S 26 KA 4/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
26
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 26 KA 4/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
hat die 26. Kammer des Sozialgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 07.11.2008 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht Dr. Jung sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Deyng und den ehrenamtlichen Richter Hensch für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Sonderbedarfszulassung der Klägerin für das Gebiet Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde in Wachtberg (Rhein-Sieg-Kreis). Die Klägerin, Jahrgang 1962, ist Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (im Folgenden: HNO). Sie führt die Zusatzbezeichnung Allergologie und ist seit Oktober 2007 im Rahmen einer Privatarztpraxis in Wachtberg tätig. Mit Schreiben vom 13.11.2006 beantragte sie beim Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) in Köln eine Sonderbedarfszulassung als HNO-Ärztin in Wachtberg. Dort bestehe nachweislich ein lokaler Versorgungsbedarf im HNO-ärztlichen Bereich. Die Gemeinde Wachtberg allein verzeichne eine Einwohnerzahl von 20.000 Einwohnern; dort sei jedoch bislang kein HNO-Arzt niedergelassen. Lediglich in Meckenheim seien eine HNO-Ärztin sowie in der Stadt Rheinbach zwei HNO-Ärzte vorhanden. Eine unmittelbare Anbindung der Gemeinde Wachtberg an Rheinbach sei über den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) nicht gegeben. Die Verbindungsmöglichkeiten des ÖPNV von Wachtberg nach Meckenheim seien unzureichend. Bei der Prüfung des besonderen lokalen Versorgungsbedarfs müsse im Übrigen der Planungsbereich der kreisfreien Stadt Bonn außer Betracht bleiben. Die Beigeladene KVNO (Beigeladene zu 5) nahm zu dem Antrag wie folgt Stellung: Zwar sei in Wachtberg kein HNO-Arzt niedergelassen, im Nachbarort Meckenheim jedoch Frau Dr ... Diese behandele eine deutlich unter dem Arztgruppendurchschnitt liegende Anzahl an Patienten und habe sich bereits in der Vergangenheit gegenüber der Kreisstelle in dem Sinne geäußert, dass sie völlig problemlos auch deutlich mehr als die bisherigen Patienten versorgen könne. Insgesamt seien im zumutbaren Erreichbarkeitsraum Wachtberg, Rheinbach und Meckenheim drei HNO-Ärzte niedergelassen. Bei einer Gesamteinwohnerzahl dieser Orte von circa 71.500 sei dieser Versorgungsbedarf durch die vorhandenen drei Sitze sichergestellt. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte Köln aus der Sitzung vom 28.03.2007 wurde der Antrag der Klägerin schließlich abgelehnt. Zur Begründung stützte sich der Zulassungsausschuss im Wesentlichen auf die Stellungnahme der KVNO. Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch erhoben und geltend gemacht, eine eigentliche Bedarfsermittlung sei nicht vorgenommen worden. Von Wachtberg aus sei Rheinbach mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen. Auf die Äußerungen der HNO-Ärztin in Meckenheim dürfe der Zulassungsausschuss seine Entscheidung allein nicht stützen. Denn die Angaben der potentiellen künftigen Konkurrenten des Bewerbers um einen zusätzlichen Praxissitz seien nicht ohne Weiteres als Entscheidungsgrundlage geeignet, sondern müssten sorgfältig ausgewertet und durch weitere eigene Ermittlungen ergänzt und objektiviert werden. Eine aktuelle Befragung der HNO-Ärztin aus Meckenheim sei unterblieben. Deren Abrechnungsdaten seien ebenso wenig geprüft worden wie die Ursachen der vermeintlich geringen Praxisauslastung in Meckenheim. Dabei sei es durchaus denkbar, dass z. B. die täglichen Sprechzeiten der Ärztin in Meckenheim mit lediglich zwei bis maximal vier Stunden einfach zu gering bemessen seien, um eine größere Fallzahl zu versorgen. Aus einer Stellungnahme der Gemeinde Wachtberg vom 13.08.2007 ergibt sich, dass von Wachtberg nach Meckenheim folgende Busverbindungen bestehen: 10.46, 12.46, 14.52, 15.46, 16.46 Uhr; von