L 1 R 154/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 12 RA 16/04
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 R 154/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 8. August 2006 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung von in Ungarn zurückgelegten Beitragszeiten.

Die Klägerin wurde am XX.XXXXXXXXX 1944 in Ungarn geboren. Nach Besuch der Grund- und Oberschule absolvierte sie von 1959 bis 1963 eine volkswirtschaftlich-technische Schulausbildung, welche sie mit dem Abitur und einem volkswirtschaftlich-technischen Diplom abschloss. Vom 24. Juli bis 15. November 1963 war sie bei der Ungarischen S.-Gesellschaft als Bilanzbuchhalterin beschäftigt. Vom 18. November 1963 bis 26. Juni 1966 war sie als Lohnbuchhalterin, vom 27. Juni bis 8. Oktober 1966 als Sekretärin und vom 13. März 1967 bis 18. August 1972 als Verwaltungsangestellte angestellt. Im August 1972 floh sie über Schweden nach Deutschland und beantragte Asyl. Der Asylantrag wurde abgelehnt, die Klägerin erhielt in der Folgezeit eine Duldung. Sie ist weder als Asylbewerberin noch als Vertriebene anerkannt. Seit dem 15. Mai 1991 ist sie deutsche Staatsangehörige.

Neben den Versicherungszeiten in Ungarn hat die Klägerin auch Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt.

Am 16. Juni 1998 beantragte sie Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte zunächst mit Bescheid vom 24. September 1998 den Antrag ab, erkannte aber auf den Widerspruch der Klägerin hin die Erwerbsunfähigkeit an und bewilligte mit Bescheid vom 26. November 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 5. Dezember 1997 i.H.v. 1022, 47 DM (522,78 EUR) monatlich. Hiergegen legte die Klägerin am 23. Dezember 1998 Widerspruch ein mit der Begründung, die Rente sei unzutreffend berechnet, da sie vom 1. Juli 1963 bis 1. August 1972 in Ungarn gearbeitet habe und diese Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzuerkennen seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Berücksichtigung der Zeiten nach §§ 15, 16 FRG sei nicht möglich, da die Klägerin nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehöre.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Hamburg. Dieses hat die Klage mit Urteil vom 3. Mai 2001 (S 11 RA 276/99) als unbegründet abgewiesen. Eine Anrechnung der ungarischen Zeiten nach § 15 FRG komme nicht in Betracht, da die Klägerin nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehöre. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über Soziale Sicherheit vom 2. Mai 1998 (im Folgenden: deutsch-ungarisches Sozialversicherungsabkommen).

In einem Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht Hamburg am 13. Mai 2003, welcher im Rahmen des von der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil unter dem Aktenzeichen L 3 RA 30/01 durchgeführten Berufungsverfahrens stattfand, erklärte sich die Beklagte bereit, eine Überprüfung der Rente auf der Grundlage des Art. 40 Abs. 5 des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens vorzunehmen und der Klägerin das Ergebnis mitzuteilen. Außerdem erklärte sich die Beklagte bereit, der Klägerin eine höhere Rente zu gewähren, wenn sich aufgrund des anhängigen Berufungsverfahrens – zur Höhe des Krankengeldanspruches – L 1 KR 8/02 oder aus sonstigen Gründen eine Änderung zu Gunsten der Klägerin ergeben sollte. Daraufhin erklärte diese den Rechtsstreit für erledigt.

Mit Schreiben vom 24. Juni 2003 übersandte die Beklagte der Klägerin eine Probeberechnung unter Berücksichtigung des Sozialversicherungsabkommens mit Ungarn. Aus der Probeberechnung sei ersichtlich, dass sich auch unter Berücksichtigung der ungarischen Zeiten keine Rentenerhöhung ergebe. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Juli 2003 Widerspruch ein. Mit der Probeberechnung sei sie nicht einverstanden. Sie verlange eine Überprüfung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 5. Dezember 1997. Die im Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht gemachten Zusagen habe die Beklagte nicht erfüllt. Es sei auch nicht akzeptabel, dass ihre Rente keine ausreichende Lebensgrundlage biete, da eine Rente die Funktion eines Lohnersatzes habe.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2003 stellte die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Mai 2000 neu fest. Ab 1. August 2003 werde ein monatlicher Betrag von 562,47 EUR gezahlt. Die Rente sei aufgrund des Antrags der Klägerin und der Niederschrift vor dem Landessozialgericht Hamburg vom 13. Mai 2003 unter Berücksichtigung des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens überprüft worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte u.a. aus: Bezüglich der Neufeststellung sei sie an § 25 Abs. 5 des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens gebunden. Die Berechnung der deutschen Rente erfolge ausschließlich nach innerstaatlichem Recht. Die ungarischen Versicherungszeiten würden nur für die Anspruchsprüfung (z.B. Wartezeiterfüllung) herangezogen, seien jedoch bezüglich der Rentenberechnung nicht existent. Das deutsch-ungarische Sozialversicherungsabkommen vom 2. Mai 1998 sei zum 1. Mai 2000 in Kraft getreten. Erst zu diesem Zeitpunkt könne daher die Rente neu festgestellt werden. Für eine frühere Neufeststellung bereits zum 5. Dezember 1997 existiere keine Rechtsgrundlage. Allerdings würde sich auch bei Existenz einer solchen Grundlage keine Rentenerhöhung ergeben.

