im Jahr 1996 und Anfang 1997 zu Unrecht Arbeitslosengeld bezogen haben solle.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.02.2001 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 30.01.1996 auf und verpflichtete den Kläger zur Erstattung der in Höhe von 27.501,64 DM eingetretenen Überzahlung.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte Widerspruch. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe nur während der Zeit, in der dem Arbeitslosen ein Anspruch auf eine Altersrente bereits zuerkannt sei. Die italienische Altersrente sei erst lange nach dem Ende der Arbeitslosigkeit zuerkannt worden. Auch lägen die Voraussetzungen einer Rücknahme des Arbeitslosengeldes nicht vor, insbesondere nicht für die Rücknahme auch für die Vergangenheit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei seiner Mitwirkungspflicht bezüglich der Mitteilung der italienischen Altersrente nicht nachgekommen.
Am 04.04.2001 hat A.S. durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage beim Sozialgericht München erhoben (S 40 AL 478/01). Es sei lebensfremd, dass ein im 65. Lebensjahr stehender Arbeitsloser wie der Kläger, der bereits zum damaligen Zeitpunkt gesundheitlich schwer angeschlagen war, mehr als ein Jahr nach Stellung seines Antrags auf Arbeitslosenhilfe und unterstellter Übergabe dieses Merkblattes sich daran erinnern sollte, dass er bei Antragstellung einer ausländischen Rente eine entsprechende Mitteilungspflicht zu machen habe, zumal für ihn der Bezug des Arbeitslosengeldes bei Antragstellung bereits ausgelaufen war. Noch lebensfremder sei es, dass er sich daran bei der weiteren, mehr als zwei Jahre später erfolgten rückwirkenden Gewährung der Altersrente erinnern könne. Das erhaltene Arbeitslosengeld habe er längst für den laufenden Lebensunterhalt ausgegeben. Mit dem Rentenbezug sei es ihm gelungen, einen Teil seiner Schulden zu tilgen. Rechtlich bestehe keine Anspruchsgrundlage für die Aufhebung des Verwaltungsaktes. Am 07.05.2003 ist A.S. verstorben. Die Witwe und die beiden Kinder seien nach italienischem Erbrecht zu gleichen Teilen Erben. Der Nachlass sei deutlich überschuldet. Das SG hat das Verfahren bis zur Klärung der Rechtsnachfolge ausgesetzt.
Am 16.01.2007 hat das Amtsgericht M. in der Nachlasssache A. J. A. mitgeteilt, dass die Witwe und die beiden Kinder und Erben sind. Daraufhin ist das Verfahren fortgesetzt worden. Der damalige Kläger sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Das Arbeitslosengeld sei auch vom Leistungsempfänger längst für den täglichen Lebensbedarf verbraucht worden, so dass eine Rückforderung unbillig sei. Auf Grund der langen Arbeitslosigkeit des vormaligen Klägers sei kein Vermögen vorhanden, auf das zurückgegriffen werden konnte. Des Weiteren werden besondere Belastungen in den Jahren vor dem Tode des vormaligen Klägers genannt (83.349,49 EUR). Auch der Nachlass sei überschuldet gewesen. Die Beklagte habe es versäumt, darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Rückforderung von Leistungen aus der Vergangenheit um eine Ermessensentscheidung handle. Ein neuer Bescheid könne wegen Ablaufs der Jahresfrist nicht mehr erlassen werden. Die Beklagte habe bereits am 02.02.2000 Kenntnis vom Bezug der italienischen Rente gehabt, der Rückforderungsbescheid datiere jedoch vom 07.02.2001, dem Bevollmächtigten sei er am 14.02.2001 zugegangen. Im Übrigen sei die Forderung mittlerweile verjährt. Eine Rückforderung von den Erben nach deutschem Recht sei nicht möglich, da der vormalige Erblasser nach italienischem Recht beerbt worden sei.
