L 2 B 152/08 AS ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 93/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 152/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
SGB II-Kosten der Unterkunft-Tilgungsraten
Der Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 3. März 2008 wird abgeändert und die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 vorläufig unter Anrechnung bereits erbrachter Leitungen Unterkunftskosten in Höhe von 463,87 EUR monatlich zu leisten.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für die Zeit ab 1. Januar 2007 höhere Leistungen für die Unterkunft, nämlich die Übernahme laufender Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Kreisparkasse S. (Kreissparkasse).

Die Antragsteller leben in einem 1997 bezugsfertig gewordenen Haus mit einer Wohnfläche von 92 qm, dessen Eigentümer der Antragsteller zu 1.) ist. Die Finanzierung des Immobilienerwerbs erfolgte mit einem dem Antragsteller zu 1.) von der Kreissparkasse gewährten Darlehen. Die Kreissparkasse hat die Geschäftsverbindung mit dem Antragsteller zu 1.) bereits im Juli des Jahres 2003 gekündigt. Nach einer "Rückzahlungsvereinbarung" vom 1. März 2005 schuldet der Antragsteller zu 1.) der Kreisparkasse aus der gekündigten Geschäftsverbindung noch 86.795,81 EUR zzgl. Kosten und Zinsen. Auf den geschuldeten Betrag fallen Verzugszinsen in Höhe von jeweils 2,5 v. H. über dem jeweiligen Basiszinssatz an. Der Antragsteller zu 1.) hat sich in der "Rückzahlungsvereinbarung" verpflichtet, ab Januar 2005 monatlich 300,00 EUR an die Kreissparkasse zu zahlen, wobei die Verrechnung dieses Betrags nach § 497 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zunächst auf Kosten (der Rechtsverfolgung, Vollstreckungsversuche etc.), dann auf das geschuldete Kapital und zuletzt auf die offenen Zinsen zu erfolgen hat. Die Kreissparkasse hat sich im Gegenzug verpflichtet, bei ordnungsgemäßer Einhaltung der Rückzahlungsverpflichtung auf die "Geltendmachung der Forderung durch gerichtliche Maßnahmen" zu verzichten.

Die Antragsteller beziehen als Bedarfsgemeinschaft seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Dabei berücksichtigte die Antragsgegnerin bei der Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2005 mit Bescheid vom 16. Juni 2005 bei einer monatlichen Gesamtleistung von 855,87 EUR für Unterkunft und Heizung einen monatlichen Betrag von 148,87 EUR. Zugrunde gelegt waren dabei anteilig die im Zusammenhang mit dem Erstantrag nachgewiesenen, im Jahr anfallenden Zahlungen für die Wasserversorgung und den Schornsteinfeger sowie ein Pauschalbetrag (ohne Belege) von 75,00 EUR für Heizkosten. Die Zahlungen an die Kreissparkasse blieben unberücksichtigt. Bei der Leistungsbewilligung für den Zeitraum von 1. Juli bis zum 31. Dezember 2005 (Bescheide vom 16. Juni und 13. Oktober 2005) blieben die Zahlungen für Unterkunft und Heizung unverändert. Der Antragsteller zu 1.) wandte sich mit einem am 3. November 2005 eingegangenen Schreiben an die Antragsgegnerin und bat, den monatlich an die Kreissparkasse zu zahlenden Betrag von 300,00 EUR rückwirkend zu übernehmen und führte aus, anders sei es nicht möglich, die Kosten weiter zu bestreiten.

Für den in diesem Verfahren streitigen Leistungszeitraum ab dem 1. Januar 2007 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern mit Bescheid vom 15. Januar 2007 Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2007 in einer Höhe von monatlich 732,87 EUR, wobei sie für Unterkunft und Heizung unverändert ein Betrag von 148,87 EUR berücksichtigte. Belege über zwischenzeitlich angefallene Unterkunftskosten hatten die Antragsteller nicht vorgelegt. Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller am 15. Februar 2007 Widerspruch mit der Begründung, die Leistungen für Unterkunft und Heizung seien in keiner Weise ausreichend. Mit einem Bescheid vom 21. Juni 2007 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragsstellern Leistungen für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 820,85 EUR monatlich, wobei der Anteil für Unterkunft und Heizung unverändert blieb. Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller keinen Widerspruch. Die Kreissparkasse stellte am 4. Oktober 2007 beim Amtsgericht Stendal einen Antrag auf Zwangsversteigerung für das Grundstück des Antragstellers zu 1.) wegen der mit einer Grundschuld gesicherten Forderungen. Dem Antragsteller zu 1.) teilte die Kreissparkasse mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 mit, dieser Antrag sei wegen des Ausbleibens der vereinbarten Zahlungen in Höhe von 300,00 EUR monatlich erfolgt. Wenn die Zahlungen wieder aufgenommen würden, würde das Vollstreckungsverfahren einstweilen eingestellt.

