L B 154/07 AS-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AS 2/07 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L B 154/07 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet

1. Rücknahme und Aufhebungsbescheide nach §§ 45, 48 SGB X zu früheren Bewilligungen sind Entscheidungen über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II.
2. Die polizeiliche Meldebescheinigung liefert keinen Nachweis dafür, dass der Betreffende unter der angegebenen Anschrift seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 3 SGB I hat, sondern kann nur Indiz sein.
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 27.02.2007 aufgehoben, soweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28.09.2006 gegen den Aufhebungsbescheid vom 27.09.2006 angeordnet und der Antragsgegner verpflichtet wurde, dem Antragsteller vom 02.01.2007 bis 30.09.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches zu gewähren. Der Antrag des Antragstellers wird insgesamt abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten des Antragstellers sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsteller) begehrte u.a. für sich Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsfähige nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II –. Er ist deutscher Staatsangehöriger, verfügt daneben auch über die polnische Staatsangehörigkeit und ist mit einer polnischen Staatsangehörigen verheiratet. Mit seiner Ehefrau hat der Antragsteller zwei Kinder.

Erstmals beantragte der Antragsteller am 08.10.2004 für sich und seine Familie Leistungen nach dem SGB II. Er gab an, dass die Familie in der ...straße in Z. zu einem Mietpreis von 100,00 EUR zuzüglich pauschal 35,00 EUR für Betriebskosten und 15,00 EUR für Heizkosten lebe. Die Ehefrau arbeite in Polen und die Kinder gingen in Deutschland zur Schule. Daraufhin bewilligte der Beschwerdeführer und Antragsgegner (im Folgenden: Antragsgegner) der Familie Leistungen u.a. unter Anrechnung des Einkommens des Antragstellers und seiner Ehefrau. Am 04.11.2005 gab der Antragsteller an, dass er sich von seiner Frau getrennt habe und diese nach Polen umgezogen sei. Hierzu legte er eine Abmeldebestätigung der Stadtverwaltung Z. vom 20.10.2005 für die Ehefrau vor. Die Bewilligung von Leistungen änderte der Antragsgegner daraufhin entsprechend ab.

Am 27.04.2006 sprach der Antragsteller beim Antragsgegner vor und teilte mit, dass er seit Ostern wieder mit seiner Frau zusammenlebe. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe seine Ehefrau jedoch noch in B. , arbeite dort und habe weiterhin ihre Wohnung dort. Gleichzeitig legte er eine Anmeldebestätigung der Stadtverwaltung Z. vom 04.05.2006 vor, wonach die Wohnung.straße. die einzige Wohnung seiner Ehefrau sei. Daraufhin veranlasste der Antragsgegner eine Überprüfung der Wohnung ...straße. in Z , weil der Verdacht bestehe, dass die Familie des Antragstellers in Polen lebe und die Wohnung nur eine Scheinwohnung sei. Beim Gespräch mit der Arbeitsvermittlung hatte der Antragsteller angegeben, seine Ehefrau sei in Polen berufstätig, wo sie in T. im Büro arbeite. Die Kinder gingen in Deutschland zur Schule, er habe auch fünf Jahre in T. im Kohleabbau gearbeitet. Die Frau wohne in Polen, die Kinder fahre er immer von Polen nach Z. in die Schule. Seit einem halben Jahr seien er und seine Frau wieder zusammen. Vor drei Wochen habe er die Selbständigkeit wieder aufgenommen. Er überreichte hierzu eine Gewerbeanmeldung bei der Stadtverwaltung Z. vom 30.05.2006, wonach er unter der Anschrift.straße ... in Z. die Betriebsstätte für einen Einzelhandel mit Kraftwagen und Kraftwagenteilen und -zubehör, Versandhandel und Internethandel betreibe. Dabei handele es sich um eine Neugründung.

Der Antragsgegner gewährte dem Antragsteller mit Bescheid vom 04.07.2006 für die Zeit vom 15.06.2006 bis 15.12.2006 ein Einstiegsgeld nach § 29 SGB II als Zuschuss zum Arbeitslosengeld II. Aus den vorgelegten Kopien von Kontoauszügen eines Girokontos bei der Volksbank L. e.G. ergeben sich u.a. Abbuchungen für Abhebungen am EC-Automaten B. und Zahlungseingänge von der Familienkasse Bautzen. Zuletzt mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 19.09.2006 bewilligte der Antragsgegner Leistungen für den Antragsteller und die beiden Kinder bis 31.08.2006, brachte allerdings bei den Kosten der Unterkunft einen Anteil für die gewerbliche Nutzung in Ansatz, der mit Folgeleistungen verrechnet werden sollte. Am selben Tag erließ der Antragsgegner einen vorläufigen Folgebescheid, mit dem Leistungen vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 nur noch für den Antragsteller allein bewilligt wurden, da die Kinder ihren Lebensmittelpunkt ebenfalls in Polen hätten (Postausgang jeweils 20.09.2006).