Das SG hat am 18.01.2007 (auf Antrag der Beklagten) das Verfahren aufgenommen (§ 40 AL 112/07) und die Klage mit Urteil vom 25.05.2007 abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung (§ 48 SGB X) seien erfüllt, da in den Verhältnissen, die bei der Bewilligung zu Grunde gelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Während der Zeit, in der A.S. eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt war, habe der Anspruch auf Arbeitslosengeld geruht. Die in Italien bewilligte Altersrente sei ebenso zu behandeln wie der Bezug einer deutschen Altersrente. Unerheblich sei dabei, ob bei der Höhe der italienischen Altersrente nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur die italienischen Versicherungszeiten berücksichtigt worden seien Die Beklagte habe kein Ermessen auszuüben gehabt. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung der Regelung über die Rücknahme der Leistungsbewilligung wegen nachträglicher Erzielung eines Einkommens seien erfüllt. Die entsprechende Anwendung des Gesetzes auf den gesetzlich nicht erfassten Sachverhalt des Ruhens sei geboten, weil die Regelungsabsicht des Gesetzgebers auch diesen Fall hätte mit einbeziehen müssen. Ob A.S. diese Rechtslage erkennen konnte, sei unerheblich, da es für die Aufhebung weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit ankomme. Auch die Frist für die rückwirkende Rücknahme sei eingehalten. Diese habe nicht schon mit der Anfrage der BfA vom 28.01.2000 zu laufen begonnen. Die Beklagte habe nicht vor der Mitteilung der BfA vom 23.03.2000 Kenntnis davon gehabt, dass der italienische Versicherungsträger die Nachzahlung bereits direkt an A.S. ausgezahlt hatte. Auch eine Verjährung des Anspruchs sei nicht eingetreten, da der Erstattungsanspruch erst mit Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides entstanden, und die Verjährung bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes gehemmt sei.
Der Klägerbevollmächtigte hat gegen das Urteil am 25.07.2007 Berufung eingelegt. Bei der rückwirkenden Aufhebung handle es sich um eine Ermessensentscheidung, da ein sogenannter atypischer Fall vorliege. Des Weiteren sei die Jahresfrist bereits abgelaufen. Die Beklagte habe bereits seit 02.02.2000 davon Kenntnis gehabt, dass der Verstorbene eine italienische Rente erhalten habe.
Der Bevollmächtigte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.05.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 07.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Rechtsmeinung, dass die Einjahresfrist eingehalten ist. Des Weiteren handle es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass kein Ermessen auszuüben sei.
Mit Schreiben vom 14.05.2008 hat der Senat die Beteiligten zur Entscheidung durch Beschluss angehört. Die Beklagte ist hiermit einverstanden gewesen. Die Kläger haben sich hierzu nicht geäußert.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des SG Bezug genommen.
II.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1, 151 SGG). Der Senat kann gemäß § 153 Abs.4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind gehört worden. Die Erben des Verstorbenen sind als Rechtsnachfolger prozessführungsbefugt, § 202 SGG i.V.m. § 239 ZPO.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Rechtsgrundlage für die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes und die Rückforderung sind § 48 Abs.1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) i.V.m. § 330 Abs.3 Sozialgesetzbuch III (SGB III) und § 50 Abs.1 SGB X.
Gemäß § 48 Abs.1 Satz 1, 2 Nr.3 SGB X ist ein Verwaltungsakt aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. § 330 Abs.3 SGB III regelt, dass bei Vorliegen der in § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist. § 50 Abs.1 SGB X sieht vor, dass bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.
Die Beklagte hat die Jahresfrist des § 48 Abs.4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X eingehalten. Danach muss die Behörde die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen durchführen, die die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Jahresfrist hat mit dem Tag nach Eingang der Mitteilung des Rentenversicherungsträgers vom 23.03.2000 begonnen (§ 26 Abs.1 SGB X i.V.m. §§ 187, 188 Bürgerliches Gesetzbuch) und war noch nicht abgelaufen, als die Beklagte den angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 07.02.2001 erlassen hat.