Meckenheim nach Wachtberg: 14.27, 14.52, 15.31, 15.54 Uhr. Die ÖPNV-Verbindung nach Rheinbach sei noch deutlich schlechter. Während man von den Ortschaften Villip und Pech noch ganz wenige direkte Verbindungen nach Rheinbach habe, sei es von den übrigen acht Ortschaften in Wachtberg nicht möglich, direkt nach Rheinbach zu gelangen. In der Folgezeit befragte der Beklagte die HNO-Ärztin Dr ... aus Meckenheim und erhielt folgende Antworten: Freie Kapazitäten für HNO-Leistungen bestünden in ihrer Praxis (außer für operative Leistungen) für das gesamte Spektrum. Die Sprechzeiten von jeweils zwei Stunden am Vor- und Nachmittag ließen reichlich Spielraum für ausführliche Gespräche und entsprechend langsam und über das übliche hinaus geführte gründliche Untersuchungen. Auch entstünden öfter Leerzeiten. Eine statistische Erfassung der Patienten nach Wohnort sei leider nicht möglich. Ihrer Schätzung zufolge stammten jedoch 15 bis 20 Prozent ihrer Patienten aus Wachtberg. Wartezeiten ergäben sich selten, maximal 15 Minuten, was häufig von den Patienten als besonders patientenfreundlich empfunden werde. Die Mehrzahl der Patienten reise mit dem PKW an, zumal Am Neuen Markt reichlich Parkmöglichkeiten gegeben seien. Öffentliche Verkehrsmittel (Busse) pendelten in den Hauptgeschäftszeiten im 1/2-Stunden-Takt, in der Mittagszeit im Stunden-Takt. Das Angebot sei hinreichend, die maximale Entfernung Wohnung-Praxis betrage circa 8 Kilometer. Die Bushaltestellen Am Neuen Markt seien gut zu erreichen. Die KVNO hat im Widerspruchsverfahren ausgeführt, dringliche Fälle könnten von Frau Dr ... aus Meckenheim bezüglich Patienten aus Wachtberg unmittelbar behandelt werden, weniger dringliche Fälle mit kurzer Wartezeit (Tagebereich). Eine Anfrage der KVNO bei einem der in Rheinbach niedergelassenen HNO-Ärzte, Herrn Dr ..., habe ergeben, dass ein nicht unerheblicher Teil seiner Patienten in Wachtberg ansässig sei. Es bestehe zwischen Wachtberg und Rheinbach eine als gut zu bezeichnende Verkehrsanbindung von circa 15 Straßenkilometern über eine gut ausgebaute Landstraße und eine Bundesautobahn. Die in Meckenheim niedergelassene Frau Dr ... behandele nach Einsicht in die Frequenztabellen eine deutlich unter dem Arztgruppendurchschnitt liegende Anzahl an Patienten und habe sich in der Vergangenheit mehrfach in dem Sinne geäußert, dass sie völlig problemlos auch deutlich mehr als die bisherigen Patienten versorgen könne. Im zumutbaren Erreichbarkeitsraum seien insgesamt drei HNO-Ärzte niedergelassen. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von Wachtberg, Rheinbach und Meckenheit von circa 71.500 ergebe sich rechnerisch bei Ansatz der allgemeinen Verhältniszahl ein Bedarf von 2,5 Vertragsarztsitzen. Dieser Bedarf sei durch die vorhandenen drei Sitze mehr als erfüllt. Betrachte man als Einzugsbereich nur Wachtberg und Meckenheim, ergebe sich rechnerisch ein Bedarf von 1,57 Vertragsarztsitzen bei einer niedergelassenen Kollegin. Diese könne aber problemlos noch wesentlich mehr Patienten als die bisherigen versorgen. Auch unter formalen Kriterien ergebe sich mithin keine besondere Versorgungslücke bezüglich der HNO-ärztlichen Versorgungssituation in Wachtberg. In der Folgezeit hat die Klägerin ergänzend ausgeführt, die Verkehrsanbindung von Wachtberg nach Meckenheit zu Frau Dr ... stelle sich als sehr schwierig dar. Ausgehend von deren Sprechstundenzeiten (09.00 Uhr bis 11.00 Uhr und 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr, außer Mittwochs), ergebe sich anhand der aktuellen Fahrpläne folgendes Bild: der früheste Bus fahre ab Wachtberg-Berkum um 10.46 Uhr ab und erreiche Meckenheim erst nach 11.00 Uhr. Für die Nachmittagssprechstunde könne der Bus um 14.13 Uhr oder 14.52 Uhr genommen werden, der dann gegen 14.30 Uhr beziehungsweise 15.15 Uhr in Meckenheim eintreffe. Die späteste Rückfahrt ab Meckenheim müsse aber um 15.54 Uhr erfolgen. Ansonsten bestehe die