L 20 R 271/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 4362/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 271/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 R 23/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozial-
gerichts B-Stadt vom 12.03.2007 wird zurückgewiesen

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Einbehaltung eines höhere Krankenversicherungsbeitrags von der Witwerrente ab 01.04.2006 streitig.

Dem 1947 geborenen Kläger bewilligte die Beklagte mit Rentenbescheid vom 06.06.2005 eine große Witwerrente für die Zeit ab 01.05.2005 in Höhe von monatlich 520,84 EUR mit laufender Zahlung ab 01.08.2005 (nach Abzug des hälftigen Krankenversicherungsbeitrags von 40,02 EUR, des zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags in Höhe von 5,18 EUR und des Pflegeversicherungsbeitrags in Höhe von 9,79 EUR).

Mit Bescheid vom 06.02.2006 berechnete die Beklagte die bisher gezahlte Rente ab 01.04.2006 neu, da ein anderer Beitragssatz zur Krankenversicherung maßgebend sei. Ab 01.04.2006 ergebe sich ein Zahlbetrag in Höhe von 519,40 EUR; der hälftige Krankenversicherungsbeitrag betrage nunmehr 41,46 EUR. Den hiergegen am 03.03.2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2006 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 31.08.2006 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und den Widerspruchsbescheid mit dem Stempel "Eingegangen 31.Juli 2006" übersandt. Auf Veranlassung des SG hat die Beklagte mitgeteilt, dass bereits durch Bescheid vom 06.06.2005 ein KV-Beitrag des Klägers in Höhe von 40,02 EUR, ein zusätzlicher KV-Beitrag in Höhe von 5,18 EUR und ein PV-Beitrag in Höhe von 9,79 EUR einbehalten worden war. Durch den Bescheid vom 06.02.2006 habe sich nur der erste KVBeitrag geändert.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.03.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Die AOK Hessen, der der Kläger offenbar angehöre, habe ihren allgemeinen Beitragssatz zum 01.01.2006 auf 14,4 % angehoben. Entsprechend habe die Beklagte auf der Grundlage des § 255 Abs 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Beitragssatzänderung mit Wirkung zum 01.04.2006 berücksichtigt und die Rente neu berechnet.

Hiergegen richtet sich die beim SG am 23.03.2007 und beim BayLSG am 29.3.2007 eingegangene Berufung des Klägers. Unter Bezugnahme auf die bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung seien die Abzüge infolge der Unterschreitung des Existenzminimums unzulässig.

Mit Beschluss vom 05.03.2008 hat das Gericht die AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen - Regionaldirektion West - zum Verfahren gemäß § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.03.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 06.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2006 abzuändern und die zusätzlich entrichteten Krankenversicherungsbeiträge zurückzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Mit Schriftsatz vom 21.05.2008 bestätigt die Beigeladene, dass der Kläger seit 01.05.2005 bei ihr Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner ist. Sie habe den allgemeinen Beitragssatz zum 01.01.2006 auf 14,4 % angepasst. Die Beitragssatzänderung in der Krankenversicherung sei im Hinblick auf die Regelung des § 247 Abs 1 Satz 2 SGB V für den Kläger ab 01.04.2006 zu berücksichtigen.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten (Bände 1-7) und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte verwiesen

Entscheidungsgründe:
:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 06.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG.

Die Neuberechnung der bisher gezahlten Witwerrente für die Zeit ab 01.04.2006 durch die Beklagte mit Bescheid vom 06.02.2006 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beigeladene, der der Kläger angehört, hat nämlich ab 01.01.2006 ihren Beitragssatz auf 14,4 % erhöht. Nach § 247 Abs 1 Satz 2 SGB V gilt diese Beitragssatzänderung jeweils vom ersten Tag des dritten auf die Veränderung folgenden Kalendermonats an. Im vorliegenden Fall beträgt daher der hälftige Krankenversicherungsbeitrag ab 01.04.2006 41,46 EUR anstatt bisher 40,02 EUR.

Gemäß § 255 Abs 1 Satz 1 SGB V sind die Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen zu zahlen. Bei einer Änderung in der Höhe der Beiträge nach Satz 1 ist die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung nicht erforderlich, Satz 2.

Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Abs 1 unterblieben, sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; § 51 Abs 2 des Ersten Buches gilt entsprechend, § 255 Abs 2 Satz 1 SGB V.

Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig i.S. der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird, § 51 Abs 2 SGB I.

Der Einwand des Klägers, die Abzüge seien infolge der Unterschreitung des Existenzminimums unzulässig, vermag nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass § 255 SGB V nicht an den Begriff des "Existenzminimums" anknüpft, nimmt lediglich Abs 2 des § 255 SGB V auf den Begriff der "Hilfebedürftigkeit" Bezug.

Während demnach bei der Einbehaltung rückständiger Beiträge i.S. des Abs 2 des § 255 SGB V die Grenze der Hilfebedürftigkeit i.S. der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu beachten ist, fehlt im Wortlaut des Abs 1 des § 255 SGB V diese Begrenzung. Somit lässt sich sowohl dem Wortlaut als auch der Systematik der Absätze 1 und 2 des § 255 SGB V entnehmen, dass beim laufenden Einbehalt von (nicht rückständigen) Beiträgen aus der Rente - wie im vorliegenden Fall - eine dadurch möglicherweise entstehende Hilfebedürftigkeit im o.g. Sinn nicht zu prüfen ist. Ggf. kommen die im Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Leistungen in Betracht.

Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Regelung bestehen nicht. Der Einbehalt des erhöhten KV-Beitrags ist rechtmäßig, ein Nachzahlungsanspruch besteht daher nicht.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ist gemäß § 153 Abs 2 SGG abzusehen, weil die Berufung im Übrigen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen ist.

Die Kostenfolge beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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