Für die Vergangenheit kann eine Aufhebung regelmäßig nicht nach § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X i.V.m. § 330 SGB III erfolgen, da der Arbeitslose erst bösgläubig wird, wenn die ruhensbegründende Leistung bewilligt ist. Jedoch erlaubt § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.3 SGB X die Rücknahme für die Vergangenheit, wenn Einkommen oder Vermögen erzielt wird, das zur Minderung oder zum Wegfall der Sozialleistung führt.
Es ist hier unschädlich, dass sich die Beklagte auf eine unzutreffende Rechtsgrundlage stützt. Entscheidend ist, dass in den Vermögensverhältnissen des A.S. nach der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 30.01.1996 eine wesentliche Änderung eingetreten ist, da dem Kläger nachträglich ab dem 01.04.1992 eine italienische Rente bewilligt worden war. § 48 SGB X erfasst in Abgrenzung zu § 45 SGB X den Fall der nachträglichen Rechtswidrigkeit, und zwar auch dann, wenn die Änderung eine rückwirkende Änderung auf den Zeitpunkt des Erlasses oder davor bewirkt (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, Bundessozialgericht (BSG), Breithaupt 1980, 392). Dagegen richtet sich die Aufhebung nach § 45 SGB X, wenn nach Antragstellung, aber vor Erlass des aufzuhebenden Bescheids Einkommen zugeflossen ist und die Behörde dies nicht erfahren oder beachtet hat. Dieser Fall der ursprünglichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ist hier nicht gegeben.
Zu den relevanten wesentlichen Änderungen im Sinne des § 48 SGB X zählen auch Änderungen in wirtschaftlicher Hinsicht, die zu einer Änderung der Berechnung des Arbeitslosengeldanspruchs führen (BSG vom 21.03.1996, BSGE 78, 109 f.). Derartige Änderungen, wie im vorliegenden Fall der Bezug der italienischen Altersrente, sind wesentlich, weil der Verwaltungsakt vom 06.05.1996 nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden durfte. Denn der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht gemäß § 142 Abs.1 Nr.4 SGB III während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist (Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Auflage, § 48 Rdnr.12 m.w.N.). Die in Italien bewilligte Altersrente ist ebenso zu behandeln wie der Bezug einer deutschen Altersrente. Unerheblich ist dabei, ob bei der Höhe der italienischen Altersrente nur die italienischen Versicherungszeiten berücksichtigt worden sind (BSG, Urteil vom 29.10.1997, BSGE 81, 134 ff. = SozR 3-4100 § 142 Nr.2). Das BSG hat die Auslegung mit dem Gesetzeszweck begründet, jeglicher Doppelversorgung (zu Lasten der Versichertengemeinschaft) entgegen zu wirken, wobei diese durch eine ausländische Leistung ebenso eintrete wie durch eine inländische.
Zwar setzt § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.3 SGB X nach seinem Wortlaut voraus, dass das erzielte Einkommen oder Vermögen zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs führt, aber nach allgemeiner Meinung wird diese Vorschrift für den Fall des Ruhens des Anspruchs entsprechend angewendet. Denn dem Wegfall der Leistung steht es gleich, wenn sie lediglich zum Ruhen gekommen ist. Die Regelung beruht nämlich auf der Erwägung, dass die bewilligte Leistung dem Betroffenen nicht belassen werden soll, soweit Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das an die Stelle der Leistung treten kann (BSG vom 19.02.1986 SozR 1300 § 48 Nr.22, BSG vom 13.08.1986 SozR 1300 § 48 Nr.26).
