S 17 (18,28,24) KN 402/05 KR

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 (18,28,24) KN 402/05 KR
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 161/08 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Sozialgericht Gelsenkirchen

Az.: S 17 (18,28,24) KN 402/05 KR

Verkündet am 29.05.2008

Regierungsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägerin

Prozessbevollmächtigte:

gegen

Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See -Rechtsabteilung-, als Trägerin der knappschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung, vertreten durch die Geschäftsführung, Wasserstraße 215, 44789 Bochum,

Beklagte

In Sachen: E.

hat die 17. Kammer des Sozialgerichts Gelsenkirchen auf die mündliche Verhandlung vom 29.05.2008 durch den Vorsitzenden, den Richter am Sozialgericht H. sowie den ehrenamtlichen Richter B. und den ehrenamtlichen Richter W. für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.826,39 Euro nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinsatz seit dem 13.08.2005 zu zahlen. Die Widerklage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 5.954,87 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten hinsichtlich der Zahlung bzw. Erstattung der Kosten vollstationärer Krankenhausbehandlung.

Der bei der Beklagten versicherte E., wurde vom 26.04.2004 bis zum 15.05.2004 stationär im Krankenhaus behandelt. Durchgeführt wurde operativ ein großer Eingriff am Thorax ohne äußerst schwerde Komorbidität und Komplikation (Exzision erkrankten Gewebes, Mediastinoskopie). Die Klägerin verschlüsselte den von ihr durchgeführten Eingriff mit der DRG E01B in Höhe von insgesamt 5.954,87 Euro. Die Beklagte bezahlte die Rechnung vom 24.05.2004 ohne Beanstandung.

Mit Schreiben vom 27.06.2005 forderte die Beklagte sodann den Betrag zurück, da die von der Klägerin abgerechnete DRG nicht im Versorgungsauftrag des Krankenhauses enthalten sei. Nach zwischenzeitlicher Verrechnung des Gesamtbetrages und anschließender Korrespondenz zwischen den Beteiligten hat die Beklagte unter Zugrundelegung der DRG E02B sodann einen Betrag in Höhe von 3.128,48 Euro überwiesen.

Mit der am 02.11.2005 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des danach wiederum offenen Restbetrages in Höhe von 2.826,39 Euro.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe vorliegend eine Vergütung nach der DRG E01B zu. Zwar sei es zutreffend, dass die DRG E01B nicht in der Vergütungsvereinbarung 2004 vereinbart worden sei. Die Klägerin dürfe aber keinesweg nur die Entgelte abrechnen, auf die man sich in der Vergütungsvereinbarung geeinigt habe. Gemäß § 8 Abs. 1 S. 3 KHEntgG dürften Entgelte nur im Rahmen des Versorgungsauftrages berechnet werden. Der Inhalt des Versorgungsauftrages ergebe sich bei einem Plankrankenhaus nach § 8 Abs. 1 S. 4 KHEntgG aus den Festlegungen des Krankenhausplans i. V. m. den Bescheiden zu seiner Durchführung. Für das Krankenhaus der Klägerin sei nach dem Feststellungsbescheid vom 04.05.2004 die Abteilung Chirurgie im Umfang von 87 Betten ausgewiesen. Unter Berücksichtigung der landesrechtlichen ärztlichen Weiterbildungsordnung konnte die durchgeführte operative Behandlung in der ausgewiesenen Chirurgie der Klägerin sachgemäß innerhalb der Fachgebietsgrenzen durchgeführt werden.

Weder nach dem Landeskrankenhausplan noch dem Feststellungsbescheid bestehe eine Einschränkung dahingehend, dass Krankenhäuser ohne eine ausgewiesene thorax-chirurgische-Abteilung nicht berechtigt seien, thorax-chirurgische Leistungen zu erbringen. Auch nach Auffassung der Bezirksregierung Münster sowie des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen dürften thorax-chirurgische Leistungen innerhalb der allgemeinen Chirurgie erbracht werden, solange diese die Allgemeinchirurgie weder quantitativ noch qualitativ bestimmten, wie dies bei der Klägerin der Fall sei. Weder in diesen Schreiben noch der Weiterbildungsordnung werde zwischen Grundleistungen und speziellen thorax-chirurgischen Leistungen differenziert, die entsprechend ausgewiesenen thorax-chirurgischen Abteilungen vorbehalten seien.

