Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 5046/03 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 305/05
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 19.07.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des aufgrund des Unfalles vom 22.02.2002 zu gewährenden Verletztengeldes.
Der 1968 geborene Kläger ist Nebenerwerbsforstwirt; er bewirtschaftet eine Forstfläche von 0,54 ha. Hauptberuflich arbeitet er als selbständiger Bezirkskaminkehrermeister.
Bei einer Tätigkeit im Forst erlitt er am 22.02.2002 einen Unfall, der von der Beklagten mit Bescheid vom 20.06.2002 als Arbeitsunfall anerkannt wurde. In diesem Bescheid berechnete die Beklagte für die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit vom 22.02.2002 bis 30.03.2002 das Verletztengeld auf der Basis des Mindest-Jahresarbeitsverdienstes von 16.884,00 EUR in Höhe von 37,52 EUR täglich, so dass sich ein Gesamtbetrag von 1.388,24 EUR ergab.
Der Kläger legte eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 sowie betriebswirt-
schaftliche Kurzberichte seiner Steuerberaterin für Februar und März 2002 vor. Daraus ergab sich im Februar ein Betriebsergebnis von 21.153,27 EUR, im März ein Betriebsergebnis von 14.734,78 EUR. Außerdem legte der Kläger eine Rechnung seines Vertreters in Höhe von 11.507,20 EUR sowie einen Mehraufwand bei seinen Mitarbeitern in Höhe von 752,24 EUR vor. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.07.2003 die Gewährung eines höheren Verletztengeldes ab, da auf das unter Zugrundelegung des ausweislich des Steuerbescheides im Jahre 2001 erzielten Einkommens berechnete Verletztengeld das vom Kläger erzielte Einkommen anzurechnen sei, das den Verletztengeldanspruch übersteige. Ein weiterer Anspruch auf Verletztengeld bestehe demnach nicht. Den vom Kläger eingelegten Widerspruch, in dem er auf die Kosten durch den Stellvertreter hinwies, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2003 zurück.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 01.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2003 aufzuheben und dem Kläger Verletztengeld nach dem Höchstsatz zuzusprechen. Er wies auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 560 Abs.1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) hin. Eine Anrechnung des erzielten Arbeitseinkommens dürfe nicht erfolgen. Die Beklagte hat ergänzend darauf hingewiesen, dass ein Verletztengeldanspruch des Klägers auch gemäß § 23 der Satzung der Beklagten i.V.m. § 46 Abs.2 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII) ausgeschlossen sei, da der Kläger bei einer privaten Versicherung gegen Krankheit versichert sei, nicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld. Damit bestehe während der ersten sechs Wochen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch auf Verletztengeld. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.07.2005 abgewiesen. Nachdem ein Anspruch auf Verletztengeld mit Bescheid vom 20.06.2002 für den Zeitraum von 22.02. bis 30.03.2002 anerkannt worden sei, könne sich die Beklagte nicht mehr auf § 23 ihrer Satzung berufen. Ein weiter gehender Anspruch auf Verletztengeld bestehe jedoch nicht, da das vom Kläger erzielte Arbeitseinkommen gemäß § 52 Nr.1 SGB VII auf den Anspruch auf Verletztengeld anzurechnen sei.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Anrechnungsvorschrift des § 52 Nr.1 SGB VII sei nicht anwendbar. Arbeitnehmer und Selbständige seien gleich zu behandeln, so dass die Vorschrift zugunsten des Klägers restriktiv auszulegen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 19.07.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom
22.02.2002 bis zum 30.03.2002 Verletztengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Klageakten beider Instanzen sowie die beigezogene Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines höheren Verletztengeldes.
Nach § 46 Abs. 2 SGB VII in Verbindung mit § 23 der Satzung der Beklagten (Satzung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Schwaben in der Fassung vom 01.08.2001) ist Verletztengeld für ohne Anspruch auf Krankengeld versicherte Unternehmer erst ab der siebten Woche nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu gewähren. Während dieser sog. Wartezeit verbietet der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (§ 31 SGB I) Leistungen. Da der Kläger privat krankenversichert ist, schließt
§ 23 der Satzung einen Krankengeldanspruch im Zeitraum vom 22.02.2002 bis 30.03.2002, also für die ersten fünf Wochen nach dem Arbeitsunfall, aus. Die Berufung ist damit unbegründet.