Im vorliegenden Fall lag die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes nicht im Ermessen der Beklagten. Zwar enthält § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X als Regelfall die Aufhebung mit Wirkung ab Änderung der Verhältnisse, jedoch ist bei den Tatbeständen der Nr.1 bis 4 auch zu prüfen, ob ein sog. atypischer Fall vorliegt, der im Bezug auf die Sondersituation eine Ermessensentscheidung gebietet; der Verwaltung wird hier ein Ermessen eingeräumt, das sich auf die Frage erstreckt, was in atypischen Fällen zu geschehen hat (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, BSG vom 06.11.1985, BSGE 59, 111 f.; BSG vom 18.09.1991, BSGE 69, 233). Zu diesen atypischen Fällen gehören insbesondere von den Normalfällen der Tatbestände der Nrn.1 bis 4 so signifikant abweichende Nachteile, die eine besondere Bedrängnis des Antragstellers bei einer Aufhebung für die Vergangenheit erkennen lassen.
Dies kann jedoch im vorliegenden Fall offen bleiben, weil die Beklagte auf Grund der Sonderregelung des § 330 Abs.3 SGB III eine Ermessensprüfung nicht durchzuführen hat. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift Besonderheiten für die Arbeitsverwaltung geregelt, weil die Verwaltung die meisten Leistungen kurzfristig zu erbringen und vielfach ebenso kurzfristig wieder zu beenden hat, so dass Überzahlungen praktisch nicht mehr zu vermeiden sind. Der Normzweck dieser Regelung besteht darin, dass die Verwaltung bei der Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an auch in atypischen Fällen kein Ermessen ausüben muss, sondern eine gebundene Entscheidung zu treffen hat. Die Kläger können sich deshalb auch nicht darauf berufen, nicht bereichert zu sein.
Die Rücknahmemöglichkeit, die auf die Einkommenserzielung gründet, ist auf den Zahlbetrag der ruhensbegründenden Leistung beschränkt, weil es mit dem § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.3 SGB X zugrundeliegenden Vertrauensschutzgedanken nicht zu vereinbaren wäre, eine Erstattungspflicht (als Folge der Aufhebung) zu begründen, die über den Wert der Leistung hinausgeht, die die Rücknahmemöglichkeit eröffnet (Düe in Niesel, SGB III, § 142, Rdnr.15 m.w.N.). Das Arbeitslosengeld war im streitigen Zeitraum geringer als die Rente. Die Kläger sind deshalb gemäß § 50 Abs.1 SGB X zur Erstattung des zugeflossenen Arbeitslosengeldes verpflichtet. Auch hier ist eine Ermessenausübung durch die Beklagte nicht erforderlich.
Der Anspruch ist nicht verjährt, da vor der Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheides keine Verjährungsfrist lauft (§ 50 Abs.4 S.1 SGB X).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rückforderung der Beklagten gegen die Erben des A. A. (im folgenden A.S.) wegen nachträglicher Bewilligung einer italienischen Altersrente.
Die Kläger sind Rechtsnachfolger des 1932 geborenen und am 07.05.2003 verstorbenen, aus Italien stammenden Leistungsempfängers A.S. Dieser war vom 01.07.1985 bis 31.03.1994 bei der B. AG als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Er meldete sich am 30.01.1996 arbeitslos. Hierbei bestätigte er unterschriftlich, dass er das Merkblatt für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe.
Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 06.05.1996 Arbeitslosengeld vom 30.01.1996 bis zum 27.02.1997. Durch eine Anfrage der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erhielt sie am 02.02.2000 Kenntnis davon, dass A.S. rückwirkend ab dem 01.04.1992 eine italienische Altersrente bewilligt worden war, die er am 03.03.1997 beantragt hatte. Daraufhin forderte die Beklagte am 07.02.2000 eine Kopie des Rentenbescheides bei der BfA an, die am 21.02.2000 einging. Der BfA war weiter nicht bekannt, ob die Rentenzahlung bereits an A.S. erfolgt war. Am 23.03.2000 teilte die BfA mit, dass die Nachzahlung vom italienischen Versicherungsträger direkt an den Versicherten ausgezahlt worden sei. Die Zahlung erfolgte in zwei Raten am 27.10.1999 und am 13.12.1999.