Die Antragsgegnerin wies den Antragsteller mit einem Schreiben vom 2. November 2007 im laufenden Widerspruchsverfahren darauf hin, dass abgesehen von dem mit der Erstbeantragung eingereichten Belegen bisher keine Nachweise für anfallende Unterkunftskosten (Nebenkosten) eingereicht worden seien. Dies solle nachgeholt werden. Der Antragsteller solle Belege (über die Wasserrechnung, Gebäudeversicherung, Abfallgebühren, Grundsteuer, Schornsteinfegerkosten, Wartung der Heizungsanlage) bis zum 12. November 2007 vorlegen oder Hinderungsgründe mitteilen. Hieraufhin bat der Antragssteller zu 1.) um Fristverlängerung, legte aber in der Folgezeit keine aktuellen Belege vor. Für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2008 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern laufende Leistungen in Höhe von 820,85 EUR monatlich, wobei der Anteil für Unterkunft und Heizung wieder mit monatlich 148,87 EUR festgesetzt wurde. Auch gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller keinen Widerspruch. Mit Bescheiden vom 18. Januar 2007 änderte die Antragsgegnerin die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Januar 2007 an ab und bewilligte nun monatlich Kosten für Unterkunft und Heizung von 163,87 EUR. Diese Veränderung beruhte auf der Berücksichtigung einer erhöhten monatlichen "Heizkostenpauschale" von 90,00 EUR.

Den Widerspruch gegen die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2008 im übrigen als unbegründet zurück.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid haben die Antragsteller mit einem am 14. Februar 2008 beim Sozialgericht Stendal (SG) eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben und zugleich auch um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht, wobei sie diesen Antrag ausdrücklich auf die Kosten der Unterkunft begrenzt haben. In der Sache haben sie vorgetragen: Bei den Kosten der Unterkunft seien die monatlichen Zahlungen in Höhe von 300 EUR an die Kreissparkasse zu berücksichtigen. Diese Zahlungen dienten dem Erhalt des Wohnraums und zur Vermeidung der ansonsten drohenden Zwangsvollstreckung.

Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 3. März 2008 als unbegründet abgelehnt und ausgeführt: Eine einstweilige Regelung sei von vornherein nur für die Zeit ab Eingang des Antrags am 14. Februar 2008 möglich. Für Zeiträume vor der Antragstellung könne keine aktuelle Notlage vorliegen und für die Zeit nach der Antragstellung seien keine höheren Unterkunftskosten als die geleisteten nachgewiesen. Die monatlichen Zahlungen an die Kreissparkasse seien Zahlungen, die zur Tilgung der Hauptforderung erfolgten. Tilgungsleistungen könnten nicht als Unterkunftskosten übernommen werden.

Gegen den ihnen am 5. März 2008 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 7. April 2008 (einem Montag) Beschwerde erhoben, ohne diese aber weiter inhaltlich zu begründen. Sie haben mitgeteilt, dass auf zwei in der Zwischenzeit zur Zwangsversteigerung des Grundstücks durchgeführten Terminen kein Bieter aufgetreten sei, so dass es nicht zur Zwangsversteigerung gekommen sei. Ein neuer, dritter Termin sei für den 9. Februar 2009 anberaumt worden.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 3. März 2008 auf- zuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen für die Zeit ab dem 1. Januar 2007 höhere Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat sich nicht zu der nicht gesondert begründeten Beschwerdeschrift geäußert. Sie hält die Entscheidung des SG für richtig und beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Sie ist auch im sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.

Das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller ist als Regelungsverfügung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG auszulegen und als solche zulässig. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Hier kommt allein eine Regelungsanordnung in Betracht. Die Anordnung kann erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung den Ausgang des Hauptsacheverfahrens (hier des Klageverfahrens) abwarten müsste und deswegen wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Antrag.