Am 20.09.2006 um ca. 13.30 Uhr fand unter der Adresse straße. ein Hausbesuch zwecks Prüfung des gewöhnlichen Aufenthaltes des Antragstellers und seiner Kinder statt. Dabei wurde festgestellt, dass am Eingang der Wohnung ein Schild befestigt war, auf dem H. Auto- und Versandhandel Inhaber., , ...straße., , stand. Der Antragsteller wurde angetroffen und ließ den Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes eintreten. Laut Protokoll bestanden die Räume zu diesem Zeitpunkt aus einem funktionell auf dem neuesten Stand eingerichteten Büro, in dem der Antragsteller gerade gearbeitet habe, einem Aufenthaltsraum und einem sehr kleinen Raum (max. 6 bis 8 m2), in dem eine Büroküchenzeile, Herd und Spüle sowie zwei in "M" "W" getrennte Toiletten vorhanden waren. Der Antragsteller habe erläutert, dass er die zwei Kinder jeden Morgen von B. in die Schule nach Deutschland brächte. Anzeichen, die auf die Anwesenheit von Kindern in der Wohnung hätten hindeuten können, hätten gefehlt. Kleidungsstücke und Spielsachen der Kinder habe der Antragsteller nicht zeigen wollen. In dem Protokoll vom 20.09.2006 wurde als Fazit ausgeführt, dass nach den Beobachtungen der tatsächliche Aufenthalt des Antragstellers und seiner Kinder nicht bei der Meldeadresse straße ... sein könne. Die gesamten Indizien in der Wohnung sowie die Aussagen und das Verhalten des Antragstellers wiesen darauf hin, dass sich der Lebensmittelpunkt der Kinder und seiner Frau in Polen befinde. Das Verhalten des Antragstellers habe darauf hingedeutet, dass er sich erwischt gefühlt habe. Am 21.09.2006 teilte der Antragsteller mit, er brauche keinen Kühlschrank, da er sich und die Kinder in der Stadt am Imbiss und in Polen am Imbiss mit Fastfood verpflege.

Am 22.09.2006 stornierte der Antragsgegner die Auszahlungsanordnungen.

Mit Bescheid vom 27.09.2006 nahm der Antragsgegner den vorläufigen Folgebescheid vom 19.09.2006, mit dem dem Antragsteller allein Leistungen von 01.09.2006 bis 28.02.2007 bewilligt worden waren, rückwirkend zum 01.09.2006 zurück, weil er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Z. habe. In der ...straße ... befinde sich lediglich der Firmensitz. Mit weiterem Bescheid vom 27.09.2006 forderte der Antragsgegner die im Änderungsbescheid vom 19.09.2006 ausgewiesene Überzahlung in Höhe von 502,00 EUR zurück, weil die Kosten der Unterkunft um den Anteil der gewerblichen Nutzung zu mindern waren. Die Bescheide wurden am 28.09.2006 zur Post gegeben.

Am 28.09.2006 (persönlich übergebenes Schreiben vom 28.09.2006) erhob der Antragsteller Widerspruch mit der Begründung, dass der gewerbliche Teil seiner angemieteten Räume auf der straße eine eigenständige Einheit sei, für die auch gesondert Entgelt gezahlt werde. Nach dem vorgelegten Mietvertrag werde die Warmmiete in Höhe von 150,00 EUR ausschließlich für die 2-Zimmer-Wohnung mit WC, Dusche und Küche, in der er mit beiden Kindern lebe, gezahlt. Der Lebensmittelpunkt der Kinder befinde sich in Z ... In bestimmten Abständen besuchten sie ihre Mutter, Oma und Opa. Die Abwesenheit der Kinder sei auch damit begründet, dass beide in Polen zusätzlich Deutsch-, Englisch-, Polnisch- und Matheunterricht erhielten. Da er jeden Tag dienstlich verhindert sei, müsse er die Kinder zu ihren Großeltern bzw. zu ihrer Mutter in Polen oder seinem Onkel in Z. bringen. Er legte noch den Wohnungsmietvertrag, eine Betriebskostenabrechnung 2006 des Vermieters, Autohaus X in Z. , sowie einen gesonderten Mietvertrag für Gewerberäume ebenfalls mit dem Autohaus X in der.straße ... vor sowie eine Bestätigung mit sechs Unterschriften, wonach der Antragsteller seinen Aufenthalt in Z. habe, die u.a. lautet "Den sehen wir jeden Tag früh und abends in seiner Wohnung, mal alleine, mal mit Kindern.". Die in Polen wohnhafte Mutter des Antragstellers, ..., bestätigte mit Schreiben vom 26.09.2006, dass sie ihren Enkeln bei den Hausaufgaben fast jeden Tag helfe; sie bräuchten zusätzliche Unterrichtsstunden und hielten sich ständig in der straße in Z. auf. Frau. B. aus B. bestätigte am 24.09.2006, dass Herr und Frau die Kinder jeden Dienstag und Donnerstag zum Englischunterricht brächten. Herr ... C. , wohnhaft.straße in Z. , bestätigte, dass er die Kinder seines "Neffen" nach Schulschluss betreue, wenn dieser dienstlich verhindert sei; die Familie habe ihren Wohnsitz in der.straße.