Mit Schreiben vom 16.11.2000 hörte die Beklagte A.S. dazu an, dass er in der Zeit vom 30.01.1996 bis 27.02.1997 zu Unrecht Arbeitslosengeld in Höhe von 27.501,64 DM (entspricht 14.061,37 EUR) bezogen habe. Da die Nachzahlung der italienischen Rentenversicherung bereits an A.S. ausbezahlt worden sei, sei keine Verrechnung mit Arbeitslosengeld möglich. A.S. habe die Überzahlung verursacht, da er eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in seinen Verhältnissen nicht angezeigt habe.
Der Bevollmächtigte wandte hiergegen ein, dass A.S. vom zuständigen Rentenberater der BfA im Frühjahr 1997 die Empfehlung erhalten habe, vorsorglich auch bei der italienischen Rentenversicherung einen Antrag auf Rente zu stellen, da er jahrzehntelang in Italien gearbeitet hatte. Dies habe A.S. am 03.03.1997 getan, also zu einem Zeitpunkt, als der Bezug von Arbeitslosengeld bereits ausgelaufen war. Mehr als zwei Jahre nach Antragstellung habe er völlig überraschend im Juni 1999 den Rentenbescheid erhalten, in dem ihm eine Rente rückwirkend ab dem 60. Lebensjahr bewilligt wurde. Es könne also gar keine Rede davon sein, dass A.S. während des Bezugs von Arbeitslosengeld eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in seinen Verhältnissen "nicht angezeigt" habe. Die von der Beklagten bezogenen Leistungen habe er für seinen und seiner Familie laufenden Lebensunterhalt benötigt. Es sei deshalb nicht ersichtlich, inwieweit A.S. im Jahr 1996 und Anfang 1997 zu Unrecht Arbeitslosengeld bezogen haben solle.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.02.2001 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 30.01.1996 auf und verpflichtete den Kläger zur Erstattung der in Höhe von 27.501,64 DM eingetretenen Überzahlung.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte Widerspruch. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe nur während der Zeit, in der dem Arbeitslosen ein Anspruch auf eine Altersrente bereits zuerkannt sei. Die italienische Altersrente sei erst lange nach dem Ende der Arbeitslosigkeit zuerkannt worden. Auch lägen die Voraussetzungen einer Rücknahme des Arbeitslosengeldes nicht vor, insbesondere nicht für die Rücknahme auch für die Vergangenheit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei seiner Mitwirkungspflicht bezüglich der Mitteilung der italienischen Altersrente nicht nachgekommen.
Am 04.04.2001 hat A.S. durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage beim Sozialgericht München erhoben (S 40 AL 478/01). Es sei lebensfremd, dass ein im 65. Lebensjahr stehender Arbeitsloser wie der Kläger, der bereits zum damaligen Zeitpunkt gesundheitlich schwer angeschlagen war, mehr als ein Jahr nach Stellung seines Antrags auf Arbeitslosenhilfe und unterstellter Übergabe dieses Merkblattes sich daran erinnern sollte, dass er bei Antragstellung einer ausländischen Rente eine entsprechende Mitteilungspflicht zu machen habe, zumal für ihn der Bezug des Arbeitslosengeldes bei Antragstellung bereits ausgelaufen war. Noch lebensfremder sei es, dass er sich daran bei der weiteren, mehr als zwei Jahre später erfolgten rückwirkenden Gewährung der Altersrente erinnern könne. Das erhaltene Arbeitslosengeld habe er längst für den laufenden Lebensunterhalt ausgegeben. Mit dem Rentenbezug sei es ihm gelungen, einen Teil seiner Schulden zu tilgen. Rechtlich bestehe keine Anspruchsgrundlage für die Aufhebung des Verwaltungsaktes. Am 07.05.2003 ist A.S. verstorben. Die Witwe und die beiden Kinder seien nach italienischem Erbrecht zu gleichen Teilen Erben. Der Nachlass sei deutlich überschuldet. Das SG hat das Verfahren bis zur Klärung der Rechtsnachfolge ausgesetzt.