Die Beklagte hat unter dem 21.12.2007 Widerklage erhoben und macht nunmehr die Erstattung des an die Klägerin gezahlten Betrages von 3.128,48 Euro geltend.

Sie vertritt die Auffassung, sie habe die DRG E02B an die Klägerin gezahlt. Für die Vergütung dieser thorax-chirurgischen Grundleistung bestehe jedoch kein Rechtsgrund, da im vorliegenden Behandlungsfall diese DRG nicht dem Behandlungsumfang entspreche und somit die leistungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Abrechnung nicht vorlägen. Die von der Klägerin in Rechnung gestellte DRG E01B hingegen habe nicht abgerechnet werden können, da sie nicht im Versorgungsauftrag des Krankenhauses enthalten sei.

Der Krankenhausplan NRW differenziere für das Fachgebiet der Chirurgie zwischen der Gefäßchirurgie, der Thoraxchirurgie, der Unfallchirurgie und der Viszeralchirurgie. Die Thoraxchirurgie sei als eigenes Teilgebiet ausdrücklich ausgewiesen, wobei diesbezüglich eine überregionale Versorgung vorgesehen sei. Der Anwendungsbereich der DRG E01B umfasse große Eingriffe am Thorax. Diese seien den Krankenhäusern vorbehalten, die einen entsprechenden Versorgungsauftrag hätten und im Landeskrankenhausplan mit Planbetten der Thoraxchirurgie ausgewiesen seien. Dies treffe für das Haus der Klägerin nicht zu. Dementsprechend sei auch mit der Klägerin diese DRG nicht vereinbart worden.

Für die Beklagte sei nicht ersichtlich, dass der Weiterbildungsinhalt der Weiterbildungsordnung für allgemeine Chirurgie auch die Mitwirkung bei thorax-chirurgischen Eingriffen höhere Schwierigkeitsgrade umfasse. Die entsprechende Formulierung beziehe sich ausschließlich auf allgemein-chirurgische Eingriffe. Auch hinsichtlich der Krankenhausplanung ergebe sich die Differenzierung, nach der spezielle Leistungen der Thoraxchirurgie entsprechend ausgewiesenen Abteilungen vorbehalten seien. Könnten Grundleistungen wie auch spezielle Leistungen der Thorax-Chirurgie in Abteilungen der allgemeinen Chirurgie erfolgen, würde eine Differenzierung bei der Krankenhausplanung überhaupt keinen Sinn machen.

Auch unter Qualitätsgesichtspunkten müssten die speziellen thorax-chirurgischen Leistungen den ausgewiesenen Fachabteilungen vorbehalten bleiben, wobei insoweit von einer Unterversorgung in A. und Umgebung nicht ausgegangen werden könne. Dementsprechend sei mit der Klägerin für 2004 nur die Abrechnung der DRG E02A und E02B als Grundleistungen der Thoraxchirurgie vereinbart worden nicht hingegen die speziellen thorax-chirurgischen Leistungen E01A und E01B.

In Ansehung auch der Widerklage hat das Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt, das Herr Dr. B. unter dem 18.01.2008 erstattet hat. Der Sachverständige kommt zusammenfassend zu der Feststellung, die aus der Krankenakte abzuleitende Codierung entspreche aufgrund der medizinisch angezeigten Entfernung des linken Lungenoberlappens sowie der zugehörigen Lymphknotenstationen ohne gleichzeitig vorliegende schwere Begleiterkrankungen dem typischen Leistungsinhalt der DRG E01B. Abgrenzend von der DRG E02B sei hier die maßgebliche Entfernung von Lungengewebe.