Mit Schreiben vom 11.10.2004 informierte der Antragsgegner den Antragsteller über die weitere Bearbeitung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.09.2006, den er am 29.09.2006 persönlich im Fachdienst Beschäftigung und Arbeit abgegeben habe. Daraufhin meldete sich der Antragsteller mit Schreiben vom 23.11.2006 betreffend den Bescheid vom 19.09.2006 und bat unter Bezugnahme auf die Mitteilung von vor 35 Tagen um schnelle Antwort; sie hätten seit August 2006 kein Geld mehr bezahlt. Mit weiterem Schreiben vom 06.12.2006 betreffend den Bescheid vom 19.09.2006 mahnte er eine verbindliche Begründung an, weil er die gewünschten Unterlagen mitgeteilt habe und dennoch seit zwei Monaten mit seinen Kindern nicht mehr bei der AOK versichert sei. Am 14.12.2006 meldete sich die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers per Fax beim Antragsgegner und legte dar, dass sich der Widerspruch auch gegen die Kürzung der Leistungen entsprechend des vorläufigen Folgebescheides vom 19.09.2006 richte. Hilfsweise werde die Überprüfung der Bescheide vom 27.09.2006 sowie des Folgebescheides vom 19.09.2006 beantragt. Der Antragsteller habe mit seinen Kindern seinen Wohnsitz in der ...straße ... in Z ... Dies sei aus der Anmeldebestätigung vom 04.05.2006 ersichtlich. Dass eine Wohnung in der.straße ... in Z. vorhanden sei, sei unstreitig. Die schriftlichen Bestätigungen der Nachbarn sowie nahen Angehörigen belegten hinreichend, dass es sich nicht um einen bloßen Scheinwohnsitz handele. Einen darüber hinausreichenden Nachweis zu erbringen, könne nicht auferlegt werden. Aufgrund der Rücknahme der Leistungen stünden keinerlei finanzielle Mittel zur Verfügung, um das Existenzminimum zu gewährleisten. Zudem sei keine Krankenversicherung mehr vorhanden.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens suchte der Ermittlungsdienst am 21.12.2006, 02.01.2007 und 03.01.2007 jeweils zweimal, morgens ca. 7.00 Uhr sowie nachmittags nach 16.00 Uhr, die Wohnung des Antragstellers auf sowie am 04.01.2007 um 7.00 Uhr, ohne jemanden anzutreffen. Der Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes gelangte zu dem Schluss, dass sich nach seiner Auffassung in der Zeit vom 21.12.2006 bis 04.01.2007, 07.00 Uhr, niemand in diesem Gebäude aufgehalten habe.

Mit Bescheid vom 22.12.2006 lehnte der Antragsgegner die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 19.09.2006 in Gestalt des Bescheides vom 27.09.2006 ab. Das Schreiben vom 14.12.2006 sei als Überprüfungsantrag umgedeutet worden, da ein Widerspruch gegen die Bescheide vom 27.09.2006 unzulässig, da verfristet gewesen wäre. Der vom Antragsteller am 28.09.2006 persönlich eingereichte Widerspruch habe sich lediglich gegen den vorläufigen Änderungsbescheid vom 19.09.2006 gerichtet, da die Bescheide vom 27.09.2006 zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gegeben gewesen wären. Über diesen Widerspruch werde zeitnah im Januar 2007 entschieden werden. Die Rücknahme sei abzulehnen, weil sich der Sachverhalt, von dem ausgegangen worden sei, nicht als unrichtig erwiesen habe. Anspruchsberechtigt seien nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur diejenigen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hätten. Die Ermittlung des Ermittlungsdienstes habe ergeben, dass die angemieteten Räume in Z. lediglich für gewerbliche Zwecke als Büro benutzt würden. In der Wohnung seien weder Spielsachen noch Gebrauchsgegenstände vorhanden gewesen, die für Wohnungen mit Kindern im Alter von zehn bis fünfzehn Jahren typisch seien ( ). Unter Berücksichtigung der Umstände und der Würdigung aller Tatsachen sei der Antragsgegner weiterhin der Auffassung, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland habe und somit nicht anspruchsberechtigt auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sei. Aus den Gründen des Änderungsbescheides vom 19.09.2006 sei der Leistungsbescheid vom 24.04.2006 rückwirkend teilweise aufgehoben worden, infolge dessen seien im Zeitraum 05/2006 bis 08/2008 (wohl 2006) Leistungen in Höhe von insgesamt 502,00 EUR zu Unrecht erbracht worden. Diese hätten mit den laufenden Leistungen aufgerechnet werden sollen, da jedoch ab 01.09.2006 kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bestehe, seien die zu Unrecht erhaltenen Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