Am 16.01.2007 hat das Amtsgericht M. in der Nachlasssache A. J. A. mitgeteilt, dass die Witwe und die beiden Kinder und Erben sind. Daraufhin ist das Verfahren fortgesetzt worden. Der damalige Kläger sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Das Arbeitslosengeld sei auch vom Leistungsempfänger längst für den täglichen Lebensbedarf verbraucht worden, so dass eine Rückforderung unbillig sei. Auf Grund der langen Arbeitslosigkeit des vormaligen Klägers sei kein Vermögen vorhanden, auf das zurückgegriffen werden konnte. Des Weiteren werden besondere Belastungen in den Jahren vor dem Tode des vormaligen Klägers genannt (83.349,49 EUR). Auch der Nachlass sei überschuldet gewesen. Die Beklagte habe es versäumt, darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Rückforderung von Leistungen aus der Vergangenheit um eine Ermessensentscheidung handle. Ein neuer Bescheid könne wegen Ablaufs der Jahresfrist nicht mehr erlassen werden. Die Beklagte habe bereits am 02.02.2000 Kenntnis vom Bezug der italienischen Rente gehabt, der Rückforderungsbescheid datiere jedoch vom 07.02.2001, dem Bevollmächtigten sei er am 14.02.2001 zugegangen. Im Übrigen sei die Forderung mittlerweile verjährt. Eine Rückforderung von den Erben nach deutschem Recht sei nicht möglich, da der vormalige Erblasser nach italienischem Recht beerbt worden sei.
Das SG hat am 18.01.2007 (auf Antrag der Beklagten) das Verfahren aufgenommen (§ 40 AL 112/07) und die Klage mit Urteil vom 25.05.2007 abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung (§ 48 SGB X) seien erfüllt, da in den Verhältnissen, die bei der Bewilligung zu Grunde gelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Während der Zeit, in der A.S. eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt war, habe der Anspruch auf Arbeitslosengeld geruht. Die in Italien bewilligte Altersrente sei ebenso zu behandeln wie der Bezug einer deutschen Altersrente. Unerheblich sei dabei, ob bei der Höhe der italienischen Altersrente nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur die italienischen Versicherungszeiten berücksichtigt worden seien Die Beklagte habe kein Ermessen auszuüben gehabt. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung der Regelung über die Rücknahme der Leistungsbewilligung wegen nachträglicher Erzielung eines Einkommens seien erfüllt. Die entsprechende Anwendung des Gesetzes auf den gesetzlich nicht erfassten Sachverhalt des Ruhens sei geboten, weil die Regelungsabsicht des Gesetzgebers auch diesen Fall hätte mit einbeziehen müssen. Ob A.S. diese Rechtslage erkennen konnte, sei unerheblich, da es für die Aufhebung weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit ankomme. Auch die Frist für die rückwirkende Rücknahme sei eingehalten. Diese habe nicht schon mit der Anfrage der BfA vom 28.01.2000 zu laufen begonnen. Die Beklagte habe nicht vor der Mitteilung der BfA vom 23.03.2000 Kenntnis davon gehabt, dass der italienische Versicherungsträger die Nachzahlung bereits direkt an A.S. ausgezahlt hatte. Auch eine Verjährung des Anspruchs sei nicht eingetreten, da der Erstattungsanspruch erst mit Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides entstanden, und die Verjährung bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes gehemmt sei.
Der Klägerbevollmächtigte hat gegen das Urteil am 25.07.2007 Berufung eingelegt. Bei der rückwirkenden Aufhebung handle es sich um eine Ermessensentscheidung, da ein sogenannter atypischer Fall vorliege. Des Weiteren sei die Jahresfrist bereits abgelaufen. Die Beklagte habe bereits seit 02.02.2000 davon Kenntnis gehabt, dass der Verstorbene eine italienische Rente erhalten habe.
Der Bevollmächtigte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.05.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 07.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Rechtsmeinung, dass die Einjahresfrist eingehalten ist. Des Weiteren handle es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass kein Ermessen auszuüben sei.
