Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 7 AS 796/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 87/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 15. November 2005 wird aufgehoben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bei dem Antragsteller für die Zahlung von Arbeitslosengeld II ab von November bis Dezember 2005 Kosten der Unterkunft in Höhe von 427,15 EUR und für die Zeit Januar 2006 bis April 2006 in Höhe von 434,53 EUR zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten über den Zeitraum von 6 Monaten hinaus. Der am 1949 geborene Antragsteller bewohnt mit seiner Ehefrau seit dem 1. März 2003 eine 70,4 m² große Wohnung in D ... Die Wohnung liegt in einem in Plattenbauweise errichteten Gebäude, welches vor 5 bis 6 Jahren saniert wurde. Die Wohnung verfügt über vier Zimmer (9 qm, 9 qm, 15 qm und 19 qm), eine Küche (5 qm), ein Bad (4,4 qm), einen Flur (4 qm) und einen Balkon (5 qm). Die an den Vermieter zu zahlende Miete betrug ab Februar 2005 insgesamt: 399,33 EUR. Davon entfielen 323,84 EUR auf die Kaltmiete, 67,50 EUR auf die monatliche Vorauszahlung für die Betriebskosten und 7,99 EUR auf die Kabelbreitbandgebühr. Der Antragsteller leistet daneben monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von zunächst 50,00 EUR und ab Juli 2005 42,00 EUR für Abwasser und Wasser sowie 63,00 EUR für Fernwärme an die Stadtwerke D ... Auf seinen Antrag bewilligte die Antragsgegnerin ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum Januar bis April 2005 (Bescheid vom 23. November 2004). Diesen korrigierte sie wegen der Erhöhung der Vorauszahlung für Betriebskosten ab Februar 2005 mit Bescheid vom 19. April 2005. Danach berücksichtigte die Antragsgegnerin die Kosten der Unterkunft in Höhe von 500,99 EUR. Der Betrag setzte sich zusammen aus 323,84 EUR Nettokaltmiete, 67,50 EUR Nebenkosten, 7,99 EUR Kabelgebühr, 50 EUR Wasserkosten und 51, 66 EUR Heizung (63 EUR abzüglich 18% für die Warmwasserzubereitung). Bereits im Bescheid von November 2004 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Wörtlich heißt es dazu in dem Bescheid: "Für Wohnraum beträgt die ortsübliche Nettokaltmiete in D. 258,00 EUR. Ihre Nettokaltmiete beträgt 323,84 EUR. Die tatsächlichen Aufwendungen Ihres jetzigen Wohnraumes werden nur befristet, ab dem 1. Januar 2005 für die Dauer von sechs Monaten anerkannt." Weiter führte sie aus, auch die Wasserkosten lägen zu hoch. Es könnten nur 45,00 EUR berücksichtigt werden. Am 4. April 2005 stellte der Antragsteller einen Fortzahlungsantrag auf Arbeitslosengeld II. Mit Bescheid vom 21. April 2005 bewilligte die Antragsgegnerin ihm für den Zeitraum Mai bis Juni 2005 Arbeitslosengeld II mit einem unverändertem Anteil der Kosten der Unterkunft von 500,99 EUR und für den Zeitraum Juli bis Oktober 2005 Arbeitslosengeld II mit einem Anteil der Kosten der Unterkunft in Höhe von 430,15 EUR. Dabei reduzierte sie die berücksichtigungsfähige Kaltmiete auf 258,00 EUR und die anzuerkennenden Wasserkosten auf 45,00 EUR. Hiergegen legte der Antragsteller am 23. Mai 2005 Widerspruch ein, der sich gegen die Absenkung der Unterkunfts- und Heizungskosten um 70,84 EUR zum 1. Juli 2005 bezog. Am 20. Juni 2005 beantragte der Antragsteller bei dem Sozialgericht Dessau im Wege der einstweiligen Anordnung, ihm vorläufig weiterhin 500,99 EUR für Unterkunft und Heizung ab dem 1. Juli 2005 zu zahlen (Aktenzeichen S 9 AS 325/05). Das Sozialgericht Dessau holte Wohnungsangebote über Internetsuchmaschinen ein. Daraus ergab sich, dass in D. 2 bis 3-Raum-Wohnungen mit einer Kaltmiete von 250,00 EUR angeboten werden. Auf Anforderung legte die Antragsgegnerin ihre Arbeitsanweisung zu den Kosten der Unterkunft ab 1. Januar 2005 auszugsweise vor. Danach sind als Höchstbeträge für die Nettokaltmiete für zwei Personen mit 258,00 EUR, als Höchstbeträge für den Wasser- und Abwasserverbrauch 45,00 EUR und als Heizkosten pro qm 1,28 EUR sowie die angemessenen Betriebskosten anzuerkennen. Mit Beschluss vom 1. Juli 2005 lehnte das Sozialgericht Dessau den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung führt es aus: Die von der Antragsgegnerin vorgegebene Nettokaltzinsmiete in Höhe von 258,00 EUR sei angemessen. Die abgefragten Wohnungsangebote hätten bestätigt, dass Wohnungen zu der von der Antragsgegnerin vorgegebenen Kaltmiete zu erhalten seien. Der Antragssteller habe keine Anstrengungen unternommen, um seine Wohnung zu wechseln. Die Kürzung der Wasserkosten sei inzwischen gegenstandslos, da der Antragsteller die Vorauszahlung auf 42,00 EUR reduziert habe. Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller keine Beschwerde ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers mit Bezug auf die Begründung des Beschlusses des Sozialgerichtes Dessau zurück. Am 30. September 2005 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. November 2005. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen für den Zeitraum 1. November 2005 bis 30. April 2006. Hierbei erkannte sie monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von 381,00 EUR an. Gegen diese abermalige Absenkung seiner Leistungen hinsichtlich der Kosten der Unterkunft hat der Antragsteller am 21. Oktober 2005 erneut einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Sozialgericht Dessau gestellt. Eine weitere Absenkung seiner Leistungen könne er nicht akzeptieren. Die Höhe der angemessenen Mietkosten sei bereits im Beschluss des Sozialgerichts vom 1. Juli 2005 festgelegt worden. Die Antragsgegnerin hat darauf verwiesen, dass die Berechnung der Kosten der Unterkunft anhand der ab dem 1. Juli 2005 anzuwendenden Arbeitsrichtlinie der Stadt D. korrekt durchgeführt sei. Danach seien bei einem Zwei-Personenhaushalt 381 EUR als maximale Unterkunftskosten anzusetzen. Davon entfielen 318 EUR auf die Grundmiete einschließlich der Nebenkosten und 63 EUR auf die Heizkosten. Der Antragsteller hat auf Anforderung die Betriebskostenabrechnung für 2004 und die Entgeltabrechnung über Trinkwasser und Abwasser der D. W. - und A. GmbH vom 14. März 2005 vorgelegt, auf deren Inhalt verwiesen wird. Mit Beschluss vom 15. November 2005 hat das Sozialgericht Dessau den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach Ansicht des Gerichts seien die tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 504,33 EUR unangemessen hoch. Die Wohnung sei zwar nicht unangemessen groß, denn Küche, Bad und Toilette seien bei der Wohnungsgröße nicht zu berücksichtigen. Die Miete sei jedoch unangemessen hoch. Für die Stadt D. gäbe es einen Mietspiegel aus dem Jahre 1997. Danach läge die Quadratmetermiete in Höhe von 4,60 EUR pro m² über dem Höchstwert des Mietspiegels. Allerdings sei fraglich, ob die Werte aus dem Jahre 1997 ohne weiteres für das Jahr 2005 herangezogen werden könnten. Aber auch bei einer ergänzenden Berücksichtigung der Werttabelle zu § 8 des Wohngeldgesetzes sei die Kaltmiete unangemessen hoch. In Anlehnung an diese Werte seien Kosten der Unterkunft bestehend aus der Kaltmiete und den Kaltnebenkosten in Höhe von 310,00 EUR angemessen. Daneben seien tatsächlich Kosten für die Heizung in Höhe von 63,00 EUR angemessen. Es sei für den Antragsteller objektiv möglich gewesen, die Kosten der Unterkunft zu senken. Für eine subjektive Unzumutbarkeit habe er nichts vorgetragen. Gegen diesen ihn am 17. November 2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 29. November 2005 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Die Tabelle des Wohngeldgesetzes könne auf seinen Fall nicht angewandt werden, da § 1 Wohngeldgesetz die Anwendung auf ALG II-Empfänger ausschließe. Er wehre sich dagegen, dass behauptet werde, er wohne in einer zu großen Wohnung und habe zu hohe Kosten. Er bezweifele die Angemessenheit der von der Antragsgegnerin angesetzten Werte. Weiter hat der Antragsteller mitgeteilt, dass sich die Kosten für die Fernwärme ab Januar 2006 um 9,00 EUR bei einer 60 m² großen Wohnung erhöht hätten. Die Abschlagszahlung des Antragstellers beträgt ab dem 1. Januar 2006 nunmehr 72,00 EUR. Der Antragsteller beantragt nach seinem Vorbringen sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 15. November 2005 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab dem 1. November 2005 Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Abzüge bei den Nebenkosten zu gewähren. Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie wiederholt den bisherigen Vortrag. Auf Anforderung des Senates hat die Antragsgegnerin die Richtlinie der Stadt D. zur Gewährung von Unterkunfts- und Heizkosten zu den Akten gereicht. Das Sozialgericht Dessau hat der Beschwerde mit Beschluss vom 25. November 2005 nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und die Gerichtsakten verwiesen. Des Weiteren hat der Senat die Akte aus dem abgeschlossenen Verfahren vor dem Sozialgericht Dessau S 6 AS 325/05 für das Verfahren beigezogen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und form- und fristgerecht beim Sozialgericht Dessau eingelegt worden (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetzes – SGG). Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt (§ 174 SGG). Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht Dessau den Antrag auf eine einstweilige Anordnung für die Kosten der Unterkunft abgelehnt. Nach summarischer Prüfung hat der Antragsteller einen Anspruch auf die Übernahme der tatsächlichen Nebenkosten ohne die Kosten für die Heizung (sog. "kalte Nebenkosten") einschließlich der Kabelgebühren. Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt eine Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile in Betracht. Sie kann erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche, in § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG näher gekennzeichnete, Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund setzt voraus, dass der Antragsteller bei Abwägung seiner Interessen gegen die der Antragsgegnerin nicht zugemutet werden kann, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dies ist hier der Fall. Es kann dem Antragsteller nicht zugemutet werden, vorläufig nur einen geringen Anteil der Kosten der Unterkunft gewährt zu bekommen, bis die Hauptsache entschieden ist. Nach § 19 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Der Antragsteller ist erwerbsfähig und hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1, § 9 SGB II: Er bildet eine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau. Streitig ist nur die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung. Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf solange zu berücksichtigen, wie es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Angemessenheit lässt sich nach der Größe der Wohnung und der Kosten der Wohnung pro Quadratmeter differenzieren. Der Verordnungsgeber hat von der Ermächtigung gem. § 27 SGB II, festzulegen, welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind und unter welchen Voraussetzungen diese Kosten pauschaliert werden können, noch keinen Gebrauch gemacht. Die Prüfung des unbestimmten Rechtsbegriffs "der Angemessenheit" unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung (vgl. LPK-Berlit SGB II, § 22 Rn. 23). Die Vorgaben der Antragsgegnerin in internen Dienstanweisungen binden die gerichtliche Prüfung nicht. Die Angemessenheit der Wohnkosten muss im Einzelfall beurteilt werden. Die tatsächlichen Aufwendungen des Antragstellers für die Kaltmiete in Höhe von 323,84 EUR sind nicht angemessen. Die Reduzierung des zu berücksichtigenden Kaltmietzins von 323,84 EUR auf 258 EUR hat der Antragsteller im vorliegenden einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht mehr angegriffen, sondern akzeptiert diesbezüglich die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau im vorangegangenen einstweiligen Rechtschutzverfahren S 9 AS 325/05. Danach hat die Antragsgegnerin 258,00 EUR als Kaltmietzins angesetzt. Die Nebenkosten sind in voller Höhe zu berücksichtigen. Die Nebenkosten orientieren sich an den Wohnquadratmetern. Hierbei ist die Wohnfläche einschließlich Küche, Bad und Nebenräumen von 70,4 qm für den Antragsteller und seine Ehefrau als noch angemessen zu beurteilen. Die Angemessenheit der Wohnfläche hängt hauptsächlich von der Zahl der zur Haushaltsgemeinschaft gehörenden Personen ab. Die Rechtsprechung hat zum Sozialhilferecht die Angemessenheit der Wohnungsgröße nach den im sozialen Wohnungsbau geltenden Richthöchstwerten beurteilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 – 5 C 42/95 – ZfS 1997, 83). Danach sind für zwei Personen 60 qm als angemessen zu beurteilen, wobei Küche, Bad, Toilette und Nebenräume nicht eingerechnet werden. Diese Werte sind auch für das SGB II als Richtwerte heranzuziehen (vgl. Lang in Eicher/Spellbrink SGB II § 22 Rn. 43; Rothkegel in Hauck/Noftz SGB II § 22 Rn.26 ff.). Von den 70,4 qm der Wohnung des Antragstellers sind jedenfalls 4,4 qm Bad, 5 qm Küche und 5 qm Balkon abzuziehen (= 56 qm), so dass eine anzurechnende Größe innerhalb der Richtwerte vorliegt. Für diese angemessene Wohnungsgröße sind die sog. "kalten Nebenkosten" bei einer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht als unangemessen anzusehen. Bei diesen Nebenkosten des Antragstellers handelt es sich ausweislich seiner Nebenkostenabrechnung um verbrauchsunabhängige Nebenkosten für Niederschlagsabwasser, Wartung Druckerhöhung, Aufzugsanlagen, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Ungezieferbekämpfung, Grünpflege, Gebäudeversicherung, Hauswartskosten, Betrieb der Antennenanlage, Brandschutz, umgelegte Grundsteuer, Abfallbeseitigungsgebühr, Haus- und Fensterreinigung, Allgemeinstrom und Reinigung von Schornstein und Lüftung. Auch die Kabelgebühr ist hierbei in die Nebenkosten einzubeziehen. Kann der Hilfesuchende die mit dem Kabelfernsehen verbundene Gebührenbelastung nicht vermeiden, weil die Gebühren Teil der