Die Klägerin sieht sich abschließend durch den Inhalt des Sachverständigengutachtens in der Richtigkeit der von ihr vorgenommenen Codierung bestätigt und ihren Klageanspruch auch in vollem Umfang als begründet, da die DRG E01B auch zum Versorgungsauftrag des Hauses gehöre.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.826,39 Euro nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.08.2005 zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und widerklagend die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 3.128,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Sachverständige habe die Codierung durch die Klägerin als zutreffend bestätigt. Die DRG E01B gehöre aber gerade nicht zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen und die Akten der Beteiligten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der geltend gemachte Zahlungsanspruch steht der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach zu.

Die Klägerin ist zutreffend und durch den Sachverständigen bestätigt davon ausgegangen, dass die durchgeführte Behandlung nach der DRG E01B abzurechnen war, was durch die Beklagte letztlich auch nicht in Abrede gestellt wird. Die Kammer folgt der Klägerin umfänglich auch dahingehend, dass sie entgegen der Vergütungsvereinbarung 2004 auch zur Erbringung dieser Leistung und Abrechnung gegenüber der Beklagten berechtigt war.

Die Kammer vermag der Beklagten nicht dahingehend zu folgen, dass die Erbringung des entsprechenden thorax-chirurgischen Eingriffs nicht vom Versorgungsauftrag der Klägerin umfasst war. Auch die Kammer vermag eine Differenzierung zwischen thorax-chirurgischen Grundleistungen und speziellen Leistungen, die entsprechenden Fachabteilung vorbehalten wären, weder der Weiterbildungsordnung noch dem Krankenhausplan des Landes NRW zu entnehmen. Die Ausweisung spezieller thorax-chirurgischer Abteilungen entspricht der zunehmenden Spezialisierung und Qualitätsorientierung in der Krankenhausversorgung. Der Umkehrschluss, dass entsprechend spezialisierte Leistungen dann auch nur in derartigen Abteilungen erbracht werden dürfen, scheint der Kammer hingegen nicht zulässig.

Der Beklagten kann dahingehend gefolgt werden, dass insbesondere unter Qualitätsgesichtspunkten die entsprechende Leistungserbringung an größeren Zentren sinnvoller ist, als die Einbeziehung in allgemein-chirurgische Abteilungen. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Krankenkasse insoweit korrigierend oder ergänzend in die Planungshoheit des Landes einzugreifen. Solange im Landeskrankenhausplan lediglich vorgesehen ist, dass die Thoraxchirurgie im Bereich der überregionalen Versorgung vorzuhalten ist, jedoch nicht zugleich ein entsprechender Ausschluss für die örtliche oder überörtliche Versorgung erfolgt und auch in den Feststellungsbescheiden keine entsprechende Beschränkung des chirurgischen Versorgungsauftrages stattfindet, kann die Vergütung der DRG E01B als spezieller thorax-chirurgischer Leistung der Klägerin nicht versagt werden.

Die Kammer kann es dahinstehen lassen, ob die von den Beteiligten beigebrachten Entscheidungen und vertretenen Auffassungen zu den Bereichen der Unfallchirurgie oder Gefäßchirurgie für diese Bereiche zutreffend sind. Die insoweit geführte Diskussion ist ebenfalls nicht abgeschlossen und vermag die Auffassung der Kammer zu dem Bereich der Thoraxchirurgie nicht zu beeinflussen.

Nachdem die Beklagte zur Nachzahlung des ausstehenden Differenzbetrages zu verurteilen war, war ihre Widerklage antragsgemäß abzuweisen.

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 15 Abs. 1 S. 4 des Vertrages nach § 112 S. 2 Nr. 1 SGB V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 193, 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.

Der Gegenstandswert des Verfahrens war entsprechend der Summe des sich aus dem Klageantrag ergebenden Nachforderungsbetrages von 2.826,39 Euro und des widerklagend geltend gemachten Zahlungsbetrages von 3.128,48 Euro auf insgesamt 5.954,87 Euro festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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