Mit Schreiben vom 14.05.2008 hat der Senat die Beteiligten zur Entscheidung durch Beschluss angehört. Die Beklagte ist hiermit einverstanden gewesen. Die Kläger haben sich hierzu nicht geäußert.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des SG Bezug genommen.
II.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1, 151 SGG). Der Senat kann gemäß § 153 Abs.4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind gehört worden. Die Erben des Verstorbenen sind als Rechtsnachfolger prozessführungsbefugt, § 202 SGG i.V.m. § 239 ZPO.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Rechtsgrundlage für die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes und die Rückforderung sind § 48 Abs.1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) i.V.m. § 330 Abs.3 Sozialgesetzbuch III (SGB III) und § 50 Abs.1 SGB X.
Gemäß § 48 Abs.1 Satz 1, 2 Nr.3 SGB X ist ein Verwaltungsakt aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. § 330 Abs.3 SGB III regelt, dass bei Vorliegen der in § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist. § 50 Abs.1 SGB X sieht vor, dass bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.
Die Beklagte hat die Jahresfrist des § 48 Abs.4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X eingehalten. Danach muss die Behörde die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen durchführen, die die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Jahresfrist hat mit dem Tag nach Eingang der Mitteilung des Rentenversicherungsträgers vom 23.03.2000 begonnen (§ 26 Abs.1 SGB X i.V.m. §§ 187, 188 Bürgerliches Gesetzbuch) und war noch nicht abgelaufen, als die Beklagte den angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 07.02.2001 erlassen hat.
Für die Vergangenheit kann eine Aufhebung regelmäßig nicht nach § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X i.V.m. § 330 SGB III erfolgen, da der Arbeitslose erst bösgläubig wird, wenn die ruhensbegründende Leistung bewilligt ist. Jedoch erlaubt § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.3 SGB X die Rücknahme für die Vergangenheit, wenn Einkommen oder Vermögen erzielt wird, das zur Minderung oder zum Wegfall der Sozialleistung führt.
Es ist hier unschädlich, dass sich die Beklagte auf eine unzutreffende Rechtsgrundlage stützt. Entscheidend ist, dass in den Vermögensverhältnissen des A.S. nach der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 30.01.1996 eine wesentliche Änderung eingetreten ist, da dem Kläger nachträglich ab dem 01.04.1992 eine italienische Rente bewilligt worden war. § 48 SGB X erfasst in Abgrenzung zu § 45 SGB X den Fall der nachträglichen Rechtswidrigkeit, und zwar auch dann, wenn die Änderung eine rückwirkende Änderung auf den Zeitpunkt des Erlasses oder davor bewirkt (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, Bundessozialgericht (BSG), Breithaupt 1980, 392). Dagegen richtet sich die Aufhebung nach § 45 SGB X, wenn nach Antragstellung, aber vor Erlass des aufzuhebenden Bescheids Einkommen zugeflossen ist und die Behörde dies nicht erfahren oder beachtet hat. Dieser Fall der ursprünglichen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ist hier nicht gegeben.
Zu den relevanten wesentlichen Änderungen im Sinne des § 48 SGB X zählen auch Änderungen in wirtschaftlicher Hinsicht, die zu einer Änderung der Berechnung des Arbeitslosengeldanspruchs führen (BSG vom 21.03.1996, BSGE 78, 109 f.). Derartige Änderungen, wie im vorliegenden Fall der Bezug der italienischen Altersrente, sind wesentlich, weil der Verwaltungsakt vom 06.05.1996 nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden durfte. Denn der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht gemäß § 142 Abs.1 Nr.4 SGB III während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist (Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Auflage, § 48 Rdnr.12 m.w.N.). Die in Italien bewilligte Altersrente ist ebenso zu behandeln wie der Bezug einer deutschen Altersrente. Unerheblich ist dabei, ob bei der Höhe der italienischen Altersrente nur die italienischen Versicherungszeiten berücksichtigt worden sind (BSG, Urteil vom 29.10.1997, BSGE 81, 134 ff. = SozR 3-4100 § 142 Nr.2). Das BSG hat die Auslegung mit dem Gesetzeszweck begründet, jeglicher Doppelversorgung (zu Lasten der Versichertengemeinschaft) entgegen zu wirken, wobei diese durch eine ausländische Leistung ebenso eintrete wie durch eine inländische.