Mietnebenkosten sind, handele es sich um notwendige Kosten der Unterkunft (vgl. Langen in Eicher/Spellbrink SGB II § 22 Rdnr. 23). Vorliegend ist die Kabelgebühr Teil der vom Antragsteller an seine Vermieterin zu zahlenden Miete. Es ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller die Möglichkeit gehabt hätte, auf den Kabelanschluss zu verzichten und gleichwohl über eine Hausantenne ein ausreichender Fernsehempfang gewährleistet wäre. Die Ausgaben für die oben genannten Nebenkosten kann der Antragsteller durch eigenes Verhalten nicht beeinflussen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller bei einem Vermieter wohnt, der besonders hohe Nebenkosten in Rechnung stellt bzw. in einem Wohnhaus, wo unangemessen hohe Nebenkosten anfallen. Die Vermieterin des Antragstellers ist die D. W. mbH. Hierbei handelt es sich um den größten Vermieter in der Stadt D. Die alleinige Gesellschafterin dieser W. ist die Stadt D. selbst. Es werden 16.000 Wohnungseinheiten verwaltet und alle städtischen Grundstücke in dieser Gesellschaft zusammengeführt (vgl. www ...de). Viele der genannten Nebenkosten sind von der konkreten Wohnung in dem Wohnhaus des Antragstellers unabhängig. Die Nebenkosten stehen auch im Vergleich zum Betriebskostenspiegel für Sachsen-Anhalt mit Daten aus dem Jahr 2004, Datenerfassung 2005 vom Deutschen Mieterbund (vgl. www.mieterbund.de) nicht außer Verhältnis. Die gesamten Betriebskosten einschl. Wasserkosten und Kabelgebühr ohne die Kosten für Heizung und Warmwasser betragen für den Antragsteller 1,67 EUR pro qm. Nach dem Betriebskostenspiegel für Sachsen-Anhalt beträgt der gewichtete Mittelwert 1,35 EUR pro qm und der kritische Grenzwert 1,97 EUR pro qm. Demgegenüber setzt die Antragsgegnerin in ihrer Richtlinie faktisch nur 1,00 EUR pro qm an (258 EUR + 60 EUR = 318 EUR Grundmiete + Betriebskosten, wobei sie sogar die maximale Wohnungsgröße mit allen Räumen kalkuliert. Diese Berechnungsweise erscheint angesichts der tatsächlichen Kosten ausweislich des Betriebskostenspiegels wenig plausibel. Jedenfalls im einstweiligen Rechtschutzverfahren, wo eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich ist, muss bei einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft davon ausgegangen werden, dass die Betriebskosten in D. pro qm durchschnittlich über den Durchschnittwerten für Sachsen-Anhalt liegen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Höhe der Betriebskosten angemessen ist. Der Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Nebenkosten für den Zeitraum November 2005 bis April 2006 steht weiter entgegen, dass die Antragsgegnerin den Antragssteller nicht darauf hingewiesen hat, dass die Nebenkosten zu hoch sind. Eine hinreichend bestimmte Kostensenkungsaufforderung ist regelmäßig Voraussetzung dafür, dass dem Einzelnen Kostensenkungsbemühungen als zumutbar abzuverlangen sind (vgl. Berlit, NDV 2006 Seite 5, 13; SG Oldenburg, Beschluss vom 28. November 2005 – S 47 787/05 ER). Denn der Hilfeempfänger hat ohne eine solche Aufforderung nicht die Möglichkeit zu erkennen, dass seine Unterkunftskosten kostenunangemessen sind. Er hat daher keinen Anlass, Kostensenkungsaktivitäten zu entfalten. Vorliegend hat die Antragsgegnerin den Antragsteller zwar mit Bescheid vom 23. November 2004 darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Mietkosten nur befristet für sechs Monate anerkannt werden. Dieser Hinweis auf die Unangemessenheit der Kosten bezog sich jedoch nur auf die Nettokaltmiete. Daneben wurde nur noch auf zu hohe Wasserkosten verwiesen. Insofern wurde der Antragsteller überrascht, als ihm ab November 2005 nicht nur die Nettokaltmiete weiterhin nur in Höhe von 258,00 EUR anerkannt wurde, sondern auch die Berücksichtigung der Nebenkosten reduziert wurde. Bei den Heizkosten bringt die Antragsgegnerin die Kosten für die Warmwasserzubereitung in Abzug, welche bereits im Regelsatz enthalten sind. Diesen Abzug von 18 % der Heizkosten greift der Antragsteller nicht an. Der zu berücksichtigende Anteil der Heizkosten von anfänglich 51,66 EUR steht nicht im Streit. Deshalb bedarf es hierzu im Eilverfahren keiner weiteren Ausführungen. Insgesamt ergeben sich danach von der Antragsgegnerin zu übernehmende Kosten der Unterkunft ab 1. November 2005 in Höhe von 427,15 EUR (42,00 EUR Wasserkosten + 67,50 EUR kalte Nebenkosten + 51,66 EUR Heizungskosten + 7,99 EUR Kabelgebühr + 258,00 EUR angemessener Kaltmietzins). Ab dem 1. Januar 2006 erhöht sich dieser Betrag auf 434,53 EUR. Da die Abschlagszahlung für die Heizung von 63,00 EUR auf 72,00 EUR gestiegen ist und bei Berücksichtigung eines Abschlages von 18 % ein Betrag von 7,38 EUR zusätzlich anzuerkennen ist. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar. Auf § 178 a SGG wird hingewiesen. gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Bombeck