Die Antragsteller haben mit ihrem am 14. Februar 2008 beim SG eingegangenen Schriftsatz Klage gegen den Bescheid vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2008 erhoben und zugleich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Durch Auslegung ergibt sich, dass von diesem Rechtsschutzantrag insbesondere der Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007, der Regelungsgegenstand des mit der Klage angefochtenen Bescheides ist, umfasst wird. Begehrt wird insoweit eine einstweilige Regelung für einen Zeitraum vor Eingang des Rechtsschutzantrags beim angerufenen Gericht. Hierbei ist zu beachten, dass bei einem Begehren, dass sich auf Geldleistungen für einen in der Vergangenheit liegenden Leistungszeitraum richtet, ein Anordnungsgrund zu verneinen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. zum SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 28). Hintergrund ist, dass die eine einstweilige Anordnung begründende Notlage in der Regel nicht besteht, soweit Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden. Eine Notlage kann sich in der Regel immer nur daraus ergeben, dass aktuell keine Mittel vorhanden sind, um den laufenden Lebensunterhalt einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung zu sichern. Eine Verpflichtung zur Leistungserbringung für zurückliegende Zeiträume kann deshalb nur in Betracht kommen, wenn eine Nichtleistung für die Vergangenheit noch andauernde Auswirkungen für Gegenwart und Zukunft begründet. Dies ist im vorliegenden Fall anzunehmen. Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt waren die Antragsteller in der Zeit ab dem 1. Januar 2007 nicht in der Lage, die Verpflichtung zur Zahlung der monatlich 300 EUR aus der "Rückzahlungsvereinbarung" des Antragstellers zu 1) mit der Kreissparkasse zu bedienen. Dies hat, wie sich aus dem Schreiben der Kreissparkasse vom 25. Oktober 2007 ergibt, dazu geführt, dass von dieser die Vollstreckung durch Anträge beim zuständigen Amtsgericht auf Durchführung von bisher zwei Zwangsversteigerungsterminen betrieben wurde. Zwar sind zwei Zwangsvollstreckungstermine nach dem glaubhaften Vorbringen der Antragsteller erfolglos geblieben. Für Februar 2009 ist aber ein weiterer Termin anberaumt worden. Wenn dieser zu einer Zwangsversteigerung des von den Antragstellern bewohnten Hausgrundstückes führen sollte, was nicht auszuschließen ist, ist als weitere Folge eine Verpflichtung zur Räumung des Hauses und somit der Verlust des Wohnraums zu befürchten. Insofern begründet die Nichtübernahme der monatlichen Raten von 300,00 EUR durch die Antragsgegnerin in der Vergangenheit weiter anhaltende Auswirkungen. Aufgrund der Auskunft der Kreissparkasse im Oktober 2007, bei Wiederaufnahme der Zahlungen das Vollstreckungsverfahren einstweilen einzustellen, ist auch mit der für die im einstweiligen Rechtschutzverfahren ausreichende Sicherheit davon auszugehen, dass ein Nachzahlungsbetrag die Antragsteller in die Lage versetzen wird, durch ein Zahlungsangebot gegenüber der Kreissparkasse diese bei unsicherem Ausgang eines weiteren Zwangsversteigerungsversuches zum zumindest vorläufigen Verzicht auf die Weiterbetreibung des Vollstreckungsverfahrens zu bewegen. Hierfür sprechen insbesondere die Umstände, dass die Kreissparkasse die mit dem Antragsteller zu 1) geschlossene "Rückzahlungsvereinbarung" bisher nicht formell aufgekündigt hat und dass eine Verwertung der dinglichen Sicherheit durch eine Zwangsversteigerung sich offensichtlich mangels geeigneter Interessenten bisher nicht realisieren ließ. Eine Ersteigung der Immobilie durch die Kreissparkasse selbst mit anschließender Überlassung an die Antragsteller gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung würde die Situation wirtschaftlich nicht verändern. Ob und in welchem betragsmäßigen und zeitlichen Umfang die Antragsgegnerin verpflichtet ist, zukunftsgerichtet Zahlungen für die Unterkunft unter Berücksichtigung der laufenden Verpflichtungen gegenüber der Kreissparkasse zu erbringen, kann deshalb in diesem Zusammenhang offen bleiben.

Der Senat erachtet auch einen Anordnungsanspruch für gegeben. Die von dem Antragsteller zu 1.) nach der mit der Kreisparkasse abgeschlossenen, noch nicht aufgekündigten "Rückzahlungsvereinbarung" monatlich zu leistenden Raten in Höhe von 300,00 EUR sind Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II.