nächste Verbindung zurück nach Wachtberg erst mehr als zwei Stunden später, gegen 18.00 Uhr. Von einer guten Erreichbarkeit könne keine Rede sein. Dies gelte erst recht für die Senioren, welche die Heime in Wachtberg bewohnten und zwingend auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen seien. Im Übrigen erfülle Frau Dr ... nur einen hälftigen Versorgungsauftrag. Es bestehe deshalb in Wachtberg eine Sonderbedarfssituation. In seiner Sitzung vom 19.12.2007 hat der Beklagte schließlich den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, ein für die Zulassung erforderlicher dauerhafter Versorgungsbedarf sei nicht erweislich. Er lasse sich aus allgemeinen Verhältniszahlen oder einer denkbaren zukünftigen Entwicklung der Bevölkerungszahl nicht herleiten. Tatsächlich würden die Versicherten in Wachtberg auf dem HNO-ärztlichen Gebiet in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Kreisstelle Rhein-Sieg-Kreis der KVNO und dem übrigen Beweisergebnis ausreichend versorgt. Hierfür stehe von den niedergelassenen Ärzten vor allem für Patienten, welche auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen seien, Frau Dr ... in Meckenheim zur Verfügung, die nach ihrer überzeugenden Darstellung auch schon jetzt in nicht geringer Zahl Patienten auch aus Wachtberg behandele und die noch zu einer weiteren Leistungssteigerung in der Lage sei. Der Einwand der Klägerin, Frau Dr ... wolle nur einen hälftigen Versorgungsauftrag erfüllen, lasse sich nicht belegen. Ein weiterer Teil der Versicherten aus Wachtberg nehme Ärzte aus Rheinbach in Anspruch, deren Praxen mit einem PKW (circa 15 Straßenkilometer) gut zu erreichen seien. So habe Herr Dr ... gegenüber der KVNO erklärt, dass ein nicht unerheblicher Teil seiner Patienten in Wachtberg ansässig sei. Es gebe keinen Grund, ihm nicht zu glauben. Dass die Ärzte in Rheinbach für Patienten, welche auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen seien, nicht erreichbar seien, sei für die anzustellende Bedarfsermittlung ohne Belang. Erfahrungsgemäß wende sich ein erheblicher Teil der Wachtberger Patienten regelmäßig an die im Bereich der Kreisstelle Bonn niedergelassenen Fachärzte. Dies sei keineswegs ein Hinweis auf eine Versorgungslücke im Planungsbereich Rhein-Sieg-Kreis, sondern historisch zu erklären. Wie ein Mitglied des Berufungsausschusses sowie ein Patientenvertreter, die über entsprechende Ortskenntnisse verfügten, dem Beklagten zuverlässig vermittelt hätten, seien "die Wachtberger immer nach Bonn orientiert". Eine Versorgungslücke, die auch vom Umfang her eine wirtschaftlich tragfähige zusätzliche Vertragsarztpraxis notwendig machen könne, liege nicht vor. Gegen diesen ihr am 16.01.2008 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 13. des Folgemonats Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Vorverfahren. Sie hat ferner ausgeführt, Frau Dr ... habe ersichtlich kein Interesse daran, ihre unterdurchschnittliche Fallzahl zu steigern. Wenn ein Vertragsarzt Öffnungszeiten ankündige, die noch nicht einmal den Mindestanforderungen (20 Stunden) nach § 17 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) entsprächen und lediglich zwei bis vier Stunden täglich betrügen, so sei nachhaltig belegt, dass dieser Vertragsarzt nicht willens sei, in nennenswertem Umfang neue Patienten zu versorgen. Nicht hinreichend gewürdigt habe der Beklagte auch die sehr eingeschränkte ÖPNV-Anbindung von Wachtberg nach Meckenheim. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung müssten bei der Prüfung des Versorgungsbedarfs auch die Belange der Versicherten berücksichtigt werden, die keinen privaten PKW zur Verfügung hätten. Im Übrigen habe die HNO-Praxis Dr ... aus Rheinbach mit durchschnittlich über 2100 Fällen im Quartal keine freien Kapazitäten zur Verfügung, zumal sich diese Praxis als Praxisklinik auf die Erbringung ambulanter Operationen spezialisiert habe. Auch der HNO-Arzt Dr ... aus Rheinbach habe nicht mitgeteilt, noch freie Kapazitäten zu haben. Ausgehend von den Fallzahlen von durchschnittlich 1.350 im Quartal und dem der Praxis zugeordneten beschränkten Individualbudget dürften hier auch keine zusätzlichen Patienten in wesentlichem Umfang neu aufgenommen werden können. Der Beklagte habe es unterlassen, die Verhältnisse in diesen beiden Praxen ausreichend zu ermitteln. Schließlich lägen die Ausführungen des Beklagten, dass die Wachtberger Patienten immer nach Bonn orientiert gewesen seien, neben der Sache. Zum einen habe der Beklagte diese wolkigen Erwägungen nicht nachprüfbar belegt oder auch nur ansatzweise näher präzisiert. Der Beklagte habe auch keine Prüfung im Hinblick auf die Aufnahmekapazitäten der Bonner HNO-Ärzte angestellt. Im Übrigen dürfe nach der obergerichtlichen Rechtsprechung der Sonderbedarf grundsätzlich nur innerhalb des betroffenen Planungsbereiches geprüft werden, außer bei Subspezialisierungen einer einzelnen Fachgruppe. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor, sodass die Einbeziehung der angrenzenden Planungsbereiche bei der Prüfung des Sonderbedarfs unzulässig sei.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 19.12.2007 aufzuheben und diesen zu verurteilen, über den Antrag der Klägerin auf Sonderbedarfszulassung als Fachärztin für HNO-Heilkunde in 53343 Wachtberg, ..., unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält seinen angefochtenen Beschluss für rechtmäßig.

Die Beigeladene zu 5 beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Sie führt im Wesentlichen aus, die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze komme nur in Betracht, soweit dies zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich sei. Nach § 24 a der Bedarfsplanungs-Richtlinien Ärzte müsse ein nachweislicher lokaler Versorgungsbedarf in der vertragsärztlichen Versorgung in Teilen eines großstädtischen Versorgungsbereichs oder eines großräumigen Landkreises gegeben sein. Da der Sonderbedarf einen Ausnahmetatbestand darstelle, müsse ein strenger Maßstab angelegt werden. Ein nachweislicher lokaler Versorgungsbedarf in Wachtberg liege bezüglich der Erbringung von Leistungen des Fachgebiets HNO nicht vor. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe die Sperrung des Planungsbereiches Rhein-Sieg-Kreis für die Niederlassung als HNO-Arzt angeordnet. Im Planungsbereich des Rhein-Sieg-Kreises seien 25 HNO-Ärzte niedergelassen, was einen Versorgungsgrad von 119,4 Prozent entspreche. Der Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass die Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten mit Leistungen des Fachgebiets HNO insbesondere durch die im näheren Umfeld von Wachtberg niedergelassenen HNO-Ärzte Dr ... sowie Dr ... aus Rheinbach und die in Meckenheim ansässige Frau Dr ... sichergestellt werde. Der Beklagte habe zudem zutreffend ausgeführt, dass ein erheblicher Teil der Wachtberger Patienten regelmäßig die im Bereich der Kreisstelle Bonn (Bad Godesberg) niedergelassenen Fachärzte in Anspruch nehme, und zwar aus historischen Gründen. Im Planungsbereich Bonn seien 28 HNO-Ärzte niedergelassen, was einen Versorgungsgrad von 149,4 Prozent entspreche. Davon seien allein in Bonn-Bad Godesberg 7 HNO-Ärzte niedergelassen. Die Beigeladene zu 5 hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend erklärt, Frau Dr ... habe z. B. im Jahre 2008 680 Fälle betreut, während der Durchschnitt der Fachgruppe der HNO-Ärzte hingegen Fallzahlen von 1.365 (II. Quartal 2008) betreue. Beschwerden von Patienten aus Wachtberg über die HNO-ärztliche Versorgung im Rhein-Sieg-Kreis seien nicht bekannt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte und Zulassungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Denn der Beschluss des Beklagten aus der Sitzung vom 19.12.2007 ist rechtmäßig; er entspricht der Sach- und Rechtslage und konnte deshalb nicht aufgehoben werden.