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten über den Zeitraum von 6 Monaten hinaus. Der am 1949 geborene Antragsteller bewohnt mit seiner Ehefrau seit dem 1. März 2003 eine 70,4 m² große Wohnung in D ... Die Wohnung liegt in einem in Plattenbauweise errichteten Gebäude, welches vor 5 bis 6 Jahren saniert wurde. Die Wohnung verfügt über vier Zimmer (9 qm, 9 qm, 15 qm und 19 qm), eine Küche (5 qm), ein Bad (4,4 qm), einen Flur (4 qm) und einen Balkon (5 qm). Die an den Vermieter zu zahlende Miete betrug ab Februar 2005 insgesamt: 399,33 EUR. Davon entfielen 323,84 EUR auf die Kaltmiete, 67,50 EUR auf die monatliche Vorauszahlung für die Betriebskosten und 7,99 EUR auf die Kabelbreitbandgebühr. Der Antragsteller leistet daneben monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von zunächst 50,00 EUR und ab Juli 2005 42,00 EUR für Abwasser und Wasser sowie 63,00 EUR für Fernwärme an die Stadtwerke D ... Auf seinen Antrag bewilligte die Antragsgegnerin ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum Januar bis April 2005 (Bescheid vom 23. November 2004). Diesen korrigierte sie wegen der Erhöhung der Vorauszahlung für Betriebskosten ab Februar 2005 mit Bescheid vom 19. April 2005. Danach berücksichtigte die Antragsgegnerin die Kosten der Unterkunft in Höhe von 500,99 EUR. Der Betrag setzte sich zusammen aus 323,84 EUR Nettokaltmiete, 67,50 EUR Nebenkosten, 7,99 EUR Kabelgebühr, 50 EUR Wasserkosten und 51, 66 EUR Heizung (63 EUR abzüglich 18% für die Warmwasserzubereitung). Bereits im Bescheid von November 2004 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Wörtlich heißt es dazu in dem Bescheid: "Für Wohnraum beträgt die ortsübliche Nettokaltmiete in D. 258,00 EUR. Ihre Nettokaltmiete beträgt 323,84 EUR. Die tatsächlichen Aufwendungen Ihres jetzigen Wohnraumes werden nur befristet, ab dem 1. Januar 2005 für die Dauer von sechs Monaten anerkannt." Weiter führte sie aus, auch die Wasserkosten lägen zu hoch. Es könnten nur 45,00 EUR berücksichtigt werden. Am 4. April 2005 stellte der Antragsteller einen Fortzahlungsantrag auf Arbeitslosengeld II. Mit Bescheid vom 21. April 2005 bewilligte die Antragsgegnerin ihm für den Zeitraum Mai bis Juni 2005 Arbeitslosengeld II mit einem unverändertem Anteil der Kosten der Unterkunft von 500,99 EUR und für den Zeitraum Juli bis Oktober 2005 Arbeitslosengeld II mit einem Anteil der Kosten der Unterkunft in Höhe von 430,15 EUR. Dabei reduzierte sie die berücksichtigungsfähige Kaltmiete auf 258,00 EUR und die anzuerkennenden Wasserkosten auf 45,00 EUR. Hiergegen legte der Antragsteller am 23. Mai 2005 Widerspruch ein, der sich gegen die Absenkung der Unterkunfts- und Heizungskosten um 70,84 EUR zum 1. Juli 2005 bezog. Am 20. Juni 2005 beantragte der Antragsteller bei dem Sozialgericht Dessau im Wege der einstweiligen Anordnung, ihm vorläufig weiterhin 500,99 EUR für Unterkunft und Heizung ab dem 1. Juli 2005 zu zahlen (Aktenzeichen S 9 AS 325/05). Das Sozialgericht Dessau holte Wohnungsangebote über Internetsuchmaschinen ein. Daraus ergab sich, dass in D. 2 bis 3-Raum-Wohnungen mit einer Kaltmiete von 250,00 EUR angeboten werden. Auf Anforderung legte die Antragsgegnerin ihre Arbeitsanweisung zu den Kosten der Unterkunft ab 1. Januar 2005 auszugsweise vor. Danach sind als Höchstbeträge für die Nettokaltmiete für zwei Personen mit 258,00 EUR, als Höchstbeträge für den Wasser- und Abwasserverbrauch 45,00 EUR und als Heizkosten pro qm 1,28 EUR sowie die angemessenen Betriebskosten anzuerkennen. Mit Beschluss vom 1. Juli 2005 lehnte das Sozialgericht Dessau den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung führt es aus: Die von der Antragsgegnerin vorgegebene Nettokaltzinsmiete in Höhe von 258,00 EUR sei angemessen. Die abgefragten Wohnungsangebote hätten bestätigt, dass Wohnungen zu der von der Antragsgegnerin vorgegebenen Kaltmiete zu erhalten seien. Der Antragssteller habe keine Anstrengungen unternommen, um seine Wohnung zu wechseln. Die Kürzung der Wasserkosten sei inzwischen gegenstandslos, da der Antragsteller die Vorauszahlung auf 42,00 EUR reduziert habe. Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller keine Beschwerde ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers mit Bezug auf die Begründung des Beschlusses des Sozialgerichtes Dessau zurück. Am 30. September 2005 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. November 2005. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen für den Zeitraum 1. November 2005 bis 30. April 2006. Hierbei erkannte sie monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von 381,00 EUR an. Gegen diese abermalige Absenkung seiner Leistungen hinsichtlich der Kosten der Unterkunft hat der Antragsteller am 21. Oktober 2005 erneut einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Sozialgericht Dessau gestellt. Eine weitere Absenkung seiner Leistungen könne er nicht akzeptieren. Die Höhe der angemessenen Mietkosten sei bereits im Beschluss des Sozialgerichts vom 1. Juli 2005 festgelegt worden. Die Antragsgegnerin hat darauf verwiesen, dass die Berechnung der Kosten der Unterkunft anhand der ab dem 1. Juli 2005 anzuwendenden Arbeitsrichtlinie der Stadt D. korrekt durchgeführt sei. Danach seien bei einem Zwei-Personenhaushalt 381 EUR als maximale Unterkunftskosten anzusetzen. Davon entfielen 318 EUR auf die Grundmiete einschließlich der Nebenkosten und 63 EUR auf die Heizkosten. Der Antragsteller hat auf Anforderung die Betriebskostenabrechnung für 2004 und die Entgeltabrechnung über Trinkwasser und Abwasser der D. W. - und A. GmbH vom 14. März 2005 vorgelegt, auf deren Inhalt verwiesen wird. Mit Beschluss vom 15. November 2005 hat das Sozialgericht Dessau den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach Ansicht des Gerichts seien die tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 504,33 EUR unangemessen hoch. Die Wohnung sei zwar nicht unangemessen groß, denn Küche, Bad und Toilette seien bei der Wohnungsgröße nicht zu berücksichtigen. Die Miete sei jedoch unangemessen hoch. Für die Stadt D. gäbe es einen Mietspiegel aus dem Jahre 1997. Danach läge die Quadratmetermiete in Höhe von 4,60 EUR pro m² über dem Höchstwert des Mietspiegels. Allerdings sei fraglich, ob die Werte aus dem Jahre 1997 ohne weiteres für das Jahr 2005 herangezogen werden könnten. Aber auch bei einer ergänzenden Berücksichtigung der Werttabelle zu § 8 des Wohngeldgesetzes sei die Kaltmiete unangemessen hoch. In Anlehnung an diese Werte seien Kosten der Unterkunft bestehend aus der Kaltmiete und den Kaltnebenkosten in Höhe von 310,00 EUR angemessen. Daneben seien tatsächlich Kosten für die Heizung in Höhe von 63,00 EUR angemessen. Es sei für den Antragsteller objektiv möglich gewesen, die Kosten der Unterkunft zu senken. Für eine subjektive Unzumutbarkeit habe er nichts vorgetragen. Gegen diesen ihn am 17. November 2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 29. November 2005 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Die Tabelle des Wohngeldgesetzes könne auf seinen Fall nicht angewandt werden, da § 1 Wohngeldgesetz die Anwendung auf ALG II-Empfänger ausschließe. Er wehre sich dagegen, dass behauptet werde, er wohne in einer zu großen Wohnung und habe zu hohe Kosten. Er bezweifele die Angemessenheit der von der Antragsgegnerin angesetzten Werte. Weiter hat der Antragsteller mitgeteilt, dass sich die Kosten für die Fernwärme ab Januar 2006 um 9,00 EUR bei einer 60 m² großen Wohnung erhöht hätten. Die Abschlagszahlung des Antragstellers beträgt ab dem 1. Januar 2006 nunmehr 72,00 EUR. Der Antragsteller beantragt nach seinem Vorbringen sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 15. November 2005 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab dem 1. November 2005 Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Abzüge bei den Nebenkosten zu gewähren. Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie wiederholt den bisherigen Vortrag. Auf Anforderung des Senates hat die Antragsgegnerin die Richtlinie der Stadt D. zur Gewährung von Unterkunfts- und Heizkosten zu den Akten gereicht. Das Sozialgericht Dessau hat der Beschwerde mit Beschluss vom 25. November 2005 nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und die Gerichtsakten verwiesen. Des Weiteren hat der Senat die Akte aus dem abgeschlossenen Verfahren vor dem Sozialgericht Dessau S 6 AS 325/05 für das Verfahren beigezogen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und form- und fristgerecht beim Sozialgericht Dessau eingelegt worden (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetzes – SGG). Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt (§ 174 SGG). Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht Dessau den Antrag auf eine einstweilige Anordnung für die Kosten der Unterkunft abgelehnt. Nach summarischer Prüfung hat der Antragsteller einen Anspruch auf die Übernahme der tatsächlichen Nebenkosten ohne die Kosten für die Heizung (sog. "kalte Nebenkosten") einschließlich der Kabelgebühren. Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt eine Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile in Betracht. Sie kann erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche, in § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG näher gekennzeichnete, Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund setzt voraus, dass der Antragsteller bei Abwägung seiner Interessen gegen die der Antragsgegnerin nicht zugemutet werden kann, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dies ist hier der Fall. Es kann dem Antragsteller nicht zugemutet werden, vorläufig nur einen geringen Anteil der Kosten der Unterkunft gewährt zu bekommen, bis die Hauptsache entschieden ist. Nach § 19 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Der Antragsteller ist erwerbsfähig und hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1, § 9 SGB II: Er bildet eine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau. Streitig ist nur die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung. Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf solange zu berücksichtigen, wie es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Angemessenheit lässt sich nach der Größe der Wohnung und der Kosten der Wohnung pro Quadratmeter differenzieren. Der Verordnungsgeber hat von der Ermächtigung gem. § 27 SGB II, festzulegen, welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind und unter welchen Voraussetzungen diese Kosten pauschaliert werden können, noch keinen Gebrauch gemacht. Die Prüfung des unbestimmten Rechtsbegriffs "der Angemessenheit" unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung (vgl. LPK-Berlit SGB II, § 22 Rn. 23). Die Vorgaben der Antragsgegnerin in internen Dienstanweisungen binden die gerichtliche Prüfung nicht. Die Angemessenheit der Wohnkosten muss im Einzelfall beurteilt werden. Die tatsächlichen Aufwendungen des Antragstellers für die Kaltmiete in Höhe von 323,84 EUR sind nicht angemessen. Die Reduzierung des zu berücksichtigenden Kaltmietzins von 323,84 EUR auf 258 EUR hat der Antragsteller im vorliegenden einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht mehr angegriffen, sondern akzeptiert diesbezüglich die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau im vorangegangenen einstweiligen Rechtschutzverfahren S 9 AS 325/05. Danach hat die Antragsgegnerin 258,00 EUR als Kaltmietzins angesetzt. Die Nebenkosten sind in voller Höhe zu berücksichtigen. Die Nebenkosten orientieren sich an den Wohnquadratmetern. Hierbei ist die Wohnfläche einschließlich Küche, Bad und Nebenräumen von 70,4 qm für den Antragsteller und seine Ehefrau als noch angemessen zu beurteilen. Die Angemessenheit der Wohnfläche hängt hauptsächlich von der Zahl der zur Haushaltsgemeinschaft gehörenden Personen ab. Die Rechtsprechung hat zum Sozialhilferecht die Angemessenheit der Wohnungsgröße nach den im sozialen Wohnungsbau geltenden Richthöchstwerten beurteilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 – 5 C 42/95 – ZfS 1997, 83). Danach sind für zwei Personen 60 qm als angemessen zu beurteilen, wobei Küche, Bad, Toilette und Nebenräume nicht eingerechnet werden. Diese Werte sind auch für das SGB II als Richtwerte heranzuziehen (vgl. Lang in Eicher/Spellbrink SGB II § 22 Rn. 43; Rothkegel in Hauck/Noftz SGB II § 22 Rn.26 ff.). Von den 70,4 qm der Wohnung des Antragstellers sind jedenfalls 4,4 qm Bad, 5 qm Küche und 5 qm Balkon abzuziehen (= 56 qm), so dass eine anzurechnende Größe innerhalb der Richtwerte vorliegt. Für diese angemessene Wohnungsgröße sind die sog. "kalten Nebenkosten" bei einer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht als unangemessen anzusehen. Bei diesen Nebenkosten des Antragstellers handelt es sich ausweislich seiner Nebenkostenabrechnung um verbrauchsunabhängige Nebenkosten für Niederschlagsabwasser, Wartung Druckerhöhung, Aufzugsanlagen, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Ungezieferbekämpfung, Grünpflege, Gebäudeversicherung, Hauswartskosten, Betrieb der Antennenanlage, Brandschutz, umgelegte Grundsteuer, Abfallbeseitigungsgebühr, Haus- und Fensterreinigung, Allgemeinstrom und Reinigung von Schornstein und Lüftung. Auch die Kabelgebühr ist hierbei in die Nebenkosten einzubeziehen. Kann der Hilfesuchende die mit dem Kabelfernsehen verbundene Gebührenbelastung nicht vermeiden, weil die Gebühren Teil der Mietnebenkosten sind, handele es sich um notwendige Kosten der Unterkunft (vgl. Langen in Eicher/Spellbrink SGB II § 22 Rdnr. 23). Vorliegend ist die Kabelgebühr Teil der vom Antragsteller an seine Vermieterin zu zahlenden Miete. Es ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller die Möglichkeit gehabt hätte, auf den Kabelanschluss zu verzichten und gleichwohl über eine Hausantenne ein ausreichender Fernsehempfang gewährleistet wäre. Die Ausgaben für die oben genannten Nebenkosten kann der Antragsteller durch eigenes Verhalten nicht beeinflussen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller bei einem Vermieter wohnt, der besonders hohe Nebenkosten in Rechnung stellt bzw. in einem Wohnhaus, wo unangemessen hohe Nebenkosten anfallen. Die Vermieterin des Antragstellers ist die D. W. mbH. Hierbei handelt es sich um den größten Vermieter in der Stadt D. Die alleinige Gesellschafterin dieser W. ist die Stadt D. selbst. Es werden 16.000 Wohnungseinheiten verwaltet und alle städtischen Grundstücke in dieser Gesellschaft zusammengeführt (vgl. www ...de). Viele der genannten Nebenkosten sind von der konkreten Wohnung in dem Wohnhaus des Antragstellers unabhängig. Die Nebenkosten stehen auch im Vergleich zum Betriebskostenspiegel für Sachsen-Anhalt mit Daten aus dem Jahr 2004, Datenerfassung 2005 vom Deutschen Mieterbund (vgl. www.mieterbund.de) nicht außer Verhältnis. Die gesamten Betriebskosten einschl. Wasserkosten und Kabelgebühr ohne die Kosten für Heizung und Warmwasser betragen für den Antragsteller 1,67 EUR pro qm. Nach dem Betriebskostenspiegel für Sachsen-Anhalt beträgt der gewichtete Mittelwert 1,35 EUR pro qm und der kritische Grenzwert 1,97 EUR pro qm. Demgegenüber setzt die Antragsgegnerin in ihrer Richtlinie faktisch nur 1,00 EUR pro qm an (258 EUR + 60 EUR = 318 EUR Grundmiete + Betriebskosten, wobei sie sogar die maximale Wohnungsgröße mit allen Räumen kalkuliert. Diese Berechnungsweise erscheint angesichts der tatsächlichen Kosten ausweislich des Betriebskostenspiegels wenig plausibel. Jedenfalls im einstweiligen Rechtschutzverfahren, wo eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich ist, muss bei einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft davon ausgegangen werden, dass die Betriebskosten in D. pro qm durchschnittlich über den Durchschnittwerten für Sachsen-Anhalt liegen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Höhe der Betriebskosten angemessen ist. Der Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Nebenkosten für den Zeitraum November 2005 bis April 2006 steht weiter entgegen, dass die Antragsgegnerin den Antragssteller nicht darauf hingewiesen hat, dass die Nebenkosten zu hoch sind. Eine hinreichend bestimmte Kostensenkungsaufforderung ist regelmäßig Voraussetzung dafür, dass dem Einzelnen Kostensenkungsbemühungen als zumutbar abzuverlangen sind (vgl. Berlit, NDV 2006 Seite 5, 13; SG Oldenburg, Beschluss vom 28. November 2005 – S 47 787/05 ER). Denn der Hilfeempfänger hat ohne eine solche Aufforderung nicht die Möglichkeit zu erkennen, dass seine Unterkunftskosten kostenunangemessen sind. Er hat daher keinen Anlass, Kostensenkungsaktivitäten zu entfalten. Vorliegend hat die Antragsgegnerin den Antragsteller zwar mit Bescheid vom 23. November 2004 darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Mietkosten nur befristet für sechs Monate anerkannt werden. Dieser Hinweis auf die Unangemessenheit der Kosten bezog sich jedoch nur auf die Nettokaltmiete. Daneben wurde nur noch auf zu hohe Wasserkosten verwiesen. Insofern wurde der Antragsteller überrascht, als ihm ab November 2005 nicht nur die Nettokaltmiete weiterhin nur in Höhe von 258,00 EUR anerkannt wurde, sondern auch die Berücksichtigung der Nebenkosten reduziert wurde. Bei den Heizkosten bringt die Antragsgegnerin die Kosten für die Warmwasserzubereitung in Abzug, welche bereits im Regelsatz enthalten sind. Diesen Abzug von 18 % der Heizkosten greift der Antragsteller nicht an. Der zu berücksichtigende Anteil der Heizkosten von anfänglich 51,66 EUR steht nicht im Streit. Deshalb bedarf es hierzu im Eilverfahren keiner weiteren Ausführungen. Insgesamt ergeben sich danach von der Antragsgegnerin zu übernehmende Kosten der Unterkunft ab 1. November 2005 in Höhe von 427,15 EUR (42,00 EUR Wasserkosten + 67,50 EUR kalte Nebenkosten + 51,66 EUR Heizungskosten + 7,99 EUR Kabelgebühr + 258,00 EUR angemessener Kaltmietzins). Ab dem 1. Januar 2006 erhöht sich dieser Betrag auf 434,53 EUR. Da die Abschlagszahlung für die Heizung von 63,00 EUR auf 72,00 EUR gestiegen ist und bei Berücksichtigung eines Abschlages von 18 % ein Betrag von 7,38 EUR zusätzlich anzuerkennen ist. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar. Auf § 178 a SGG wird hingewiesen. gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Bombeck
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