L 7 B 662/08 AS PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 751/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 662/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 4. Juli 2008 aufgehoben und dem Beschwerdeführer für das Verfahren S 8 AS 751/07 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung gewährt sowie Rechtsanwalt S. E., B-Stadt, beigeordnet.



Gründe:

I.
Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren wendet sich der Kläger und Beschwerdeführer (Bf.) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 04.07.2008, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren S 8 AS 751/07 und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten abgelehnt wurden.

In der Sache wehrt sich der Bf. dagegen, dass die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Bg.) seit Juni 2007 nicht mehr die tatsächlichen, sondern nur noch die als angemessen erachteten Kosten für Unterkunft berücksichtigt hat. Einen entsprechend ungünstigen Bewilligungsbescheid (vom 27.03.2007) hatte der Bf. zunächst bestandskräftig werden lassen. Die Bewilligung wurde aber durch Bescheid vom 02.06.2007 wegen einer Erhöhung des gesetzlichen Regelbedarfs von 345 auf 347 EUR geändert. Der Prozessbevollmächtigte des Bf. beantragte daraufhin mit Schreiben vom 19.07.2007, den Bescheid vom 02.06.2007 gemäß § 44 SGB X zu überprüfen und statt lediglich 285,96 EUR die tatsächlichen monatlichen Mietkosten in Höhe von 388,57 EUR anzuerkennen. Die Bg. nahm den Antrag zum Anlass, zunächst nur die spezifischen Regelungen des Änderungsbescheids vom 02.06.2007 einer Überprüfung zu unterziehen. Sie kam im Bescheid vom 01.08.2007 zum Ergebnis, insoweit habe sie das Recht zutreffend angewandt. Im Widerspruchsbescheid vom 25.09.2007 traf die Bg. indes eine Zweitentscheidung über die Leistungen für Unterkunft und Heizung ab Juni 2007; dabei kam sie zum gleichen Ergebnis wie im Bewilligungsbescheid vom 27.03.2007.

Sodann kam es zu einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg, welches am 24.07.2008 durch Prozessvergleich erledigt wurde. Es wurde vereinbart, dass die Bg. dem Bf. für den Zeitraum Juni bis September 2007 weitere 30 EUR monatlich an Leistungen für Unterkunft und Heizung zahlen sollte. Demgegenüber hatte das Sozialgericht mit Beschluss vom 04.07.2008 die Bewilligung von PKH und Anwaltsbeiordnung mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt. Die Bg., so das Sozialgericht zur Begründung, habe keinen Anlass gehabt, die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung einer vollständigen Überprüfung seit Juni 2007 zu unterziehen. Dagegen richtet sich die Beschwerde.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antrag des Bf. abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH und die Anwaltsbeiordnung liegen vor.

1. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts muss von einer hinreichenden Erfolgsaussicht ausgegangen werden. Dessen Ansatzpunkt, der Antrag nach § 44 SGB X habe sich nur insoweit ausgewirkt, als der Bescheid vom 02.06.2007 eine modifizierte Regelung getroffen hat, ist unzutreffend. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte des Bf. den Antrag vom 19.07.2007 etwas missverständlich formuliert, indem er gebeten hat, "den Bescheid vom 02.06.2007" zu überprüfen. Aus seinen weiteren Einlassungen sowie aus dem Gesamtkontext ergibt sich jedoch, dass damit die durch den Bescheid vom 02.06.2007 geschaffene Rechtslage einer Überprüfung zugeführt werden sollte. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Bf. anwaltlich vertreten war. Ansonsten würde es keinen Sinn ergeben, dass des weiteren die Berücksichtigung der vollen Kosten für Unterkunft und Heizung beantragt worden ist. Hinzu kommt, dass die Bg. selbst den Antrag in ihrem Widerspruchsbescheid in diesem umfassenden Sinn interpretiert und verbeschieden hat.

Dass materiell-rechtlich eine hinreichende Erfolgsaussicht bestanden hat, wird allein dadurch belegt, dass sich die Parteien im Wege des Vergleichs auf höhere Leistungen verständigt haben. Eine nur teilweise PKH-Bewilligung im Verhältnis des Erfolgs in der Sache wäre nicht opportun.

2. Auch die subjektiven, insbesondere die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH liegen vor. Da die Bg. die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bg. im Monat August 2008 ohnehin kennt, braucht die nachfolgende Berechnung nicht einer gesonderten Anlage zum Beschluss vorbehalten zu bleiben.

Für die Feststellung der subjektiven Voraussetzungen, d.h. der Bedürftigkeit, ist der Zeitpunkt der Entscheidung über das PKH-Gesuch maßgeblich (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage 2005, RdNr. 251). Im Beschwerdeverfahren kommt es für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat an; der Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Sozialgericht ist insoweit unmaßgeblich. Angesichts der Regelung in § 120 Abs. 4 ZPO, wonach eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse grundsätzlich sogar nach erfolgter Bewilligung relevant ist, verbietet es sich, auf einen früheren Zeitpunkt, z.B. auf den der Entscheidungsreife, abzustellen.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt ist dem Bf. Renteneinkommen in Höhe von 622,39 EUR zugeflossen (Bruttorente 692,31 EUR, Krankenversicherungsbeiträge 56,42 EUR, Pflegeversicherungsbeitrag 13,50 EUR). Davon muss der Betrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchstabe a ZPO abgesetzt werden; nach der PKH-Bekanntmachung 2008 vom 12. Juni 2008 (BGBl I, S. 1025) sind das 382 EUR. Weiter sind die Kosten der Unterkunft und Heizung abzusetzen, soweit sie nicht in auffälligem Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO). Ein auffälliges Missverhältnis liegt nicht schon dann vor, wenn die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinn des § 22 Abs. 1 SGB II überschritten sind. Vielmehr muss der Antragsteller im Vergleich zu seinem Lebenszuschnitt deutlich zu viel ausgeben (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., RdNr. 277). Die Wohnung (zwei Zimmer) bewohnt der Bf. seit 1996, als es ihm wohl wirtschaftlich noch besser ging. Für sie fallen eine Kaltmiete von monatlich 306,78 EUR, "kalte" Nebenkosten von 25,56 EUR und eine Vorauszahlung für Heizkosten und Warmwasser von 30,68 EUR an. Bei einer Gesamtbetrachtung stehen die Kosten nicht in einem "auffälligen Missverhältnis". PKH-rechtlich sind sie vielmehr voll zu berücksichtigen, auch wenn dies nach § 22 SGB II anders sein mag. Deshalb spielt keine Rolle, ob man tatsächlich noch den Zufluss der Alg II-Leistungen im August (100,28 EUR) als relevantes Einkommen behandeln darf. Zwar ist Alg II Einkommen (Kalthoener/Büttner/
Wrobel-Sachs, a.a.O., RdNr. 218); jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Bf. die Leistungen für August teilweise zurückerstatten muss. Auf jeden Fall würde das aus Rente und Alg II zusammengesetzte Einkommen vollständig aufgezehrt, so dass PKH ohne Ratenzahlung zu bewilligen ist.

Die Anwaltsbeiordnung beruht auf § 121 Abs. 2 ZPO.

Eine Entscheidung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten unterbleibt wegen § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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