Nach § 101 SGB V in Verbindung mit § 24 S.1 a) der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte darf unbeschadet der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss dem Zulassungsantrag eines Vertragsarztes der betroffenen Arztgruppe entsprochen werden, wenn ein nachweislicher lokaler Versorgungsbedarf in der vertragsärztlichen Versorgung in Teilen eines großstädtischen Planungsbereiches oder eines großräumigen Landkreises vorliegt. Die Zulassung setzt ferner voraus, dass der Versorgungsbedarf dauerhaft erscheint. Bei vorübergehendem Bedarf ist von der Möglichkeit der Ermächtigung Gebrauch zu machen (§ 24 Satz 1 a bis d und Satz 2 und 3 der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte).

Die Klägerin hat hier ausdrücklich eine Sonderbedarfszulassung wegen eines lokalen (nicht wegen eines besonderen) Versorgungsbedarfs beantragt, sodass der Beklagte und die erkennende Kammer auch nur hierüber zu entscheiden haben. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein nachweislicher lokaler, dauerhafter Versorgungsbedarf in HNO-ärztlicher Hinsicht für Wachtberg nicht vorliegt. Die Kammer verweist insoweit zunächst auf die zutreffenden und überzeugenden Gründe des Beschlusses des Beklagten aus der Sitzung vom 19.12.2007, in der die tragenden Gesichtspunkte knapp, aber ausreichend dargelegt worden sind (§ 136 Abs. 3 SGG); das Gericht macht sich die diesbezüglichen Ausführungen zu eigen. Ergänzend merkt die Kammer an, dass Krankheiten auf HNO-ärztlichem Gebiet zunächst häufig von Hausärzten / Allgemeinmedizinern behandelt werden und Patienten oft erst dann einen HNO-Arzt aufsuchen, wenn durch die hausärztliche Behandlung keine Besserung des Gesundheitszustandes herbeigeführt werden konnte. Die überwiegende Zahl der Patienten in Deutschland (und sicherlich auch in Wachtberg) verfügt entweder über einen eigenen PKW oder zumindest über Angehörige oder Freunde / Bekannte, die sie / ihn mit dem Auto zu einem Facharzttermin fahren können und dazu bereit sind, zumal Facharzttermine häufig längerfristig vereinbart werden ... Hingegen findet die Akutversorgung häufig zunächst beim Hausarzt / Allgemeinmediziner statt. Letztere sind in Wachtberg jedoch vorhanden, wie schon das Schreiben der Gemeinde Wachtberg vom 18.10.2006 belegt. Diejenigen Patienten, die nicht mit dem eigenen PKW oder dem PKW von Verwandten / Freunden die 15 Kilometer zu den zwei HNO-Ärzten in Rheinbach fahren können und zwingend auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, können zur Praxis von Frau Dr ... in Meckenheim mit dem Bus fahren, der hierfür rund 15 Minuten Fahrzeit benötigt. Wie die von der Klägerin dargestellten Abfahrtzeiten von Wachtberg belegen, können diese Patienten zumindest in der Nachmittagssprechstunde von Frau Dr ... versorgt werden. Bei der Terminvereinbarung mit Frau Dr ... kann zudem auf die Besonderheiten der Busverbindungen hingewiesen und dies bei der Terminsplanung berücksichtigt werden. Im Übrigen ist es bei Ärzten allgemein üblich, dass neben der sogenannten "Laufkundschaft", die während der Sprechstundenzeiten eintrifft, auch noch Bestellpatienten versorgt werden, die längerfristig Termine mit der Facharztpraxis vereinbart haben. Die