Am 02.01.2007 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Dresden den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, um den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vom 01.09.2006 bis zum 31.12.2006 sowie bis auf weiteres Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren. Zwar fahre der Antragsteller regelmäßig nach Polen, um Verwandte zu besuchen und Fremdsprachenunterricht in Anspruch zu nehmen; dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass er seinen Wohnsitz und seinen überwiegenden Aufenthalt sowie Lebensmittelpunkt mit den Kindern in Z. habe. Hierzu wurden eidesstattliche Versicherungen des Antragstellers und des Herrn ... C ... vorgelegt. Ferner könnten sämtliche Mitarbeiter des Autohauses X , das sich in unmittelbarer Nähe der Wohnung befinde, bestätigen, dass sie den Antragsteller mit seinen Kindern täglich sähen. Eine darüber hinausgehende Nachweiserbringung könne dem Antragsteller nicht auferlegt werden. Er habe eine Wohnung angemietet, die erkennen lasse, dass er mit seinen Kindern nicht nur vorübergehend in Z. verweile.

Am 18.01.2007 beantragte der Antragsteller erneut für sich und die zwei Kinder beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Gegen den Überprüfungsbescheid vom 22.12.2006 hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers am 22.01.2007 Widerspruch eingelegt, ohne diesen näher zu begründen. Ein Widerspruchsbescheid ist hierzu noch nicht ergangen.

Dem Sozialgericht lagen vom Antragsteller übergebene Fotos und eine Grundrisszeichung der Wohnung (vgl. SG-Akte, AS 70 ff.) vor sowie Kopien von Kontoauszügen. Vorgelegt wurde u.a. auch eine eidesstattliche Versicherung der Ehefrau. vom 16.01.2007, wohnhaft in B. , wonach sie im Zeitraum November 2005 bis Ostern 2006 von ihrem Ehemann getrennt gewesen sei.

Mit Beschluss vom 27.02.2007 ordnete das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 28.09.2006 gegen den Aufhebungsbescheid vom 27.09.2006 an und verpflichtete den Antragsgegner, dem Antragsteller auf der Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 01.09.2006 (richtig: 19.09.2006) in der Zeit vom 02.01.2007 bis 28.02.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von monatlich 472,75 EUR zu zahlen. Es verpflichtete den Antragsgegner ferner, im Wege einer einstweiligen Anordnung dem Antragsteller ab 01.03.2007 bis 30.09.2007 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 492,75 EUR zu zahlen. Im Übrigen wurde der Antrag zurückgewiesen, wobei das Sozialgericht davon ausging, dass der Antragsteller am 28. oder 29.09.2006 gegen die Bescheide vom 27.09.2006 Widerspruch erhoben habe. In der Sache hat das Sozialgericht ausgeführt, hinsichtlich der Kinder sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht glaubhaft in Deutschland hätten. Das Gericht gehe nach Ausschöpfung aller im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Mittel der Sachverhaltsaufklärung davon aus, dass der Antragsteller allein eine Bedarfsgemeinschaft bilde. Der Antragsteller sei auch hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Er habe ausreichend glaubhaft gemacht, seinen eigenen Wohnsitz in Z. zu haben. Zweifellos habe er in der Zeit, in der er von seiner Ehefrau getrennt gelebt habe, tatsächlich in der Wohnung in Z. gelebt. Einziger Anhaltspunkt dafür, dass er jetzt dort nicht mehr seinen Lebensmittelpunkt haben könnte, sei, dass seine Familie sich überwiegend in Polen aufhalte. Allerdings habe der Antragsteller schriftliche Bestätigungen von Kollegen vorgelegt, die seinen ständigen Aufenthalt bestätigten, und er gehe in Z. auch seiner selbständigen Beschäftigung nach, was den überwiegenden Aufenthalt in Z. nahelege. Zwar habe der Antragsgegner bei sieben Hausbesuchen niemanden aufgetroffen, allerdings handele es sich auch um klassische Urlaubszeiten, so dass die Abwesenheit in diesem Zeitraum nicht aussagekräftig sei. Nach alledem lägen keine ausreichenden Zweifel daran vor, dass der Antragsteller selbst seinen gewöhnlichen Aufenthalt, wie von ihm dargelegt, in Z. habe.