Es kommt nicht darauf an, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid rechtlich unzutreffend begründete und erst im Klageverfahren die zutreffende Begründung nachschob. Nach allgemeiner Auffassung ist ein Nachschieben von Gründen, insbesondere auch das Nachschieben einer anderen Rechtsgrundlage, im Gerichtsverfahren zulässig, weil das Gericht von Amts wegen eine umfassende Rechtsprüfung durchführen muss (Schütze in: v. Wulffen, SGB X, § 41 Rn 12).
Der Kläger hat auch aus anderen Rechtsgrundlagen keinen Anspruch auf ein höheres Krankengeld.
Der rechtswidrige Ausgangsbescheid vom 20.06.2002 gibt dem Kläger keinen Anspruch auf ein höheres Verletztengeld. Zwar ist dieser begünstigende Verwaltungsakt nach § 45 Abs. 2 SGB X nicht mehr rücknehmbar, weil das Vertrauen des Klägers nach der Wertung des Gesetzgebers insoweit als schutzwürdig gilt und Vorrang vor dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, konkret des Vorbehalts des Gesetzes (§ 31 SGB I) in Hinblick auf § 23 der Satzung, hat. Aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes kann jedoch kein Anspruch auf weitere, nicht im Verfügungssatz des Bescheides vom 20.06.2002 enthaltene Leistungen abgeleitet werden. Ein schützenswertes Vertrauen konnte nur im Regelungsbereich des Bescheides entstehen, nicht hinsichtlich anderer, künftiger Regelungen. Damit scheidet bereits ein Anspruch auf Neuberechnung des Verletztengeldes aus (vgl. auch Schütze, a.a.O., § 48 Rn 30 m.w.N.).
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass der Kläger gegen den Grundsatz des venire contra factum proprium verstößt, wenn er die Beklagte einerseits an der rechtswidrigen, ihm günstigen Entscheidung, Verletztengeld zu zahlen, festhalten will, andererseits aber verlangt, dass die rechtswidrige, ihm ungünstige Entscheidung hinsichtlich der Leistungshöhe zu seinen Gunsten unter Missachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes revidiert wird.
Im Ergebnis hat der Kläger keinen Anspruch auf ein höheres Verletztengeld. Die Frage der Berechnung nach § 52 SGB VII ist damit nicht entscheidungsrelevant.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund vorliegt.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des aufgrund des Unfalles vom 22.02.2002 zu gewährenden Verletztengeldes.
Der 1968 geborene Kläger ist Nebenerwerbsforstwirt; er bewirtschaftet eine Forstfläche von 0,54 ha. Hauptberuflich arbeitet er als selbständiger Bezirkskaminkehrermeister.
Bei einer Tätigkeit im Forst erlitt er am 22.02.2002 einen Unfall, der von der Beklagten mit Bescheid vom 20.06.2002 als Arbeitsunfall anerkannt wurde. In diesem Bescheid berechnete die Beklagte für die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit vom 22.02.2002 bis 30.03.2002 das Verletztengeld auf der Basis des Mindest-Jahresarbeitsverdienstes von 16.884,00 EUR in Höhe von 37,52 EUR täglich, so dass sich ein Gesamtbetrag von 1.388,24 EUR ergab.