Sprechstundenzeiten eines Arztes sind deshalb fast nie identisch mit seinen Arbeitszeiten am und mit dem Patienten. Vielmehr versorgen viele Ärzte täglich zum einen die "Bestellpatienten", zum anderen noch die komplette "Laufkundschaft", die bis zum Ende der offiziellen Sprechstundenzeit eingetroffen ist. Aus diesen Gründen kann die Kammer auch nicht den Einwand der Klägerin nachvollziehen, dass Frau Dr ... als Inhaberin eines vollen Vertragsarztsitzes nur einen hälftigen Versorgungsauftrag erfüllt und auch nur dazu bereit sei. Die Einlassungen der Frau Dr ... vom 08.10.2007 im Widerspruchsverfahren widerlegen diesen Einwand der Klägerin. Im Übrigen konnte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage der Kammer von keinem Patienten aus Wachtberg berichten, der von Frau Dr ... abgewiesen worden wäre. Vielmehr erklärte die Klägerin, Patienten aus Wachtberg behandelt zu haben, die zuvor bei HNO-Ärzten aus Bonn keinen (rechtzeitigen) Termin erhalten hätten. Auch der KVNO sind insoweit keine Beschwerden von Wachtberger Patienten bekannt, die sich auf Frau Dr ... beziehen. Hinzu kommt, dass nach § 17 Abs. 1 a S. 1 BMV-Ä wöchentlich Sprechstundenzeiten von mindestens 20 Stunden vom Inhaber oder von der Inhaberin eines vollen Vertragsarztsitzes angeboten werden müssen. Soweit die ausgewiesenen Sprechstundenzeiten von Frau Dr ... nur 18 Wochenstunden aufweisen, wäre es Aufgabe der Beigeladenen zu 5, insoweit auf Frau Dr ... zwecks Erweiterung der Sprechstundenzeiten einzuwirken. Die Tatsache, dass insgesamt zwei Wochenstunden zu wenig an Sprechstundenzeiten von dieser HNO-Ärztin angeboten werden, kann aber nicht dazu führen, nun den Sonderbedarf für einen vollen Vertragsarztsitz im Rhein-Sieg-Kreis anzunehmen. Warum Frau Dr ... nur über unterdurchschnittliche Fallzahlen verfügt, lässt sich letztendlich nicht klären. Möglicherweise liegt dies daran, dass Wachtberger Patienten sich in Ausübung ihres Rechts der freien Arztwahl nach Bad Godesberg in das benachbarte Bonn begeben, um dort HNO-Praxen aufzusuchen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Wachtberg etwa in der Mitte zwischen Bad Godesberg und Meckenheim (dem Praxissitz der Frau Dr ...) liegt. Im Rahmen der Beurteilung eines lokalen Versorgungsbedarfs ist es Zulassungsgremien im Übrigen nicht verwehrt, auch die Versorgungssituation in einer nahe gelegenen Großstadt, mithin in einem angrenzenden Planungsbereich - hier:Bonn- mit zu berücksichtigen (vergl. Beschluss des BSG vom 09.06.1999- B 6 KA 1/99 B). Der Hinweis des Beklagten auf die "Orientierung der Wachtberger nach Bonn" führt deshalb nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses , zumal dieser maßgeblich auf folgende tragende Gründe gestützt wurde: Die gesetzlich krankenversicherten Patienten aus Wachtberg können in zumutbarer Art und Weise von der HNO-Ärztin in Meckenheim (ca. 8 km entfernt bzw. 15 min. Busfahrzeit) bzw. von den 2 HNO-Ärzten in Rheinbach (ca. 15 Straßenkilometer mit dem PKW) ausreichend versorgt werden. Der Beschluss des Beklagten ist deshalb insgesamt nicht zu beanstanden, so dass die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG i.V. mit § 155 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
Saved