Mit Bescheid vom 20.03.2007 hat der Antragsgegner den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers vom 18.01.2007 abgelehnt, wogegen dieser am 20.04.2007 Widerspruch eingelegt hat. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Gegen den ihm am 05.03.2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 23.03.2007 beim Sozialgericht Beschwerde eingelegt, der nicht abgeholfen wurde. Er trägt vor, auch der Antragsteller habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland. Tatsächlich handele es sich in der ...straße um das Büro des Antragstellers in Z ... Am Eingang sei ein Schild mit dem Inhalt H. Auto- und Versandhandel, Inhaber ..., ,.straße ..., befestigt. Der Antragsteller halte sich auch nicht in den Räumen auf. Bei zahlreichen Besuchen sei er nicht angetroffen worden. Er erziele auch durch seine selbständige Tätigkeit kein Einkommen, so dass bezweifelt werde, ob er diese Tätigkeit tatsächlich ausübe. Außerdem wohne seine Familie in Polen, so dass anzunehmen sei, dass sich der Antragsteller ebenfalls zumindest überwiegend in Polen aufhalte. Auch entspreche ein Nebenkostenverbrauch in Höhe von 50,00 EUR monatlich für die angegebenen Räume nicht dem Verbrauch eines Büros mit ständig genutzter Wohnung. Dass vom Vermieter keine Abrechnung der Nebenkosten erstellt werde, spreche dafür, dass der tatsächliche Verbrauch unter den 50,00 EUR liege. Hierzu wurde eine Aufstellung des Ermittlungsdienstes vorgelegt, wonach dieser in der Zeit vom 06.03.2007 bis 22.03.2007 achtmal den Antragsteller in der.straße. nicht angetroffen habe. Laut Protokoll hätten sich keine Änderungen zu den vorangegangen Besuchen ergeben.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 27.02.2007, soweit dem Antrag des Antragstellers entsprochen wurde, aufzuheben und den Antrag insgesamt abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt weiterhin vor, er und seine beiden Kinder hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Z. und bestreitet, dass die Einrichtung der Räumlichkeiten einem Büro mit einer Kaffeeküche entspreche. Vielmehr entsprächen sie angemessenen Wohnverhältnissen. Es könne dahinstehen, dass andere Familienmitglieder, die nicht zu dem vom Rechtsstreit erfassten Personenkreis gehörten, im Ausland lebten. Die vom Antragsgegner veranlassten Besuche seien nicht geeignet, den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners in den Räumlichkeiten zu widerlegen. Die Nebenkostenvereinbarung sei kein Kriterium für die Beurteilung, wie oft sich der Antragsteller und seine Kinder in den Räumlichkeiten aufhielten. Auf entsprechende Anfrage des Gerichts teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 28.08.2008 mit, er habe keine konkrete Erinnerung mehr daran, was er an den Tagen im März 2007, an denen ihn der Ermittlungsdienst habe aufsuchen wollen, getan habe. Seitdem sei mehr als ein Jahr vergangen und es könne nicht detailliert der konkrete Tagesablauf wiedergegeben werden. Es sei diesbezüglich weder ein Tagebuch noch ein Kalender geführt worden. In der Regel könne gegen 07.00 Uhr niemand angetroffen werden, da der Schulbeginn für die Kinder bereits 07.30 Uhr sei und der Antragsteller die Wohnung bereits vor 07.00 Uhr verlassen habe. Nachmittags beschäftigten sich die Kinder üblicherweise mit ihren Freunden oder ihren Hobbys. Auch für ihn bestehe keine Verpflichtung, sich ganztägig zu Hause aufzuhalten. Gegen 19.00 Uhr oder am späteren Abend wäre er mit seinen Kindern mit Sicherheit anzutreffen gewesen. Es seien zahlreiche Zeugen benannt oder eidesstattliche Versicherungen vorgelegt worden, welche belegten, dass er mit seinen Kindern seinen Wohnsitz in Z. habe und sich dort regelmäßig aufhalte. Weitere Anforderungen könnten ihm nicht auferlegt werden; gegebenenfalls seien die genannten Zeugen zu hören.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Behördenakte des Beklagten verwiesen.

II.

Die nach §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 27.02.2007 ist begründet.