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zu den Unterkunftskosten für selbstgenutzte Eigenheime zählen auch Schuldzinsen aus laufenden Darlehensverpflichtungen für im Zusammenhang mit dem Erwerb des Eigenheims aufgenommene Darlehen (vgl. Lang/Link in Eicher /Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22, Rn. 26; Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl, § 22, Rn. 22; Lauterbach in Gagel, SGB III/SGB II, § 22 SGB II, Rn. 17). Dies gilt aber – wie der Senat bereits an anderer Stelle entschieden hat – für nach Kündigung der Darlehen anfallenden Verzugszinsen (§§ 288 Abs. 1, 497 Abs. 1 S. 3 BGB) nicht (Beschluss des Senats vom 8. Mai 2008 - L 2 B 94/07 AS ER). Denn im Falle der Darlehenskündigung sind die vertraglichen Abreden hinfällig, so dass auch die Zinszahlungspflicht entfällt und das überlassene Darlehen sofort zurückzuerstatten ist. Gerät der Schuldner mit der Rückzahlung des Darlehens in Verzug, hat der Gläubiger als Schadensausgleich Anspruch auf Verzugszinsen. Sie sind also schon ihrer Bestimmung nach keine Aufwendungen für die Unterkunft, können aber Schulden sein, die der SGB II–Leistungsträger unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II mittels Darlehen übernehmen kann. Im konkreten Fall handelt es sich bei den von dem Antragsteller zu 1.) zu zahlenden monatlichen Raten in Höhe von 300,00 EUR aber nicht um Verzugszinsen. Die Zahlungsverpflichtung ergibt sich aus der mit der Kreissparkasse abgeschlossenen "Rückzahlungsvereinbarung" vom 1. März 2005. Insofern liegt für die Zahlungen der monatlichen Raten eine eigenständige vertragliche Rechtsgrundlage "sui generis (= eigener Art)" vor. Diese Vereinbarung hat wirtschaftlich betrachtet aus der Sicht des hier für die Bedarfsgemeinschaft handelnden Antragsgegners zu 1.) die Funktion, ein "Stillhalten" der Kreissparkasse in dem Sinne zu erreichen, dass diese keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus der dinglichen Sicherheit für die offenen Verbindlichkeiten betreibt. Somit ermöglicht eine Bedienung der Verpflichtung aus dieser Vereinbarung den Antragstellern, weiter in dem im Eigentum des Antragstellers zu 1.) stehenden Haus wohnen bleiben zu können. Die aus der "Rückzahlungsvereinbarung" geschuldeten Ratenzahlungen stehen daher wirtschaftlich einer Nutzungsentschädigung für die in Inanspruchnahme von Wohnraum nahe. Die Zahlungen solcher Nutzungsentschädigungen sind regelmäßig eine wichtige Voraussetzung für Mieter, um nach erfolgreicher Räumungsklage des Vermieters im Rahmen befristeten Vollstreckungsschutzes ein weiteres Wohnen in der bisherigen Wohnung erreichen zu können. Diese Bedeutung der Ratenzahlung für die Sicherung der aktuellen Unterkunft rechtfertigt es, sie als Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II anzusehen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Ratenzahlungen nach der in der Vereinbarung enthaltenen, die Regelung im § 497 Abs. 3 BGB wiedergebenden Abrede, vorrangig vor einer Anrechnung auf die Zinsen auf den geschuldeten Betrag (also die geschuldete Summe aus den gekündigten Darlehen) anzurechnen sind. Diese Abrede führt zwar dazu, dass die Zahlungen – bei vertragstreuer Behandlung durch die Kreissparkasse – zu einer Tilgung der ursprünglichen Darlehensschuld führen. Dies schließt aber eine Behandlung als Unterkunftskosten nicht aus. Das Bundessozialgericht (BSG) hat nach Inkrafttreten des SGB II zunächst die Auffassung vertreten, die Aufwendungen für die Tilgung von zur Eigenheimfinanzierung aufgenommenen Darlehen seien generell nicht als Unterkunftskosten zu berücksichtigen, wobei das BSG auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Bezug genommen hat (BSG, Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R). Diese ausnahmslos restriktive Betrachtung der Tilgungsraten hat das BSG aber in Weiterentwicklung seiner Rechtsprechung modifiziert. Nach einer neueren Entscheidung (BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b 67/06 R) ist es nun nach der Auffassung des BSG nicht ausgeschlossen, Tilgungsleistungen in bestimmten Konstellationen als Kosten der Unterkunft zu behandeln, jedenfalls in dem Rahmen, in dem statt der Tilgungsleistungen bei einer entsprechenden Mietwohnung angemessene Aufwendungen zu übernehmen wären. Eine genauere Analyse dieser Rechtsprechung ist derzeit noch nicht möglich, weil die Entscheidung noch nicht im Volltext zugänglich ist. Jedenfalls kann der Entscheidung entnommen werden, dass Tilgungsleistungen nicht ohne weitere einzelfallbezogene Prüfung grundsätzlich davon ausgeschlossen sind, als Unterkunftskosten nach § 22 SGB II übernommen zu werden. Dem schließt der erkennende Senat sich an.