Hiergegen hat die Klägerin am 8. Januar 2004 Klage erhoben und u.a. vorgetragen, das deutsch-ungarische Sozialversicherungsabkommen sei nicht zutreffend angewandt worden. Ebenso sei nicht berücksichtigt worden, dass sie deutsche Staatsbürgerin sei.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2005 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin ab dem Zeitpunkt des Beitritts Ungarns zur Europäischen Union (EU) am 1. Mai 2004 unter Berücksichtigung der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 neu. Für die Zeit ab 1. Mai 2004 ergab sich danach ein monatlicher Rentenbetrag von 632,29 EUR brutto und ein monatlicher Zahlbetrag von 576,33 EUR. Dabei wurden im Versicherungsverlauf für die zwischenstaatliche Berechnung die Beitragszeiten in Ungarn berücksichtigt (Anlage 2 des Bescheides).

Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 8. August 2006 abgewiesen.

Gegen den der Klägerin am 11. August 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 4. September 2006 Berufung eingelegt. Sie hat u.a. vorgetragen, die ungarischen Zeiten seien nach dem Fremdrentengesetz anzuerkennen. Es sei nicht verständlich, dass sie nach mehr als 35 Jahren Erwerbstätigkeit eine Erwerbsunfähigkeitsrente bekomme, die nicht einmal die Höhe der nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährten Sozialhilfe erreiche.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 8. August 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine höhere Rente ab dem bewilligten Rentenbeginn wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der Beitragszeiten in Ungarn zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Rentenberechnung sei nach geltendem Recht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz, SGG).

Die Berufung ist unbegründet. Streitgegenstand des Verfahrens ist allein, ob die von der Klägerin in Ungarn zurückgelegten Beitragszeiten nach dem deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommen zu einer Erhöhung der Erwerbsunfähigkeitsrente führen.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 5. Dezember 1997. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2003 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2003 sind rechtmäßig. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2003, denen er folgt (§ 136 SGG).

Zu Recht hat die Beklagte darauf abgestellt, dass gemäß Art. 25 Abs. 5 des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens bei der Berechnung der Rente nach deutschen Vorschriften die ungarische Zeit nicht berücksichtigt wird. Die Berechnung der deutschen Rente erfolgt ausschließlich nach innerstaatlichem Recht. Nach Art. 26 Abs. 1 des Abkommens sind Entgeltpunkte nur aus Versicherungszeiten zu ermitteln, die sich nach deutschen Rechtsvorschriften ergeben. Die ungarischen Versicherungszeiten werden lediglich für die Anspruchsprüfung herangezogen, spielen aber für die Rentenberechnung keine Rolle. Die Beklagte hat ferner zu Recht mit den angefochtenen Bescheiden eine Neufeststellung des Rentenanspruches der Klägerin erst ab 1. Mai 2000 vorgenommen, da das Abkommen erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten ist. Art. 40 Abs. 1 lit. a des Abkommens regelt ausdrücklich, dass das Abkommen keinen Anspruch auf Leistungen vor seinem Inkrafttreten begründet.

Da die Klägerin nicht zu dem Personenkreis der §§ 1, 17a FRG zählt, sind die ungarischen Zeiten auch nicht unter diesem Aspekt rentenerhöhend zu berücksichtigen. Allein die Einbürgerung und der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft führen nicht zur Anerkennung der Zeiten nach dem FRG. Die Klägerin unterfällt schließlich nicht dem Personenkreis nach § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung.

Der Bescheid vom 26. Januar 2005 ist nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Mit diesem Bescheid erfolgte eine Neufeststellung der Rente ab 1. Mai 2004 aufgrund des Beitritts Ungarns zur Europäischen Union. Es handelt sich hierbei um einen neuen Streitgegenstand, der den angefochtenen Bescheid weder abändert noch ersetzt.

Die Berufung hat daher keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Rechtskraft
Aus
Saved