Der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 27.02.2007 ist zu Unrecht ergangen, soweit darin dem Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen bzw. einstweiligen Rechtsschutzes stattgegeben wurde. Er ist daher insoweit teilweise aufzuheben.

Soweit vorläufige Leistungen nach dem SGB II an den Antragsteller im Zeitraum 02.01.2007 bis 28.02.2007 Gegenstand der gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung waren, hätte diese nicht ergehen dürfen, weil der Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 27.09.2006, mit dem die Bewilligung von Leistungen an den Antragsteller durch Bescheid vom 19.09.2006 (vorläufiger Folgebescheid) rückwirkend aufgehoben wurde, bestandskräftig geworden war.

Zutreffend hat der Antragsgegner in seinem Überprüfungsbescheid vom 22.12.2006 ausgeführt, dass der Widerspruch des Antragstellers, der am 28.09.2006 beim Antragsgegner einging und sich inhaltlich gegen die beiden vorläufigen Bescheide vom 19.09.2006 wandte, nicht gegen die Bescheide vom 27.09.2006 gerichtet sein konnte, weil diese ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gegeben und damit wirksam geworden waren. Denn gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X – wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ausweislich der Behördenakte des Antragsgegners wurden beide Bescheide vom 27.09.2006, also auch der hier streitige Rücknahmebescheid, erst am 28.09.2006 zwecks Übermittlung zur Post gegeben. Es ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller vorgetragen worden, dass ihm diese Bescheide früher – etwa bei seiner persönlichen Vorsprache beim Antragsgegner am 28.09.2008 – ausgehändigt oder sonst bekannt gegeben worden wären. Der Antragsteller konnte die Bescheide vom 27.09.2006 somit frühestens am 29.09.2006 mit der Post erhalten haben. Sein Widerspruch vom 28.09.2006 konnte sich daher nicht gegen diese noch nicht zugegangenen Bescheide gerichtet haben (vgl. Roos in von Wulfen, SGB X, 4. Aufl. 2001, § 39 RdNr. 6).

Gegen die Bescheide vom 27.09.2006, insbesondere gegen den Bescheid über die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld II, hat der Antragsteller nicht fristgerecht Widerspruch eingelegt. Nach dem oben Gesagten galt jener Bescheid vom 27.09.2006 gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X am 01.10.2006 als bekannt gegeben. Die einmonatige Widerspruchsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG endete mit Ablauf des 01.11.2006, einem Montag. Bis zu diesem Zeitpunkt war beim Antragsgegner kein Schriftstück des Antragstellers eingegangen, das als Widerspruch hätte gewertet werden können. Dass sein Schreiben vom 28.09.2006 nicht (auch) als Widerspruch gegen die Bescheide vom 27.09.2006 gewertet worden war, konnte der Antragsteller dem Schreiben des Antragsgegners vom 11.10.2006 entnehmen, wo ausdrücklich "Ihr Widerspruch vom 29. September 2006 gegen den Bescheid vom 19.09.2006" genannt ist. Erstmals meldete sich der Antragsteller mit Schreiben vom 23.11.2006 wieder beim Antragsgegner, abermals wörtlich und inhaltlich unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 19.09.2006 und ohne den Rücknahmebescheid vom 27.09.2006 zu erwähnen. Überdies traf dieses Schreiben lange nach Ablauf der Widerspruchsfrist beim Antragsgegner ein. Dasselbe gilt für das weitere Schreiben des Antragstellers vom 06.12.2006. Zutreffend hat daher die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers am 14.12.2006 hilfsweise die Überprüfung der (bestandskräftigen) Bescheide vom 27.09.2006 beantragt. Somit lag schon kein Widerspruch gegen den Rücknahmebescheid vom 27.06.2006 vor, dessen aufschiebende Wirkung durch das Sozialgericht hätte angeordnet werden können.

Das Sozialgericht hat allerdings zutreffend erkannt, dass – falls ein Widerspruch vorgelegen hätte hinsichtlich des Rücknahmebescheides nur ein Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG statthaft gewesen wäre. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auf Antrag, der auch schon vor Klageerhebung zulässig ist, die aufschiebende Wirkung in den Fällen ganz oder teilweise anordnen, in denen gemäß § 86a Abs. 2 SGG Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Dabei entscheidet das Gericht aufgrund einer Interessenabwägung, bei der die in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG aufgestellten Kriterien herangezogen werden (Keller in: Meyer-Ladewig/u.a., a.a.O., § 86b RdNr. 12b m.w.N.). Da bereits mit vorläufigem Folgebescheid vom 19.09.2006 Leistungen an den Antragsteller bewilligt worden waren, hätte die Außervollzugsetzung des gemäß § 39 Nr. 1 SGB II sofort vollziehbaren Rücknahmebescheides genügt, um dem geltend gemachten Leistungsanspruch zum Erfolg zu verhelfen.