Im konkreten Fall ist eine ausnahmsweise Verpflichtung zur Übernahme durch die Antragsgegnerin geboten, denn die Zahlung der vereinbarten Rate von 300,00 EUR beruht auf einer den Erhalt des Wohnraums für drei Leistungsempfänger zumindest für die nähere Zukunft sichernden Abrede. Die Zahlungen haben – wie oben dargestellt – die Zweckrichtung einer Nutzungsentschädigung. Per Saldo führen die Zahlungen auch nicht zu einer Vermögensvermehrung, denn einer Anrechnung auf das geschuldete Kapital steht ein Anwachsen der Zinsschuld durch die laufenden Verzugszinsen in derzeit überschlägig gesehen ungefähr gleicher Höhe gegenüber. Schon das BVerwG hat in seiner vom BSG zitierten Rechtsprechung ausgeführt, der Grundsatz, im Ergebnis zu einer Vermögensmehrung bei den Leistungsempfängern führende Tilgungsleistungen könnten nicht als Kosten der Unterkunft übernommen werden, könne dann keine strikte Geltung haben, wenn der Verlust der Unterkunft und eine damit neue Notlage zu befürchten sei (BVerwG, Urteil vom 24.4.1975 – V C 61/73 = BVerwGE 48, 182, 185f.). Zuzüglich der von der Antragsgegnerin schon erbrachten Leistungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 163,87 EUR ergibt sich ein monatlicher Gesamtbetrag von 463,87 EUR. Dafür, dass diese Kosten bei einer dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft unangemessen sind, bestehen keine Anhaltspunkte. Entsprechendes ist auch von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen worden.

Einen Anspruch auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung haben die Antragsteller nicht vorgetragen. Zwar ist die Berechnung der Leistungen nach § 22 SGB II für den hier streitigen Zeitraum aus dem Jahre 2007 auf der Basis von für das Jahr 2005 bzw. sogar 2004 angefallenen und zudem mutmaßlich unvollständigen Kosten fehlerhaft. Denn maßgeblich für die Kosten der Unterkunft sind die jeweils im Bedarfzeitraum anfallenden Kosten (BSG, Beschluss vom 16.5.2007, B 7b AS 40/06 R und Urteil vom 15.4.2008 – B 14/7b AS 58/06 R, jeweils zitiert nach juris). Hier haben aber die Antragsteller trotz der Aufforderung durch die Antragsgegnerin keine aktuellen Kosten nachgewiesen und solche auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren glaubhaft gemacht. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Berechnung der Kosten für Unterkunft und Heizung durch die Antragstellerin nicht zu beanstanden.

Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Leistungsgewährung für Bewilligungszeiträume ab dem 1. Juli 2007 scheidet aus. Die insoweit maßgeblichen nachfolgenden Leistungsbewilligungen sind nicht nach § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens bzw. nach § 96 SGG des anhängigen Klageverfahrens geworden (vgl. BSG, Urteil vom 7.11.2006 – B 7b 14/06 R – zur Nichtanwendbarkeit des § 96 SGG). Weil die Antragsteller diese Bescheide nicht mit gesonderten Widersprüchen angefochten haben, sind die Leistungsbewilligungen bestandskräftig geworden. Anträge auf Überprüfung dieser Leistungsbescheide nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) haben die Antragsteller nicht gestellt. Deshalb scheidet eine vorläufige Regelung für diese Zeiträume im Verfahren nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG aus. Denn § 86 Abs. 2 SGG setzt voraus, dass über das streitige Rechtsverhältnis noch eine Sachentscheidung in einem Hauptsacheverfahren ergehen kann. Dies ist bei einem bestandskräftig geregelten Gegenstand nicht der Fall. Den Antragsteller bleibt hier nur die Möglichkeit, Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X durch entsprechende Antragsverfahren in Gang zu setzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung § 193 SGG. Dabei findet Berücksichtigung, dass das Begehren der Antragsteller auch bei zeitlich unbegrenzter Antragstellung im Schwerpunkt darauf gerichtet war, für den mit dem Bescheid vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2008 angefochten Bewilligungszeitraum vorläufig höhere Leistungen zu erreichen. Insofern war ihr Rechtsschutzbegehren im Ergebnis erfolgreich.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG mit der Beschwerde nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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