L 25 B 311/08 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 119 AS 12141/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 311/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers werden die Beschlüsse des Sozialgerichts Berlin vom 17. Dezember 2007 und 4. Februar 2008 aufgehoben. Dem Kläger wird für das Verfahren erster Instanz ab dem 13. Oktober 2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nach den hierfür einschlägigen §§ 73a SGG, 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) vor.

Nach § 114 S. 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ent-sprechend für das sozialgerichtliche Verfahren.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren liegen beim Kläger vor, der in der vorliegenden Sozialstreitsache um die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) streitet. Das Sozialgericht hat im angefochtenen Beschluss zu Unrecht eine hinreichende Erfolgsaussicht im vorstehenden Sinn verneint.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebietet in Verbindung mit dem unter anderem in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsstaatsprinzip und dem aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder -verteidigung ins Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe eben dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, Be-schluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. November 2007 – 1 BvR 68/07, 1BvR 70/07, 1 BvR 71/07 -, rech. bei juris Rn. 8 ff.). Deshalb dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden können (BVerfG a.a.O. und Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 1993 - 1 BvR 1523/92 -, NJW 1994, 241, 242). Demnach ist ausgehend vom für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht gegebenenfalls von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG - Kommentar, 9. Auflage 2008, § 73 a Rn. 7a).

Dies zugrunde gelegt ergeben sich vorliegend hinreichende Erfolgsaussichten. Die im angefochtenen Bescheid fehlende Berücksichtigung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs erscheint nicht ohne weiteres rechtmäßig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind für die Bestimmung des Mehrbedarfs stets die im Einzelfall medizinisch begründeten tatsächlichen Kosten für eine besondere Ernährung maßgeblich, die von der Regelleistung nicht gedeckt sind (so etwa BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14/11b AS 3/07 R -, rech. bei juris, Leitsatz und Rn. 16). Hiervon ausgehend bieten sich angesichts der ärztlichen Bescheinigung des den Kläger behandelnden Internisten Dr. P vom 29. Mai 2006 und des Vorbringens des Klägers, laufend 250 EUR monatlich für Vollkost auszugeben, hinreichende Anhaltspunkte, das Bestehen eines tatsächlichen Mehrbedarfs weiter aufzuklären. So kann dem Kläger Gelegenheit gegeben werden, zu den von ihm vorgetragenen ernährungsbedingten Aufwendungen im Einzelnen näher vorzutragen beziehungsweise Nachweise zu erbringen sowie durch Einholung von Befundberichten oder Sachverständigengutachten Beweis zu erheben.

Für eine Mutwilligkeit im Sinne von §§ 73a SGG, 114 S. 1 ZPO liegt nichts vor.

Da die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers erstmals mit den Anlagen zu einem am 13. Oktober 2008 zu den Gerichtsakten gelangten Schriftsatz gemäß § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO glaubhaft gemacht worden sind und mithin erst ab diesem Zeitpunkt Bewilligungsreife gegeben gewesen ist, ist Prozesskostenhilfe erst ab eben diesem Zeitpunkt zu bewilligen gewesen.

Angesichts der schwierigen, von einem Laien wie dem Kläger kaum zu erfassenden Sach- und Rechtslage ist es gemäß §§ 73a SGG, 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlich, dem Kläger seinen Prozessbevollmächtigte als Rechtsanwalt beizuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit §§ 118 Abs. 1 S. 4, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar, § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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