Nach Ansicht des Senats sind Rücknahme- und Aufhebungsbescheide nach §§ 45, 48 SGB X zu früheren Bewilligungen Entscheidungen über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende i.S.d. § 39 Nr. 1 SGB II. Dafür spricht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift, nach welcher der Bewilligung von Leistungen die behördliche Entscheidung, diese Bewilligung aufzuheben oder zurückzunehmen, als actus contrarius gegenübersteht. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Sofortvollzug nicht sowohl für die (positive) Bewilligungsentscheidung als auch für die (negative) Entziehungsentscheidung gelten soll. Während einerseits das Einzelinteresse des Hilfebedürftigen die sofortige Vollziehbarkeit rechtfertigt, liegt es anderseits im öffentlichen Interesse, sofort keine Leistungen erbringen zu müssen, auf die kein Anspruch (mehr) besteht. Der Senat folgt insoweit der überwiegenden Auffassung der Landessozialgerichte (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.07.2007 – L 8 AS 186/07, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.03.2007 – L 5 B 125/07 AS-ER, LSG Bad.Württ., Beschluss vom 21.11.2006 – L 8 AS 4680/06 ER-B, ThürLSG, Beschluss vom 14.08.2006 – L 7 AS 772/05 ER, LSG SH, Beschluss vom 05.07.2006 – L 6 B 196/06 AS-ER, LSG Rhld.-Pf., Beschluss vom 04.04.2006 – L 3 ER 46/06 AS, LSG NRW, Beschluss vom 31.03.2006 – L 19 B 15/06 AS-ER; a.A. HessLSG, Beschluss vom 17.07.2007 – L 9 AS 89/07 ER, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.04.2006 – L 2 B 62/06 AS-ER, alles Juris-Dokumente). Offen bleibt, ob dies auch bei Erstattungsbescheiden i.S.d. § 50 SGB X gilt.

Daneben bedurfte es zusätzlich eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, da der Antragsteller ferner eine Verpflichtung des Antragsgegners durch das Sozialgericht begehrte, Leistungen für die Zukunft zu gewähren.

Soweit das Sozialgericht im Rahmen der oben genannten Anträge einen Leistungsanspruch der Kinder des Antragstellers verneint hat, ist diese Entscheidung rechtskräftig geworden, weil der Antragsteller den insoweit ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts nicht mit der Beschwerde angegriffen hat. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist also nur noch die Frage, ob das Sozialgericht zu Recht einen (vorläufigen) Leistungsanspruch des Antragstellers bis 30.09.2007 angenommen hat.

Soweit der Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufige Leistungen ab 02.01.2007, dem Eingang des Rechtsschutzantrages beim Sozialgericht, begehrt hat, steht dem für den Zeitraum bis zum 28.02.2007 der bestandskräftige Rücknahmebescheid vom 27.09.2006 entgegen (s.o.). Mit Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheides stand zwischen den Beteiligten bindend (§ 77 SGG) fest, dass dem Antragsteller bis 28.02.2007 keine Leistungen nach dem SGB II zustehen, weil der damalige vorläufige Folgebescheid vom 19.09.2006 zurückgenommen worden war. Dieser Rücknahmebescheid vom 27.09.2006 ist auch nach wie vor wirksam, weil der (nicht bestandskräftige) Überprüfungsantrag des Antragstellers vom 14.12.2006 ohne Erfolg war.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag schon vor Klageerhebung (§ 86b Abs. 3 SGG) eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der geltend gemachte materielle Rechtsanspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert oder geregelt werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Allerdings kann das Gericht dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang – wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter dem Vorbehalte der Entscheidung in der Hauptsache – das gewähren, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen kann.

Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach summarischer Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und er deshalb im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren Erfolg haben würde. Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in Meyer-Ladewig/u.a., a.a.O., § 86b RdNr. 16c), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt (Binder in: Hk-SGG, 2. Aufl. 2006, § 86b RdNr. 42). Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers – unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter – unzumutbar erscheinen lässt, ihn zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, RdNr. 154-156 m.w.N.; ähnlich: Krodel, NZS 2002, 234 ff.). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (Keller, a.a.O., § 86b RdNr. 27a).

Daran gemessen spricht nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung nichts dafür, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren – hier: dem offenen Widerspruchsverfahren – obsiegen wird. Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Voraussetzung für jeglichen Leistungsanspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des SGB II ist, dass er in dem hier noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.03.2007 bis 30.09.2007 jedenfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Denn gemäß § 19 Satz 1 SGB II erhalten nur erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Arbeitslosengeld II einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung; erwerbsfähige Hilfebedürftige sind nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die (u.a.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Dass der Antragsteller von 01.03.2007 bis 30.09.2007 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, hat er im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht i.S.d. § 920 ZPO glaubhaft gemacht.

