L 13 R 4998/08 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 907/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 4998/08 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten für ein Widerspruchsverfahren.

Der Kläger wurde am 1940 in Rumänien geboren und ist am 6. Juli 1986 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt. Er beantragte, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, am 18. September 2003 Versichertenrente. Mit Rentenbescheid vom 12. November 2003 wurde dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit mit Rentenbeginn zum 1. Januar 2004 bewilligt. Bei der Berechnung der Rentenhöhe wurden die für die in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten ermittelten Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt und somit um 40 v.H. gekürzt.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 16. Dezember 2003 legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig das Ruhen des Widerspruchsverfahrens. Im Hinblick auf beim Bundesverfassungsgericht zu § 22 Abs. 4 Fremdrentengesetzes (FRG) i.d.F. des Art. 3 Nr. 4 Buchst b des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl. I 1996, 1461) i.V.m. Art. 6 § 4c des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) i.d.F. des Art. 4 Nr. 4 WFG, anhängige Verfahren wurde das Widerspruchsverfahren zum Ruhen gebracht.

Mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Juni 2006 – 1 BvL 9/00 u.a. – wurde der Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2007 eine Übergangsregelung für die Absenkung der Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG für bei Inkrafttreten der Regelung rentennahe Jahrgänge zu schaffen. Dieser erließ darauf Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG in der ab dem 1. Oktober 1996 geltenden Fassung vom 20. April 2007. Danach wird für Berechtigte, 1. die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, 2. deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt und 3. über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz zwischen der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs. 4 FRG ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezuges vom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 1997 voll, vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 zu drei Vierteln, vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 zur Hälfte und vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 zu einem Viertel gezahlt. Für die Zeit des Rentenbezuges ab 1. Juli 2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt.

Am 22. Oktober 2007 erklärte der Bevollmächtigte des Klägers den Widerspruch für erledigt und beantragte eine Entscheidung über die Kosten des Vorverfahrens. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 12. November 2007 abgelehnt. Hiergegen legte der Kläger am 7. Dezember 2007 Widerspruch ein. Mit Widerspruchbescheid vom 28. Januar 2008 wies die inzwischen zuständig gewordene Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, eine Kostenerstattung käme nicht in Betracht, weil der Widerspruch keinen Erfolg gehabt habe.

Der Kläger hat, wiederum vertreten durch seinen Bevollmächtigten, hiergegen am 28. Februar 2008 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat ausgeführt, vorliegend sei ein Erfolg des Widerspruchs darin zu sehen, dass er sich nur durch den Widerspruch der drohenden Gefahr eines Rechtsverlustes für die Dauer des beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Musterverfahrens habe entziehen können und damit erreicht habe, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn die Beklagte den Bescheid entsprechend ihren Pflichten unter Vorbehalt erteilt hätte. Die Beklagte habe die Widerspruchserhebung außerdem provoziert und damit veranlasst.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14. August 2008, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 6. Oktober 2008 zugestellt, abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, eine Kostenübernahme komme grundsätzlich nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nur bei Erfolg des Widerspruchs in Betracht, was vorliegend nicht der Fall sei, da der Kläger mit seinem Begehren keinen Erfolg gehabt habe. Auch aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lasse sich ein Anspruch auf Kostenerstattung nicht herleiten. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Berufung am 28. Oktober 2008 Beschwerde beim Landessozialgericht eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, weil die Frage, ob die Beklagte die Pflicht zu einer vorläufigen Rentenfestsetzung treffe, wenn die Vereinbarkeit des für die Rentenberechnung maßgeblichen Rentengesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines durch das BSG nach Artikel 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingeleiteten Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht sei und ob - bejahendenfalls - die Beklagte nach dem Veranlassungsprinzip verpflichtet sei, die Kosten der Rechtsverfolgung zu übernehmen, bisher höchstrichterlich nicht ausreichend geklärt sei, auch wenn das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Urteil vom 1. Juli 2003 (L 11 RJ 514/03) eine Kostenerstattungspflicht nach dem Veranlassungsprinzip grundsätzlich bejaht habe.

II.

Die gemäß § 145 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch sonstige Gründe für die Zulassung der Berufung vorliegen.

Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder ein hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), es sei denn, die Berufung betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Vorliegend bedarf die Berufung der Zulassung, denn zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der Kosten eines vom Kläger durchgeführten Widerspruchsverfahrens streitig, die sich nicht auf mehr als 750,00 EUR belaufen. Etwas anderes macht auch der Kläger nicht geltend. Er geht vielmehr selbst davon aus, dass die Berufung der Zulassung bedarf und hat der Berechnung der Beklagten, die einen Gebührenanspruch in Höhe von 202,30 EUR ermittelt hat, mit Fax vom 28. November 2008 zugestimmt.

Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgericht, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgericht unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Hieran gemessen ist die Berufung nicht zuzulassen. Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des 10. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg an. Dieser hat in seinem Beschluss vom 30. September 2008, L 10 R 3620/08 NZB, welcher dem Klägervertreter bekannt ist, da er auch in diesem Verfahren tätig geworden ist, Folgendes ausgeführt:

"Insbesondere kommt der Rechtssache entgegen der Auffassung der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung zu. Voraussetzung hierfür ist, dass die Streitsache eine Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung klärungsbedürftig ist (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2005, B 1 KR 107/04 B in SozR 4-1500 § 160a Nr. 9). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist (BSG, Beschluss vom 22.07.1988, 7 BAr 104/87 in SozR 1500 § 160a Nr. 65) oder wenn sie praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG, Beschluss vom 30.03.2005, B 4 RA 257/04 B in SozR 4-1500 § 160a Nr. 7). Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt (BSG, Beschluss vom 30.03.2005, a.a.O.).

Die vorliegend in der Hauptsache allein streitige Frage, ob Kosten eines Widerspruchsverfahrens zu erstatten sind, ergibt sich bereits aus der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 63 SGB X und ist im Übrigen auch für die Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten eines ruhenden Widerspruchsverfahrens wegen in anderen Fällen durchgeführter Musterverfahren bereits höchstrichterlich entschieden (BSG, Urteil vom 25.03.2004, B 12 KR 1/03 R in SozR 4-1300 § 63 Nr. 1 ).

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Dies gilt gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist. Die gesetzliche Regelung stellt somit für die Frage, ob Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten sind, eindeutig auf den Erfolg des Widerspruchs ab. Dieser Maßstab ist auch dann anzuwenden, wenn das Vorverfahren geruht hat, um die höchstrichterliche Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage in Parallelverfahren abzuwarten (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2004, a.a.O.). Der Widerspruch der Klägerin war vorliegend nicht erfolgreich, denn die von ihr angefochtene Bewertung der ersten 48 Kalendermonate des Berufslebens entsprach der - verfassungsgemäßen - gesetzlichen Regelung. Die von der Klägerin formulierten Fragen haben für die nach § 63 SGB X zu treffende, allein vom Erfolg des Widerspruchs abhängige, Kostenentscheidung keine Bedeutung.

Zuzugeben ist, dass trotz des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift und ohne entsprechende Begründung eine Verpflichtung zur Kostentragung nach dem Veranlassungsprinzip (so die vom Klägerbevollmächtigten zitierte Entscheidung des 11. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 01.07.2003, L 11 RJ 514/03) im Zusammenhang mit dem sozialgerichtlichen Herstellungsanspruch angenommen worden ist, dann nämlich wenn die Beklagte durch ein gesetzwidriges Verhalten (nämlich eine falsche Rechtsbehelfsbelehrung) einen unzulässigen Widerspruch provoziert hat (s. auch BSG, Urteil vom 18.12.2001, B 12 KR 42/00 R). Für ein derartiges gesetzwidriges Verhalten der Beklagte bestehen vorliegend jedoch keinerlei Anhaltspunkte und solche werden von der Klägerin auch nicht aufgezeigt.

Soweit die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung in der Frage sieht, ob die Rentenbewilligung nur vorläufig hätte ergehen dürfen, liegt ebenfalls kein Klärungsbedarf vor. Das Sozialgericht hat in seiner Entscheidung zutreffend dargelegt, dass die Beklagte weder von Gesetzes wegen noch aus anderen Gründen dazu verpflichtet war, dem auf den Rentenantrag der Klägerin zu erlassenden Rentenbescheid nur für vorläufig zu erklären ...

Im Übrigen ist evident, dass ein Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung nicht bestehen kann. Denn die Klägerin hätte, auch wenn sie das von ihr im Widerspruchsverfahren abgewartete Musterverfahren selbst durchgeführt hätte, eine Kostenerstattung nicht erlangen können. Die Klägerin kann aber nicht besser stehen, als derjenige, der das Musterverfahren selbst durchführt."

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen vollumfänglich an.

Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGG sind nicht ersichtlich und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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