Zwar setzt § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.3 SGB X nach seinem Wortlaut voraus, dass das erzielte Einkommen oder Vermögen zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs führt, aber nach allgemeiner Meinung wird diese Vorschrift für den Fall des Ruhens des Anspruchs entsprechend angewendet. Denn dem Wegfall der Leistung steht es gleich, wenn sie lediglich zum Ruhen gekommen ist. Die Regelung beruht nämlich auf der Erwägung, dass die bewilligte Leistung dem Betroffenen nicht belassen werden soll, soweit Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das an die Stelle der Leistung treten kann (BSG vom 19.02.1986 SozR 1300 § 48 Nr.22, BSG vom 13.08.1986 SozR 1300 § 48 Nr.26).
Im vorliegenden Fall lag die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes nicht im Ermessen der Beklagten. Zwar enthält § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X als Regelfall die Aufhebung mit Wirkung ab Änderung der Verhältnisse, jedoch ist bei den Tatbeständen der Nr.1 bis 4 auch zu prüfen, ob ein sog. atypischer Fall vorliegt, der im Bezug auf die Sondersituation eine Ermessensentscheidung gebietet; der Verwaltung wird hier ein Ermessen eingeräumt, das sich auf die Frage erstreckt, was in atypischen Fällen zu geschehen hat (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, BSG vom 06.11.1985, BSGE 59, 111 f.; BSG vom 18.09.1991, BSGE 69, 233). Zu diesen atypischen Fällen gehören insbesondere von den Normalfällen der Tatbestände der Nrn.1 bis 4 so signifikant abweichende Nachteile, die eine besondere Bedrängnis des Antragstellers bei einer Aufhebung für die Vergangenheit erkennen lassen.
Dies kann jedoch im vorliegenden Fall offen bleiben, weil die Beklagte auf Grund der Sonderregelung des § 330 Abs.3 SGB III eine Ermessensprüfung nicht durchzuführen hat. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift Besonderheiten für die Arbeitsverwaltung geregelt, weil die Verwaltung die meisten Leistungen kurzfristig zu erbringen und vielfach ebenso kurzfristig wieder zu beenden hat, so dass Überzahlungen praktisch nicht mehr zu vermeiden sind. Der Normzweck dieser Regelung besteht darin, dass die Verwaltung bei der Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an auch in atypischen Fällen kein Ermessen ausüben muss, sondern eine gebundene Entscheidung zu treffen hat. Die Kläger können sich deshalb auch nicht darauf berufen, nicht bereichert zu sein.
Die Rücknahmemöglichkeit, die auf die Einkommenserzielung gründet, ist auf den Zahlbetrag der ruhensbegründenden Leistung beschränkt, weil es mit dem § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.3 SGB X zugrundeliegenden Vertrauensschutzgedanken nicht zu vereinbaren wäre, eine Erstattungspflicht (als Folge der Aufhebung) zu begründen, die über den Wert der Leistung hinausgeht, die die Rücknahmemöglichkeit eröffnet (Düe in Niesel, SGB III, § 142, Rdnr.15 m.w.N.). Das Arbeitslosengeld war im streitigen Zeitraum geringer als die Rente. Die Kläger sind deshalb gemäß § 50 Abs.1 SGB X zur Erstattung des zugeflossenen Arbeitslosengeldes verpflichtet. Auch hier ist eine Ermessenausübung durch die Beklagte nicht erforderlich.
Der Anspruch ist nicht verjährt, da vor der Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheides keine Verjährungsfrist lauft (§ 50 Abs.4 S.1 SGB X).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
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