Dabei ist zu beachten, dass derjenige, der sich – wie der Antragsteller – eines Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II berühmt, die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen und ggf. zu beweisen hat. Die Darlegungslast trifft den Antragsteller insbesondere auch deswegen, weil es sich bei den tatsächlichen Umständen, die zur Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland führen, um Umstände handelt, die ausschließlich dem Rechtskreis des Antragstellers zuzuordnen sind, so dass nur er hierzu nachprüfbare Angaben machen kann und muss. Das bedeutet, dass nicht der Antragsgegner dem Antragsteller nachweisen muss, dass dieser seinen Wohnsitz in Polen hat, sondern vielmehr muss der Antragsteller darlegen und erforderlichenfalls nachweisen, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.

Gemäß § 30 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I – hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird; den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Maßgebend ist der in die Tat umgesetzte Wille, einen bestimmten Ort bis auf Weiteres zu seinem Lebensmittelpunkt zu machen. Der Antragsteller hat keine solchen Umstände dargetan. Es genügt zur Darlegung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland insbesondere nicht, eine entsprechende Bestätigung der Meldebehörde vorzulegen. Denn die Meldebehörde prüft nicht, ob der Betreffende tatsächlich seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. § 30 Abs. 3 SGB I unter der angegebenen Anschrift hat. Genauso wie allein das Fehlen einer ordnungsbehördlichen Anmeldung nicht gegen den tatsächlichen Wohnsitz an einem bestimmten Ort spricht und nicht Voraussetzung für die Leistungsgewährung nach dem SGB II ist (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 31.01.2008 – L 3 B 465/07 AS-ER, Juris-Dokument Rz. 25 m.w.N.), kann die vorliegende polizeiliche Meldung lediglich als Indiz für die den gewöhnlichen Aufenthalt gewertet werden. Anschaulich wird dies am Beispiel der Ehefrau des Antragstellers, für die eine ordnungsbehördliche Meldung der Stadt Z. vom 04.05.2006 vorliegt, obwohl sie – nach ihrer eigenen eidesstattlichen Versicherung vom 16.01.2007 – in B. /Polen wohnt. Die Gesamtschau aller im Verfahren gewonnenen Informationen ergibt, dass der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu haben. Für einen gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers im Inland sprechen lediglich das Vorhandensein einer Schlaf-, Koch- und Waschgelegenheit in den Räumen in der ...straße. in Z. , die polizeiliche Meldung und die vorgelegten schriftlichen Aussagen mehrerer Personen, dass er täglich dort gesehen werde, wenn die Richtigkeit dieser Angaben unterstellt wird. Ob die Räume dem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt einer drei- oder vierköpfigen Familie dienen, ist zwischen den beteiligten streitig, bedarf derzeit aber keiner abschließenden Klärung. Die bloße Behauptung, der Antragsteller habe seinen Wohnsitz unter jener Anschrift, belegt hingegen nichts. Alle anderen bekannten Umstände sprechen dagegen, dass der Lebensmittelpunkt des Antragstellers in den von ihm gemieteten Räumen in Z. ist. Nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Arbeitsvermittlung transportiert er seine Kinder täglich von Polen in die Schule nach Deutschland. Auch er selbst bringt nach der Bestätigung von Frau B. in B. die Kinder jeden Dienstag und Donnerstag zum Englischunterricht. Er wurde weder im Januar 2007 noch im März 2007 an verschiedenen Tagen und zu unterschiedlichen Tageszeiten in den Räumen in der straße ... angetroffen. Andererseits wohnen sämtlich Mitglieder seiner engsten Familie, nämlich seine Mutter, seine von ihm nicht mehr getrennt lebende Ehefrau und seine beiden Kinder, im von Z. ca. 17 km entfernten B. in Polen. Soweit schon das Sozialgericht davon ausgegangen ist, dass die Kinder des Antragstellers ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland haben, schließt sich der Senat diesen Ausführungen aus eigener Überzeugung an und macht sie sich zu eigen. Der Antragsteller selbst hat auch angegeben, dass sich die Kinder zu 40 % bei seiner Frau aufhalten.

Da die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II nicht glaubhaft gemacht sind, ist bei summarischer Prüfung eine Änderung des bestandskräftigen Rücknahmebescheides vom 27.09.2006 infolge des Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X nicht zu erwarten. Auch der Ablehnungsbescheid vom 20.03.2007 erweist sich daher nach summarischer Prüfung als rechtmäßig, so dass kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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