Der Kläger legte eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 sowie betriebswirt-
schaftliche Kurzberichte seiner Steuerberaterin für Februar und März 2002 vor. Daraus ergab sich im Februar ein Betriebsergebnis von 21.153,27 EUR, im März ein Betriebsergebnis von 14.734,78 EUR. Außerdem legte der Kläger eine Rechnung seines Vertreters in Höhe von 11.507,20 EUR sowie einen Mehraufwand bei seinen Mitarbeitern in Höhe von 752,24 EUR vor. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.07.2003 die Gewährung eines höheren Verletztengeldes ab, da auf das unter Zugrundelegung des ausweislich des Steuerbescheides im Jahre 2001 erzielten Einkommens berechnete Verletztengeld das vom Kläger erzielte Einkommen anzurechnen sei, das den Verletztengeldanspruch übersteige. Ein weiterer Anspruch auf Verletztengeld bestehe demnach nicht. Den vom Kläger eingelegten Widerspruch, in dem er auf die Kosten durch den Stellvertreter hinwies, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2003 zurück.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 01.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2003 aufzuheben und dem Kläger Verletztengeld nach dem Höchstsatz zuzusprechen. Er wies auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 560 Abs.1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) hin. Eine Anrechnung des erzielten Arbeitseinkommens dürfe nicht erfolgen. Die Beklagte hat ergänzend darauf hingewiesen, dass ein Verletztengeldanspruch des Klägers auch gemäß § 23 der Satzung der Beklagten i.V.m. § 46 Abs.2 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII) ausgeschlossen sei, da der Kläger bei einer privaten Versicherung gegen Krankheit versichert sei, nicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld. Damit bestehe während der ersten sechs Wochen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch auf Verletztengeld. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.07.2005 abgewiesen. Nachdem ein Anspruch auf Verletztengeld mit Bescheid vom 20.06.2002 für den Zeitraum von 22.02. bis 30.03.2002 anerkannt worden sei, könne sich die Beklagte nicht mehr auf § 23 ihrer Satzung berufen. Ein weiter gehender Anspruch auf Verletztengeld bestehe jedoch nicht, da das vom Kläger erzielte Arbeitseinkommen gemäß § 52 Nr.1 SGB VII auf den Anspruch auf Verletztengeld anzurechnen sei.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Anrechnungsvorschrift des § 52 Nr.1 SGB VII sei nicht anwendbar. Arbeitnehmer und Selbständige seien gleich zu behandeln, so dass die Vorschrift zugunsten des Klägers restriktiv auszulegen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 19.07.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom
22.02.2002 bis zum 30.03.2002 Verletztengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Klageakten beider Instanzen sowie die beigezogene Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines höheren Verletztengeldes.
Nach § 46 Abs. 2 SGB VII in Verbindung mit § 23 der Satzung der Beklagten (Satzung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Schwaben in der Fassung vom 01.08.2001) ist Verletztengeld für ohne Anspruch auf Krankengeld versicherte Unternehmer erst ab der siebten Woche nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu gewähren. Während dieser sog. Wartezeit verbietet der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (§ 31 SGB I) Leistungen. Da der Kläger privat krankenversichert ist, schließt
§ 23 der Satzung einen Krankengeldanspruch im Zeitraum vom 22.02.2002 bis 30.03.2002, also für die ersten fünf Wochen nach dem Arbeitsunfall, aus. Die Berufung ist damit unbegründet.
Es kommt nicht darauf an, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid rechtlich unzutreffend begründete und erst im Klageverfahren die zutreffende Begründung nachschob. Nach allgemeiner Auffassung ist ein Nachschieben von Gründen, insbesondere auch das Nachschieben einer anderen Rechtsgrundlage, im Gerichtsverfahren zulässig, weil das Gericht von Amts wegen eine umfassende Rechtsprüfung durchführen muss (Schütze in: v. Wulffen, SGB X, § 41 Rn 12).
Der Kläger hat auch aus anderen Rechtsgrundlagen keinen Anspruch auf ein höheres Krankengeld.
Der rechtswidrige Ausgangsbescheid vom 20.06.2002 gibt dem Kläger keinen Anspruch auf ein höheres Verletztengeld. Zwar ist dieser begünstigende Verwaltungsakt nach § 45 Abs. 2 SGB X nicht mehr rücknehmbar, weil das Vertrauen des Klägers nach der Wertung des Gesetzgebers insoweit als schutzwürdig gilt und Vorrang vor dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, konkret des Vorbehalts des Gesetzes (§ 31 SGB I) in Hinblick auf § 23 der Satzung, hat. Aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes kann jedoch kein Anspruch auf weitere, nicht im Verfügungssatz des Bescheides vom 20.06.2002 enthaltene Leistungen abgeleitet werden. Ein schützenswertes Vertrauen konnte nur im Regelungsbereich des Bescheides entstehen, nicht hinsichtlich anderer, künftiger Regelungen. Damit scheidet bereits ein Anspruch auf Neuberechnung des Verletztengeldes aus (vgl. auch Schütze, a.a.O., § 48 Rn 30 m.w.N.).
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass der Kläger gegen den Grundsatz des venire contra factum proprium verstößt, wenn er die Beklagte einerseits an der rechtswidrigen, ihm günstigen Entscheidung, Verletztengeld zu zahlen, festhalten will, andererseits aber verlangt, dass die rechtswidrige, ihm ungünstige Entscheidung hinsichtlich der Leistungshöhe zu seinen Gunsten unter Missachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes revidiert wird.
Im Ergebnis hat der Kläger keinen Anspruch auf ein höheres Verletztengeld. Die Frage der Berechnung nach § 52 SGB VII ist damit nicht entscheidungsrelevant.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund vorliegt.
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